77.

Die Welt ward nicht auß Sonnen-Staube, sondern wird zu Sonnen-Staube

[48] Ich weiß nicht, ob die Welt kan länger stehn und halten,

Weil da und dort ihr Bau nimmt Brüche, Risse, Spalten.

Gott scheidet sich von uns; wir scheiden uns von Gott.

Die Wolfahrt reumt das Land, und bleibt uns nichts als Not;

Die Tugend fleucht seitab; die alten Laster weichen

Der neuen Teuffeley. Es künnen sich nicht gleichen

Der Unterthan und Herr, der Herr und Unterthan;

Der Mann sucht fremdes Weib; das Weib sucht fremden Mann.

Der Himmel wil nicht mehr der Erde Saamen günnen;

Die Erde wil nicht mehr wie vor gebären künnen.

Das macht, daß man zum Theil dem Epikurus gläubt:

Die Welt werd ehstes das, was in der Sonne stäubt.

Quelle:
Friedrich von Logau: Sämmtliche Sinngedichte, Tübingen 1872, S. 48-49.
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Die tapfere Wahrheit. Sinngedichte. Insel-Bücherei Nr. 614
Sinngedichte / Von Logau, Friedrich (German Edition)