Achter Auftritt


[637] Von Tellheim. Der Wirt. Die Vorigen.


VON TELLHEIM tritt herein, und indem er sie erblickt, flieht er auf sie zu. Ah! meine Minna! –

DAS FRÄULEIN ihm entgegen fliehend. Ah! mein Tellheim! –

VON TELLHEIM stutzt auf einmal, und tritt wieder zurück. Verzeihen Sie, gnädiges Fräulein, – das Fräulein von Barnhelm hier zu finden –

DAS FRÄULEIN. Kann Ihnen doch so gar unerwartet nicht sein? – Indem sie ihm näher tritt, und er mehr zurück weicht. Ich soll Ihnen verzeihen, daß ich noch Ihre Minna bin? Verzeih Ihnen der Himmel, daß ich noch das Fräulein von Barnhelm bin! –

VON TELLHEIM. Gnädiges Fräulein – Sieht starr auf den Wirt, und zuckt die Schultern.

DAS FRÄULEIN wird den Wirt gewahr, und winkt der Franziska. Mein Herr, –[637]

VON TELLHEIM. Wenn wir uns beiderseits nicht irren –

FRANZISKA. Je, Herr Wirt, wen bringen Sie uns denn da? Geschwind kommen Sie, lassen Sie uns den rechten suchen.

DER WIRT. Ist es nicht der rechte? Ei ja doch!

FRANZISKA. Ei nicht doch! Geschwind kommen Sie; ich habe Ihrer Jungfer Tochter noch keinen guten Morgen gesagt.

DER WIRT. O! viel Ehre – Doch ohne von der Stelle zu gehn.

FRANZISKA faßt ihn an. Kommen Sie, wir wollen den Küchenzettel machen. – Lassen Sie sehen, was wir haben werden –

DER WIRT. Sie sollen haben; vors erste –

FRANZISKA. Still, ja stille! Wenn das Fräulein jetzt schon weiß, was sie zu Mittag speisen soll, so ist es um ihren Appetit geschehen. Kommen Sie, das müssen Sie mir allein sagen. Führet ihn mit Gewalt ab.


Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 1, München 1970 ff., S. 637-638.
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