Das vierzehende Buch.

[400] Der Graf kam glücklich wieder nach Panopolis. Er fand den König noch immer in der besten Neigung für ihn, und wurde von demselben mit einer lebhaften Freude empfangen. Ach, liebster Graf, sprach er, indem er ihn herzlich umarmte, wie sehr hat mich verlanget euch wieder zu sehen! Der Graf gab darauf dem König Nachricht von seinen gehabten Verrichtungen: und rühmte ihm die Schönheit verschiedener Prinzeßinnen, deren Bildnisse er dem König vorzeigte.

Ohneracht die Mahler ihr bestes gethan hatten, die Durchlauchtige Schönheiten in ihren stärcksten Reitzungen vorzustellen; so wolte doch keine darunter dem König recht gefallen. Er sagte schier über eine jede: Es ist noch keine Gräfin von Monteras. Der Graf nahm hierbey Gelegenheit, ihm die Annehmlichkeiten der Prinzeßin von Argilia vor allen andern zu rühmen: Er machte dadurch den König um so viel begieriger auch das Bildnüs dieser so hochgepriesenen Schönheit zu sehen; allein, der Graf hatte solches nicht mit gebracht: Der König war deswegen überaus ungeduldig: Der Graf entschuldigte sich, daß er solches nicht hätte habhaft werden können,[401] und rieth deswegen dem König das Original selbst in Augenschein zu nehmen, weil er sodann von dem gewöhnlichen Betrug der Mahler und der Farben, welche insgemein die Gesichter schöner machten, als sie wären, nichts zu befahren hätte; Er fügte hinzu, daß diese Prinzeßin sich in wenig Wochen mit ihrer Frau Mutter nach den Aquanischen Bädern begeben würde, wo der König das Vergnügen haben könte sie zu sehen.

Der Graf verfügte sich hierauf zu dem Herzog von Sandilien: Er fand ihn auf einem Ruhbette: die Gräfin von Monteras saß neben ihm, und las ihm etwas aus einem Buch: Der Anblick dieser beyden Personen rührte den Grafen ungemein: Der Herzog hatte das Ansehen eines recht krancken Mannes, und die Gräfin schien ihm schöner als jemahl. Der Herzog empfieng ihn mit einer ganz vertraulichen Art, und indem er die Arme um seinen Hals schloß, sagte er zu ihm: Ich habe, mein werthester Graf, Stunden und Tage bis zu ihrer Wiederkunfft gezehlet. Ich liebe sie, als wenn sie mein Sohn wären, und gebe ihnen die Erlaubnüs meine Base zu umarmen: Der Graf gehorsamte einem so süssen Befehl: Zucht, Scham, Zärtlichkeit und Ehrerbietung, gaben hier der Liebe ein wunderschönes Ansehen. Die Wangen der Gräfin färbten sich mit roth, und in ihren Augen brandte ein so starckes Feuer, daß es einige Thränen, welche sie nicht zurück halten konte, zu löschen schienen.[402]

Der Graf erkundigte sich darauf nach des Herzogen, Zustand und der Ursach seiner so merklichen Unpäslichkeit. Es sind ungefähr acht Tage, antwortete der Herzog, daß ich Abends bey dem Fürsten von Voltera, der eine Zeitlang sich hier aufgehalten, zu Nacht speiste. Ich war kaum nach Haus gekommen, so empfand ich ein heftiges Bauch-Grimmen, welches dermassen starck überhand nahm, daß ich eilends den Herrn Hippon zu mir kommen lies; alle Nerven und Adern zuckten in mir mit einem nie empfundenen Schmerz, alle innere Theile wurden dadurch zusammen gezogen: Ich krümte mich als ein Wurm, und litt die abscheulichste Marter. Herr Hippon kam und fragte sogleich was ich gegessen hätte? ich nannte ihm solches, und da alles unverfänglich war, schüttelte er den Kopf, und sagte, man müste mir etwas schädliches beygebracht haben: Er gab mir deswegen ein Gegen-Gift, welches er immer bey sich führte: Ich muste solches mit warmen Oel einnehmen, worauf ein starckes Erbrechen folgte, und als dadurch mein Blut in eine kochende Wallung gerieth, so wurde mir zur Ader gelassen. Die Schmerzen liessen damit nach: Ich wurde aber dermassen entkräftet, daß ich seitdem kaum meine Glieder regen noch vielweniger mich aufmachen kan.

Der Graf fragte hierauf den Herzogen, was er von diesem Uberfall muthmassete, und ob er glaubte, daß man ihm Gift beygebracht[403] hätte? Dieses ist ausser Zweiffel, sagte darauf der Herzog; Wer solte aber, forschte der Graf weiter, der Anstifter einer solchen grausamen Bosheit seyn? Wann ich meinen Argwohn hier entdecken soll, erklärte sich der Herzog, so ist solcher der Fürst von Voltera selbst: Es ist nicht das erstemahl, daß er mich seinem auf mich geworfenen Groll aufzuopfern und heimlich aus dem Weg zu räumen trachtet, weil er weis, daß ich seinen herschsüchtigen Anschlägen, die Crone auf sich und sein Haus zu bringen, nimmer beystimmen werde. Er ist sonst dem Ansehen nach der gütigste und leutseligste Herr; allein, wenn es die Cron-Folge betrift, so ist ihm keine Missethat, keine Verrätherey und kein Meuchel-Mord abscheulich genug, zu seinen Absichten zu gelangen.

O böse Welt! o verätherisches Geschlecht! rief allhier der Graf voller Bestürzung aus. Ist dann eine Crone, die doch an und für sich selbst so schwer zu tragen ist, solcher verruchten Streiche werth? Ich hätte mir fürwahr, fuhr der Graf fort, diesen Herrn nie so boshaftig eingebildet. Doch ich hoffe, es werde der Königliche Stamm bald in ächtere Zweige sprossen, und der König mit nechstem eine Gemahlin bekommen.

Das Gespräch fiel darauf auf die Prinzessin von Argilia, davon der Graf dem Herzogen bereits durch Briefe die nöthige Eröfnung[404] gethan hatte. Der Graf versicherte den Herzogen, daß sie sich vollkommen für den König schicken würde. Die Gräfin von Monteras hatte dabey den Grafen vieles zu fragen. Allein, der Herzog erinnerte denselben, daß es Zeit wäre, sich wieder nach Hof zu begeben.

Der Graf speiste denselben Abend ganz allein mit dem König; Ihr habt mir, sprach dieser, mit euren Erzehlungen von der Prinzeßin von Argilia einiges Nachdencken erweckt. Ich bin sehr übel mit euch zufrieden, daß ihr mir nicht ihr Bildnüs habt mit gebracht. Der Graf wiederhohlte seine vorige Entschuldigungen: er sagte, daß der König nichts dabey verliehren könte. Ich finde, fuhr er fort, daß die Mahler wohl heßliche und mittelmässige Gesichter, aber keine vollkommene Schönheit abbilden können. Es pfleget solche ein gewisser Geist zu beleben, der über alle Pinsel-Striche ist. Man muß dergleichen Schönheiten sehen; man muß sie sprechen; man muß ihre Bewegungen, ihre Gebehrden und die Spielung ihrer Augen wahrnehmen, wenn man von ihren Annehmlichkeiten ein Urtheil fällen will. Der König entschloß sich auf diese Vorstellungen die Reise nach Aquana vorzunehmen, und überließ dem Grafen von Rivera die Sorgfalt, darzu die nöthige Anstalten zu machen.

So bald hatte man nicht in Panopolis die Nachricht, daß die Fürstin von Argilia mit[405] ihrer ältesten Prinzeßin zu Aquana angekommen war; so reiste der König gleichfalls dahin. Er hatte, nebst dem Grafen von Rivera und dem Freyherrn von Riesenburg, niemand bey sich, als seinen Leib-Arzt, und drey bis vier Edelleute. Die meiste Bedienten, nebst einem Theil der Leib-Wache, waren voraus gegangen. Der Zulauf des Volcks, als der König zu Aquana anlangte, war ungemein. Es fand sich eine Menge des benachbarten Adels daselbst ein. Niemahls hatte man an diesem Ort mehr gesunde Chur-Gäste gesehen.

Den Freyherrn von Riesenburg hatte die Ungedult seine liebste Mariane zu sehen, schon beym Absteigen, in seinen Reise-Kleidern, zu ihr hin getrieben. Er überfiel sie in Gegenwart der Prinzeßin von Argilia: Er warf sich ihr mit der feurigsten Regung um den Hals, und vermerckte nicht, daß er die Ehrerbietung, welche er der Gegenwart einer so grossen Prinzeßin schuldig war, durch diese Freyheit verletzete. Die Fräulein von Thurris erinnerte ihn daran, und wickelte sich deswegen aus seinen Armen. Er kam damit aus seiner Entzückung wieder zu sich selbst: Er nahte sich mit Demuth der Prinzeßin: Er küste ihr den Rock, und bat sie, ihm den begangenen Fehler zu verzeihen. Die Prinzessin entschuldigte solchen leicht: Sie versicherte ihn mit der leutseligsten Art, daß es ihr ein grosses Vergnügen wär, ihn und ihre liebste Mariane beysammen zu sehen, und daß sie an[406] dieser längst gewünschten Begebenheit selbst mit Antheil nehme.

Die sonst muntere Fräulein von Thurris muste hier der Stärcke ihrer Empfindung weichen: sie konte für grosser Bewegung ihres Gemüths nicht reden: sie sah ihren Geliebten, den sie nimmer wieder zu sehen geglaubet hatte: sie sah ihn getreu, beständig, glücklich und in der süssen Hofnung wieder, ihn nicht mehr zu verliehren. Diese Betrachtungen erfülleten allzusehr ihr zartes Hertze, als daß sie dabey auch ihrem Verstand viel Raum hätte lassen sollen, sich darüber auszudrücken.

Die Prinzeßin unterhielt also das Gespräch, als der Graf von Rivera sich meldete, um bey ihr und ihrer Frau Mutter die Aufwartung zu machen. Die Prinzeßin veränderte ein wenig die Farbe, da sie denselben auf sich zukommen sah: sie wuste, wozu er sie bestimmet hatte: ihr Herz empfand darüber eine heimliche Empörung; allein sie war Meister von dessen Regungen: sie empfieng ihn viel freundlicher, als sie bey einer andern Gelegenheit nicht würde gethan haben. Diese Freundlichkeit aber wolte in Betrachtung ihres Gemüths weit weniger sagen, als die schamhaftige Eingezogenheit, womit sie ehedessen an ihres Herrn Vatern Hofe ihn kaum recht anzusehen getrauete.

Nach ein und andern Reden, welche der Wohlstand an die Hand gab, verfügte sich die Prinzessin zu der Fürstin ihrer Frau Mutter, um die Vertraulichkeit zwischen dem Grafen[407] von Rivera, dem Freyherrn von Riesenburg und der Fräulein von Thurris durch ihre Gegenwart nicht länger in Zwang zu setzen. Der Graf fragte bey dieser Gelegenheit den Herrn von Riesenburg, wie ihm die Prinzeßin gefiel? Sie ist unvergleichlich, antwortete dieser, und der König müste keine Empfindung haben, wenn er sie, ohne gerührt zu werden, ansehen könte: denn, fügte er hinzu, solchen Wuchs, solche Gebehrden, solche Bildung und solche Augen hab ich noch nie gesehen.

Wie, mein lieber Riesenburg, scherzte hierauf der Graf, ist dieses nicht sehr unbescheiden in Gegenwart einer Geliebten gesprochen, die selbst so viele Annehmlichkeiten besitzet? O mein werthester Herr Graf, erwiederte Riesenburg, ich würde der Fräulein von Thurris unrecht thun, wenn ich ihre blosse Gestalt zum Vorwurf meiner Liebe machen wolte: ihr gut Herz ist allein dasjenige, was mich ihr mit einer unendlichen Neigung verknüpft. Ich werde ihrer Schönheit am ersten gewohnt werden, und ihrer am wenigsten achten, wenn ihr angenehmer Geist und ihr vortrefliches Gemüth bey einer näheren Verbindung mir täglich neue Schätze und Tugenden entdecken werdē.

Der Graf hatte sich unter diesem Gespräch bey der Fürstin melden lassen, und bekam zur Antwort, daß sein Zuspruch derselben angenehm seyn würde. Er fand sie mit der Prinzeßin allein in ihrem Gemach: man sprach von dem König, und wenn es der Fürstin gelegen seyn[408] würde, ihn bey sich zu sehen: die Zeit wurde dazu gleich auf den folgenden Tag bestimmt. Der Graf begab sich damit wieder zu dem König; der Herr von Riesenburg aber blieb bey der Fürstin des Abends zur Tafel.

Der Tag, welcher einen so wichtigen Ausschlag in der Liebe des Königs geben solte, erschien. Die Prinzeßin von Argilia lies sich dazu aufs beste ankleiden. Nicht allein ihre Cammer-Frauen waren um sie geschäftig; die Fräulein von Thurris selbst machte sich eine Arbeit mit ihrem Kopf-Putz; sie winkte ihr dabey hundert vergnügte und aufmunternde Dinge zu, weil sie vor ihren Leuten sich nicht frey erklären mochte. Die Prinzessin verstund alles; sie muste lachen, und verlohr darüber eine gewisse Bangigkeit, welche sie bey der Vorstellung, daß sie heute zur Schau solte gebracht werden, in ihrem Gemüth empfand: Ihre Augen, die aus angeregter Ursach die Nacht nicht viel geschlafen hatten, bekamen wieder ihre Lebhaftigkeit: ihre Farbe wurde frisch, und ihre ganze Gestalt, da sie angekleidet war, hegte so viel Glanz und Anmuth, daß die Natur die Vorzüge der Kunst würde beneydet haben, wenn sie nicht hier die gröste Ehre vor sich behalten hätte: denn aller Schmuck, aller Aufputz, alle funckelnde Diamanten waren bey dieser schönen Fürstin nur wie eine blosse Einfassung um ein schönes Bild.

Der König kam: die Prinzessin mit der Fräulein von Thurris und den Argilischen Hof-Damen empfiengen ihn gleich unter der Thür. Eine[409] angenehme Bestürzung überfiel den König, als er hier in der Person der Prinzeßin von Argilia die gröste Schönheit erblickte. Er begrüste sie mit vieler Ehrerbietung. Er faste sie darauf bey der Hand und führte sie die Treppen hinauf: er wurde oben von der Fürstin, die ihm einige Stufen herunter entgegen kam, auf das freundlichste empfangen. Im Zimmer fanden sich zwey Lehn-Sessel, auf welche sich der König und die Fürstin niederliessen. Die Prinzeßin aber setzte sich auf einen kleinen Stuhl. Der Graf von Rivera, der den König begleitete, stund ihm zur Seiten: er lenkte dabey das Gespräch auf solche Sachen, davon er für gut hielt, daß bey dieser Gelegenheit gesprochen würde, und welche die Prinzeßin mit konten reden machen. Denn ihre Annehmlichkeiten gewannen einen doppelten Glanz, wenn sie etwas erzehlte. Der König empfand ihre bezaubernde Macht mit allen Regungen, welche der Graf an ihm zu sehen wünschte: er war davon auf einmahl so eingenommen, daß er sich bey dem Abschied erklärte: der Graf hätte ihm noch lange nicht so viel von den Vollkommenheiten der Prinzeßin gesagt, als ihre Gegenwart ihm hätte zu erkennen gegeben.

So bald war der König nicht von der Fürstin zurück gekommen, so fiel er dem Grafen um den Hals. Liebster Graf, sprach er, die Prinzeßin gefällt mir: wie fangen wir die Sache weiter an? Es wird sich wohl alles fügen, antwortete der Graf mit einer etwas gleichgültigen[410] Mine. Ja, fragte der König, wie lang aber wird es noch währen? es giebt immer so viele Umstände und Weitläuftigkeiten bey dergleichen Geschäften; könte man damit nicht einen kürzern Weg einschlagen? Der Graf muste heimlich über diese Ungedult des Königs lachen: er nahm daher Gelegenheit bey demselben einige nützliche Wahrheiten anzubringen. Es ist gut, sprach er, daß die mächtigste der Erden zuweilen auch ein wenig spühren, daß nicht alles blos von ihrer Gewalt abhänget. Die Art, womit sie eine Sache verlangen, komt mit ihrer Hoheit überein; es soll alles gleich da seyn; sie wollen nicht warten; sie müssen aber so wohl wie andere Menschen sich den Gesetzen der Möglichkeit unterwerfen: sie können weder das Verhängnüs noch die Gemüther zwingen.

O wie verdrieslich, Graf, fiel ihm hier der König in die Rede, ist mir diesesmahl eure Sitten-Lehre! Ich frage jetzo nicht, ob ich mich den Gesetzen der Möglichkeit unterwerffen soll? das weis ich ohne dem. Ich frage nur, wie bald ihr meynet, die Sache mit der Prinzeßin zu Stand zu bringen?

Ew. Majestät, antwortet der Graf, halten mir meine Freyheit zur Gnade. Dergleichen Geschäfte lassen sich nicht wohl übereilen; weil die Glückseligkeit eines so grossen Königs und die Wohlfart so vieler Länder damit verknüpfet ist. Glauben dann Ew. Majestät, fragte der Graf den König, daß sie schon die Prinzeßin liebten, und daß diejenige Empfindung, welche[411] ihre Schönheit in dero Gemüth verursacht, nicht ein schnell angezündetes Lauf-Feuer sey, welches, wenn es einmahl seine Wirckung gethan, mit einmahl in die Luft verdämpfet?

O Graf! erwiederte der König voller Ungedult: ihr seyd heute ganz unerträglich. Ich sage euch, die Prinzessin gefällt mir, und ich liebe sie, weil sie mir gefällt: ich will sie zu meiner Gemahlin nehmen, ihr selbst habt mir darzu gerathen; was soll ich mich erstlich noch lang untersuchen, ob meine Liebe für sie ein Lauf-Feuer, oder sonst etwas sey?

Ich sehe wohl, fuhr der Graf hierauf fort, daß es Ew. Majestät ein Ernst ist, mit dieser schönen Prinzessin sich zu vermählen; der Himmel gebe seinen Segen darzu. Man wird also in möglichster Eil eine Gesandschafft an den Argilischen Hof schicken müssen, um dem Fürsten daselbst die hohe Meynung Ew. Majestät zu entdecken, und bey ihm um dessen Prinzessin Tochter die gewönliche Anwerbung zu thun. Hernach muß die Sache dem geheimen Rath von Ew. Majestät vorgetragen, und dessen Gutdüncken darüber eingeholet werden: wie man in ein und andern Dingen sich dabey zum Nutzen des Staats zu verhalten, und die Tractaten in einer so wichtigen Verbindung darnach einzurichten habe.

O Himmel! unterbrach der König hier abermahl, wie plagt ihr mich doch anheute! Darf ich dann keine Gemahlin nehmen, ohne[412] meinen geheimen Rath darüber zu befragen? soll ich mich, oder soll sich der Staat verheyrathen?

Gleichwol, fuhr der Graf in seinem gelassenen Wesen fort, werden sich Ew. Majestät doch müssen allergnädigst gefallen lassen, jemand an den Argilischen Hof abzufertigen, um wenigstens die Einwilligung des Fürstens einzuholen: kürtzer ist doch die Sache unmöglich zu fassen. Hernach müssen auch die nöthige Anstalten zu dero Königlichem Beylager zu Panopolis gemacht werden, welche Ceremonien von dero höchst glorwürdigsten Vorfahren jederzeit mit einem Königlichen Pomp und äusserster Pracht sind vollzogen worden.

Auf diese Art, erwiederte der über diese so vielerley Vorstellungen des Grafens ganz misvergnügte König, ist kein Mensch übeler dran, als ich: wer wolte sich wohl eine Crone wünschen, wenn uns solche unter den harten Zwang so vieler nichts bedeutenden Dinge setzet? Meine Vorfahren, sprach er, dachten nicht wie ich; sie hatten eine Freude an dergleichen Weitläuftigkeiten und unnützen Geprängen, welche öfters zu nichts weiter dienten, als ihre Schatz-Kammer zu entkräfften, und das Volck zu beschweren: ich glaube, sie hätten Macht gehabt, solches zu unterlassen, wie ich mich befugt halte, darinn nach meiner Weise zu verfahren.

Ew. Majestät sind Herr, erklärte sich hierauf der Graf. Wenn sie sich an eine Unterthanin ihres Reichs vermählen wolten, so könten[413] sie darin nach dero höchsten Gutdüncken verfahren; allein, die Prinzeßin von Argilia ist aus einem der Durchläuchtigsten Häuser in der Welt: Ew. Majestät können hier den Wohlstand nicht gantz aus den Augen setzen. Doch fügte der Graf hinzu, ich werde trachten die Sachen zu Ew. Majestät allergnädigsten Wohlgefallen einzurichten, und alles auf das kürtzeste zu fassen. Er verlies darauf den König und verfügte sich wieder zu der Fürstin von Argilia.

Er hat dem König nicht gesagt, wie weit er schon in diesem Geschäfft gekommen war: der König hätte sonst den Wohlstand und die Ehrerbietung gegen die Prinzeßin zu sehr aus den Augen setzen mögen. Er hinterbrachte der Fürstin, daß die Prinzeßin dem König gefallen hätte, und daß solchem nach seine bisherige Unterhandlungen ihre Richtigkeit hätten; wo anders, wie er hofte, die Prinzeßin bey sich keinen Wiederwillen gegen den König verspürte. Die Prinzeßin veränderte über diese Frage ein wenig die Farbe, und überlies ihrer Frau Mutter solche zu beantworten. Meine Tochter, sprach diese, wird sich in dieser Sache den Rathschlüssen des Himmels, ohne welche sich die Cronen nicht vergeben, und dem Willen ihres Herrn und Vaters unterwerfen.

Auf diese Erklärung sandt der Graf alsobald einen hurtigen Boten nach dem Fürsten von Argilia; und einen andern nach dem Hertzog von Sandilien, um beyden von dem Fortgang[414] dieser Sache Nachricht zu geben und sie zugleich zu bitten, die Heyraths-Tractaten, wie solche unter ihnen wären verabredet worden, auszufertigen. Diese Boten kamen den sechsten Tag wieder zurück, und brachten die Tractaten unterschrieben mit.

Der König und die Prinzessin sahen sich unterdessen einander täglich: er hatte ihr seine Neigung gleich den ersten Abend zu erkennen gegeben; und speiste darauf bey der Fürstin zu Macht. Diese nebst der Prinzessin assen hinwiederum den andern Tag bey dem König: Abends wurde Spiel und Ball gegeben. Auf diese Weise gieng eine Woche vorüber.

Der König wurde bald ungedultig; er sah die Prinzeßin täglich: ihre Schönheit rührte seine Sinnen; und ihre Eingezogenheit machte ihn leyden. Er kam in dieser Empfindung zu dem Grafen: Ihr habt mir lang versprochen, sagte er zu ihm, mich durch eine würdige Gemahlin glücklich zu machen; und jetzo hat es das Ansehen, als ob man gar nicht auf meine Vergnügung dächte.

Der Graf, der die Ungedult des Königs voraus gesehen, hatte zu dem Ende alle Anstalten zu des Königs Beylager in Zeiten zu machen, angefangen.

Einige Stunden von Aquana wohnte ein reicher Graf auf einem sehr grossen und wohlgebauten Schloß: diesen hatte der Graf von Rivera ersucht, solches auf einige Tage dem König[415] und seinem Gefolge einzuräumen. Der Graf fand sich durch dieses Zumuthen beehrt: es wurden in möglichster Geschwindigkeit die besten Zimmer für den König und dessen bey sich habende Hof-Staat zurecht gemacht. Der Graf bat darauf den König, sich nach diesem Schloß zu erheben, weil er daselbst ein gewisses Fest der Prinzeßin von Argilia zu Ehren angestellet hätte. Wobey er zugleich, wenn es ihm gefiel, sein hohes Beylager halten könte.

Mit der Fürstin und der Prinzessin war alles bereits abgeredet: Der König fuhr einige Stunden voraus, um seine Gäste zu empfangen. Er war zum höchsten verwundert, wie er alles auf diesem Schloß in ungemeiner Bewegung fand: er sah viel tausend Lampen und Lichter zu einer Abend-Beleuchtung aufstecken, der ganze Garten zusamt dem Schloß wurde damit bestellet.

Man arbeitete noch in dem grossen Lust-Haus an einer Tafel, auf welcher in der Mitte ein mit verguldten Bley beschlagener Bassin mit springendem Wasser sich zeigte. Rings herum waren die schönsten Blumen-Bette, welche durch zart ineinander geschlungenen Buchs die artichste Züge machten; und durch weiß, roth und gelben Muschel-Sand unterschieden waren. Auf diesem kleinem Blumen-Stück fanden sich allerhand artige Gefäse mit raren Gewächsen und kleinen Zwerg-Stämmen von Pomeranzen und Citronen, die voller Blüt und Früchte hiengen.[416]

Alles war hier mit einer solchen Hurtigkeit beschäfftiget, daß es dem König gleichsam eine halbe Zauberey zu seyn schien. Der Graf half selbst alles mit angreiffen: alles wurde durch seinen Geist belebet, und in einer ordentlichen Bewegung herum getrieben, nicht anders, als in einer künstlich verfertigten Maschine, davon er das Triebwerk war.

Ehe noch der Abend herbey kam, stund vor dem Schloß eine von gemahlten Säulen aufgerichtete und mit allerhand Grünigkeiten und Sinnbildern durchschlungene Ehren-Pforte. Auf den Garten stieß ein grosser Teich, an dessen Ufer sechs kostbar ausgezierte Schiffe hielten, welche man auf einem Canal von Toscana dahin gebracht hatte: sie waren gelb und blau bemahlet, auf den Kanden, und dem Schnitz- Werck verguldt, und mit gleichfärbigten Flaggen und Bändern gezieret. Dasjenige, so darunter für den König und die Fürstliche Personen gewidmet war, hatte auf Illyrische Art, in der Mitten eine prächtige Himmel-Decke mit Vorhängen von blauen Damast und goldenen Schnüren und Quasten. Das ganze Boot war auf diese Art ausgeschlagen: die Boots-Leute zeigten sich in gleichem Stoff gekleidet: sie hatten gelb-seidene Scherffen um den Leib, und reiche von Gold durchwürckte Bänder auf den Mützen. Ein grosses Schiff war vor die Music und die Bedienten ausgerüstet. Es hatte oben eine Gallerie mit kleinen Böllern besetzt. Auf dem Teiche schwammen eine Menge[417] zahm- und wilde Enten, deren viele mit rothen Federn auf den Kämmen gezeichnet, und zu einer Wasser-Jagd bestimmet waren.

So bald lies sich die Fürstin mit der Prinzessin und ihrem Gefolg nicht in der Nähe sehen, so wurden die kleine Böller auf dem Schiff losgezündet. Der König empfieng solche an einem nechst an dem Teich aufgeschlagenen Zelte, und führte dieselbe darauf in das für sie zubereitete Königliche Boot: die übrige Schiffe wurden von ihrem Gefolge eingenommen. Man sties von Land; die Trompeten und Paucken liessen sich mit untermengter Music hören: Man fuhr auf dem Teich herum; und stieg darauf im Garten an das Land.

Der Abend kam herbey: das gantze Schloß so wohl, als der Garten, wurde mit Lichtern erhellet: es war bald Zeit an die Tafel zu gehen; Der Graf von Rivera meldete sich hier: er redete den König an: Ew. Majestät, sprach er, haben mir gnädigst befohlen, alle Weitläuftigkeiten bey dero hohen Vermählung abzuschneiden; Ich hab alles was möglich war, gethan. Hier sind die Tractaten von dem Durchläuchtigsten Fürsten von Argilia, wie auch von dero Obersten Staats-Minister im Nahmen dero ganzen geheimen Raths unterzeichnet; Es fehlet weiter nichts, als daß Ew. Majestät und Dero Durchlauchtigste Braut Dero höchsten Namen mit darunter setzen.[418]

Als dieses der Graf dem König und der Prinzeßin vorgebracht hatte, ließ er die Tractaten auf einem kleinen mit rothen Sammet bedeckten Tischgen, worauf ein silbernes Schreibzeug stund, vor den König bringen; dieser ergriff sogleich die Feder, sprieb seinen Namen darunter, und reichte solche hernach auch der Prinzeßin welche, wiewohl mit zitternder Hand, dergleichen that.

Hierauf wurden in dem nechstanstossenden Saal auf einmahl die Thüren geöfnet: Die Königliche Capelle mit einem grossen Chor von Sängern und Sängerinnen ließ sich darinn mit einer entzückenden Harmonie hören. Ein Bischoff von dem nechsten Aquitanischen Kirchen-Spiel zeigte sich mit den Königlichen Hof-Caplanen hinter einer Tafel, auf welcher ein Crucifix stund. Nach geendigter Music hielt der Bischoff eine kurtze Rede, und darauf geschah die Trauung. Der König war über alle diese Anstalten des Grafens mit einem so lebhaften Vergnügen durchdrungen, daß er demselben darüber nicht genug seinen Wohlgefallen ausdrucken konte.

Den andern Tag brachte der Graf den Freyherrn von Riesenburg und die Fräulein von Thurris vor den König, und bat ihn, gnädigst zu erlauben, daß die Liebe dieses edlen Braut-Paars, an Dero zweyten Vermählungs-Tag mit glückselig und denckwürdig mögte gemacht werden. Dem König gefiel[419] dieser Einfall. Gemeldtes Paar wurde damit von dem anwesenden Bischoff zusammen gegeben, und an der Tafel nechst dem König und der Königin oben an gesetzt.

Dieses glückliche Fest wurde mit den lieblichsten Stimmen und nettesten Liedern besungen. Die Freude, die Anmuth und der Uberfluß herrschte auf dem gantzen Schloß: Es litten darunter weder die Ordnung noch gute Sitten. Man spürte an nichts keinen Mangel, weil man alles zu rechter Zeit aus der benachbarten Stadt Toscana herbey geschaft hatte.

Den dritten Tag wurde auf einer kleinen Schaubühne, welche von Wasen-Bäncken und Laub-Wercken mit allerhand vergüldeten Schnitz-Werck und andern Zierrathen aufgeführet war, ein musicalisches Schäfer-Spiel vorgestellet. Man konte dieses ganz des Grafens sein Werck nennen; weil er nicht nur die Erfindung und die Auszierung, sondern auch die Worte selbst darzu gegeben hatte. Die Grösse seines Geistes zeigte sich auch in solchen Kleinigkeiten, womit er die Ernsthaftigkeit der wichtigsten Geschäfte zu verwechseln, und denjenigen heimlichen Kummer zu erleichtern suchte, welchen ihn seine Liebe für die Gräfin von Monteras empfinden machte.

Der vierte Tag wurde zu einer Wasser-Jagd auf dem grossen Teich gewiedmet. Man[420] bestieg, nach eingenommener Mittags-Mahl-Zeit, die darzu verfertigte Kähne: Man schoß die darauf schwimmende zahme und wilde Enten. Auf dem grossen Schiff liessen sich die Music und die kleine Canonen hören, welche in dem daran stossenden Wald einen überaus angenehmen Wiederschal gaben. Man bracht bey anderthalb Stunde zu, bis man den grossen Teich überschiffete. Man stieg darauf an Land, und begab sich in eine am Ufer neu angelegte Meyerey, welche ein fremder Edelmann daselbst in einer sehr lustreichen Gegend erbauet hatte.

Dieser Meyer-Hof, so schlecht er auch anzusehen war, hatte nichts destoweniger etwas, daß man ihn mit Vergnügen betrachten muste. Es war ein kleines Gebäude von einem Stockwerck, mit zwey Flügeln, welche einen viereckigten Hof formirten. Man sah in dessen Mitten ein springendes Wasser, mit jungen Casta nien-Bäumen dicht umstellet: Einige Wasen-Bäncke liefen rings umher: Die Sonne konte mit ihren Strahlen hier nicht durchdringen: Von fornen war der Hof mit einem zierlich von Eisen verfergtigten Stangwerck geschlossen. Und hinter dem Haus sah man einen durchaus wohl angelegten Garten, an dessen Schönheit die Ordnung und die Natur mehr Antheil hatten, als die Kunst. Der lincke Flügel sties auf einen Hof, darinnen allerhand Feder-Vieh aufbehalten wurde; und der rechte Flügel gieng in einen Gras-Garten,[421] wo man nebst den Lämmern auch verschiedenes zahm gemachte Wild untereinander weyden sah:

Der Edelmann, so diese anmuthige Einöde bewohnte, war ein Herr von ausserordentlichen Gemüths-Gaben; dem aber die gröste Unglücks-Fälle in der Welt darzu haben dienen müssen, daß er hier die Annehmlichkeiten eines stillen und ruhigen Lebens den Eitelkeiten des Hofs hatte vorziehen lernen.

Der Graf hatte hier längst dem Ufer, welches mit einigen Treppen von Wasen erhöhet war, ein künstliches Lust-Gebäude von kleinen Latten, mit frischem Laubwerck durchwunden, verfertigen lassen; welches nach den Regeln der Bau Kunst, durch ordentliche Gallerien, mit andern dergleichen Sälen auf den Ecken zusammen hieng, und mit zwey langen Flügeln bis auf den Teich hinreichte.

In der Mitten war ein groser Saal mit grün verguldten Wachs-Tuch bedecket; rings umher hiengen Wand-Leuchter von Cristal und Spiegel-Gläser; alles war mit Blumen-Kräntzen, Festonen, Sinn-Bildern und Verguldungen ausgezieret. Der König setzte sich allhier zur Tafel; nachdem man sich vorher mit einigen Spielen und Spatziergängen belustiget hatte.

Es waren sehr warme Tage: Die Abende[422] selbst wurden noch von einer schwühlen Luft durchdrungen, und hemmten dadurch in dem Menschen die Munterkeit der Lebens-Geister. Der Graf hatte deswegen eine besondere Erfindung gebraucht, allenthalben das Wasser durch blecherne Röhren um dieses Lust-Gebäud herum zu führen, welches an den Wänden hin und wieder spritzte, und gleich dem stärcksten Regen die angenehmste Kühlung verursachte.

Nach der Tafel wurde nach der Scheibe geschossen: so oft einer das Schwartze traff, stieg eine Rakete in die Höh; Der ganze Weg bis dahin war mit Lampen und Lichtern besetzet, welche sehr artig an die von Gebüsch gemachte Wände, auf Art einer Schaubühne geheftet waren. Die Scheibe selbst hieng an einem ganz licht-hellen und nach der Baukunst verfertigten Portal, welches nach vollendetem Schiessen mit einmahl in lichte Flammen gerieth, und unter einem anhaltenden Kunst-Feuer eine weile fortbrandt. Der ganze Teich war dabey rings umher mit kleinen Holz-Feuern erleuchtet, welches im Perspectiv eine ungemeine Wirckung that. Die Music und die abwechselnde Losungen der Paucken, Trompeten und Canonen, die mit den Böllern und Waldhörnern, auf den Schiffen erschallten, schienen da herum die ganze Gegend lebendig zu machen.[423]

Der König war bey allen diesen Lustbarkeiten so munter und so vergnügt, daß er den Grafen, zum Zeichen seiner Erkentlichkeit, vielmahl umfieng und an seine Brust druckte. Die neue Königin hatte etwas so huldreiches, gefälliges und angenehmes in ihrem Wesen, daß sie sich von dem König in der Vertaulichkeit des Ehstandes noch immer mehr lieben machte.

Nachdem nun der Graf dem König gezeiget hatte, daß er eben so geschickt sey, ihm allerhand Veränderungen zu machen, als gute Rathschläge zu ertheilen; so gab er ihm bescheiden zu erkennen, daß es nun Zeit wär, sich wieder in die vorige Ordnung zu setzen, damit dessen kostbare Gesundheit fernerhin mögte erhalten werden. Er rieth ihm deswegen, auf Gutbefinden des Hern Hippons, noch vierzehen Tage lang in Aquana zu bleiben, und sich daselbst des Bades mit einer gewissen Mäßigung zu bedienen: Herr Hippon schrieb dabey dem König, unter dem Schein dieser Cur, gewisse Lebens-Regeln vor, deren Beobachtung insgemein bessere Wirkung thut, als der Gebrauch der Bäder selbst.

Der ganze Hof kehrte darauf von dem Schloß des Grafens von Sylva wieder nach Aquana zurück. Der Graf von Rivera aber blieb noch einen Tag länger bey dem fremden Edelmann, welchem der lustige Meyer-Hof zugehörte.[424]

Derselbe hatte sich die gantze Gewogenheit des Grafen von Rivera erworben. Man bemerckte in seinen Reden und Handlungen alle Züge einer hohen Weisheit und Tugend: Er hatte eine überaus feine Bildung: Seine Kleidung war nett und sauber; aber schlecht, ohne Gold und Silber: Er trug seine eigene Haare, welche ihm, ohne alles künstliche kraussen, in ihren natürlichen Locken um die Schultern hiengen.

Der Graf von Rivera hatte das gröste Vergnügen in seiner Gesellschaft: Gleiche Gemüther kennen sich einander im ersten Anblick. Es ist etwas verborgenes in der Natur, durch welche widerwärtige Dinge sich scheiden, und gleichförmige sich vereinigen. Die Verwunderung war von beyden Theil ungemein, da einer immer so dacht und so redete, wie der andere: Ihrer beyder Eigen-Liebe empfand hier dasjenige schmeichelnde Vergnügen, welches man spüret, wann Leute, die Verstand haben, unsern Empfindungen und Meynungen beypflichten. Hieraus entstund von beyden Seiten eine Hochachtung, die nur wenig Tage nöthig hatte, zu einer würcklichen Freundschaft zu werden. Der Graf suchte ihn zu bereden, mit ihm nach Hof zu gehen. Allein der Fremde erklärte sich darauf, daß er die Welt allzuviel hätte kennen lernen, um sich wieder in ihre Eitelkeiten einzulassen.

Der Graf von Rivera bezeigte ein grosses[425] Verlangen, dessen Begebenheiten zu wissen: Sie setzten sich zu dem Ende bey stiller Abend-Zeit, da der volle Mond mit seinen Strahlen den ganzen Teich erhellte, an das mit Wasen-Bäncken belegte Ufer; allwo der Fremde seinen Lebens-Lauf folgender massen erzehlte.

Quelle:
Johann Michael von Loën: Der redliche Mann am Hofe. Frankfurt am Main 1742., S. 400-426.
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Komtesse Mizzi oder Der Familientag. Komödie in einem Akt

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Ein alternder Fürst besucht einen befreundeten Grafen und stellt ihm seinen bis dahin verheimlichten 17-jährigen Sohn vor. Die Mutter ist Komtesse Mizzi, die Tochter des Grafen. Ironisch distanziert beschreibt Schnitzlers Komödie die Geheimnisse, die in dieser Oberschichtengesellschaft jeder vor jedem hat.

34 Seiten, 3.80 Euro

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