XXX. Der Schäfer und die Nachtigall

[271] Du zürnest, Liebling der Musen, über die laute Menge des parnassischen Geschmeißes? – O höre von mir, was einst die Nachtigall hören mußte.

Singe doch, liebe Nachtigall! rief ein Schäfer der schweigenden Sängerin, an einem lieblichen Frühlingsabende, zu.

Ach! sagte die Nachtigall; die Frösche machen sich so laut, daß ich alle Lust zum Singen verliere. Hörest du sie nicht?

Ich höre sie freilich: versetzte der Schäfer. Aber nur dein Schweigen ist Schuld, daß ich sie höre.[271]

Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 1, München 1970 ff., S. 271-272.
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