Erstes Bruchstück

Über Eigentum an Geisteswerken

[783] Man mache gleich Anfangs einen Unterschied zwischen Eigentum und Benutzung des Eigentums.


Ich kann hundert Dinge mein Eigentum nennen, in so fern ich von ihnen dartun kann, daß sie ohne mich entweder gar nicht, oder doch nicht solcher Gestalt vorhanden sein würden; aber folgt daraus, daß ich sie deswegen ausschließungsweise zu nutzen befugt bin?


Um befugt zu sein, etwas ausschließungsweise zu benutzen, muß es erst möglich sein, daß ich es so benutzen kann.


Sobald ich dieses Können nicht in meiner Gewalt habe, ist es ohnmächtiger Eigennutz, wenn ich andre von der Mitbenutzung durch ein bloßes; aber es wäre doch besser, wenn ich allein bei der Schüssel bliebe! abzuschrecken denke – – –


– – Daß dem Verleger auf das Buch, welches er mit Genehmhaltung des Verfassers drucken läßt, ein Eigentum zustehe, halte ich für unerwiesen.


Wenigstens kann das Eigentum des Verlegers nicht größer, und von keiner andern Natur sein, als das Eigentum des Verfassers war.


Das Eigentum des Verfassers aber, wenn die Nutzung mit inbegriffen wird, ist so gut, als keines.


Denn man kann nichts sein Eigentum nennen, in dessen Besitz man sich nicht zu setzen und zu erhalten im Stande ist.[783]


Nun ist aus der Erfahrung klar, daß kein Verfasser, wenn er einmal mit seinem Werke zum Vorschein gekommen, wenn er einmal eine oder mehrere Kopien davon machen lassen, im Stande ist, zu verhindern, daß nicht auch wider seinen Willen Kopien davon genommen werden – Folglich – – –

Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 5, München 1970 ff., S. 783-784.
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