Fünftes Kapitel

[25] Vom Eintreffen mehrerer weiterer Räuber in der Höhle


Als der Herr Rolando also gesprochen hatte, erschienen sechs neue Gesichter im Saal. Es waren der Leutnant und fünf Leute der Bande, die mit Beute beladen nach Hause kamen.[25] Sie brachten zwei Körbe voll Zucker, Zimt, Pfeffer, Feigen, Mandeln und getrocknete Trauben mit. Der Leutnant richtete das Wort an den Hauptmann und sagte ihm, er habe diese Körbe wie auch ein Maultier einem Krämer aus Benavente abgenommen. Nachdem er über seinen Streifzug Bericht erstattet hatte, wurde die Beute in die Vorratskammer gebracht. Dann sprach man von nichts mehr als einem Freudenfest. Man deckte im Saal eine große Tafel und schickte mich in die Küche, wo die alte Leonharde mir mitteilte, was ich zu tun hätte. Ich fügte mich der Notwendigkeit, da mein arges Schicksal es so wollte; und indem ich meinen Schmerz hinunterwürgte, machte ich mich bereit, diese Ehrenmänner zu bedienen.

Ich begann mit dem Büfett, auf das ich silberne Schalen und mehrere irdene Flaschen jenes guten Weines stellte, den der Herr Rolando mir gerühmt hatte; dann trug ich zwei Ragouts auf, und als sie serviert waren, setzten sich all die Reiter zu Tisch. Sie begannen mit großem Appetit zu essen. Ich stand hinter ihnen und hielt mich bereit, ihnen Wein in die Schalen zu schenken. Ich fand mich mit so guter Miene darein, daß ich das Glück hatte, von ihnen gelobt zu werden. Der Hauptmann erzählte ihnen in kurzen Worten meine Geschichte, die sie sehr amüsierte. Dann sprach er äußerst vorteilhaft von mir; aber von Lobeserhebungen hatte ich mittlerweile genug, und ich konnte sie also ohne Gefahr anhören. Daraufhin lobten mich alle; sie sagten, ich schiene ihnen zum Mundschenk geboren. Und da bisher die alte Leonharde die Ehre gehabt hatte, diesen Göttern der Unterwelt den Nektar zu reichen, entzogen sie ihr das glorreiche Amt und übertrugen es mir. So wurde ich als ein neuer Ganymed Nachfolger der alten Hebe.

Quelle:
Le Sage, Alain René: Die Geschichte des Gil Blas von Santillana. Wiesbaden 1957, S. 25-26.
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