57.

Jungfern-Wangen

[280] Poeten steht was frey, ihr Jungfern! eure Wangen,

Worauff die Schönheit spielt, die Charites so prangen

Und Flora Wohnung hält, die ehr ich. Die Natur

Hat reichlich bracht hieher in einer vollen Spur

Die Gaben ihrer Kunst. Hier sind die linden Höhen,

Für denen Hybla blast, für denen traurig stehen

Pæstanische Gewächs und Lilien nichts sind

Und Helffenbein nicht taug und Purpur wie verblind.

Hier ist der runde Zweck, drauff mit viel tausend Küssen

Uns derer Werth mahnt an zu zielen und zu schissen

Auß Ehrerbittung bloß; (wiewols der Brauch verbeut

Und deutsche Zucht nicht wil, die auch den Argwohn scheut.)

Hier ist das klare Feld, drauff Tugend hin ins lichte

Streut auß die edle Scham, zu tragen reine Früchte,

Die so schön röthlich blühn, die weit ein mehres werth,

Als was die rothe See ie von Corall beschert.

Hier ist der zart Altar von weissen Marmor-Stücken,

Drauff jungferliche Zucht pflegt reines Blut zu schicken

Zum Opffer keuschem From. Hier ist das flache Rund,

Drum Zephyrus spielt her, drauff offt Cupido stund

Und sich um einen Weg für seinen Pfeil umsahe

Und dachte, wie ein Wild für seine Küch er fahe

Mit seinem Purpur-Zeug. Hier lag er offt im Halt,

Mit Rosen wol verhägt, wann er die Jagt bestalt.

Hier trägt Pomona für Vertumnus, ihrem Schatze,

Die roth und weisse Frucht, das schönste Paar vom Platze,[280]

Den ihre Müh gepflantzt. Hier brennt die nütze Glut

Deß Pharos, der im Meer den Schiffen Bahn und Mut

Zu sichrem Ufer gibt. Hier scheint das keusche Feuer,

Das mehr als Vesta Flamm ist zu verehren theuer;

Das bringt den klaren Tag hin in die finstre Nacht;

Drauß merckt man, ob da schlieff, drauß merckt man, ob da wacht

Die Scham der Redligkeit, (in derer Port zu länden,

Wer redlich anders buhlt, sein Schiff pflegt hin zu wenden

Und sonsten nirgend wo, er sey dann so gesinnt,

Daß bey ihm Ehr und Schmach vergleichten Außschlag findt;)

Hier hebet sich entpor, hier breitet seine Wellen

Der Tugend Haupt-Panier; hier lacht sie, wann sie lacht;

Hier ist ihr eigner Schmuck; hier ist ihr eigner Pracht.

Quelle:
Friedrich von Logau: Sämmtliche Sinngedichte, Tübingen 1872, S. 280-281.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sinngedichte
Die tapfere Wahrheit. Sinngedichte. Insel-Bücherei Nr. 614
Sinngedichte / Von Logau, Friedrich (German Edition)