Capriccio

[23] So will ich sterben:

Dunkel ist es. Und es hat geregnet.

Doch du spürst nicht mehr den Druck der Wolken,

Die da hinten noch den Himmel hüllen

In sanften Sammet.

Alle Straßen fließen, schwarze Spiegel,

An den Häuserhaufen, wo Laternen,

Perlenschnüre, leuchtend hängen.

Und hoch oben fliegen tausend Sterne,

Silberne Insekten, um den Mond –

Ich bin inmitten. Irgendwo. Und blicke

Versunken und sehr ernsthaft, etwas blöde,

Doch ziemlich überlegen auf die raffinierten,

Himmelblauen Beine einer Dame,

Während mich ein Auto so zerschneidet,

Daß mein Kopf wie eine rote Murmel

Ihr zu Füßen rollt ...


Sie ist erstaunt. Und schimpft dezent. Und stößt ihn

Hochmütig mit dem zierlich hohen Absatz

Ihres Schuhchens

In den Rinnstein –
[23]

Quelle:
Alfred Lichtenstein: Gesammelte Gedichte. Zürich 1962, S. 23-24.
Lizenz:
Kategorien: