61.
Yarrows Ufer

[161] Schottische Ballade.


Mein Bruder Douglaß laß ihn stolzieren stolzieren,

Mit harten Worten mich bedräuen!

Mein's Liebeleins Blut ist an deinem Speer,

Wie kannst du gottloser Mensch nach mir freyen?


Ja rüstet rüstet nur das Hochzeitsbett,

Ja deckt nur feine Leintücher drüber,

Ja macht nur auf die Thür dem Bräutigam

Und laßt ihn herein ins Schlafgemach kommen!


Aber wer ist wer ist der Bräutigam?

Sind seine Hände nicht naß, von Blut naß?

Und wer kommt hinter ihm, heiliger Gott!

Bleich ein Gespenst ganz blutig blutig?


So bleich er ist, ach legt ihn her zu mir,

Sein kaltes Haupt auf meinen Kissen!

Nehmt ab nehmt ab die Hochzeitslumpen mir

Und bindt mir Rosmarin um die Schläfe!


So bleich du bist, ach doch mir lieb lieb lieb!

Ach könnt ich Wärm und Othem dir geben!

Lieg lieg die ganze Nacht lang an meiner Brust,

Wo noch vor dir kein Bube gelegen.[162]


Bleich bleich in Wahrheit, liebe Liebe du!

Vergieb vergieb dem gottlosen Mörder

Und bleib mir liegen an dieser meiner Brust!

Dort soll kein Bube mehr nach mir liegen.


A.


O komm komm wieder trauriges Bräutlein!

Vergiß vergiß dein mächtiges Herzleid!

Dein Liebster hört deinen Seufzer ja nit,

Liegt ja tod am Ufer vom Yarro.

Quelle:
Jakob Michael Reinhold Lenz: Gedichte, Berlin 1891, S. 161-163.
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