Siebentes Kapitel

[486] Von der Reise des Königs nach Saragossa


Derweilen bildete sich im Palast ein geheimer Bund gegen den Grafen-Herzog, dessen Haupt die Königin selbst sein sollte. Freilich drang von den Maßnahmen, die die Verbündeten ergriffen, um den Minister zu verdrängen, noch nichts ins Publikum. Es verstrich sogar noch mehr als ein Jahr, ohne daß ich das geringste von einer Erschütterung seiner Gunst zu merken vermochte.

Aber der von Frankreich unterstützte Aufstand der Katalanen und die schlechten Erfolge im Kriege gegen die Rebellen weckten ein Murren im Volk, das sich über die Regierung beklagte. Diese Klagen hatten die Abhaltung eines Kronrats zur Folge, und Seine Majestät wollte, daß der Marquis von Grana, der Gesandte des Kaisers am spanischen Hofe, anwesend sei. In diesem Kronrat wurde erwogen, ob es geratener[486] sei, daß der König in Kastilien verbleibe oder daß er nach Aragonien gehe, um sich seinen Truppen zu zeigen. Der Graf-Herzog, der den König nicht zum Heer aufbrechen lassen wollte, sprach als erster. Er legte dar, es zieme sich mehr für Seine Majestät, das Zentrum seiner Staaten nicht zu verlassen, und er stützte seine Meinung mit allen Gründen, die ihm seine Beredsamkeit zu liefern vermochte. Er hatte seine Rede kaum beendet, so schlossen sich alle am Rat Beteiligten seiner Ansicht an, mit der einzigen Ausnahme des Marquis von Grana, der nur seinem Eifer für das Haus Österreich gehorchte, sich nach Art seines Volkes offen aussprach, die Meinung des ersten Ministers bekämpfte und die gegenteilige Ansicht mit solcher Gewalt vertrat, daß sich der König, gepackt von der Kraft seiner Schlüsse, seiner Meinung anschloß, obgleich sie allen Stimmen des Kronrats zuwiderlief, und sofort den Tag seines Aufbruchs zum Heer festsetzte.

Es war das erstemal in seinem Leben, daß der Monarch anders zu denken wagte als sein Günstling, und da dieser die Neuerung als eine schimpfliche Kränkung ansah, so war er sehr bestürzt. Als er sich in sein Kabinett zurückziehn wollte, um sich dort ungestört seinem Groll hinzugeben, sah er mich, rief mich, ließ mich mit ihm eintreten und erzählte mir aufgeregt, was im Kronrat vorgefallen war; dann fuhr er wie jemand fort, der sich von seinem Staunen nicht erholen kann: Ja, Santillana, der König, der seit mehr als zwanzig Jahren nur durch meinen Mund redet und durch meine Augen sieht, hat Granas Ansicht vor meiner den Vorzug gegeben, und noch dazu wie! indem er den Gesandten mit Lob überhäufte und vor allem seinen Eifer für das Haus Österreich pries, als zeigte dieser Deutsche mehr Eifer als ich!

Daraus ist leicht zu schließen, fuhr der Minister fort, daß sich eine Partei gegen mich gebildet hat, und ich habe allen Grund zu der Annahme, daß die Königin ihr Haupt ist. O Euer Gnaden, rief ich, worüber macht Ihr Euch Sorge! Braucht[487] Ihr die Königin zu fürchten? Ist diese Fürstin nicht seit mehr als zwölf Jahren gewohnt, Euch in den Geschäften herrschen zu sehn, und habt Ihr den König nicht daran gewöhnt, sie nie zu Rate zu ziehn? Was den Marquis von Grana angeht, so hat sich der Monarch vielleicht seiner Meinung nur angeschlossen, weil er seine Armee zu sehn und einen Feldzug mitzumachen wünscht. Das ist es nicht, unterbrach mich der Graf-Herzog; sage vielmehr, meine Feinde hoffen, der König werde unter seinen Truppen stets von den Granden umgeben sein, die ihm folgten, und mehr als einer werde sich unter ihnen finden, der mit mir unzufrieden genug ist, den König durch seine Reden gegen mich zu beeinflussen. Aber sie täuschen sich, fuhr er fort; ich werde ihn während der Reise allen Granden unzugänglich zu machen wissen. Und er tat es wirklich auf eine Art, die geschildert zu werden verdient.

Als der Tag des Aufbruchs gekommen war, zog der König, nachdem er der Königin für die Zeit seiner Abwesenheit die Regierung übertragen hatte, nach Saragossa; aber zuvor kam er durch Aranjuez, und er fand den Aufenthalt dort so köstlich, daß er mehr als drei Wochen blieb. Von Aranjuez ließ der Minister ihn nach Cuenza ziehn, wo er ihn durch Vergnügungen noch länger hinhielt. Dann nahmen im arogonischen Molina die Genüsse der Jagd den König in Anspruch; und schließlich wurde er nach Saragossa geführt. Sein Heer stand nicht weit von dort, und er rüstete sich, zu ihm zu stoßen; aber der Graf-Herzog benahm ihm die Lust, indem er ihn glauben machte, er setze sich der Gefahr aus, von den Franzosen, die Herren der Ebene von Monzon waren, gefangengenommen zu werden; so blieb der König aus Angst vor einer Gefahr, die er keineswegs zu fürchten hatte, lieber wie in ein Gefängnis eingeschlossen. Der Minister nutzte seine Angst aus und behielt ihn unter dem Vorwand, er wache über seine Sicherheit, sozusagen ständig im Auge. So hatten die Granden, die sich unter großem Aufwand darauf[488] eingerichtet hatten, dem König zu folgen, nicht einmal die Genugtuung einer geheimen Audienz genossen. Schließlich verdroß es Philipp, daß er in Saragossa schlecht wohnte und sich noch schlechter unterhielt oder gewissermaßen Gefangener war, und so kehrte er bald nach Madrid zurück. Der Feldzug des Königs endete damit, daß er es dem Marquis de los Velez, dem General seiner Truppen, überließ, die Ehre der spanischen Waffen zu wahren.

Quelle:
Le Sage, Alain René: Die Geschichte des Gil Blas von Santillana. Wiesbaden 1957, S. 486-489.
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