Neunzehntes Kapitel

[337] Das Frühjahr, welches mir den Genuß der eigenen Häuslichkeit gebracht hatte, brachte mir auch eine Freundschaft, die mir bis zu dem Tode meiner Freundin ein Glück gewesen ist, und deren Andenken mir bis an mein Ende ein geliebtes bleiben wird.

Ich hatte eines Tages eine Einladung zu Professor Theodor Mundt erhalten, und ich freute mich auf den Abend, denn man war immer sicher, heitere und gute Stunden im Mundt'schen Hause zu verleben. Theodor und Clara Mundt waren schon eine Reihe von Jahren verheirathet und in Berlin ansässig gewesen, als ich sie zum ersten Male gesehen hatte, und der Ausdruck völliger Zufriedenheit, der Beiden gemeinsam war, hätte an und für sich etwas sehr Einnehmendes gehabt, wären ihre Namen nicht hinreichend gewesen, die Aufmerksamkeit auf sie zu lenken.

Ich habe es in diesen Blättern nicht mit den Werken und mit der literarischen Bedeutung meiner Freunde und Bekannten, sondern nur mit unsern gegenseitigen Beziehungen und mit dem Eindruck zu thun, welchen ihre Persönlichkeit auf mich machte, oder mit den Folgen, welche sich für mich an das Begegnen mit ihnen knüpften. Daran müssen Memoiren sich halten, wie mir scheint,[337] wenn sie nicht, was sie von ihrer Aufgabe entfernen würde, in den Bereich der Kritik und Literaturgeschichte hinübergreifen wollen, und dieses zu vermeiden, bin ich überall bemüht gewesen. Dies vorausgeschickt, fahre ich in meiner Erzählung fort.

Theodor Mundt war über Mittelgröße, festgebaut und kräftig, ohne damals gerade stark zu sein. Seine Züge waren fein, sein dunkles Auge ruhig, und man mußte ihn bei der Fülle seines braunen Haares und einer guten Haltung, entschieden als einen hübschen Mann bezeichnen. Seine Bewegungen hatten etwas Gemessenes, seine Sprache und seine Ausdrucksweise waren nicht flüssig. Er war im Ganzen zurückhaltend in größerer Gesellschaft, und in einer solchen hörte ich ihn zum ersten Male sprechen. Er schien mir mehr geneigt für das Zwiegespräch, als für allgemeine Mittheilung zu sein, wie man das häufig bei den Personen findet, welche sich früh gewöhnt haben, das schweigende Blatt Papier zu ihrem Vertrauten zu machen. Ernst und Ruhe waren das Erste, was mir an ihm auffiel, denn so sehr man ihn in das Gespräch zu ziehen und seine Meinung zu hören verlangte, ließ er sich nicht dazu verlocken, an der allgemeinen Unterhaltung der aus den verschiedensten Bestandtheilen zusammengesetzten Gesellschaft thätig Theil zu nehmen. Er hörte zu, und gab erst später, als er bei dem Abendessen neben mir saß, seine Meinung über die früher besprochenen Gegenstände kund, die er langsam zusammenfaßte und zu einem Ganzen abzuschließen versuchte, wie Einer, der mit den Dingen in's Klare zu kommen und fertig zu werden sucht.[338]

Ganz im Gegentheil zu seiner Art und Weise, war Alles Leben und rasche Offenheit an seiner Frau, ja ich möchte sagen, daß mir nie eine größere Lebensfülle und Lebendigkeit vorgekommen ist, als Luise Mühlbach sie besaß. Sie dachte schnell und bestimmt, sprach eben so schnell und bestimmt aus, was sie dachte, und es kamen dabei manch glückliche Worte zum Vorschein, deren Freimuth überraschend war. Auch mir begegnete sie mit freimüthiger Herzlichkeit. Sie nannte es unverantwortlich, daß Menschen, die von einander wüßten, wie wir, nicht auch ohne alles Weitere zu einander kämen, und sie forderte mich auf, gleich einen der nächsten Abende mit ihnen zuzubringen, was ich denn natürlich dankbar annahm.

Sie wohnten damals in der Marienstraße und lebten in einer sehr ausgedehnten Geselligkeit. Um so mehr fiel es mir auf, was Luise Mühlbach Alles aus ihrer Zeit zu machen wußte. Sie schrieb sehr viel, war beständig auf dem Laufenden in der englischen und französischen Literatur, verfolgte die deutsche bis in das Detail der Journalistik, trieb Musik, lernte Russisch und noch eine andere fremde Sprache, daneben wurde ein ganzes Service aufgetragen, das sie selbst gemalt, und es kamen Bücher zum Vorschein, die sie selbst gebunden hatte. Man sah, für diese Frau war fortwährendes rastloses Arbeiten eine Art von Lebensbedingung, eine Nothwendigkeit, und nie, seit ich sie kenne, habe ich sie ermüdet oder gar abgespannt gesehen; aber die eigentliche Kraft ihrer Natur gab sich in der Liebe kund, mit welcher sie zu ihrem Manne emporblickte. Man gewann unabweislich die[339] Ueberzeugung, daß man in diesen Beiden ein Paar glückliche Menschen vor sich sähe.

Dadurch wurde die ganze Geselligkeit bei ihnen, wie sie eine geistig angeregte war, auch eine heitere. Man machte Musik, man führte dramatische Scenen auf, und vor allen Dingen amüsirte man sich. Als ich dann im Frühjahr, bald nachdem ich mir meine Wohnung eingerichtet, wieder einmal in das Mundt'sche Haus geladen war, fand ich auch wieder eine größere Gesellschaft beisammen. Sie hatte sich um einen, mitten in dem Zimmer stehenden Tisch gruppirt und gleich beim Eintreten überraschte mich der Anblick einer Frau, welche der Thüre gegenüber saß. Sie hatte den Kopf ein wenig gesenkt, denn man betrachtete ein Kupferwerk, und es sah schön aus, wie das Licht der Lampen sich auf dem schwarzbraunen reichen Scheitel der Dame spiegelte, während es ihre schönen entblößten Schultern beleuchtete, und von dem großen Brillantschloß wiederstrahlte, mit dem die Perlenschnüre um ihren Hals befestigt waren.

Als ich mich dem Tische näherte, blickte die Fremde empor, und ich sah in eines der anmuthvollsten Gesichter, die mein Auge je erschaut hat. Alles in diesen Zügen war herzgewinnende Güte, bezaubernde Freundlichkeit, und selbst das leise Zusammenziehen der Augenlider, mit welchem sehr kurzsichtige Personen sich die Sehkraft zu schärfen lieben, und das mir sofort als etwas Eigenthümliches an der Fremden bemerklich wurde, gewann in ihrem Gesichte einen Reiz, weil es sie zugleich fein und in gewissem Sinne hülfsbedürftig aussehen machte.[340]

»Frau Staatsräthin von Bacheracht!« sagte Professor Mundt.

»Ach! sage doch Therese!« rief seine Frau, und gab ihr die Hand. »Hier ist sie Therese!«

»Wie danke ich Ihnen das!« entgegnete die Fremde, und die Stimme, mit welcher sie diese Worte sprach, und die Miene, mit welcher sie unserer Wirthin die dargebotene Rechte drückte, waren eben so sanft und so lieblich wie ihr Blick.

Man stellte mich ihr vor. Sie stand auf, mir die Hand zu geben, und ich konnte sie nun genau betrachten. Sie war nur mittler Größe, aber sie trug sich vortrefflich, und da sie eine lange und schlanke Taille und eine sehr schöne Büste hatte, so lag bei aller Anmuth etwas Imponirendes in ihrer Gestalt. Die Form ihres Kopfes war nicht eigentlich schön, er war dazu nicht oval genug, das Gesicht zu flach, und der Hals zu kurz und breit, aber es war in dem Schnitt der Stirne, der Nase und des Mundes, wie in der Zeichnung der Augenbrauen und in der Wölbung der Augenlider eine gewisse regelmäßige Gradlienigkeit, die sehr ungewöhnlich, und dem Auge sehr wohlthuend war. Man mußte diese eigen geschnittenen Formen immerfort ansehen, man mußte das Auge unwillkürlich darauf ruhen lassen, um sich immerfort daran zu erfreuen. Es war kein klassischer Kopf, aber ein ungemein fesselndes, gewinnendes Gesicht, und was ihm seinen höchsten Zauber gab, das waren die sammetweiche Haut, mit ihrer warmen gesättigten Farbe, und der unaussprechlich süße Ausdruck der braunen, sanften Augen. Die Augen und der liebliche weiche Ton der[341] Stimme hatten wirklich etwas Unwiderstehliches – nicht allein für mich.

Therese von Bacheracht war damals beinahe vierzig Jahre alt, aber sie sah bedeutend jünger aus, und mußte Jedem, der ihr unvorbereitet gegenüber trat, im ersten Augenblicke als eine Schönheit erscheinen. Sie war sich dieses Vorzuges auch bewußt, und hatte Phantasie und Geschmack genug, ihn durch eine gewählte und reiche Kleidung zu erhöhen. Ein schweres violettes Moireekleid hob die Form und die Farbe ihres Halses und ihrer Schultern nur glänzender her vor, und große Kokarden von blaßrosa Band machten das Haar noch dunkler aussehen, ohne die Frische ihres Teints zu beeinträchtigen. Ich war für Schönheit sehr empfänglich, und konnte mich nicht genug an ihr erfreuen, mich nicht satt sehen an ihrer Lieblichkeit.

Es waren schon ein paar Jahre vergangen, seit sie ihr erstes Buch, die Briefe aus dem Süden, veröffentlicht hatte, und diese Reisebetrachtungen, denn eine Reisebeschreibung konnte man jene Aufzeichnungen eigentlich nicht nennen, waren sehr günstig aufgenommen worden. Die wunderlich pedantische Vorrede, mit welcher ein älterer Freund die Tagebuchblätter der anonymen Verfasserin eingeleitet, hatten der warmen überfluthenden Empfindung, welche das Werk charakterisirte, zu einer eigenartigen Folie gedient, und wie Therese selbst die Menschen durch ihre Anmuth und Güte für sich einnahm, so gewannen die ganz besondere Natur, die eigenthümlich zusammengesetzte Geistesrichtung in dem Tagebuche sich die Herzen, und das Geheimniß, in welches[342] die Verfasserin sich hüllte, trug dazu bei, das Interesse für sie und ihr Werk zu steigern.

Man hatte es in dem Tagebuche mit einer Frau zu thun, welche dem Adel angehörte, die große Welt kannte, vielerlei gesehen, vielerlei erlebt, vielerlei empfunden hatte, und die, wie man es zu nennen pflegte, mit dem Herzen dachte. Erzogen in den Anschauungen der Lebenssphäre, in welcher sie geboren war, hatte sie sich dennoch in sich selbst besonders ausgebildet, weil ihr anscheinend in ihrer Umgebung nicht die rechte Befriedigung für ihr Gefühlsleben geboten worden war. Diese innere Zurückgezogenheit hatte ihr in mancher Hinsicht den Sinn und das Verständniß für das Allgemeine genommen. Sie war nur selten einer ganz objektiven Betrachtung fähig, sie sah Alles nur von ihrem Standpunkte, sie beurtheilte Alles nur nach dem Maaßstab ihres eigenen Empfindens. Aber dies Empfinden war fein, und wenn man auch die Ansichten der Reisenden nicht immer theilte, so gewann man sie selbst doch lieb, und bekam die Neigung sie kennen zu lernen, die Neigung mehr von ihr zu wissen, als sie in den Briefen von sich ausgesagt hatte. So viel ging aus dem Tagebuche hervor: Therese war verheirathet, hatte ein Kind gehabt und verloren, war übersättigt und sehnsüchtig, lebenslustig und ohne Glauben an das Leben, und religiös ohne einen rechten Halt und eine wirkliche Stütze in der Religion zu besitzen. Sie verrieth eine gewisse Eitelkeit und Koketterie, die neben einer großen Aufrichtigkeit, einer fast kindlichen Naivetät fremdartig einhergingen und überall wo man hätte erwarten sollen, daß die Ereignisse und[343] die Eindrücke der Reise sie zum Denken anregen müßten, wurde ihr Gefühl wach gerufen, und der Ausdruck desselben zog den Leser unmerklich zu den Träumereien fort, denen die Reisende sich vorzugsweise hinzugeben liebte.

Es war ein sanftes, liebenswürdiges Buch, diese Briefe aus dem Süden, und man brauchte Therese nur anzusehen, um zu erkennen, wie sie sich in jenen Briefen ganz ihrer Natur überlassen hatte, und wie dieselben ohne den Hinblick auf den Leser geschrieben worden waren. Sie hatte nach den Briefen aus dem Süden noch zwei Romane veröffentlicht, welche besonders bei den Frauen eine günstige Aufnahme gefunden hatten, und ich fühlte also in jedem Betrachte ein großes Vergnügen, ihr zu begegnen.

Sie setzte sich zu mir, wir plauderten über Dies und Jenes, aber es kam zu keinem ernsteren Gespräche, denn die Gesellschaft war groß und sehr belebt. Es gab Neckerei aller Art unter den befreundeten Gästen. In bester Laune scherzte man über die gegenseitigen Arbeiten, und vor Allem wurde Theodor Mügge um irgend einer Novelle willen geneckt, der er, wie die Andern ihm vorhielten, aus purer Gutmüthigkeit einen ganz unerwarteten, fast unmöglichen Schluß gegeben haben sollte. Er nahm das so heiter und arglos auf, wie es ihm vorgehalten wurde, aber er vertheidigte sich doch gegen die Beschuldigung, indem er mit Recht behauptete, wo es möglich sei, müsse man in der Dichtung darauf denken, dem Leser am Schlusse das Herz zu befreien. Die Dichtkunst sei dazu da, das Leben zu erheitern und zu verschönen, sie müsse sich also an das Schöne und an das[344] Freundliche halten, und wenn sie, ohne äußerste Nothwendigkeit den Leser mit beschwertem Herzen, mit einem Mißklang, einer Unzufriedenheit, ja auch nur mit lebhaftem Bedauern und mit einer Anklage gegen das Schicksal entlasse, so sei das ein Fehler.

Er sah dabei mit seiner hohen, breitbrustigen, fast athletischen Gestalt, und mit der straffen, aufrechten Haltung, in welcher der ehemalige Soldat damals noch ganz unverkennbar war, so grundgutmüthig, und zugleich so verständig von seiner Behauptung überzeugt aus, daß man sich mindestens dahin mit ihm einigen mußte, daß seiner graden und einfachen Natur das Gewaltsame und Nichtaufzuklärende zuwider sein müsse. Es erregte aber allgemeines Vergnügen, als Doktor Mundt aus dem Stegreif eine kurze Novellenskizze entwarf, bei der Alles drunter und drüber ging, bis endlich in der Ferne ein Signal mit einer Fahne gegeben und ein Rettungsboot herbeigebracht wurde, aus welchem Mügge ausstieg, um Alles in den Hafen der Ruhe und des Friedens hineinzulootsen.

Mügge war derjenige, der am herzlichsten darüber lachte, aber wir waren damals Alle zusammen ein fröhliches Volk. Wir waren jung, wir hatten Freude an unsern Arbeiten, hatten die Gunst des Publikums für uns, standen, um Scribe's glücklichen Ausdruck zu brauchen, Alle à la tête de la jeune phalange, – ich wiederhole den Ausdruck absichtlich – und hatten ein langes, langes Leben, ein weites Feld der Hoffnung vor uns. In so langer Zeit, in so weitem Felde, was war da unerreichbar? was war da unmöglich?[345]

In der Unendlichkeit, die sie vor sich zu haben glaubt, liegt aber das eigentliche Glück, liegt auch die Macht der Jugend. Man hat zu Allem Muth, man kann Alles unternehmen, Alles wagen, wenn man nur die Zeit hat, es fertig zu machen, oder die Zeit, das Mißlungene durch Gelungenes zu ersetzen. Ein Mißgeschick, ein Fehlschlagen – was ist das in der Jugend? Ein verlorner Tag, Nichts mehr! Und das Leben hat dann noch so viele, viele Tage! Aber mit jedem Jahre schwindet die Fülle dieses Reichthums, mit jedem Jahre wird die Zahl der Tage, die man verlieren darf, ohne sie als Verlust zu empfinden, geringer. Der unübersehbare, unermeßliche Reichthum ist vorüber. Man kann zählen, was man noch besitzt, man fängt an, den kleinsten Verlust schmerzlich zu empfinden, man wird haushälterisch mit seiner Zeit, nachdenklich bei allem Beginnen, man fragt sich, werde ich es vollenden können? Die Sorglosigkeit macht der Sorge Platz. Aus Scheu vor dem Nichtvollenden fängt man nicht mehr an, und wird traurig und verzagt darüber, daß man den alten Muth, die alte Zuversicht zum Leben nicht mehr fühlt. Die Sorglosigkeit ist der Zauberstab, ist die Flügelkraft, ist die Quelle des Jugendmuthes. Wer sie sich zu erhalten wüßte, wer diesen Traum der Jugend an sich zu bannen vermöchte, der besäße die Jugend, dem wäre sie unverloren die goldene Zeit, wie auch der Kalender und die grau gewordene Locke wider ihn spräche; denn nur der Gedanke an die Endlichkeit ist es, der uns das Gefühl des Alters aufzwingt.

An jenem Abend dachte aber Niemand an das Alter, man sprach jedoch davon, daß die geistige Thätigkeit eine[346] aufreibende sei, daß man rastlos lebe, wie auf dem Rade des Ixion. Ich weiß nicht, wer den Gedanken zuerst angeregt hatte, man fing indeß an, ihn mit Liebe auszuspinnen. Der und Jener theilte aus eigener und fremder Erfahrung einen Beleg dazu mit, und selbst die Jüngsten unter uns wußten irgend ein Argument dafür beizubringen, und fanden bei der in der Gesellschaft anwesenden Gräfin Ahlefeld, der Freundin des wenig Jahre vorher verstorbenen Dichters Immermann, eine lebhafte Zustimmung. Man war nahe daran, ganz gegen die ursprüngliche Stimmung der Gesellschaft, in einen sentimentalen Ton zu verfallen, als die unwiderstehlichste Lachlust mich überfiel, und ich laut zu lachen anfing.

Wir saßen um den Theetisch: Theodor Mundt und Luise Mühlbach, der geistvolle und gelehrte Musiker Professor Marx mit seiner wunderschönen Frau, Therese Bacheracht, Theodor Mügge und ich; wir hatten Alle geschrieben, schrieben noch, Einer war lebensvoller als der Andere, Einer sah gesünder aus als der Andre, wir Alle hatten unverkennbare Anlagen, stark und fett zu werden, wir waren Alle von Herzen vergnügt, es fehlte uns Allen Nichts, wir freuten uns unseres Daseins, hofften, erwarteten von unserer Zukunft das Allerbeste – und nun sollten wir mit einem Male Alle sammt und sonders auf dem Rade des Ixion liegen, und der Schmerz sollte das auserwählte Theil des Dichters sein? Das war für mich von der ergötzlichsten Komik, und es brauchte auch eben nur meines lauten Lachens, um die Uebrigen eben so schnell zum richtigen Gefühle ihres Daseins zu bringen,[347] und uns den Abend so heiter beenden zu lassen, als wir ihn begonnen hatten.

Und heute, nach kaum sechszehn Jahren, ist bereits mehr als die Hälfte der an jenem Abende so fröhlichen Menschen, ist Therese, sind Theodor Mügge und Theodor Mundt, in der vollen Kraft der Jahre bereits dahin geschieden; und die freundliche Erinnerung an sie ist wie die helle Kerze, welche am Allerseelentage von den Gräbern durch die Nebel des Herbstes leuchtet.[348]

Quelle:
Fanny Lewald: Gesammelte Werke. Band 3, Berlin 1871, S. 337-349.
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