Der Schifferknecht

[152] Am Boden auf dem Rohrgeflecht,

Vom harten Glück verstoßen,

Da ruht der arme Schifferknecht

Mit seinen müden Rossen.


Er haust bei Tag und Nacht am Strand,

Der Herd- und Hüttenlose,

Und ihm gedeiht im Ufersand

Wohl keine Freudenrose.


Die Nacht ist kühl, es braust der Wind,

Still blickt der Mond hernieder;

Die Donau murmelt ihrem Kind

Gewohnte Schlummerlieder.


Sein Schlaf ist süß, er schlürft ihn ein

In starken, tiefen Zügen;

Berauschet ihn, ihr Phantasein,

Aus euren Zauberkrügen![152]


Laßt wandeln ihn am Wiesenhang

Im goldnen Morgenscheine,

Und ihm ertöne Vogelsang

Im aufgeblühten Haine!


Gebt ihm ein Häuschen still und traut,

Umrankt von grünen Bäumen,

Und eine schöne junge Braut

Gebt ihm in seinen Träumen!


Beim Hüttchen auf der Abendbank,

Da sitzen selig beide;

Heimkehrt mit frohem Glockenklang

Die Herde von der Weide.


Nun hört er nicht der Pferde Huf

Und nicht die Geißel knallen,

Hört nicht der Schiffer langen Ruf

Im fernen Wald verhallen.


Er sieht nicht, wie vom Strand hinab

Den armen Kameraden

Samt seinem Roß ins Wellengrab

Fortreißt der arge Faden.

Quelle:
Nikolaus Lenau: Sämtliche Werke und Briefe. Band 1, Leipzig und Frankfurt a.M. 1970, S. 152-153.
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