90.

Neunerlei Fragen und neunerlei Antwort

[29] 1.

Wie kümmt es, daß die Welt im argen ist versunken?

Sie ließ den rechten Weg und gieng nur nach Gedunken.


2.

Wie kümmt es, daß die Zeit nicht wil gebessert werden?

Die Menschen in der Zeit verbösern die Geberden.


3.

Wie kümmt es, daß die Last der Noth die Welt so drucket?

Sie isset ietzund auß, was sie vor eingebrocket.


4.

Wie daß uns Rath und That so wenig wil erspriessen?

Drum daß, wie wir von Gott, Gott nichts von uns wil wissen.


5.

Wie daß sich die Fortun so plötzlich hat gewandelt?

Weil der, der sie bekam, sie übel hat gehandelt.


6.

Wie kümmt es, daß ietzund die Bösen oben schweben?

Wer höchlich fallen soll, den muß man hoch erheben.


7.

Wie kümmt es, daß ietzund die Frommen unten liegen?

Sie kämpfen mit Gefahr, mit Ehren drauff zu siegen.


8.

Wie daß uns wil die Zucht zur Sicherheit gelangen?

Dieweil der letzte Tag die Welt wil ehstes fangen.


9.

Kümmt aber keine Zeit, darin es besser werde?

Neu Himmel ist nicht weit, nicht weit ist auch Neu Erde.

Quelle:
Friedrich von Logau: Sämmtliche Sinngedichte, Tübingen 1872, S. 29-30.
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Die tapfere Wahrheit. Sinngedichte. Insel-Bücherei Nr. 614
Sinngedichte / Von Logau, Friedrich (German Edition)