Zehnte Szene

[158] Ein Saal. Gedeckte Tafel.

Bediente. Eine Gesellschaft Bettler und Pöbel um den Tisch herum schmausend.


EIN BUCKLIGTER. Des Prinzen Gesundheit, ihr Herren!

LAHMER. Ein braver Herr! Gott tröst ihn!

BLINDER. Wenn mir Gott nur die Gnade verleihen wollt, ihn von Angesicht zu sehen.

EIN ANDERER BLINDER. Ich wünscht ihn nicht zu sehen, er soll ja immer so traurig aussehn und das würd mir das Herz brechen.[158]

LAHMER. Er soll ein wunderschön Weib verloren haben. Ja ja, der Tod will auch was Saubers haben, die lahmen Hunde läßt er leben. Schenkt sich ein. Ihre Gesundheit Leut, trinkt ihre Gesundheit. Stoßen an.

BLINDER. Wo seid ihr, ich will auch anstoßen!

LAHMER. Ihr nicht, sonst begießt Ihr uns die Hosen.

PRINZ TANDI kommt herein. Was macht ihr? wen gilt's?

LAHMER steht auf. Herr, Ihr kommt zu rechter Zeit Schenkt sich ein. ich muß Euch was ins Ohr sagen, gnädiger Herr.


Hinkt auf der Krücke zu ihm.


PRINZ geht ihm entgegen. So bleibt doch, ich kann ja zu Euch kommen. Beide bleiben mitten in der Stube stehen.

LAHMER hebt das Glas in die Höhe. Herr Prinz! Gott wird mich erhören, ich trink eine Gesundheit, die sich nicht sagen läßt, aber sie geht mir von Herzen, Gott weiß!

PRINZ. Wessen denn? heraus damit.

LAHMER. Ja verstellt Euch nur, Ihr wißt wohl, wen ich meine. Es lebe – haben Sie die werten Eltern noch am Leben? nun so gehen die voran Trinkt das Glas aus. aber das war noch nicht das rechte. Wieder zum Tisch und schenkt sich ein.

PRINZ. Ich wollt, ich könnte dir die Füße wiedergeben.

LAHMER. Braucht sie nicht – Hinkt aber zum Prinzen, das Glas hoch. Es lebe – es lebe – es lebe Bei ihm. Euer allerdurchlauchtigster Schatz.


Trinkt. Prinz schleunig ab.


ALLE. Des Prinzen Schatz! Werfen die Gläser aus dem Fenster.


Herr von Biederling und der Magister treten herein.


HERR VON BIEDERLING. Ei der Hagel! was ist das? bald möcht ich lachen.

MAGISTER. Orientalisch! orientalisch!

LAHMER. Kommt ihr müßt mit uns trinken. Bringt Biederling ein Glas. Geschwind, kein Cerimoniums! und Ihr Herr Schwarzrock, du Buckel! hol's Glas her, hurtig.[159]

HERR VON BIEDERLING. Aber Ihr seid mir ein schlechter Kredenzer, Ihr habt mir das Glas halb ausgeschüttet.

LAHMER. Und Ihr jagt das Glas so in Hals, ohn einmal dabei zu sagen: auf des Prinzen Wohlsein? Wollt Ihr den Augenblick sagen oder –


Hebt den Stock und fällt überlang.


HERR VON BIEDERLING. Ha ha ha, auf des Prinzen Wohlsein. Zum Magister. Hören Sie, das Ding geht mir durchs Herz, ich könnte weinen darüber.

MAGISTER trinkt. Auf des Prinzen Wohlsein.

HERR VON BIEDERLING zu einem Bedienten. Geht sagt meinem Sohne, ich möcht ihn sprechen.

LAHMER. Was denn? Euer Sohn? nu so Wirft die Krücke in die Höh und fällt wieder zu Boden. nu so – Ist's wahr, daß Ihr sein Papa seid? Das wird ihm Freude machen, das wird ihm Freude machen, ich hab Eure Gesundheit trunken, Gott hat mein Gebet erhört. – Sauft Brüder, sauft! wenn mir einer hundert Taler geschenkt hätte, so vergnügt hätte es mich nicht gemacht.


Quelle:
Jakob Michael Reinhold Lenz: Werke und Schriften. Band 2, Stuttgart 1965–1966, S. 158-160.
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