Achtes Kapitel

[489] Von der Revolution in Portugal und dem Sturz des Grafen-Herzogs


Wenige Tage nach der Heimkehr des Königs verbreitete sich in Madrid eine ärgerliche Nachricht: man erfuhr, daß die Portugiesen den Aufstand der Katalanen als eine schöne Gelegenheit ergriffen, das spanische Joch abzuschütteln. Sie waren unter die Waffen getreten und hatten den Herzog von Braganza zum König gewählt; sie wollten ihn auf dem Thron verteidigen und rechneten darauf, es durchzusetzen, da Spanien gerade in Deutschland, Italien, Flandern und Katalonien gegen Feinde zu kämpfen hatte. Sie konnten denn freilich keinen günstigeren Augenblick finden, sich von einer verhaßten Herrschaft zu befreien.

Das Sonderbare dabei aber war dies: während Hof und Stadt über diese Nachricht bestürzt waren, wollte der Graf-Herzog mit dem König über den Herzog von Braganza scherzen. Nun kehren Spöttereien am unrechten Ort ihre Spitze meist gegen die, die sie entsenden. Philipp setzte, statt auf die schlechten Scherze einzugehn, eine ernste Miene auf, die seinem Minister die Fassung raubte und ihn seinen nahen Sturz ahnen ließ. Der Graf-Herzog zweifelte nicht mehr daran, als er erfuhr, daß die Königin sich offen gegen ihn erklärt hatte und ihn laut beschuldigte, er hätte den Aufstand in Portugal durch seine schlechte Verwaltung verschuldet. Kaum merkten[489] die Granden, und vor allem die, die in Saragossa gewesen waren, daß sich über dem Haupt des Ministers ein Gewitter zusammenzog, als sie sich der Königin anschlossen. Der letzte Schlag gegen seine Stellung aber wurde geführt, als die Herzoginwitwe von Mantua, bislang Statthalterin von Portugal, von Lissabon nach Madrid kam und dem König deutlich nachwies, daß die Revolution einzig durch seines Ministers Schuld ausgebrochen war.

Die Worte dieser Prinzessin machten den denkbar tiefsten Eindruck auf den Monarchen, der seine Narrenliebe zu dem Günstling endlich aufgab und jede Zuneigung zu ihm verlor. Als der Minister erfuhr, daß der König seine Feinde anhöre, ließ er sich einfallen, ihm einen Brief zu schreiben und ihn um Erlaubnis zu bitten, daß er sein Amt niederlege und sich vom Hofe entferne, da man ihm das Unrecht antue, ihm an allem Unglück, das die Monarchie während seines Ministeriums betroffen habe, schuld zu geben. Er bildete sich ein, dieser Brief werde große Wirkung tun, denn er glaubte, der Fürst bewahre ihm immer noch so viel Freundschaft, daß er nicht in seine Entfernung willigte; aber Seine Majestät antwortete nur, daß sie ihm die erbetene Erlaubnis gebe und daß er sich zurückziehn könne, wohin er wolle.

Diese vom König eigenhändig geschriebenen Worte wirkten wie ein Blitzschlag auf den Minister, der alles andre eher erwartet hätte. Aber trotz seiner Betäubung spielte er den Unerschütterlichen und fragte mich, was ich an seiner Stelle tun würde. Ich würde mich fügen, sagte ich; ich würde den Hof verlassen und auf eins meiner Güter gehn, um dort in Ruhe den Rest meiner Tage zu verleben. Dein Rat ist gut, erwiderte mein Herr, und ich gedenke, meine Laufbahn in Loeches zu beschließen, nachdem ich den König nur noch ein einziges Mal gesprochen habe. Ich möchte ihm nur nochmals zeigen, daß ich das Menschenmögliche getan habe, meine schwere Bürde nach Kräften zu tragen, daß es aber[490] nicht bei mir stand, die traurigen Ereignisse, die man mir zum Vorwurf macht, zu verhindern, denn daran bin ich so wenig schuld wie ein geschickter Lotse daran, daß ihm Wind und Wellen allem, was er tun kann, zum Trotz sein Schiff entführen. Der Minister hoffte immer noch, er könnte die Dinge durch eine Unterredung mit dem Fürsten wieder ins Geleise bringen und das verlorene Terrain zurückerobern; aber er konnte nicht einmal mehr eine Audienz erlangen, ja man forderte ihm den Schlüssel ab, mit dessen Hilfe er, wann er wollte, das Gemach Seiner Majestät betreten konnte.

Da gab er jede Hoffnung auf und entschloß sich ernstlich zum Rücktritt. Er sah seine Papiere durch und verbrannte aus Vorsicht eine Menge davon; dann bestimmte er die Dienerschaft seines Hauses, die ihm folgen sollte, gab alle Befehle für seinen Aufbruch und setzte ihn auf den folgenden Tag fest. Da er beim Auszug aus dem Palast vom Pöbel beschimpft zu werden fürchtete, so schlich er sich frühmorgens zur Küchentür hinaus, stieg mit seinem Beichtvater und mir in einen schlechten Wagen und schlug unbemerkt den Weg nach Loeches ein, einem Dorf, dessen Gutsherr er war und in dem die Gräfin, seine Frau, ein prachtvolles Nonnenkloster des Dominikanerordens hatte errichten lassen. Wir waren in kaum vier Stunden dort, und das ganze Gefolge traf bald nach uns ein.

Quelle:
Le Sage, Alain René: Die Geschichte des Gil Blas von Santillana. Wiesbaden 1957, S. 489-491.
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