Fénelon, Die Kunst glücklich zu regieren

[37] Ulm. Herrn Franz Salignac de la Motte Fenelon, Erzbischofs zu Cämmerich, Kunst glücklich zu regieren; mit nützlichen Lehren zur klugen Einrichtung und Verwaltung eines Staats. 1751. Auf Kosten Joh. Friedrich Gaums. In 8t. 8 Bogen. Diesen Aufsatz hat Fenelon zum Gebrauch des damaligen vermutlichen französischen Thronfolgers, des Herzogs von Bourgogne, dessen Unterweisung ihm anvertrauet war, verfertigt. Er bestehet aus sieben und dreißig Prüfungen, wovon jede einen Punkt abhandelt, welcher einen notwendigen Einfluß auf das Wohl des Staats hat. In der ersten, zum Exempel, fragt er seinen Durchlauchtigen Schüler: Habt Ihr auch eine hinlängliche Erkenntnis von allen Wahrheiten der christlichen Lehre? In der zweiten: Seid Ihr noch niemalen[64] auf die Gedanken geraten, daß die heilige Schrift nicht sowohl den Königen, als den Untertanen zur Regel und Vorschrift ihrer Handlungen diene? In der dritten: Habt Ihr nicht unter Euren Ratgebern diejenigen besonders vorgezogen, welche am allerbesten sich Euern ehrgeizigen, eiteln, hoffärtigen, wollüstigen und schädlichen Absichten zu fügen gewußt? Aus diesem wenigen wird man leicht schließen, daß diese Schrift eher heißen sollte: Die Kunst untadelhaft zu regieren, als die Kunst glücklich zu regieren. Man darf die Geschichte nur oben hin durchlaufen haben, um von der Wahrheit überzeugt zu sein, daß die besten Könige selten die glücklichsten, und die glücklichsten noch seltner die besten gewesen sind. So nahe Fenelon auch dem Ruder des Staats war, so wenig merkt man es doch aus seinen Vorschriften, welche nichts deutlicher zeigen, als daß von der eigentlichen Kunst zu regieren keine können gegeben werden. Alles, was Fenelon hier sagt, würde ein jeder Schullehrer von gutem Verstande auch haben sagen können. Es sind lauter allgemeine Sätze, welche aus einem Prinzen zur Not einen ehrlichen und vorsichtigen Mann, nichts weniger aber als einen großen König machen können. Die deutsche Übersetzung ist leidlich, nur verrät sie hin und wieder ihren Geburtsort. Der Übersetzer nennet sich in der Zueignungschrift T. E. Gerhardi. Kostet in den Vossischen Buchläden hier und in Potsdam 3 Gr.[65]

Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 3, München 1970 ff., S. 37-38,64-66.
Lizenz: