Zwölfter Auftritt


[621] Paul Werner. Just.


JUST. Sieh da, Werner! guten Tag, Werner! willkommen in der Stadt!

WERNER. Das verwünschte Dorf! Ich kanns unmöglich wieder gewohnt werden. Lustig, Kinder, lustig; ich bringe frisches Geld! Wo ist der Major?

JUST. Er muß dir begegnet sein; er ging eben die Treppe herab.

WERNER. Ich komme die Hintertreppe herauf. Nun wie gehts ihm? Ich wäre schon vorige Woche bei euch gewesen, aber –

JUST. Nun? was hat dich abgehalten? –

WERNER. – Just, – hast du von dem Prinzen Heraklius gehört?

JUST. Heraklius? Ich wüßte nicht.

WERNER. Kennst du den großen Helden im Morgenlande nicht?

JUST. Die Weisen aus dem Morgenlande kenn ich wohl, die ums Neujahr mit dem Sterne herumlaufen. – –

WERNER. Mensch, ich glaube, du liesest eben so wenig die Zeitungen, als die Bibel? – Du kennst den Prinz Heraklius nicht? den braven Mann nicht, der Persien weggenommen, und nächster Tage die Ottomannische Pforte einsprengen wird? Gott sei Dank, daß doch noch irgendwo in der Welt Krieg ist! Ich habe lange genug gehofft, es sollte hier wieder losgehen. Aber da sitzen sie, und heilen sich die Haut. Nein, Soldat war ich, Soldat muß ich wieder sein! Kurz, – Indem er sich schüchtern umsieht, ob ihn jemand behorcht. im Vertrauen, Just; ich wandere nach Persien, um unter Sr. Königlichen Hoheit, dem Prinzen Heraklius, ein Paar Feldzüge wider den Türken zu machen.

JUST. Du?

WERNER. Ich, wie du mich hier siehst! Unsere Vorfahren zogen fleißig wider den Türken; und das sollten wir noch tun, wenn wir ehrliche Kerls, und gute Christen wären. Freilich begreife ich wohl, daß ein Feldzug wider den Türken[621] nicht halb so lustig sein kann, als einer wider den Franzosen; aber dafür muß er auch desto verdienstlicher sein, in diesem und in jenem Leben. Die Türken haben dir alle Säbels, mit Diamanten besetzt –

JUST. Um mir von so einem Säbel den Kopf spalten zu lassen, reise ich nicht eine Meile. Du wirst doch nicht toll sein, und dein schönes Schulzengerichte verlassen? –

WERNER. O, das nehme ich mit! – Merkst du was? – Das Gütchen ist verkauft –

JUST. Verkauft?

WERNER. St! – hier sind hundert Dukaten, die ich gestern auf den Kauf bekommen; die bring ich dem Major –

JUST. Und was soll der damit?

WERNER. Was er damit soll? Verzehren soll er sie; verspielen, vertrinken, ver – wie er will. Der Mann muß Geld haben, und es ist schlecht genug, daß man ihm das seinige so sauer macht! Aber ich wüßte schon, was ich täte, wenn ich an seiner Stelle wäre! Ich dächte: hol euch hier alle der Henker; und ginge mit Paul Wernern, nach Persien! – Blitz! – der Prinz Heraklius muß ja wohl von dem Major Tellheim gehört haben; wenn er auch schon seinen gewesenen Wachtmeister, Paul Wernern, nicht kennt. Unsere Affaire bei den Katzenhäusern –

JUST. Soll ich dir die erzählen? –

WERNER. Du mir? – Ich merke wohl, daß eine schöne Disposition über deinen Verstand geht. Ich will meine Perlen nicht vor die Säue werfen. – Da nimm die hundert Dukaten; gib sie dem Major. Sage ihm: er soll mir auch die aufheben. Ich muß jetzt auf den Markt; ich habe zwei Winspel Rocken herein geschickt; was ich daraus löse, kann er gleichfalls haben. –

JUST. Werner, du meinest es herzlich gut; aber wir mögen dein Geld nicht. Behalte deine Dukaten, und deine hundert Pistolen kannst du auch unversehrt wieder bekommen, sobald als du willst. –

WERNER. So? hat denn der Major noch Geld?

JUST. Nein.

WERNER. Hat er sich wo welches geborgt?[622]

JUST. Nein.

WERNER. Und wovon lebt ihr denn?

JUST. Wir lassen anschreiben, und wenn man nicht mehr anschreiben will, und uns zum Hause herauswirft, so versetzen wir, was wir noch haben, und ziehen weiter. – Höre nur, Paul; dem Wirte hier müssen wir einen Possen spielen.

WERNER. Hat er dem Major was in den Weg gelegt? – Ich bin dabei! –

JUST. Wie wärs, wenn wir ihm des Abends, wenn er aus der Tabagie kömmt, aufpaßten, und ihn brav durchprügelten? –

WERNER. Des Abends? – aufpaßten? – ihrer zwei, einem? – Das ist nichts. –

JUST. Oder, wenn wir ihm das Haus über dem Kopf ansteckten? –

WERNER. Sengen und brennen? – Kerl, man hörts, daß du Packknecht gewesen bist, und nicht Soldat; – pfui!

JUST. Oder, wenn wir ihm seine Tochter zur Hure machten? Sie ist zwar verdammt häßlich –

WERNER. O, da wird sies lange schon sein! Und allenfalls brauchst du auch hierzu keinen Gehülfen. Aber was hast du denn? Was gibts denn?

JUST. Komm nur, du sollst dein Wunder hören!

WERNER. So ist der Teufel wohl hier gar los?

JUST. Ja wohl; komm nur!

WERNER. Desto besser! Nach Persien also, nach Persien!


Ende des ersten Aufzugs.[623]


Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 1, München 1970 ff., S. 621-624.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Minna von Barnhelm, oder das Soldatenglück
Minna von Barnhelm, oder das Soldatenglück: Ein Lustspiel in fünf Aufzügen
Klassische Schullektüre: Klassische Schullektüre, Minna von Barnhelm oder Das Soldatenglück. Text und Materialien
Minna von Barnhelm, oder Das Soldatenglück: Ein Lustspiel in fünf Aufzügen (Suhrkamp BasisBibliothek)
Minna von Barnhelm oder das Soldatenglück

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Traumnovelle

Traumnovelle

Die vordergründig glückliche Ehe von Albertine und Fridolin verbirgt die ungestillten erotischen Begierden der beiden Partner, die sich in nächtlichen Eskapaden entladen. Schnitzlers Ergriffenheit von der Triebnatur des Menschen begleitet ihn seit seiner frühen Bekanntschaft mit Sigmund Freud, dessen Lehre er in seinem Werk literarisch spiegelt. Die Traumnovelle wurde 1999 unter dem Titel »Eyes Wide Shut« von Stanley Kubrick verfilmt.

64 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon