Fünfte Szene

[83] Zu Königsberg in Preußen. Geheimer Rat, Gustchen, Major stehn in ihrem Hause am Fenster.


GEHEIMER RAT. Ist er's?

GUSTCHEN. Ja, er ist's.

GEHEIMER RAT. Ich sehe doch, die Tante muß ein lüderliches Mensch sein, oder sie hat einen Haß auf ihre Nichte geworfen und will sie mit Fleiß ins Verderben stürzen.

GUSTCHEN. Aber Onkel, sie kann ihm doch das Haus nicht verbieten.

GEHEIMER RAT. Auf das, was ich ihr gesagt? – Wer will's ihr übel nehmen, wenn sie zu ihm sagte: Herr von Seiffenblase, Sie haben sich auf einem Kaffeehause verlauten lassen, Sie wollten meine Nichte zu Ihrer Mätresse machen, suchen Sie sich andre Bekanntschaften in der Stadt; bei mir kommen Sie unrecht: meine Nichte ist eine Ausländerin, die meiner Aufsicht anvertraut ist; die sonst keine Stütze hat; wenn sie verführt würde, fiel' alle Rechenschaft auf mich. Gott und Menschen müßten mich verdammen.

MAJOR. Still Bruder! Er kommt heraus und läßt die Nase erbärmlich hängen. Ho, ho, ho, daß du die Krepanz! Wie blaß er ist.

GEHEIMER RAT. Ich will doch gleich hinüber und sehn was es gegeben hat.[83]


Quelle:
Jakob Michael Reinhold Lenz: Werke und Schriften. Band 2, Stuttgart 1965–1966, S. 83-84.
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