Zweite Szene

[109] In Dresden.

Graf Camäleon. Sein Verwalter.


GRAF. Ihr müßt die Gebäude innerhalb vier Monaten fix und fertig liefern, mag's kosten was es wolle, daß der Hauptmann Biederling noch vor der Saatzeit seine Pacht antreten kann.

VERWALTER. Und ist's nicht erlaubt zu fragen, was er Sie zahlt?

GRAF. Darum bekümmert Euch nicht, wir sind eins worden, die Sache ist nicht mehr rückgängig zu machen.

VERWALTER. Wenn ich Ihnen aber einen stelle, der mehr zahlen tut, als der Hauptmann zahlen wird; verzeihen[109] Sie mir, gnädiger Herr! ich rede aufrichtig, ich weiß, was aus dem Gute zu machen ist, wer's versteht, darnach hab ich eine Schenke in Naumburg und der Weinbau und das Dings alles – es kann Ihnen keiner so viel zahlen als ich, Herr Graf. Das ist nur nichts.

GRAF. Ein für allemal.

VERWALTER. Wenn ich Sie aber noch einmal so viel biete.

GRAF. Er bietet mir gar nichts, daß Ihr's wißt und mich zufrieden laßt. Er ist mein guter Freund, und ich hab ihn unter meinen Pachtgütern eins aussuchen lassen, das zu seinen ökonomischen Projekten am gelegensten ist.

VERWALTER. Was ökonomische Projekte, er bringt sich um Hab und Gut, der gute Herr Hauptmann, dazu muß man einen ganz andern Beutel haben als er –

GRAF. Schweigt und gehorcht.

VERWALTER. O Himmel! die Gräfin kommt.


Donna Diana mit zerstreutem Haar tritt herein. Der Graf springt auf.


GRAF. Was gibt's, Donna?

DONNA. Meines Lebens nicht sicher.

GRAF. Was denn? wo kommen Sie her?

DONNA wirft sich in einen Stuhl. Gustav – verfluchter Graf! was hast du für Bediente?

GRAF. Gustav – Ihnen nach dem Leben?

DONNA. Hätt ich nicht Gegengift bei mir gehabt, so wär's aus jetzt.

GRAF. Wo ist er?

DONNA. In der Welt. Mit Kutsch und Pferden fort. Wir waren zwei Stund von Dresden, er machte mir Schokolate, und als ich nicht geschwind genug sterben wollte, griff er mir an Hals und –

GRAF. Gift –

DONNA. Auf mein Geschrei der Wirt. Er sagt, er hätte mich wollen zum Erbrechen bringen. Und derweil der Wirt mir Hülf schaffte, springt er auf den Bock und fort –[110]

GRAF. Nachgesetzt Leute, augenblicks –


Mit dem Verwalter ab.


DONNA. Wenn ich dem Kerl nur in meinem Leben was zu Leide getan hätte! Es ärgert mich nichts mehr, als daß er mich unschuldiger Weise umbringen will. Hätt ich das gewußt, ich hätt ihm die Augen im Schlafe ausgestochen, oder Sukzessionspulver eingegeben, so hätt er doch Ursache an mir gehabt. Aber unschuldiger Weise – – ich möchte rasend werden.


Quelle:
Jakob Michael Reinhold Lenz: Werke und Schriften. Band 2, Stuttgart 1965–1966, S. 109-111.
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