Albertinus, Historie der Gelahrtheit

[28] Bremen. Historie der Gelahrheit, von Anfange der Welt bis auf die sieben Weisen in Griechenland, nach der Zeitrechnung kurz abgefaßt, und dem Druck übergeben von Joh. Ge. Jac. Albertinus, beider Rechte und der Weltweisheit Doktor. Erster Teil. Bremen, bei Hermann Jäger in Kommission zu haben 1751. in 8 t. 2 Alph. 10 Bog. Selten wird ein Gelehrter, welcher eine Lücke in der Wissenschaft, die er in seiner Gewalt zu haben glaubt, wahrnimmt, diese Lücke einem andern auszufüllen überlassen. Denn welcher glaubt nicht im Stande zu sein dasjenige selbst auszuführen, von welchem er schon einsieht, daß es ausgeführet werden sollte? Der Herr Verfasser dieses Werks fand glücklicher Weise, daß es noch an einem Handbuche der gelehrten Historie fehle, welches durchaus nach der Zeitordnung eingerichtet sei. Mußte es ihm also nicht notwendig einfallen, diesem Mangel abzuhelfen? Hier liefert er den Anfang seines Unternehmens, und macht noch auf vier gleich starke Teile Hoffnung, welche die übrigen Perioden enthalten sollen. Dieser erste Periode ist der Zeit nach der größeste, der Materie nach der unfruchtbarste. Er teilt sich ganz natürlich in zwei kleinere, von Erschaffung der Welt bis auf die Sündflut, bis auf die sieben Weisen. Der erste ist der wahre Sitz übertriebener Grillen, und ist es nicht in der Tat lächerlich den Adam an der Spitze aller Wissenschaften, aller Künste und aller Handwerker zu sehen? Der andre ist voller Verwirrung und Ungewißheit. Locmann, Zoroaster, Hermes, Orpheus, die Sibyllen, lauter Personen die in diesen Zeitpunkt gehören, und von welchen man uns tausenderlei erzählet, wovon sich die Hälfte widerspricht und die Hälfte von neuern Schriftstellern ohne Ansehen erdichtet ist. Bei nahe sollte es also eine unnötige Bemühung scheinen mit der Historie der Gelahrheit so weit hinaus zu[45] gehen, und vielleicht würde, der sich nicht bei Ungewißheiten aufhalten wolle, da anfangen, wo der Herr Doktor vor diesesmal aufhört. Das einzige wobei sich in diesen Perioden ein Verfertiger der gelehrten Historie noch aufhalten könnte, wären die untergeschobenen Bücher. Man weiß wie viel wunderliche Schriften die Gnostiker, die Manichäer, die Ebioniten und andre dem Adam, dem Seth, dem Jacob etc. angedichtet haben, um ihren schwärmerischen Lehrsätzen Vorgänger und Verteidiger zu verschaffen. Diese Schriften nun den Lesern näher bekannt zu machen, die sie verratenden Stellen daraus anzuführen, ihre Verfasser aufzusuchen, ihre Absichten zu entwickeln würde zwar nicht die leichteste aber doch eine vielen Lesern sehr angenehme Arbeit sein; eine Arbeit übrigens die der Historie der Gelahrheit wesentlich zukommt. Gleichwohl aber wird man sie in diesem Werke vergebens suchen, ob es schon voller Ausschweifungen ist, die man schwerlich vermissen würde. Sollte es übrigens dem Herrn Verfasser in den folgenden Teilen gefallen die Quellen, woraus er geschöpft, fleißiger und genauer anzuführen, so wird er, wenigstens nach unserer Einsicht, der Vollkommenheit eines brauchbaren Handbuchs um ein vieles näher kommen. Wir müssen noch erinnern, daß er dieses Werk der hiesigen Königl. Akademie der Wissenschaften zugeeignet hat. Und beinahe möchte man aus dieser Zuschrift auf die Vermutung kommen, daß er in der Antediluvianischen gelehrten Historie sich besser umgesehen habe als in der neuen. Man darf nur den Titel ansehen, der zwar zweimal, beidemal aber falsch gedruckt ist. Ist zu haben in den Vossischen Buchhandlungen hier und in Potsdam für 20 Gr.[46]

Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 3, München 1970 ff., S. 28-29,45-47.
Lizenz: