34.
In einem Gärtgen am Contade als der Dichter gebadet hatte mit Bleyfeder auf eine Karte geschmiert

[121] Erlaube mir du freundlichster der Wirthe,

Du Bild der Gottheit, daß ich diese Myrthe

Verflecht' in dein verzoddelt Haar.

In deinem Gärtgen, das du selbst erzogen,

Sing ich für dich was hunderte gelogen:

Beatus ille – und was keiner war.


Für meine funfzehn Sols nehm' ich die Stelle

Von dir auf eine Stunde ein. –

Denn sieh, ich komm' aus Aganippens Quelle

Und bin von jeder Sorge rein,

Von jeder Leidenschaft. In diesem Augenblicke

Schickt mich die Gottheit her dir zu zusehn,

Ganz Herz und Ader für dein Glücke,

Und sind es unaussprechlich schön.[121]


Das muß gesungen seyn. Da alles singet

In unsern Tagen, schwieg ich lang.

Die Freude dacht ich, welche klinget,

Verliert sich schneller als ihr Klang.

Doch deine stille Lust, die niemand neidet,

Die niemand fühlt als du allein und ich,

Wird die mit einem Lied umkleidet,

Erhöht vielleicht – verbessert sich.


Was hält mich ab, mein Liedel dir zu zeigen?

Ach du verstehst es nicht – doch zeig ichs hier

Den Bäumen, die wie du ihr Glück verschweigen.

Heut Abend sitz hieher, dann rauschen sie es dir.

Quelle:
Jakob Michael Reinhold Lenz: Gedichte, Berlin 1891, S. 121-122.
Lizenz:
Kategorien: