Siebenter Auftritt


[682] Von Tellheim. Franziska.


VON TELLHEIM. Ihre Tränen? Und ich sollte sie lassen? Will ihr nach.

FRANZISKA die ihn zurückhält. Nicht doch, Herr Major! Sie werden ihr ja nicht in ihr Schlafzimmer folgen wollen?

VON TELLHEIM. Ihr Unglück? Sprach sie nicht von Unglück?

FRANZISKA. Nun freilich; das Unglück, Sie zu verlieren, nachdem –

VON TELLHEIM. Nachdem? was nachdem? Hier hinter steckt mehr. Was ist es, Franziska? Rede, sprich –

FRANZISKA. Nachdem sie, wollte ich sagen, – Ihnen so vieles aufgeopfert.

VON TELLHEIM. Mir aufgeopfert?

FRANZISKA. Hören Sie nur kurz. – Es ist für Sie recht gut, Herr Major, daß Sie auf diese Art von ihr los gekommen sind. – Warum soll ich es Ihnen nicht sagen? Es kann doch länger kein Geheimnis bleiben. – Wir sind entflohen! – Der Graf von Bruchsall hat das Fräulein enterbt, weil sie keinen Mann von seiner Hand annehmen wollte. Alles verließ, alles verachtete sie hierauf. Was sollten wir tun? Wir entschlossen uns denjenigen aufzusuchen, dem wir –[682]

VON TELLHEIM. Ich habe genug! – Komm, ich muß mich zu ihren Füßen werfen.

FRANZISKA. Was denken Sie? Gehen Sie vielmehr, und danken Ihrem guten Geschicke –

VON TELLHEIM. Elende! für wen hältst du mich? – Nein, liebe Franziska, der Rat kam nicht aus deinem Herzen. Vergib meinem Unwillen!

FRANZISKA. Halten Sie mich nicht länger auf. Ich muß sehen, was sie macht. Wie leicht könnte ihr etwas zugestoßen sein. – Gehen Sie! Kommen Sie lieber wieder, wenn Sie wieder kommen wollen. Geht dem Fräulein nach.


Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 1, München 1970 ff., S. 682-683.
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