Neunte Szene

[157] Ein Kaffeehaus in Leipzig.

Herr von Biederling und Magister rauchen Tabak, der Kaffeewirt steht vor ihnen, schenkt ihnen ein.


KAFFEEWIRT. Ja es ist ein eigener Hecht, wir haben hier viel gehabt, aber von der Espèce nicht. Da war einer, der hundert tausend Gulden hier jährlich verzehrt hat und lag den ganzen Tag bei Keinerts, aber er machte nichts, behüte Gott! er hatte sein Buch in der Hand und studierte dort, der selige Professor Gellert selber hat ihm das Zeugnis gegeben, er sei der geschickteste Mann unter allen seinen Zuhörern gewesen.

HERR VON BIEDERLING. Und wissen nicht, wo er itzt logiert?

KAFFEEWIRT. Der Prinz aus Arabien? ei nun, das wollen wir bald wissen. Sie dürften nur im Vorbeigehn im Blauen Engel nachfragen, da werden Sie Wunderdinge von ihm hören. Alle Tage, sag ich Ihnen, ist Assemblee bei ihm von Buckligten, Lahmen, Blinden, fressen und[157] saufen auf seine Rechnung, als ob sie in einem Feenschloß wären, denn ihn kriegt man nie zu sehen. Ich sagte neulich zum Herrn Gevatter im Engel: Weiß er denn nicht, daß in Arabien viel Brahminen, oder wie heißen die Mönche da, die tun oft dergleichen Gelübde und ziehn in der Welt herum.

MAGISTER. O der Einfalt!

KAFFEEWIRT. He he he, Herr Magister! Sie müssen mich derhalben nicht auslachen, ich rede von den Sachen, wie ich's verstehe. Andere wollen sagen, er hab ein Duell gehabt, und um sich das Gewissen etwas leichter zu machen – das ist wahr, daß er was auf dem Herzen haben muß, denn ich hab ihn einmal gesehen, da sah er aus, Gott verzeih mir, wie ein Eccehomo.

HERR VON BIEDERLING eben im Trinken begriffen, läßt die Tasse aus der Hand fallen. Herr! warum erzählt Er mir das?

KAFFEEWIRT. Ja so – ich wußte nicht, daß Sie den Herrn kennten, ich bitt um Verzeihung. – Marqueur, lauft gleich in Engel, fragt nach, wo der fremde Prinz logiert, der vorige Woche ankommen ist.


Quelle:
Jakob Michael Reinhold Lenz: Werke und Schriften. Band 2, Stuttgart 1965–1966, S. 157-158.
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