Zweite Szene

[11] Geheimer Rat. Major.


MAJOR. Was willst du denn? Ist das nicht ein ganz artiges Männichen?

GEHEIMER RAT. Artig genug, nur zu artig. Aber was soll er deinen Sohn lehren?[11]

MAJOR. Ich weiß nicht, Berg, du tust immer solche wunderliche Fragen.

GEHEIMER RAT. Nein aufrichtig! du mußt doch eine Absicht haben, wenn du einen Hofmeister nimmst und den Beutel mit einemmal so weit auftust, daß dreihundert Dukaten herausfallen. Sag mir, was meinst du mit dem Geld auszurichten; was foderst du dafür von deinem Hofmeister?

MAJOR. Daß er – was ich – daß er meinen Sohn in allen Wissenschaften und Artigkeiten und Weltmanieren – Ich weiß auch nicht, was du immer mit deinen Fragen willst; das wird sich schon finden; das werd ich ihm alles schon zu seiner Zeit sagen.

GEHEIMER RAT. Das heißt: du willst Hofmeister deines Hofmeisters sein; bedenkst du aber auch, was du da auf dich nimmst – Was soll dein Sohn werden, sag mir einmal?

MAJOR. Was er ... Soldat soll er werden; ein Kerl, wie ich gewesen bin.

GEHEIMER RAT. Das letzte laß nur weg, lieber Bruder; unsere Kinder sollen und müssen das nicht werden, was wir waren: die Zeiten ändern sich, Sitten, Umstände, alles, und wenn du nichts mehr und nichts weniger geworden wärst, als das leibhafte Kontrefei deines Eltervaters – –

MAJOR. Potz hundert! wenn er Major wird und ein braver Kerl wie ich und dem König so redlich dient als ich!

GEHEIMER RAT. Ganz gut, aber nach funfzig Jahren haben wir vielleicht einen andern König und eine andre Art ihm zu dienen. Aber ich seh schon, ich kann mich mit dir in die Sachen nicht einlassen, ich müßte zu weit ausholen und würde doch nichts ausrichten. Du siehst immer nur der graden Linie nach, die deine Frau dir mit Kreide über den Schnabel zieht.

MAJOR. Was willst du damit sagen, Berg? Ich bitt dich, misch dich nicht in meine Hausangelegenheiten, so wie ich mich nicht in die deinigen. – Aber sieh doch! da läuft ja[12] eben dein gnädiger Junker mit zwei Hollunken aus der Schule heraus. – Vortreffliche Erziehung, Herr Philosophus! Das wird einmal was Rechts geben! Wer sollt es in aller Welt glauben, daß der Gassenbengel der einzige Sohn Sr. Excellenz des königlichen Geheimen Rats – –

GEHEIMER RAT. Laß ihn nur – Seine lustigen Spielgesellen werden ihn minder verderben als ein galonierter Müßiggänger, unterstützt von einer eiteln Patronin.

MAJOR. Du nimmst dir Freiheiten heraus. – Adieu.

GEHEIMER RAT. Ich bedaure dich.


Quelle:
Jakob Michael Reinhold Lenz: Werke und Schriften. Band 2, Stuttgart 1965–1966, S. 11-13.
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