Fünfte Szene

[20] Fritz von Berg. Augustchen.


FRITZ. Sie werden nicht Wort halten Gustchen: Sie werden mir nicht schreiben, wenn Sie in Heidelbrunn sind, und dann werd ich mich zu Tode grämen.

GUSTCHEN. Glaubst du denn, daß deine Juliette so unbeständig sein kann? O nein; ich bin ein Frauenzimmer; die Mannspersonen allein sind unbeständig.

FRITZ. Nein, Gustchen, die Frauenzimmer allein sind's. Ja wenn alle Julietten wären! – Wissen Sie was? Wenn Sie an mich schreiben, nennen Sie mich Ihren Romeo; tun Sie mir den Gefallen: ich versichere Sie, ich werd in allen Stücken Romeo sein, und wenn ich erst einen Degen trage! O ich kann mich auch erstechen, wenn's dazu kommt.

GUSTCHEN. Gehn Sie doch! Ja Sie werden's machen, wie im Gellert steht: Er besah die Spitz' und Schneide, und steckt' ihn langsam wieder ein.

FRITZ. Sie sollen schon sehen. Faßt sie an die Hand. Gustchen – Gustchen! wenn ich Sie verlieren sollte oder der Onkel wollte Sie einem andern geben. – Der gottlose Graf Wermuth! Ich kann Ihnen den Gedanken nicht sagen Gustchen, aber Sie könnten ihn schon in meinen Augen lesen – Er wird ein Graf Paris für uns sein.

GUSTCHEN. Fritzchen – – so mach ich's wie Juliette.

FRITZ. Was denn? – Wie denn? – Das ist ja nur eine Erdichtung; es gibt keine solche Art Schlaftrunk.

GUSTCHEN. Ja, aber es gibt Schlaftrünke zum ewigen Schlaf.

FRITZ fällt ihr um den Hals. Grausame!

GUSTCHEN. Ich hör meinen Vater auf dem Gange – Laß uns in den Garten laufen! – Nein; er ist fort. – Gleich nach dem Kaffee Fritzchen reisen wir, und sowie der Wagen dir aus den Augen verschwindt, werd ich dir auch schon aus dem Gedächtnis sein.[20]

FRITZ. So mag Gott sich meiner nie mehr erinnern, wenn ich dich vergesse. Aber nimm dich für den Grafen in Acht, er gilt soviel bei deiner Mutter, und du weißt, sie möchte dich gern aus den Augen haben, und eh ich meine Schulen gemacht habe und drei Jahr auf der Universität, das ist gar lange.

GUSTCHEN. Wie denn Fritzchen! Ich bin ja noch ein Kind: ich bin noch nicht zum Abendmahl gewesen, aber sag mir. – O wer weiß, ob ich dich sobald wiederspreche! – Wart, komm in den Garten.

FRITZ. Nein, nein, der Papa ist vorbei gegangen. – Siehst du, der Henker! er ist im Garten. – Was wolltest du mir sagen?

GUSTCHEN. Nichts ...

FRITZ. Liebes Gustchen ...

GUSTCHEN. Du solltest mir – Nein, ich darf das nicht von dir verlangen.

FRITZ. Verlange mein Leben, meinen letzten Tropfen Bluts.

GUSTCHEN. Wir wollten uns beide einen Eid schwören.

FRITZ. O komm! Vortrefflich! Hier laß uns niederknien, am Kanapee, und heb du so deinen Finger in die Höh und ich so meinen. – Nun sag, was soll ich schwören?

GUSTCHEN. Daß du in drei Jahren von der Universität zurückkommen willst und dein Gustchen zu deiner Frau machen; dein Vater mag dazu sagen, was er will.

FRITZ. Und was willst du mir dafür wieder schwören, mein engliches ...


Küßt sie.


GUSTCHEN. Ich will schwören, daß ich in meinem Leben keines andern Menschen Frau werden will als deine, und wenn der Kaiser von Rußland selber käme.

FRITZ. Ich schwör dir hunderttausend Eide – Der geheime Rat tritt herein: beide springen mit lautem Geschrei auf.[21]


Quelle:
Jakob Michael Reinhold Lenz: Werke und Schriften. Band 2, Stuttgart 1965–1966, S. 20-22.
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