Sechstes Buch.

[942] Alle Welt sperrte die Augen auf / als sie Augustus geschlossen hatte. Denn wie niemand so unachtsam ist /der sich nicht beym Aufgange oder Verschwindung eines grossen Sternes am Himmel um die Deut- und Würckung bekümmere; also war kein Fürst oder Volck auf Erden / welches ihm nicht über dem Tode des Kaysers Augustus Gedancken machte / der als ein vorhin nie seines gleichen habendes Gestirne gantzer vierzig Jahr die Welt mit seinem Glantze erfüllet hatte. Kein so grosser Stern war noch nie irgendswo aufgegangen; keiner hatte einem Volcke so lange geschienen / und also war kein solcher noch gefallen. Daher wahrsagten alle Frembden dem Römischen Reiche eine Verfinsterung; die an Ketten liegenden Völcker meinten nun Lufft zu bekommen / ihren Hals aus dem Joch zu ziehen; Rom erinnerte sich zwar /aber nur wie im Traume seiner verlohrnen Freyheit. Ein Volck sahe das andere / und zu Rom ein Bürger den andern an. Jeder bildete ihm ein / der andere würde sich der gemeinen Noth annehmen / niemand aber hatte das Hertze etwas selbst zu thun; Und darmit verschwand allen die Gelegenheit / sich in bessern Stand zu setzen / unter den Händen. Zu Rom hatte das Römische Volck bey so langer Herrschafft des Augustus ohne Furcht gelebt: daß er iemahls sterben würde; Nunmehr aber erschreckte sie sein Fall so sehr: daß sie ihnen weder zu rathen / noch zu helffen wusten. Denn es lebte niemand / welcher das freye und tugendhaffte Rom mit Augen gesehen hatte; in welchem ein Bürger so viel sagen dorffte als der ander / und ieder fähig war einem Könige zu gebieten. Die ältesten waren bey den jämmerlichen Bürger-Kriegen / alle andere unter der Herrschafft eines Menschen gebohren. Also wurden die wenigen für Thoren gehalten / welche meinten: es wäre nu Zeit sich der alten Freyheit wieder zu bemächtigen; welcher die knechtischen Römer selbst nicht mehr fähig waren. Die Reichen /und welche bey der neuen Herrschafft ans Bret kommen waren / fürchteten sich für nichts mehr / als Zwytracht und Kriege / welchen nur die / so nichts zu verlieren hatten / wünschten. Hierüber machte ihm nun iederman zwar leicht die Rechnung; daß das Reich nicht anders / als durch ein Haupt könte beherrschet werden; Aber ob man zwar zu Rom Augustens Tod / und daß Tiberius sich des Hefftes anmaßte / zugleich vernahm / mangelte es doch nicht an Leuten /welche Wahrsager abgeben wolten; ob Agrippa / Tiberius / oder Germanicus das Reich behaupten würde. Unter diesen waren die wenigsten / welche es dem noch zu jungen und unerfahrnen / aber wilden und erzürnten Agrippa zutrauten; vielmehr aber / welche es mit ihren Wünschen dem Germanicus zuschantzten. Denn dieser wäre aus dem rechten Geblüte des Kaysers; Tiberius aber allein durch Liviens Räncke dem Kayserlichen Hause eingepfropffet. Germanicus hätte in seiner Hand acht Legionen / unzählbare Hülffs-Völcker / und wegen seiner Tugenden eine unmäßige Liebe des Volckes; welches hingegen den Tiberius /ob er schon bey reiffem Alter war / und im Kriege viel gethan hatte / wegen der den Claudiern angebohrnen Hoffart / und seiner[943] versteckten Grausamkeit / und Unzucht / welche er auch in seinem betrübten Zustande auf Rhodis nicht hätte lassen können / eusserst haßte / und daß es nebst ihm seiner ihr selbst nicht mächtigen Mutter Livia Knecht würde seyn müssen /sich bescheidete. Dem Tiberius selbst lag nach ermordetem Agrippa kein schwerer Stein / als die Furcht für dem Germanicus auf dem Hertzen / daß dieser das Reich lieber bald würde haben / als von ihm als Vater erwarten wollen. Sintemahl auch die Bande wahrer /wie vielmehr einer ertichteten Bluts-Freundschafft viel zu schwach wären die Herrschensbegierde zu hemmen. Diesem nach schrieb er von Nola an den Rath nach Rom ziemlich demüthig: Sie würden nicht übel aufnehmen / daß er aus übermässiger Liebe gegen den Verstorbenen bey des Augustus Leiche bliebe / und dißfalls sich eines offentlichen Amptes anmaßte; im übrigen so zweiffelhafft / als wenn er zu herrschen mit ihm selbst noch nicht eines wäre. Gleichwol aber gab er der bey sich habenden Leibwache das Wort / ließ sich bewachen / theilte Waffen aus / ließ ihm die mit Lorbern umwundenen Beile fürtragen / wie vorhin der Kayser; insonderheit aber schrieb er an alle Heere / und Länder / und bestätigte die / welche über selbte gesätzt waren. Als diß zu Rom kund worden / der dahin in Eyl anko ende Oberste der Leibwache Sejus Strabo auch versicherte: daß selbte den Tiberius für den Fürsten der Römer verehrte / stürtzte sich alles über Halß und Kopff in seine Dienstbarkeit / am allermeisten aber die hohen Standes waren. Die Rathsherren wolten es dem Adel /der Adel dem Rathe zuvor thun; und weil niemand wolte darfür angesehen seyn: daß er sich entweder über Augustens Tod nicht genugsam betrübte / oder über des Tiberius Nachfolge erfreute / befließ sich iederman Thränen und Freude / Wehklagen und Heucheley mit einander zu vermischen. Die ersten an Würde / nehmlich die Bürgermeister Sextus Pompejus / und Sextus Apulejus / waren auch die ersten /welche von freyen Stücken / wie die Fechter oder Kriegs-Leute allen Worten des Tiberius sich zu unterwerffen schwuren. Dieser Beyspiele folgten alsbald Sejus Strabo / und der Getreyde Meister Cajus Turranius / das zu Rom verhandene Kriegs- und das gantze Volck. Unterdessen samlete sich zu Nola halb Italien und Griechenland / des grossen Kaysers Leiche theils aus Vorwitze zu sehen / theils aus Liebe zu begleiten. Von Nola ward er auf dem güldenen mit purpernen Tüchern umhengten Bette / des Nachts wegen der Hitze bey viel tausend Wind-Lichtern nach Acerra /von Acerra nach Capua / und so fort von einer Stadt zur andern / biß nach Bavilla auf den Achseln derselben Raths-Herren getragen. Alle Nacht aber in einem Heiligthume beygesätzt; gleich als wenn seine als eines Gottes Leiche keines verunreinigen könte. Zu erste ritt ein Theil Reuterey / dieser folgte eine grosse Menge Pfeiffer / Sänger und Trompeter / welche wechselsweise seinen Todt bejammerten. Hierauff folgte die Leiche / um welche tausend Edelleute so viel Wachs-Fackeln trugen. Hinter der Leiche gieng Tiberius / Livia aber ließ sich auff einem Stule tragen. Nach diesem kam die gantze Kayserliche Leib-Wache; Rings herum aber zohe eine unzählbare Menge Volckes / also daß man glaubte: es sey der des Sylla Leiche eben diesen Weg nach Rom mit grosser Pracht begleitender Aufzug / gegen diesem kalt Wasser gewesen. Eine Meile für Rom ward die Leiche vom Römischen Adel empfangen / und getragen. Drusus gieng alldar neben seinem Vater Tiberius in schwartzer Kleidung. Jeder hatte ein goldenes Rauch-Faß in der Hand / und räucherten mit Weyrauch des Kaysers Leiche / welche durch die Stadt in sein Hauß getragen ward. Denn weil die Leichen nicht den Göttern unter die Augen gebracht werden dörffen / und daher auch die der Vergötterung bestimmten Kayser /wenn sie einem[944] Begräbnüße beywohnen / zwischen ihnen und der Leiche einen Vorhang tragen lassen /wolte sich niemand unterstehen zu rathen / daß Augustens Leiche auf das mit so viel Götter-Bildern angefüllte Capitolium getragen wurde. Tiberius blieb die gantze Nacht bey der Leiche / auf den Morgen aber beruffte er den Rath auffs Rath-Hauß; welche Beruffung er aber nur als Römischer Zunfftmeister ausgefertigt hatte. Die Bürgermeister schickten auch bald früh zwey Raths-Herren den Tiberius in Bewachung der Leiche abzulösen / welche hernach von Tag zu Tage / biß zum Begräbnüße abgewechselt wurden. Es muste auch stets ein Priester zur Stelle seyn / der neben der Leiche auf einem Altare das wolrüchende Feuer unterhielt / welche mit unzählbaren Bildern /der Julier / Octavier / Pompejer / und anderer vornehmen Geschlechter in einem prächtigen Saale umgeben stand / und Tag und Nacht von dem zulauffenden Römischen Volcke angebetet ward. In versammletem Rathe saß ieder an seiner Stelle / nur die Bürgermeister nicht. Denn Sextus Pompejus setzte sich / wo die Stadt-Vögte / und Apulejus / wo die Zunfftmeister zu sitzen pflegten / wie bey einem grossen Trauren des gantzen Römischen Volckes bräuchlich war. Tiberius / welcher die Leiche angerührt und begleitet / also sich verunreiniget hatte / enthielt sich des Rathes. Alleine der Rath ließ ihn demüthig einladen / und ihm melden: daß an ihres Gottes des Augustus Leiche sich niemand verunreinigen könte; also er nicht von nöthen hätte / daß er vom Priester mit einem Oelzweige besprenget würde. Tiberius erschien hierauf mit einer traurigen Bescheidenheit im Rathe / und bat zu erlauben; daß des Kaysers bey den Vestalischen Jungfrauen eingelegter letzter Wille von diesen in Rath zu bringen erlaubet / und es eröffnet werden möchte. Diß geschahe / und ob zwar ein Rathsherr solches selbst abzulesen bereit war / wolte er es doch / als seiner Würde unanständig / nicht geschehen lassen. Daher laß es Polybius / einer aus des Kaysers Freygelassenen ab. In diesem war Tiberius für zwey / die darinnen zugleich ins Geschlechte der Julier aufgenommene Livia in ein Drittel zum Erben eingesätzt; worbey er den Rath aber um Verzeihung bat; daß er wider das Voconische Gesetze seiner Ehfrauen mehr / als das erlaubte vierdte Theil zugeeignet hätte. Nach ihnen waren Augustens Enckel zu seinen andern / und endlich etliche wiewohl ihm verhaste Grossen in Rom /zum dritten Erben eingesetzt. Also ist die Ehrsucht so wohl / als der Geitz / eine nie veralternde und sich mit den Sterbenden ins Grab legende Regung. Güter und Geld waren ziemlich vielen der Seinigen / auch gantz fremden / und zwar nicht nur Rathsherren und Rittern / sondern auch Königen / und darunter dem Marbod und Ariovisten etliche köstliche Trinck-Geschirre von Berg-Kristallen / Edelsteinen / und Murrhinischem Gefässe; dem Römischen Volcke die Gärte an der Tyber / und viermahl hundert und fünff und dreyßig tausend Sestertier / iedem von der Leib-Wache tausend / und iedem unter denen bürgerlichen Legionen dreyhundert silberne Pfennige vermacht. Hierauf ließ Tiberius vier Bücher des Käysers in Rath bringen. Im ersten war die Bestellung seines Begräbnüsses / im andern die Erzehlung seiner Thaten / welche er in Ertzt zu etzen / und die Säulen für sein Heiligthum zu stellen befahl; das dritte war ein Verzeichnüs aller Kriegs-Leute / Einkünffte / Ausgaben / und des Schatzes; das vierdte hielt in sich allerhand Staats-Lehren; darunter sonderlich diese war: daß man / wie er in letzten Jahren gethan / die Gräntzen des Römischen Reiches nicht weiter auszuspannen trachten /selbtes also wegen seiner ungeheuren Last nicht von sich selbst zerfallen möchte. Alle im Rath verfielen hierüber in Lobsprüche des Käysers; daß selbter nicht allein im Leben ein Vater des Vaterlandes gewest wäre; sondern[945] auch / nach dem er schon der Sterbligkeit entbunden / durch seine Sorge für ihr Heil sich einen rechten Gott der Römer erweisete. Nach diesem ward berathschlaget / wie das Begräbnüs des Käysers bestellet werden solte; da denn einer sagte: es solte am Begräbnüs-Tage niemand einen güldenen Ring /sondern auch die Rathsherren eiserne tragen. Ein ander: es solte der Monat August mit dem Herbst-Monate verwechselt und beyde versätzt werden / weil der Käyser in diesem gebohren / in jenem gestorben wäre. Ein ander / man solte die Zeit von Augustens Geburt biß zu seinem Tode / das Alter des Käysers August nennen / und also in die Jahr-Bücher eintragen. Ja fast niemand war / der nicht / um dem Todten und dem Tiberius zu heucheln / was ungemeines aussaan / und vorschlug; und alle stellten Liviens und des Tiberius Willkühr alles heim. Denn es könte nichts so prächtiges erdacht werden / der gütigste Käyser hätte ein mehrers verdienet / nach dem der grausame Sylla auf einem von den Rathsherren getragenen güldenen Bette / auf den von eitel wolrüchendem Holtze bereiteten / mit Zimmet / Amomum und Weyrauch angefüllten Holtz-Stoß gebracht / von den Römischen Frauen alleine zweyhundert und zehn Tragen-voll Indianische Würtzen darein geschüttet / auch sein und seines Aufwärters in Lebens-Größe aus gestossenem Zimmet und besten Weyrauch mit Balsam von Jericho zusammen gebackenes Bild darauf gestellet / und mit verbrennet / ihm zweytausend güldener Kronen fürgetragen worden / sein Begräbnüs auch von allen Priestern / den Vestalischen Jungfrauen / vom gantzen Rathe / allen Obrigkeiten / vom Adel / in güldenen und silbernen Waffen / von allem Kriegs-Volcke wäre begleitet / und ihm hunderterley Lobsprüche zugeruffen worden wären. Absonderlich fieng Messala Valerius an: der grosse Alexander hätte seinen Feld-Hauptmann Hephästion durch sein gantzes Reich betrauren / und / um im Kriegs-Heere sein Gedächtnüs zu erhalten / die ihm untergebengeweste Reiterey Hephästions Flügel nennen / seine Kriegs-Fahnen nicht verändern lassen / noch selbten einen andern Führer gegeben. Er hätte vorhin nie gesehene Spiele ihm zu Ehren angestellet / und hierzu aus aller Welt dreytausend Künstler verschrieben; die andern Feld-Obersten hätten auch sich und ihre Waffen dem Verstorbenen einweihen / und ihn als einen Gott verehren müssen; also daß Agathocles Samius / weil er bey seinem Grabe geweinet / von Alexandern wäre getödtet worden; wenn nicht Perdiccas ihm zu Liebe bey allen Göttern und dem Hephästion selbst geschworen hätte / Hephästions Geist wäre ihm auf der Jagt erschienen / und gesagt: Agathocles hätte ihn keines weges als einen verstorbenen Menschen beweinet / sondern das Andencken ihrer verträulichen Gemeinschafft hätte ihm alleine diese Liebes-Thränen ausgelocket. Mit einem Worte: Alexander hätte auf sein Begräbnüs zwölff tausend Talent verwendet. Was aber wäre Hephästion / ja Alexander selbst gegen dem Käyser? dahero könten ohne höchsten Undanck die Römer zu des vergötterten Augustus Ehren weder Kosten noch Erfindungen sparen. Der Mittelpunct der Erde solte mit allen dahin versammleten Edelgesteinen das Behältnüs seiner Todten-Asche seyn. Die Begräbnüs-Fackeln solten von eitel Blitz brennen / oder vielmehr die Sternen selbst mit ihrem Glantze davon alle Düsternheit vertreiben. Die Flüsse solten ihren Thränen-armen Augen ihre Wasser leihen / eines so unschätzbaren Fürsten Verlust sattsam zu beweinen / und alle Welt ihre Kräffte zu seinen Gedächtnüs-maalen beytragen. Ihrer viel musten über dieser knechtischen Heucheley sich in die Zunge beissen; und der hierüber selbst beschämte Tiberius hielt für rathsam ein und anders zu mäßigen. Für sich alleine schlug er als rathsamer für: daß die Leiche auf dem Marckte /[946] als auf dem Felde des Kriegs-Gottes / verbrennet / auch vorgesorgt werden möchte / damit das Volck aus übermäßiger Liebe nicht eben so / als für Zeiten des Keyser Julius gestöret werde. Jedoch stellte er auch diß dem Rathe heim / wie es denn auch nachgehends bey dem Felde des Kriegs-Gottes verblieb. Uber diß unterwarf er alles der Willkühr der Bürgermeister; gleich als wenn die alte Freyheit des Rathes unverloschen / und er zu herrschen nicht gemeint wäre. Denn er wolte den Nahmen haben: daß er mehr vom Rathe und Volcke beruffen / zur Herrschafft kommen / als durch Liviens Ehrgeitz und eines Verleiteten alten Wahl eingeschlichen wäre. Ob nun zwar Tiberius außer dem Begräbnüße nichts zu berathschlagẽ fürtrug; verfiel doch Valerius wieder in seine Heucheley / und rieth einen Rathschluß zu machen: daß der Rath alle Jahr dem Tiberius / als der Römer Fürsten /schweren müste. Tiberius fragte ihn nicht ohne Entrüstung: Ob er zu einem solchen Vortrage ihm einigen Anlaß gegeben hätte? Nein / antwortete Valerius. Denn in denen zum gemeinen Wesen dienenden Sachen pflegte er sich keines fremden Einschlags zu bedienen / sondern / ohne Furcht jemanden zu beleidigen / die Nothdurfft gerade heraus zu sagen. So weit war es nunmehr mit der Heucheley zu Rom kommen.

Drey Tage nach einander für dem Begräbnüsse /ritten unterschiedene Herolden durch alle Gassen der Stadt / welche ankündigten: der Fürst / oberste Priester / und Vater des Vaterlandes wäre gestorben; diesem würde das Römische Volck das Begräbnüs auf gemeine Unkosten ausrichten. Daher solten auf solche Zeit alle Rechts- und andere Händel ruhen / alle Kräme und Werckstädte geschlossen / und also jeder Bürger zugegen seyn. Auf den Begräbnüs-Tag aber /wurden bald nach Mitternacht alle Strassen und Plätze / durch welche die Leiche getragen werden solte /starck mit Kriegs-Volck besätzt. Ihrer nicht wenig lachten ins geheim / welche sich des Tages der noch rohen Dienstbarkeit / und der unglücklich wiedergeholeten Freyheit erinnerten; an welchem nemlich die Ermordung des Käysers Julius einem der schli sten /andern der schönsten that in der Welt neue Zeitung war. Und es war in Warheit auch Lachens werth: daß ein Fürst / für welchem sich viertzig Jahr tausend Völcker gebückt hatten; für welchem niemand am Ende der Welt sicher gewest war; welcher dem gemeinen Wesen und vielen absonderlich so grosse Schätze vermacht hatte / sein Begräbnüs für Beunruhigung zu beschirmen / so vieler Kriegs-Leute bedorffte. Alle Dächer und Fenster waren von allerhand Völckern der Welt angefüllet / und eine schlechte Stelle um ein ziemliches Geld vermietet. Waren nun die Zuschauer unzehlbar; so war ihr Urthel auch gewiß vielerley. Etliche wusten allerhand Wahrsagungen zu erzehlen: daß das Verhängnüs ihm das sechs und siebentzigste Jahr seines Alters zu seinem Lebens-Ziele gesteckt hätte / sonderlich weil er den Tempel des Qvirin mit sechs und siebentzig Säulen ausgezieret hätte. Andere wunderten sich / daß August in seinem eigenen Monate / und zwar an desselben vierzehnden Tage / welcher auch der Anfang seiner Herrschafft gewest wäre /hätte sterben müssen. Gleich als wenn nicht einerley Tage dem Glücke und Unglücke unterwürffig wären /und diß / was in allen andern Tagen kein Wunder wäre / nicht eben auch heute / oder an unserm Ge burts-Tage geschehen könte. Andere suchten Geheimnüsse aus der Zahl seiner erlangten Würden; da er nemlich so offt alleine / als Valerius Corvinus und Cajus Marius zusammen / nemlich dreyzehnmahl Bürgermeister / ein und zwantzigmahl oberster Feldherr / und sieben und dreißig Jahr Zunfft-Meister gewest wäre. Die Bescheidensten ließen sich in Augustens Lob heraus; priesen seine Liebe gegen den Vater Julius / dessen Tod zu rächen er sich kein Staats-Gesätze hätte zurück halten[947] lassen. Zu den bürgerlichen Kriegen / welche zwar ohne Unrecht und Unheil weder angehoben noch ausgeführt werden könten / wäre er mit den Haaren gezogen worden; weil der verderbte Zustand des gemeinen Wesens keinem Gesätze und Gerichte über die Mörder Raum gelassen hätte. Er habe wegen des gemeinen besten dem Antonius bey Ausübung der Rache wider die Käyser-Mörder / wie auch dem Lepidus viel Fehler und Beleidigungen übersehen. Nach dem dieser durch Trägheit / jener durch Wollüste verfallen / wäre kein ander Mittel das zwistige Vaterland zu beruhigen übrig gewest; als daß seine Glieder unter einem Haupte vereinbart würden. Gleichwol hätte er nicht die Königliche oder eine andere verhaßte Gewalt an sich gerissen / sondern unter dem holden Nahmen eines Fürsten das gemeine Wesen erhalten; Mit dem Meere und grossen Strömen die Reichs-Gräntzen befestigt / und durch eine kluge Vertheilung der Legionen und Schiff-Flotten so viel Länder mit einander verbunden; das Recht unter den Bürgern / die Bescheidenheit unter den Bundsgenossen erhalten; die Stadt mit Gebäuen prächtig ausgeschmückt; alles mit Glimpff / wenig mit Gewalt ausgerichtet / um alles in Ruh zu erhalten.

Die Scharfsichtigern hingegen sagten: August wäre nur in der Julier Geschlechte eingeschoben / für sich schlechter Ankunfft / seines Groß-Vatern Vater eines Freygelassenen Sohn / sein Groß-Vater ein Wechsler /seiner Mutter Groß-Vater aus Africa gewest / welcher sich zu Aricia von einem Salben-Krahme und Brod-Banck ernähret hätte. Er selbst hätte die Liebe gegen seinen Vater Julius / des gemeinen Wesens verwirrten Zustand / und die Nothwendigkeit der Rache nur zu einem Vorwand gebraucht. Denn warum hätte er sich anfangs zum Rathe geschlagen / wider den des Julius Mord rächenden Antonius die Waffen ergriffen; ja den von dem Antonius zu Mutina belägerten Decius Brutus einen der Mörder erlöset? Seine Begierde zu herrschen hätte ihn verleitet das zu Capua liegende alte Kriegs-Volck / durch Bezahlung zweytausend Sestertier für jeden Kopff / auf seine Seite / und als ein Jüngling ein eigen Heer auf die Beine zu bringen. Dem Bürgermeister Antonius hätte er die vierdte und Martialische Legion abspenstig gemacht / sich gestellet / als wenn er auf des Pompejus und des Rathes Seite stünde; also zuwege gebracht: daß der Rath ihm die Stelle des Stadt-Vogts / und eines Rathsherrn Stimme enträumet hätte. Den Pansa hätte er durch Gifft / den Hirtius durch seine bestochene Kriegs-Leute aufreiben lassen / um sich ihres Volckes zu bemächtigen. Dem Rathe hätte er die Bürgermeister-Würde abgetrotzt / und die gegen den Antonius empfangene Waffen wider das gemeine Wesen gebraucht. Viel unschuldige Bürger hätte er Vogelfrey gemacht /ihre Aecker vertheilet / welches auch die nicht loben können / welche solche gleich selbst geschenckt bekommen.

Ob man wol seinen eigenen Haß dem gemeinen besten aufopfern solte / hätte er doch den demselben so nützlichen Caßius und Brutus nur aus eigener Rachgier / den zur See mächtigen Pompejus unter falschem Scheine des Friedens / und durch seine Heyrath neugemachter Verwandnüs / den Lepidus unter dem Betruge falscher Freundschafft / den Antonius durch den Tarentin / und den Brundusischen Bund / wie auch durch Vermählung seiner Schwester Octavia gestürtzt / oder hinters Licht geführt. Als er allen alles abgedrungen / und alle ihm verdächtige Köpffe abgehauen / hätte er zwar endlich Frieden / aber mit viel Blutstürtzung gemacht. Seine gerühmte Glückseeligkeit aber wäre mit des Lollius und des Qvintilius Varus Niederlage dem Römischen Volcke empfindlich versaltzen worden. Andere wusten nicht weniger sein häußliches Leben / als vorige seine Herrschafft durchzuhecheln: Er hätte dem Nero wider alle Rechte[948] sein Ehweib geno en / und die Priesterschafft noch spottweise gefragt: ob es auch recht wäre / daß / ehe sie ihre im Leibe habende Frucht gebohren hätte / er sie ihm beylegte? da die Rechte auch nach ihrer Männer Tode die für Ausgang des zehnden Jahrs heyrathenden Wittiben für unehrlich erklären. Was für andere Unzucht hätte er dem Lucius Antonius und Hirtius verhangen / mit wie viel Ehbrüchen hätte er die Tertia / Terentia / Rufa / und Tertulla beflecket? Ja Ovidius Naso hätte in Pontus müssen das Elend bauen / weil er darzu kommen wäre / als er mit seiner eignen Tochter Julia sich besudelt hätte. Livien hätte er verhangen: daß selbte nicht nur dem gemeinen Wesen / sondern seinem eigenen Hause durch Ausrottung seiner Kinder eine schwere Stief-Mutter gewesen. Ja den Göttern hätte er nichts zuvor gegeben; sondern in vielen Ländern ihm Tempel / Altäre / Bilder mit Strahlen / Spißen und Blitze aufrichten / sich anbeten / und ihm durch Priester opffern lassen. Ja den hoffärtigen und grausamen Tiberius schiene er mit allem Fleisse ihnen aufgedrungen zu haben / nur daß man nach ihm auch nach dem Tode sich sehnen /und ihn bis in Himmel erheben solte.

Das Begräbnüs begonte in dem Hause / darinnen August gebohren war / auf dem Palatinischen Berge /bey den so genennten Ochsen-Köpffen / an dem Ochsen-Marckte / weil Romulus daselbst angefangen hatte mit den Ochsen zu der Stadt-Mauer die Furche zu ziehen. Daher auch auf selbigem Marckte ein grosser aus Ertzt gegossener Ochse zu sehen ist. Dieser war mit Zypressen umflochten. Darneben war eine Spitz-Säule aufgerichtet. Auf diesem stand zu oberst ein Adler mit einem güldenen Ringe im Schnabel. Unten stand daran:


Rom und Augustus hat den Anfang hier genommen;

Was Romulus hob an / hat Cäsar ausgeführt.

Der hier gelegte Grund ist nun zur Spitze kommen.

Nun urtheilt: wem der Danck und erste Preiß gebührt.


Für dem darbey gelegenen Hause / welches hernach zu seinem Heiligthume bereitet und eingeweihet ward / stand ein Cypressen-Baum mit abgehauenen Wipffeln / um diese war zu lesen:


Der Wipffel ist gefalln! Augustus wird begraben!

Ihr Götter! lasset nicht mit ihm den Stamm vergehn!

Wird Rom doch ohne diß nicht seines gleichen haben /

Biß ein frisch Wipffel wird auf halben Fichten stehn.


An der oberstẽ Thürpfoste hing ein Püschel von des Kaysers abgeschnittenen Haaren. Die Thüre aber über und über war mit Lobgetichten des Kaysers benagelt /und es war kein Marckt und keine Strasse in der Stadt / da dergleichen nicht von denen berühmtesten Römischen und Griechischen Tichtern dem Volcke abgelesen wurden. Dem Hause des Kaysers gegen über / in und für dem sich alles versammlete / stand ein grosser Bogen mit drey weiten Durchgängen aufgerichtet. Uber dem mitlern war das Bild der Natur erhoben /welches in vier unterschiedene Kasten / aus der einen Brust Milch / aus der andern Oel / aus dem Munde weissen / und aus dem Geburts-Gliede rothen Wein spritzte. Uber der Natur stand die Sonne / welche den über dem rechten Eingange stehenden Steinbock /dessen Hörner mit viel Blumen und Früchten umflochten war / und die über dem lincken Durchgange stehende Astrea oder die gestirnte Jungfrau / als die zwey Geburts-Zeichen des Kaysers / bestrahlete. Darunter war mit einer zur Auslegung schicklichen Eintheilung geschrieben:


Mit dem Augustus kam Saturnus güldne Zeit /

Des Uberflusses Horn / Gerechtigkeit zurücke;

Durch ihn floß Milch und Oel / des Weinstocks Süßigkeit /

Ja er vermählte Rom auf ewig mit dem Glücke.


Von dar solte die Leiche auf den Marckt des Kaysers Julius geführt werden. Auf dessen Mitte war der vom Julius der Mutter Venus erbaute Tempel mit vielem Lorber-Laube ausgeschmücket. Für diesem stand ein überaus breiter[949] und herrlicher Bogen mit einem Durchgange / aber vielen Säulen unterstützet. In der Mitte umarmten Anchises uñ Venus einander. Nach diesem standen in etlichen Reyen / Eneas / Ascanius /Julius und alle Nachkommen derselben / biß auf den Kayser Julius / welcher einem Bilde des Kaysers August die Hand reichte. Darunter stand diese Uberschrifft:


Daß Rom aus Troja wuchs / ist Trojens höchste Pracht.

Nichts edlers kont' auch wohl aus edler Asch' entstehen.

Das Blut der Julier halff Cäsarn zwar erhöhen;

Glaubt aber; daß August sie erst recht edel macht.


Gegen über sahe man eine sehr hohe Spitz-Säule /und auf derselben Gipffel das Bild der güldenen Glücks-Göttin. Die gantze Säule war auf allen Seiten mit nachdencklichen Gemählden gezieret. Anfangs war die Stadt Veliträ zu sehen / in welche der Blitz schlug / wegen wessen für Alters dieser Stadt / aus welcher die Octavier den Uhrsprung hatten / gewahrsagt worden war; daß einer ihrer Bürger gantz Italiens Haupt werden würde. Darüber war ein Sibyllinisches Buch gemahlet / und darinnen von der Zeit seiner Geburt zu lesen: daß die Natur mit einem Könige des Römischen Volckes schwanger gienge. Welches auch damahls den Rath veranlaßt hatte / einen Schluß zu machen; daß niemand seinen in selbigem Jahre gebohrnen Sohn erziehen solte. Welcher aber nicht zu Kräfften kommen; weil die Rathsherren / derer Frauen damahls schwanger waren / solchen in die Schatz-Kammer zu bringen verhindert. Auf der andern Seite war die schaffende Mutter des Kaysers / Atia / gemahlet; und in der Höhe bey der Sonne ein Adler / welche ihre Därmer biß an Himmel empor zoh. Und an einer andern Seite war sie gebildet / wie aus ihrem Leibe ein Sonnenstrahl hervor gieng / welches dem Octavius geträumet haben soll. Darüber stand der für seinen Sohn opffernde Octavius in Thracien / da die Flamme von dem in das dem Bacchus brennende Feuer gegossenen Weine über die Höhe des Tempels in Himmel empor stieg / und der Priester betheuerte: daß diß Wunder für ihm niemanden als dem grossen Alexander begegnet wäre. Nahe darbey war August als ein Kind gemahlet / wie er die Frösche durch seinen Befehl stumm machte / daß sie nicht mehr auf seinem Vorwerge schreyen konten. Darüber war zu sehen /wie August in der Schooß des Capitolinischen Jupiters saß / und dem Catulus andeutete: daß er diesen zu Beschirmung der Römer erkieset hätte. Welches dem Catulus nach Einweihung des Capitolium geträumet. Auf der letzten Seite war gebildet / wie dem August /als er bey seinem ersten Bürgermeister-Ampte sein Gelücke aus dem Fluge der Vögel prüfete / eben wie dem Romulus zwölff Geyer sich zeigten; und darbey /wie in allen seinen Opfferthieren / zweyfache Lebern gefunden worden / und noch viel andere glückliche Zeichen / welche dem Kayser die Römische Herrschafft wahrgesagt hatten. Unten war geschrieben:


Die Tugend säugte Rom / das Glücke zoh es groß /

Diß war auch's Kaysers Stern / er saß in seiner Schoß

Der weissen Henne Kind. Der muß ja Kayser werden /

Dem das Verhängnüs dient / den's Glück' hebt von der Erden.


Von Cäsars Marckte ward der Aufzug bestellt / gegen dem Tempel des Apollo. Für diesem war ein hoher zweygespitzter Parnaßus / mit dem geflügelten Pegasus / aufgerichtet / und floß eine kleine Bach aus dem Hippocrenischen Brunnen. Darauf stand das Bild des Kaysers / in Gestalt des Apollo; Um ihn sassen die neun Musen / welche nach den süssesten Seitenspielen das Lob des Augustus sangen. Hierbey waren auch Virgilius und Horatius zu sehen; jener überreichte dem Apollo seine Eneis / dieser seine Lieder; wofür Apollo iedem einen Lorber-Krantz auffsätzte. Unten war an der einen Seite die Stadt Apollonia / wo August der Welt-Weißheit obgelegen / und sein Lehrmeister Apollodor[950] und Areus gebildet / und am Fuße mit güldener Schrifft verzeichnet:


Es ist viel / Kayser seyn / mehr des Apollo Sohn.

Der erste stimmt die Welt / der ander auch die Sternen;

Rom hat von dem August erst Römisch reden lernen.

Er hat nach Rom versetzt der Griechen Helicon.


An dem Tempel des Apollo stösset das Wohn-Hauß des Kaysers August / welches vorher des Hortensius gewest war / und August / weil er es nach seinem Brande vom gemeinen Gelde als oberster Priester köstlicher wieder erbauet / dem gemeinen Wesen zugeeignet / hingegen das vom obersten Priester Lepidus ihm zugekommen ordentliche Priester-Hauß den Vestalischen Jungfrauen eingeräumet hatte. An dem Hause des Kaysers war der Sieges-Bogen / welchen August seinem Vater Octavius zu Ehren aufgerichtet /und darauf das köstliche Werck des Lysias / nemlich auf einem mit vier Pferden bespannten Wagen den Apollo und Dianen erhoben hatte / mit eitel Lorberzweigen umflochten. Unter dem Bilde des Octavius war diese Ubeschrifft daran eingegraben:


Dein Sohn und dein Verdienst weiht dir den Bogen ein

Octav / allein sein Thun reicht dir zu grösserm Ruhme.

Sind's Himmels Bogen ihm bestimmt zum Heiligthume /

So bistu doch auch groß / weil dich dein Sohn macht klein.


Für der Pforte seines Hauses standen die zwey gewöhnlichen Lorber-Bäume mit dem grossen Bürger-krantze aus eichenem Laube / welche der Rath schon vor vielen Jahren ihm wegen überwundener Feinde und erhaltener Bürger hatte sätzen lassen. Dieses mahl aber waren die Blätter alle auf einer Seite vergoldet / und der Krantz konte wegen der daran schimmernden Edelgesteine kaum angesehen werden. Um die Lorber-Bäume war diese Schrifft gewunden:


Zwey Dinge liegen ob dem / der sol's Reich verwalten /

Die Feinde schlagen todt / die Bürgerschafft erhalten.

Jedwedes that August. Für diese Wolthat hat

Die Lorbern GOtt geschenckt / den Eich-Krantz gab die Stadt.


Dem Hause des Kaysers gegen über / mitten auf dem Marckte des August / stehet der von ihm nach Uberwindung des Brutus und Caßius erbaute und dem Rächer Mars gewiedmete Tempel. An diesem waren die grossen Bilder des Kriegs-Gottes / des Eneas und folgender Lateinischer Könige biß auf den Romulus mit Lorber-Kräntzen gezieret; und neben iedem Bilde brennten zwey grosse Wachs-Fackeln eines Schuches dicke. Für diesen Bildern standen drey Spitz-Säulen; auf der fünff-eckichten war oben Kaysers Augustus Bild / wie der gewaffnete Mars mit einer Fackel in der Hand ausgerüstet. Auf der ersten Seite waren des Kaysers Thaten in dem Mutinensischem Bürger-Kriege gemahlet; insonderheit August als ein Jüngling in der Schlacht zu sehen / wie er den Römischen Adler /welchen der verwundete Fähnrich nicht mehr halten konte / mit seinen Achseln unterstützte. Auf der andern Seite standen die Geschichte des Philippensischen Krieges / und die Uberwindung des Brutus und Caßius. Fürnehmlich war August zu sehen / wie er des Brutus Kopff / des Julius Säule untern Fuß legte. An der dritten Seite war der dritte Bürger-Krieg / und die Eroberung der Stadt Mutina abgebildet / bey welcher er dreyhundert Ergebene auf dem Altare des Julius abschlachtete. Auf der vierdten Seite waren die Begebnüße des Sicilischen Krieges / und insonderheit wie August den Sextus Pompejus zur See bey Milä und Nauloch überwand / und vom hoffärtigen Lepidus zwantzig Legionen abwendig machte. Die fünffte Seite hatte in sich die Schlacht bey Actium / des Antonius und Cleopatrens Flucht / und die Erbauung der Stadt Nicopolis. Unten war August abermahls in Gestalt des den vielköpffichten Drachen tödtenden Hercules / mit dieser Beyschrifft gebildet:


Gib Drachen hundert Köpff / Auffrührern tausend Waffen /

Sie sind denselben nur zu mehrern Toden gut.

August ist Hercules / sein Rachschwerdt tilgt ihr Blut.

Wie gut gleich Jupiter ist / muß sein Blitz doch straffen.[951]


Die andere Spitz-Säule war dreyeckicht. Auf derselben stand gleichfalls August / wie ein geharnischter Krieges-Gott mit einem Schwerdte in der Faust. Auf der einen Seite war der von ihm selbst in Dalmatien geführte Krieg / und sonderlich wie er mit beyden Armen eine brechende Brücke hielt / und mit einem Steine aufs rechte Knie geworffen ward / zu sehen. Auf der andern Seite war der Egyptische Krieg / die Belägerung Alexandriens / die Ergebung Cleopatrens / und seine nützliche Schlemmung der Nil-Graben gemahlet. Auf der dritten Seite sahe man die Geschichte des Cantabrischen Krieges / und wie diese Völcker aus Schrecken für ihm theils sich selbst über den Mahlzeiten mit dem Degen / theils mit dem aus ihren Tax-Bäumen gepreßten Giffte aufrieben. Unten war mit Golde daran geschrieben:


Ihr Feinde / wißt ihr nicht mit wem ihr habt gekriegt?

Es ist der Erde Mars / der Römer Alexander /

Des grossen Cäsars Sohn. So einer als der ander

Hat den Gebrauch an sich: Er kommt / er siht / und fiegt.


Die dritte Spitz-Säule war siebeneckicht. Zu öberste stand Augustens Bild in Gestalt Jupiters / wie er aus seinem Gehirne die geharnschte Pallas gebahr. Auf den Seiten waren alle tapffere Thaten und Siege seiner Feld-Obersten wider die Aqvitanier / Pannonier / Dacier / Dalmatier / Illyrier / Rhätier / Vindelicher / Salaßier / die Deutschen / Gätulier / Mohren / Araber /und Parthen gemahlet. Unten war mit güldener Schrifft angemerckt:


Erstaunstu grosse Welt: daß allen / die Rom schickt

Um dich zu bändigen / iedweder Streich gelückt?

Sie sind Augustens Brutt des Jupiters auf Erden.

Aus ihm kan nichts gebohrn als eine Pallas werden.


Hinter diesen Spitz-Säulen stand ein kleiner Sieges-Bogen / daran hiengen zwey Myrten-Kräntze. Wordurch auff die zwey kleinern Siegs-Gepränge gezielet ward / welche August nach dem Philipp- und Sicilischen Siege gehalten hatte. Ein wenig weiter hin aber war ein dreyfacher Sieges-Bogen zu schauen /weil August drey große Sieges-Gepränge nach dem Siege in Dalmatien / bey Actium / und nach eingenommenem Alexandrien gehalten hatte. Über denen dreyen Pforten der Sieges-Bogen stand diese güldene Uberschrifft:


Die Tugend ist zwar selbst ihr allergröster Preiß /

Doch sieht die Ehr' ihr zu / weil man nichts bessers weiß.

Wie daß denn Cäsarn Rom nicht mit mehr Pracht begabt?

Weil er hätt' ieden Tag zu prangen recht gehabt.


Von dar solte die Leiche um den Tempel des grossen Kriegs-Gottes herum biß auf die vierdte Seite des Marcktes geführet werden. An der andern Seite dieses Marcktes stand ein fürtrefflicher Brunn / welcher vom Agrippa bey seinem geführten Bau-Ampte aus Africanischem Marmel gebauet war. Der Umkreiß dieses Brunnen war durch die Kunst fürtreflich erhoben /und in sechs Felder abgetheilet; diese sagten denen sechs Tugenden / nehmlich der Gerechtigkeit / der Gütigkeit / der Klugheit / der Freygebigkeit / der Tapfferkeit / und Beständigkeit zu. Welche in das unterste Behältnüs des Brunnen / aus Münden / Naselöchern / Brüsten und andern Orten / durch viel hundert verborgene Röhrlein durch einander mit grossem Geräusche einen ziemlichen Vorrath Wasser spritzten. In oberwehnten erhobenen Marmelfeldern hatte Agrippa alles merckwürdige / was August in ein oder andern Tugend gethan hatte / ausdrücken lassen. Uber denen sechs Tugenden hatte dieser Brunn noch eine Marmelsteinerne Muschel / in dieser war des Kaysers Einweihung in dem Elevsinischen Heiligthume zu Athen ebenfalls durch Kunst erhoben. Uber dieser Muschel stand die Gottesfurcht / welche nicht nur aus den Brüsten / sondern aus zweyen in den Händen habenden Opffer-Geschirren / eine unglaubliche Menge Wassers viel Ellen hoch über sich in die Lufft spritzte /und die Behältnüße des Brunnen reichlich anfüllte.[952] Diesen Tag aber spritzten alle diese Tugend-Bilder eitel Wein / und um das Gesimse oder Einfassung des Brunnen war diese güldene Schrifft zu lesen:


Augustens Tugend hat mehr Röhren die uns nützen /

Als die in Marmel hier für Wasser Wein ausspritzen.

Wie glücklich hat doch Rom zum Brunn-Qvell ihn erkiest!

Kein Fürst ist Fürst / der nicht ein Brunn des guten ist.


Von dar war der Aufzug gegen dem Tempel des Janus mit allem Fleiße bestimmet; weil August diesen / welcher vom Anfange der Stadt Rom mehr nicht / als zweymahl zum Zeichen habenden Friedens geschlossen worden war / bey seiner Herrschafft dreymahl zugesperret hatte. Und weil er den Ruhm in der gantzen Welt haben wolte: daß er niemahls einiges Volck ohne rechtmäßige Ursachen bekriegt hätte / war neben selbigem Tempel ein güldenes Zelt mit vielen Seulen nach dem Abrisse / wie August ihm einen Tempel des Friedens zu bauen vorgenommen / und nach der Zeit allererst Vespasian gebaut / aufgerichtet. Oben auff der Spitze stand das güldene und geflügelte Bild des Friedens / hatte einen Oel-Krantz auf dem Haupte /und in der rechten Hand / in der lincken Hand einen Oelzweig. Es war so gestellt / als wenn es allererst vom Himmel geflohen käme. Auf ieder Seite des Zeltes stand oben ein güldener Adler. Unter dem Zelte lag das Bild des Friedens in einem Ey-rundten güldenen Bette / an welches sich das Bild des Kaysers lehnete. Auf allen Seiten standen güldene Rauch-Fässer. An der einen Ecke lag der auf seinen Arm gelehnte Hercules auf einem beblümten Rasen / seine in die Erde gesteckte Keule grünete mit frischen Oel-Knospen. An der andern Ecke schlieff der Kriegs-Gott /und hatte den Helm zum Hauptküssen / mit seinen Waffen aber spielten die Liebes-Götter. Am dritten Ecke spielte Orpheus auf der Leyer / und hatte allerhand verträgliche Thiere um sich. Am vierdten Ecke saß Mercur mit seinem Stabe und in einander geflochtenen Schlangen. Um den Krantz dieses Frieden-Zeltes war mit Golde diese Schrifft gestückt:


Aus Kriege spinnen Krieg ist ein Cyclopen Spiel.

Wer nur um Friede kämpfft / hat von den Göttern viel.

So ehrt nun den August für euren Gott und Herren /

Weil er / so offt ihr's wünscht / kan Janus Tempel sperren.


Von dar war der Weg gegen dem Tempel der Freyheit bestimmet. Bey diesem war ein schöner Sieges-Bogen aufgerichtet / auf welchent des Kaysers und der Stadt Rom Bilder stunden. Jener reichte ihr einen Hutt als das Zeichen der Freyheit / diese aber weigerte sich solchen anzunehmen. Darunter war zu lesen:


Ist Friede Gold / so muß der Freyheit edler Schatz

Sein güldener als Gold. Die beut August euch an.

Rom aber weigert ihr zu geben Raum und Platz /

Weil es vergnügter ihm gehorcht / als frey seyn kan.


Nachgehends war zwischen denen Getreyde-Speichern und dem Schau-Platze des Statilius Taurus /welches dieser auf Augustens Veranlassung gebaut hatte / ein Bogen aufgerichtet / mit des Kaysers und der Stadt Rom Bildern. Neben diesen lagen unterschiedene Marmel-Taffeln / Spiel-Kleider / und aufgehauffte Getreyde-Maaße. Darunter stand diese Schrifft:


Das Leben ohne Lust ist ein lebendig Tod.

Drum müht Augustus sich es euch zu zuckern ein.

Wo Leim und Stroh vor stand / gläntzt nunmehr Marmelstein.

Auch mangelts Rom nicht mehr an Spielen und an Brodt.


Biß hieher waren wenig Todes- oder Trauer-Zeichen in Rom zu sehen; sondern alles war vielmehr derogestalt aufgeputzt / nicht als wenn des Kaysers Leiche auf den Holtz-Stoß getragen / sondern er selbst als ein Bezwinger der gantzen Welt im Siegs-Gepränge auffs Capitolium fahren solte. Nunmehr aber sahe man auff dem Felde des Kriegs-GOttes einen schwartzen Siegs-Bogen des Todes einem in die Augen fallen. Uber desselben[953] grosser Pforte stand der Tod in Gestalt eines abgefleischten Gerippes / hatte in seiner Hand einen eisernen Hammer / und zerschlug auf einem Amboße eine Mütze des obersten Priesters. Unter seinen Füssen lagen schon zermalmet und zerrissen dreyzehn paar Bürgermeister-Veile / drey Lorber-zwey Myrten-Kräntze / etliche güldene Kronen / Zepter /Degen / Stäbe / Helme / Harnische / Schilde / güldene Adler / Sieges-Zeichen / Bücher und hundert andere Merckmaale hoher Würden und der Eitelkeit. Unter diesem war mit kohlschwartzen Buchstaben geschrieben:


Gestalt / Gelücke / Stand / Kunst / Tugend / Würd' und Ehren /

Sind Dinge / die die Welt stets bländen / uns bethören.

Ein Todes-Strich dadurch lehrt: es sey Eitelkeit:

Die Knecht- und Kayser-Asch / hat keinen Unterscheid.


Uber der rechten Pforte stand das mit sieben Sternen gekräntzte einen güldenen Rincken in der lincken /eine stählerne Feder in der rechten Hand und für sich ein eisernes Buch habende Verhängnüß. Mit der ausgestreckten lincken Hand und Finger wieß es in einem Kalender auf den vierzehenden August des Kaysers Sterbe-Tag. Unter demselben war mit Golde geschrieben:


Eh als die Welt und Rom Augusten lernte kennen /

Schrieb ich mit Diamant schon in mein Jahr-Buch ein:

August soll diesen Tag zwey Hand-volln Asche seyn.

Kein Mensch verwundre sich. Wird doch gantz Rom verbrennen.


Uber der lincken Pforte stand in Gestalt eines Eiß-grauen Alten die Zeit; welche ihre Sand-Uhr zerbrochen / ihre Sichel um / eine Hand voll Kräuter gesetzet / und unten lag ein zerrissenes Blat / darauf stand geschrieben: Kayser August / dreyzehnmahl Bürgermeister / fünff und dreyßig Jahr Zunfftmeister / oberster Priester / Vater des Vaterlandes. Unter diesem Bilde stand folgende fahle Uberschrifft:


Die Zeit / die Stein und Stahl sich selbst und alles frißt /

Hat nichts zur Welt gebracht / was sie nicht muß verzehren /

Versincken Städt' und Land? falln Sterne? was beschweren

Sich Menschen? derer Ziel man nur nach Spannen mißt.


Zu oberst an diesem Bogen blickte ein theil des gestirnten Thier-Kreißes / fürnehmlich aber das Zeichen des Krebses herfür. Gegen diesem trieb der auf einem goldenen Wagen sitzende Phöbus seine schäumende Pferde an / welche aber bey Erblickung des Sternen-Krebses scheue wurden / und zurücke prellten. Darunter dienten folgende Worte zur Auslegung:


Wie hoch war nicht August vom Glück' aus Brett gehoben?

Wie tieff verfällt er nun? Es läst sich leicht verstehn.

Muß doch die Sonne selbst beschämt den Krebsgang gehn;

Und alle Jahr wird ihr ein Riegel vorgeschoben.


Hinter diesem Bogen stand mitten auff dem Kriegs-Platze an eben dem Orte / wo Sylla verbrennt worden war / der Vermöge der Römischen Gesetze sonst ausserhalb der Stadt gehörige Holtz-Stoß. Dieser war in Gestalt eines vereckichten Altares so hoch als ein ziemlicher Thurm aufgerichtet. Alles Holtz war gleiche behauen und gehobelt: daß es sich desto besser und zierlicher zusammen schickte. Inwendig lag Eichen und Büchenes; alles auswendige aber / welches man sehen konte / war wolrüchend Zypressen / Myrten- und Lorber-Holtz / und noch darzu mit Gold und silbernen Blumen gemahlet. Damit ein Römischer Kayser ja nicht durch schlechtern Zeug / als Calamus / ein sich selbst verbrennender Weltweiser / zu Asche gemacht würde. Uber diß standen oben auf dem Holtzstosse vier aus Zimmet / Weyrauch / Myrthen und Aloe zusammen gebackene und vergüldete Bilder / Liviens / des Tiberius / Germanicus und Drusus; welche nicht nur mit ihrem süssen Geruche den Gestanck verdrücken / sondern andeuten solten: daß diese durchs Feuer der Liebe mit dem August gleichsam selbst mit verbrennet würden. Uber diß ware der Holtzstoß / wo sich nur einige Lücke zwischen dem Schicht-weise gelegten Holtze ereignete / mit etlichen tausend Schüsseln aus wohlrüchendem Holtze voller Würtzen und Balsame angefüllet. Sintemahl keine edle Frau in Rom war / die nicht den Ruhm haben wolte / mit etwas des Kaysers[954] Begräbnüs beehret zu haben. An der ersten Seite des Holtz-Stosses war unten am Fuß mit Golde geschrieben:


Muß hier August der Glutt das Oberrecht enträumen?

Nein. Gold und Tugend kan kein Feuer äschern ein.

Diß wird die Schlacke nur von seiner Seele schäumen.

Der Fürsten Fenix muß in Glutt vergraben seyn.


Auf der andern Seite:


Der Stamm der Julier rührt von der Venus her /

Und diesen Seelen-Brand gebahr das kalte Meer;

Was wundert man sich denn: daß des Augustus Leiche

In Flammen Schiffbruch leid' / und in der Glutt erbleiche?


Auf der dritten Seite laß man:


Es kämpfft ums Käysers Leib der Römer Ang' und Hertz;

Weils Ang' ihn wil in Flutt / das Hertz in Glutt begraben.

Allein die Liebe heißt die Glutt den Vorzug haben.

Denn jenes zeiget nur / diß aber fühlt den Schmertz.


Auf der vierdten Seite:


Hier brennet nichts als diß / was faulet und vermodert.

August hält durch die Glutt hier seine Himmelfarth.

Die Sternen haben selbst so eine Sterbens-Art /

Und Tugend räucht erst wol / wenn sie zerschmeltzt und lodert.


Dem Siegs-Bogen des Todes und dem Holtz-Stosse gegen über auf der andern Seite des Kriegs-Feldes nicht weit von der Tyber stand der allerprächtigste Sieges-Bogen der Ewigkeit. Zu oberste stand das mit Sternen gekräntzte Bild der Ewigkeit / welches in der einen Hand einen güldenen Rincken / in der andern ein Gefäße mit dem ewigen Feuer hatte. Auf der einen Seite stand ein Adler / auf der andern ein Pfau / weil jener der Helden / dieser des Frauenzimmers Seelen in Himmel tragen soll. Der Bogen selbst war in sechs Felder abgetheilet. Im ersten Felde war des Octavius Traum entworffen / wie er nemlich seinen Sohn auf einem mit Lorber-Zweigen geschmückten / und von zwölff weissen Pferden gezogenen Wagen / mit Zepter und Blitz in Händen / einem strahlichten Krantze auf dem Haupte und anderm Aufzuge des Jupiters durch die Lufft fahren gesehen. Im andern Felde war der in Campanien unter freyem Himmel speisende August abgemahlet / wie selbtem ein Adler das Brod vom Tische nam / und / gleich als wenn er Jupiter bedienen solte / wiederbrachte. Im dritten Felde war nach des Cicero Traume der an einer güldenen Kette vom Himmel fürs Capitolium nieder gelassene August gebildet / wie ihm Jupiter eine Peitsche überreichte. Im vierdten war zu sehen / wie der Sternseher Theogenes zu Apollonia für dem August / als ihm dieser seine Geburts-Zeit eröffnete / niederfiel und ihn anbetete. Das fünffte Feld hielt in sich Augustens Einzug zu Rom / bey welchem sich ein Regenbogen um die Sonne zeigte / und der Blitz in das Grabmaal Juliens schlug. Im sechsten Felde war zu sehen der Strauß-Stern / welcher dem August am Himmel sich sieben Tage lang zeigte / und für des Käysers Julius Seele gehalten ward / als er der Mutter Venus gewisse Spiele hielt. Unten neben den Pfosten der Pforte stand auf einer Seite die Tugend; welche mit dem Finger auf das Thor wieß / auf der andern Seite August / wie Hercules mit der Keule und Löwen-Haut ausgerüstet. Uber dem Thore stand diese güldene Uberschrifft:


Diß ist der Tugend Bahn / die Pforte zu den Sternen /

Der Weg zur Ewigkeit. Wer diesen nicht wil lernen;

Der wird aus Mensch ein Vieh / ist weil er lebt schon todt.

Wer aber ihn nicht fehlt / wird / wenn er stirbt / ein Gott.


So bald es nun beginnte zu tagen / gieng das Leich-Begängnüs an. Denn ob zwar die alte Gewohnheit die Todten zu begraben abko en war / so ward doch dieses mal noch bey der Dämmerung der Anfang gemacht / entweder weil die Leiche weit herum zu führen war / die Zeit zu gewinnen / oder anzudeuten; daß der Käyser nicht so wol gestorben / als aus Liebe von dem Tage und der aufgehenden Sonne weggerafft worden wäre. Massen denn auch die Eltern ihren[955] verstorbenen Kindern um diese Zeit die bitteren Begräbnüsse auszurichten pflegten. Für der Pforte des Trauer-Hauses stand ein groß irrden Gefäße mit reinem Wasser / damit alle Herausgehenden sich besprengten. Am ersten ritten drey Römer mit Zweigen von Feigen-Bäumen / welche eben so wol als Zypreßen und Fichten Trauer-Bäume sind / um den Aufzug zu führen. Ihnen folgte eine so grosse Menge Pfeiffer /Trompeter und Sänger: daß man hätte gemeint / es wären ihrer genug einen vom ewigen Schlaffe aufzuwecken. Sie hatten theils Pfeiffen aus Beinen / theils aus Ertzte. Diese sollen auf das harte Gesätze des Verhängnüsses zielen / jene die Menschen erinnern /daß sie bald ins Beinhauß kommen und zu Asche werden sollen. Die Trompeten waren weiter und länger / als die / welche man sonst zur Freude gebrauchte / damit sie einen gröbern und kläglichern Schall von sich gaben. Mit diesen machten sie nach Lydischer Art ein scharffes Gethöne / welches auf dem Begräbnüsse des Python zum ersten soll eingeführet worden seyn. Es waren hierzu auch die besten Künstler in Rom genommen / welche sonst auf Begräbnüssen sich gar nicht brauchen liessen / und die Leichen-Pfeiffer ihnen nicht für gemäß hielten. Sie bließen bald so erbärmlich: daß sie einen Stein hätten mögen zum Mitleiden erwecken; bald aber / wenn das Lob des Käysers gesungen ward / zohen sie auch den Betrübtesten vom Leidwesen ab. Sie glaubten auch: daß durch solch Gethöne nicht allein die Gespenster verjagt /sondern auch des Verstorbenen Seele erqvickt / und zu ihrem Ursprunge / nemlich in Himmel zu steigen /aufgemuntert würde; wiewol auf gemeinen Begräbnüssen dem Priester des Jupiters sie zu hören verboten war. Diesen folgten etliche hundert Klage-Weiber aus Phrygien / wo die Begräbnüs-Pfeiffen sollen erfunden worden seyn. Dieser ihr Handwerck war zwar: daß sie ihre scharffe Stimme zum Wehklagen bey Leich-Begängnüssen vermieteten / und also frembde Todte wie die Schwanen ihre eigene besangen. Hier aber war ihnen ihr Geheule ein rechter Ernst / und solches daher desto erbärmlicher; weil August eine besondere Neigung zu Phrygien hatte / daraus die Julier ihre Ankunfft herrechneten. Sie sangen in ihren Liedern tausend Lobsprüche des Käysers / und preiseten darunter offt seltzame Sachen / welche recht lächerlich heraus kamen. Nach den Klage-Weibern kamen dreytausend Freygelassene / mit ihren theils im Leben / theils im letzten Willen vom Käyser erhaltenen Freyheits Hütten. Unter diesen aber waren nicht wenig Römische Edelleute; welche weil sie vom August so grosse Wolthaten genossen hatten / ihnen so wenig als vor Zeiten auf des Scipio Begräbnüsse / Qvintus Terentius Culleo / für Schande hielten / für des Käysers Freygelassene angesehen zu werden. Diesen folgten die Gauckler; darunter der Fürnehmste dem Käyser alle Geberden nachthat / uñ was er jemals denckwürdiges geredet hatte / erzählte; die andern tantzten auf kriegrische Art / und machten allerhand närrische Stellungen. Hierauf kam eine neue Anzahl Pfeiffer /welche in gemahlten Schüsseln Weyrauch / Myrrhen /Zimmet / Muscaten / Nelcken; in Flaschen Balsam /Narden-Oel und wolrüchende Salben / und auf Tragen die Schau-Essen trugen / woraus auf dem Holtz-Stosse des Verstorbenen Geiste das letzte Todten-Mahl bereitet ward. Etliche trugen auch auf Stangen des Verstorbenen Kleider / Harnisch / Helm und Schilde. Hinter diesen erschienen auf sechs tausend güldenen Betten / welche der Römische fürnehmste Adel trug /so viel aus weissem Wachse gemachte und guten theils vergüldete auch mit Lorber-Zweigen bekräntzte Brust-Bilder / mehr als in Lebens-Größe. Denn ob zwar August auf des Marcellus Begräbnüsse ihrer mehr nicht als sechs hundert hatte vortragen lassen /und gesagt: daß selbige Zahl auch für einen Käyser genung wäre; wolte doch[956] allhier der Rath nicht geschehen lassen: daß der Käyser mit wenigern Bildern / als Sylla / begraben werden solte. Unter diesen waren nun nicht alleine alle berühmte Römer / welche der Käyser in seinem väter- und mütterlichen Geschlechte zu zehlen hatte; sondern alle von grossen Thaten berühmte Römer / und darunter auch Scipio /Fabius / Sylla / der grosse Pompejus; gleich als wenn die Tugend eben so wol untern tapffern Helden / als das Geblüte zwischen Freunden eine nahe Verwandschafft machte. Des Käysers Julius Bild aber war nicht zugegen / weil selbter nicht mehr unter die Menschen / sondern unter die Götter gerechnet / und daher auch vom Rathe kurtz darauf geschlossen ward: daß auch des Augustus Bild hernach keiner Leiche vorgetragen werden solte. Gleichwol aber war neben denen Albanischen Königen Eneas und Romulus auf zweyen Betten zu schauen / vielleicht weil diese nur für halb-Götter gehalten wurden / und sie nicht / wie Julius / einen Stand unter den Sternen hatten. Auf diese folgten aller derselben Völcker ertztene Bilder /welche bey Augustens Herrschafft unters Römische Joch waren gebracht worden. Diese alle trugen gewisse Leute selbigen Volckes; und zuletzte fuhren die drey Theile der Welt / Africa mit vier Löwen / Asien mit vier Elephanten / Europa mit vier Perlen-farbenen Pferden. Hierauf wurden mehr als zwey tausend güldene Kronen / welche die unterthänigen Länder dem Käyser geschenckt haben sollen / der Cimbrische Opffer-Kessel / die dem Crassus abgenommene / von Parthen zurück geschickte / und aufs Capitolium in den Tempel des zweyfachen Rächers Mars gelieferten Adler und denen Feinden abgenommene Fahnen getragen. Alsdenn kamen allererst die Bürgermeister-Beile; der Stab und die Insel des obersten Priesters; die erworbenen Sieges-Kräntze / aus Lorber- und Myrthen-Blättern; die Belägerungs-Mauer / Schiffs- und Lager-Kräntze / und andere Merckmaale seiner gehabten Würden / aber alle um- und / wie die Spieße und Schilde / gegen der Ehre gekehret. Endlich erschien auf den Achseln der jüngsten Raths-Herren das Prange-Bette mit des Käysers Leiche. Dieser Träger waren wol viertzig / und zwar in ihren purpurnen Röcken; ungeachtet sonst die Todten-Bette ihrer nur sechs trugen / und die Rathsherren bey Begräbnüssen die Purpur-Röcke ablegten / und gemeine Kleider des Adels trugen. Diese wurden der Ausländischen Könige Gesandten vom Rathe fürgezogen / welche die Ehre den Käyser zu tragen nach dem Beyspiele der Macedonischen / die den Paulus Emilius zu Grabe trugen / verlangten. Das Bette war aus helffenbeinernen Taffeln mit erhobener Bildhauer-Arbeit / welche des Käysers fürnehmste Thaten ausdrückten. Diese waren in Gold eingefasset / und stand das Bette auf sechs güldenen Greiffen-Klauen / derer jede eine helffenbeinerne Kugel hielt. Von diesem Bette gieng unten ein Tuch von Purper und darüber eines von Goldstück biß auf die Erde. Auf diesem lag die Leiche des Käysers / weil sie geschmücket war / zimlich lebhafft. Das Haupt war mit einem Lorber-Krantze umgeben / der Leib mit einem weissen Silberstücke bekleidet / und mit einem Purper-Mantel umgeben. Für dem Bette saß ein eben so geziertes Wachs-Bild des Käysers. Hinter dem Bette standen zwey in Gold gekleidete Knaben / welche dem Käyser / gleich als wenn er nur schlieffe / wie Thetis des Patroclus Leiche die Flügen mit Pfauen-Federn wehrten. Rings um dieses Prange-Bette waren viel tausend nicht / wie sonst gewöhnlich / aus Schilff und Egyptischem Papiere / sondern aus eitel gebleichtem Wachse bereitete Fackeln mit daran gebundenen Sinne-Bildern getragen. Hinter diesem Leichen-Bette ließ sich Livia auf einem Stule tragen / Tiberius und Drusus aber giengen zu Fusse / und als Söhne des Verstorbenen mit verdeckten Häuptern / wie weñ man die[957] Götter verehret / damit nicht frembde in die Augen fallende Dinge die Gedancken von der Andacht ableiten. Livia aber hatte das Haupt mit einem viereckichten Schleyer umhüllet / unter welchem doch ihre aufgeflochtenen Haare vorhingen; auch weder Purper noch Gold /noch andere Zierath einer Käyserin an ihr zu sehen war. Man hörte sie auch öffters dem Verstorbenen mit seinem Nahmen wehmüthig ruffen. Alle ihre Kleidung war kohlschwartz; welche Farbe zum ersten von Egyptiern nach zerfleischtem Osiris zur Trauer / wie die weisse zur Freude erkieset / und hernach von allen Völckern also beliebet worden. Diesen folgte der gantze Römische Rath in gemeiner Tracht der Ritterschafft alle Obrigkeiten in Rom / wie auch die gantze Priesterschafft / die Vestalischen Jungfrauen / und hierauf alle vornehme Adeliche Frauen. Aber alle waren ohne güldene Ringe / ohne Perlen / Edelgesteine / Purper / oder andern Schmuck / und in gantz veränderter Kleidung. Kein Bürgermeister / Rathsherr /oder jemand anders hatte an- oder bey sich einiges Merckmaal seiner Würde. Die Mäñer hatten ihnen die Bärte wachsen lassen / welches vor diesem bey keines Menschen Tode / sondern nur / wenn Rom in einer grossen Gefahr war / zu geschehen pflegte. Das Frauenzimmer welches keine Verwandschafft mit des Käysers Hause hatte / gieng in blauen Trauer-Röcken /worüber sie dünne weisse Leinwand trugen / welche nunmehr vom weiblichem Geschlechte zur Klage erkieset war. Die Frauen hatten das Antlitz halb verhüllet / die Jungfrauen giengen unbedeckt / aber mit aufgeflochtenen Haaren. Nach dem Adel kam Strabo mit der gantzen Leibwache / welche alle Zeichen eingewickelt / alle Waffen umgekehrt hatten / und so deñ die gemeine Bürgerschafft in einer unzählbaren Menge / und nach ihnen auch viel tausend Fremde /alle mit unbedeckten Häuptern. Denn ob es zwar zu Rom so ungewöhnlich / als zu Athen vom Pittacus verbothen war / ein frembde Begräbnüs zu begleiten /so war doch niemand / dem August unbekand war /und welcher nicht um Augusten zu trauren eine Ursach anzeigte. Endlich wurden auch des Käysers Pferde / welche theils zu Anzeigung grossen Traurens eben so / wie Alexanders auf dem Begräbnüsse Ephästions beschoren waren / und andere Thiere / die er geliebt hatte / geführt / welche alle mit Eppich gekräntzt waren. In dieser Ordnung gieng das traurige Rom bey allen denen aufgerichtetẽ Gedächtnüß-Maalen vorbey / oder auch durch / sonder sich irgends wo zu verweilẽ / bis man auf den grossen Römischen Marckt kam / über welchen alle grosse Leichbegängnüsse geführet worden / seit dem Valerius Poblicola für dem Rathhause auf dem erhobenen Platze / welcher von den Schnäbeln der Antiatischen Schiffe über zwey ertztene Löwen gebauet / und als ein Heiligthum eingeweihet ward / den Brutus gelobet hatte. Denn dieser hatte dadurch nicht alleine den Römern an eben selbigem Orte / sondern auch den Griechen / welche vorher nur den Verstorbenen zu Ehren Spiele hielten /Anlaß gegeben / wolverdiente Todte zu loben. Diese Lob-Reden wurden von den Söhnen und nechsten Anverwandten / oder in Mangel derselben von gelehrten Leuten / zuweilen auch auf des Rathes Erkäntnüs von Rathsherren gehalten. Wie des Käysers Leiche nun fürs Rathhauß kam / ward selbte mit dem Bette aufgerichtet / Drusus aber stieg auf erwehnte Schnäbel /und nach dem die Pfeiffer und Klage-Weiber daselbst ein klägliches Gethöne gemacht hatten / laß er vom Papiere folgende Lob-Rede:

Weil das Glücke / ihr Bürger in Rom / mich zum Enckel des grossen August gemacht hat / ist mir auch die Ehre zugewachsen / heute dem Verstorbenen das Wort zu reden. Der grosse Alexander wolte nur vom Apelles gemahlt / nur vom Lysippus in Ertzt gegossen / und Käyser August nur von tiefsinnigen Leuten gelobet seyn. Aber meine Zunge ist ohne / sein Ruhm über alle[958] Beredsamkeit. Jedoch verschmähete auch Alexander nicht des Chärilus ungeschickte Getichte. Das einfältigste Lob ist das wahrhaffteste; und diß das zierlichste / welches gar keine Farben hat. Alle /welche für mir auf dieser Stelle geredet / würden genung zu thun haben / den Käyser nach Würden zu loben / und ich zweifte: ob ein Mund ausser Augustens eigenen / der Sache würde genung thun / welcher im zwölfften Jahre seines Alters auff dieser Stelle seine Groß-Mutter Julia dergestalt lobte: daß Rom darüber erstaunete. Alleine lobet ihn nicht seine eigene Zunge / so loben ihn seine eigene Thaten / ohne welche aller Redner Beredsamkeit eine vergängliche Schmincke ist. Jedoch ist es leichter etwas mittelmäßigem eine Farbe anzustreichen / als grossen Verdiensten ihr Recht zu thun. Doch wäre das Lob nur ein Zinß der Menschen; Götter aber liessen sich nicht so wol preisen / als anbeten. Aber Augustens gütiger Geist verträgt auch jenes; damit ihn niemand einer hoffärtigen Verachtung / oder daß er itzt noch über Gemüther und Zungen herrschen wolle / beschuldigen könne. Kleine Lichter dienen uns zu Leitsternen / aber in der Sonne vergehet uns das Gesichte. Wer aber ist unter euch / der nicht wisse: daß der Stadt Rom noch nie ein solch Licht / als am Kayser August aufgegangen sey. Jedoch hat diese Sonne noch diß besondere an sich gehabt: daß sie die vom Anschauen ihrer Wunder-Wercke müde Augen nicht vollends verbländet / sondern geschärfft und ermuntert habe. Nach dem wir seines Glantzes gewohnet / hat er allen Nebel des Mißtrauens vertrieben. Verwirrte Zeiten verwirren auch das menschliche Urthel / daß man das göttliche Absehen nicht ehe als nach desselben Ausschlage erkiesen / ja auch so denn allererst das Auge der Klugheit seinen Schluß ergründen kan. Daß aber August vom Verhängnüße zu eurem Haupte versehen war /haben auch Einfältige zeitlich wahrgenommen. Die Sonne selbst hat am Himmel gewiesen / daß mit ihm Rom eine Sonne aufstiege; denn er ward mit der aufgehenden gebohren. Er hat seines gleichen nie in der Welt / weniger in Rom gehabt wie die Sonne nicht im Himmel. Ich finde für ihm unter allen Römern kein Beyspiel / und er wird auch keines der künfftigen Zeit seyn. Folgende Kayser werden an ihm wohl ein Vorbild haben / diß und jenes ihm stückweise nach zuthun / aber keiner wird ein gantzer August seyn. Niemand ko t ihm näher als sein Vater Julius. Aber es ist zwischen beyden eben der Unterschied / als zwischen dem grossen Alexander und dem Philipp. Dieser legte zur Herrschafft der Welt den Grund / jener aber hatte die Ehre das Werck auszumachen. Augustens Wiege war ein Schild / das Spielwerck seiner Kindheit die schwirrenden Waffen. Hiermit war er schon viel / als er noch wenig war; und in seinem Anfange mehr als andere Fürsten / wenn sie es zu seyn aufhören. Das Gelücke sätzte ihn / als er noch weniger als ein Jüngling war / Riesen entgegen; aber er zeigte sich männlicher als ein Mann. In den Jahren /da andre noch zu sagen mit Poppen spielen / schlug er schon die Heere der jungen Pompejer in Hispanien. Er zohe sein männliches Kleid noch für geendigter Kindheit / und mit selbtem auf einen Tag den Harnisch und den Sieges-Rock an. Unterweges lernte er die ihm unbekandte Wissenschafft des Krieges; so wol; daß da er als ein Kind aus Rom zoh / in Hispanien als ein Hauptmann ankam. Unterweges überwand er das Meer / den Schiffbruch und seine Kranckheit /und in Hispanien die Feinde. Sein erster Versuch war das beste Meisterstücke. Und wiewohl es unmöglich schien seinen ersten Tugenden etwas beyzusätzen /sahe man ihn doch biß in Tod unaufhörlich wachsen. Er siegte zu erst über seinen Unstern / und erlangte von dem erzürnten Verhängnüße mehr Vortheil / als andere von dem gütigen. Im Kriege aber versäumte[959] er nicht die Zeit guten Künsten und Wissenschafften obzuliegen. Unter den Waffen schweigen die Gesätze /er aber lernte sie bey dieser Verschwiegenheit. Sein Degen und sein Buch waren stets unzertrennliche Gefährten / und sein Schild war zugleich seine Schreibetaffel. Kayser Julius schrieb des Nachtes auf / was er im Tage gethan; er aber that des Tages / was er des Nachtes gelernt hatte. Vom Kayser Julius schien er nicht so wohl sein Vermögen / als seinen Helden-Geist geerbt zu haben / wiewol niemand ein so groß Gemüthe in einem so kleinen Leibe gesucht hätte /wer nicht weiß; daß hi lische Seelen nicht gerne in Riesen-Beinen wohnen. Denn sonst müsten die Römer grösser / als die Deutschen seyn. Seine Augen hatten einen so durchdringenden Glantz: daß man sie weniger als die Sonne vertragen konte. Seine Strahlen schreckten so wohl / als die des Marius den Gallier ab ihn auf den Alpen in Abgrund zu stürtzen. Aber sein Geist war noch viel lebhaffter. Mit diesen nahm er den feindlichen Kriegs-Heeren das Hertze / und gab es den Seinigen / daß sie mit einem zweyfachen gegen die / welche keines hatten / fochten. Seine Schlachten lieffen allezeit besser aus / als es jemand glaubte; seiner Wercke Nachdruck überstieg immer den Wunsch seiner Freunde; Und sein Gelücke oder Sieg kam keinmahl ins stecken. Er führte gantz auf eine andere Art Krieg / denn die berühmtesten Kriegs-Häupter. Antonius verlohr gegen ihm seinen Muth / Lepidus seinen Verstand / Sextus Pompejus seine Macht / und alle drey ihr Ansehen. Denn er vermählte die Kunst mit seinem Glücke / die Vorsichtigkeit mit seinem Eyver / und die Klugheit mit Grimm und Rache. Der Gelegenheit nahm er auffs sorgfältigste wahr; daß er dem geneigten Verhängnüße allezeit die Schoos öffnete; wenn selbtes aber irgendswo sich verflechten und hemmen wolte / wuste er seine Schlingen meisterlich aufzulösen. Er rächte am Brutus und Caßius den Mord des Julius; aber mehr / weil er des Volckes / als sein Vater gewest war / nicht so wohl zu seiner Vergnügung / als dem gemeinen Wesen zum besten. Denn ausser dem wuste er von keinem Hasse / oder Liebe. Seines Vaters Baare verwandelte er in seinen Sieges-Wagen / seine Zypressen in Lorbern / dem Volcke aber in Oelzweige. Er hatte kein Absehen auf einiges Bündnüß oder Freundschafft / ausser auf die /welche zum Heile der Römer dienten. Auf diesem hatte er das Auge so starr / daß er damit für dem Krachen aller Welt Waffen nicht eines nickte; und hingegen war nichts so köstlich und scheinbar / welches ihn hätte versuchen können. Keine Macht war nicht fähig ihn zu bezwingen / keine Kitzelung zu gewinnen. Cleopatra liedt so wohl mit ihrem Liebkosen /als Antonius mit seinen schwimmenden Schlössern an ihm Schiffbruch. Mit diesem wolte er lieber Feind /als sein Gefährte und zugleich ein Unterdrücker der Freyheit seyn. Daher hielt er auch ihm anständiger mit dem Anton die angemaßte herrliche Gewalt über die Römer auszuleschen / als sie mit ihm zu theilen. Also rottete er die bürgerlichen Kriege mit Strumpff und Stiel aus / bey welchem die ärgsten Laster den Rahmen der grösten Tugend; mit dem Giffte des Goldes Treue zu kauffen und zu schänden / die Gangbarkeit eines Gewerbes bekommen. Rom sich auch für nichts mehr als für sich selbst und seiner eignen Tapferkeit zu fürchten hatte. Nach überwundenen Feinden würde er auch lieber ein Bürger zu Rom / ja ein unschuldiger Verwiesener / als der Römer Haupt / und ein herrschender Sieger worden seyn / wenn er nicht gesehen hätte: daß er zum Steuer-Manne so nöthig / als dem Volcke ein beliebter Fürst wäre. Also wuste August seine Siege nicht weniger dem Vaterlande heilsamlich anzugewehren / als sie hertzhafft den Feinden abzuringen / und ihm selbte nütze zu machen. Durch jenes gewan er[960] so wohl die Hertzen der Bürger / ja so gar seiner Feinde / welche gleich unempfindlicher als Stein und Eisen waren / als durch dieses der Kriegs-Leute. Ja zwischen beyden verursachte seine Liebe eine Eyversucht. Diese wolten gerne ohne Sold ohne Beute dienen / und einen Feind ihnen am Ende der Welt suchen / umb nur durch den Frieden nicht ihren August zu verlieren. Sie verdammten ihre Siege / weil sie dadurch ihres Siegers verlustig worden. Der Rath hingegen ruffte den Kayser zum Steuer-Ruder / welches in den Händen so vieler zerbrochen war / und von niemanden als ihm ergäntzet werden konte. Der zerspaltene Leib des Reiches konte durch keinen andern Geist / als Augustens vereinbaret werden / welcher alleine diese grosse Last zu beseelen mächtig war. Das Römische Volck war lüstern dessen Antlitz einmahl zu sehen / welcher ihnen den güldenen Frieden zu wegen gebracht hatte / von dessen Süßigkeit ihnen ihre Groß-Eltern so viel gesagt / sie aber ihn nie gekost hatten. Rom forderte ihn zum Sieges-Gepränge / nicht so wol wegen des über seine Feinde / als der Bürger unzählbare Hertzen erhaltenen Sieges; welches ein viel herrlicher Schauspiel abgiebet / als grosse Berge abgesebelter Köpffe. Dieses ist der rechte Zweck der Kriege / die rechte Art zu siegen; hingegen alles Sieges-Gepränge zu verfluchen / auf welches so ein groß Theil des menschlichen Geschlechtes verwendet / so viel Blut der Unschuld verschwendet / der Erd-Kreiß vom Rasen der Waffen erschüttert / das Recht durch die Gewalt des Eisen verkehret / die Felder von Todten-Gebeinen besäet / die Meere von Leichen besudelt / die Tempel mit Asche und Saltz bestreuet / grosse Städte in Aesser und Wüsteneyen verwandelt werden. Aber August wäre lieber selbst gestorben / als daß er hätte sollen anderer Verderben seyn. Wie ihm nu über jeden Bürgers Tode das Hertze brach; also ward der / der aller Waffen überwunden hatte / durch Bitte gezwungen / Rom zu schauen /welchem nun allererst die Augen aufgethan wurden zu sehen / was am August zu thun wäre. Das Lager nam von ihm Abschied mit Wehmuths-Rom aber bewillkommte ihn mit Freuden-Thränen. Er kam dahin fast ohne alle Waffen / außer seiner angebohrnen Freundligkeit / und des durch seine Thaten erworbenen Ansehns. Diese richteten mehr durch guten Rath / als mit Gewalt / mehr durch Tugend als schlaue Künste aus; also daß die Herrschafft mehr ihn / als er sie suchte; welche sonst für einer strengen Hand / wie der Schatten für seinem Verfolger fleucht. Durch solche Lindigkeit machte er ihm die hartnäckichsten Eyverer für die Freyheit dienstbar / und alle Römer unterthänig. Er hätte mit allen Legionen in zehn Jahren so viel nicht ausgerichtet / was er in einer Stunde mit seiner Holdseeligkeit zuwege brachte. Denn die Waffen des Krieges / wie feurig er gleich ist / haben eine grosse Schwerde und Langsamkeit an sich; bemeistern auch nur euserliche Glieder; Aber die der Liebe und des Ansehns dörffen / wie Gott / weder Zeit noch Werckzeug oder Gehülffen. Sie würcken so unsichtbar daß man von ihnen sich ehe überwunden / als angegriffen fühlet. Ein Augenwinck und ein Wort hat mehr Nachdruck / als alle Reden des donnernden Demosthenes. Deñ sie besänfftigen die wüttenden Wilden / sie erstecken den Aufruhr in seiner Geburt / sie dringen den Verbrechern durchs Hertz / sie legen den Lastern ein Gebiß an: daß ihrer viel nicht sündigen mehr aus Furcht einem August zu mißfallen / als von ihm gestrafft zu werden. Die Beleidiger werffen sich für ihm auf die Knie / und bitten ihnen als eine Gnade aus /sie ehe zu verderben / als für der gantzen Welt schamroth zu machen. Die Frommen aber klopfften mit ihrem Bitten fast ehe beym Käyser als bey Gott an /weil er durch Hülffe und Gerechtigkeit Gotte gantz nahe kam / und er sich so sehr erniedrigte / als wenn[961] er weniger denn ein Mensch wäre. Also übte seine Leitseeligkeit über Feind und Freund mehr Gewalt aus / als das Recht über Tod und Leben in sich hat. Seine blosse Anwesenheit führet alle gute Ordnungen wider mit sich ein / und verjagete alle Verwirrung und Finsternüs. Sein Beyspiel erinnert einen jeden seiner Pflicht / und niemand schreitet mehr über keine Schrancken. So viel gutes zwang den Käyser seiner Tugend den Lauff zu lassen / und den ihn zum Haupte verlangenden Römern ihre Bitte nicht zu versagen. Sintemahl es mehr eine Grausamkeit als Demuth ist /einem Volcke diß zu verweigern / ohne was es weder ruhig noch glücklich seyn kan. Es ist mehr eine Unvernunfft / als Bescheidenheit den Platz der Ehren denen Boßhafften zum Vortheil leer lassen. Und ein Abgang des gemeinen Sinnes lieber wollen böse geführt seyn / als selbst einen guten Führer abgeben. Wer konte aber ein besserer seyn / als August? welchen das Verhängnüs nur so hoch erhoben hatte / um zu versuchen / was die höchste Tugend im höchsten Glücke ausrichten könte. Unter ihm kriegten die Gesätze ihre Krafft / die Rechte ihren Gang / der Rath sein Ansehn / die Obrigkeiten ihre Gewalt / Rom seinen alten Glantz wieder; welches nur darum sich einem heiligen Haupte unterworffen zu haben schien: daß aus einer Hand allen ihr Theil zugestellet würde /und jeder wüste / was seine Pflicht am Rocken des gemeinen Wesens abzuspinnen hätte. Hiermit genaßen die freye Gemüther so wol der alten Freyheit / als Unbändigen ein Gebieß angelegt ward. Denn das Römische Volck hatte bey den langen Bürger-Kriegen sich so seltsam vermischet / und seine Eigenschafft so verändert: daß es weder eine vollkommene Freyheit /noch eine knechtische Dienstbarkeit vertragen konte. Die Vermögenden nutzten nicht weniger ihrer Güter /als dem gemeinen Volcke durch verschafften Uberfluß geholffen / und durch tägliche Schauspiele die Zeit verkürtzet ward. Zu Rom mangelte niemanden Brod /in Ländern niemanden Schutz. Erde und Meer saß in stoltzer Ruh und ungekränckter Sicherheit. August alleine war die Unruh in der Uhr des gemeinen Wesens. Alles sein Beginnen war frey von einer kaltsinnigen Schwerde / und von einer vermäßenen Ubereilung. Alle Widerwärtigkeiten vertrug er mit so grosser Freudigkeit als Gedult. Alle Sorgen ladete er sich selbst auf; und das Ubel / was seine Klugheit nicht ablehnen konte / nahm er auf seine Schultern. Er wachete / damit andere schlaffen konten. Und damit ja diese allgemeine Eintracht nicht verstimmet würde /machte er ihm ein Gewissen über dem kleinsten Fehler; ja er meinte alle zu beleidigen / wenn er das geringste versähe. Er maaß die Zeit seines Lebens nicht nach der Anzahl der Bürgermeister / sondern nach dem er was gutes gestifftet hatte. Ein dem gemeinen Wesen wol angewehrter Tag war ihm lieber / als ein gantzes Jahr Zeitvertreib; und einen Augenblick erlangten Ruhmes schätzte er über hundert-jährige Wollüste. Er hielt alle Tage für übel angewendet / und für verspielet / da er nicht zugleich einigen Bürgern und dem gemeinen Wesen eine Wolthat erwiesen hatte. Andere glücklich machen / war seine einige Glückseeligkeit; und er schätzte für sein bestes Besitzthum /wormit er andere beschenckt hatte; wiewol er nichts ohne Ursache weg gab / damit der den aus Ehrsucht geleerten Kasten des gemeinen Wesens nicht durch Laster füllen durffte. Denn alles Absehn seines Thuns zielte dahin / im Leben die Liebe der Bürger / nach dem Tode ein gutes Gedächtnüs zu erwerben. Wie köstlich er nun gleich die Zeit hielt / und also mit den Ameißen nie müßig war / so übereilte er sich doch so wenig / als die Schnecken / und durch seine langsame Bewegung brachte er das grosse Gemächte des Römischen Reiches das erste Wunder der Welt zuwege. Außer dem war ihm alles verächtlich / nichts aber mehr als Reichthum. Denn wie solte der /[962] in dem alles lebte / sich in ein todtes Aas verlieben / welches weder Sinnen noch Verstand hat / also mit seinem Bubler nicht reden kan? Wie solte der / dessen Geist gantz hi lisch war / an der Erde kleben / welche von gemeiner nichts als die Farbe unterscheidet? und gleichwol der Unterthanen ander Blut ist / und mit vielem Schweisse und Gefahr erworben wird. Was ihm aber entweder seine Siege / oder der gewöhnliche Zinß der Länder einbrachte / legte er zum gemeinen besten an / oder theilte es der Bürgerschafft aus. Durch Cleopatrens Schätze stellte er den Wucher ab; der Verdammten Güter gab er wolverdienten Bürgern / nicht unnützen oder boßhafften Bürden der Erde. Denn wenn diese solten Belohnungen genüßen / wer wolte ohne Entgeld gut seyn? Mit Egyptens Getreyde betheilte er das Armuth / mit andern Einkunfften die Gelehrten; und daß andere wol leben könten / lebte er mäßig; und daß die gemeine Schatz-Ka er vermögend wäre / befließ er sich der Sparsamkeit / der sonst an Höfen unbekandten Tugend; dardurch er aber der Verschwendung gleichsam selbst eine Schamröthe abjagte / Länder / Häuser / und so viel unverdäulichen Ertztes zu verschlingen. Ja er würde alle Schatzungen aufgehobẽ haben / weñ es möglich gewest wäre / die Ruhe der Welt ohne Waffen / die Waffen ohne Sold zu unterhalten / der Sold aber ohne Gaben zu erschwingen. Weil nun aber ein so weit ausgespañter Leib des Reiches / sonder eiserne Kla ern nicht feste und bauständig bleiben konte / dieses Eisen zu kauffen und sauber zu halten / Gold von nöthen war /machte er so wol nach dem Vermögen der Unterthanen / als der Nothdurfft des Reiches / einen Uberschlag / ließ also die Nothdurfft mit so kleinen Stücken zusammen tragen / wie es in Indien die Ameisen sa len / daß der Beytrag niemanden empfindlich war. Er hatte auf die Land-Vögte und Einnehmer ein scharffes Auge; daß die / welche den Klauen des Krieges entkommen waren / nicht von diesen Friedens-Aegeln ausgesogen / und weder die Schatz-Kammer /noch ihr Rachen / mit Thränen und Blute des Volckes angefüllet würden. Er machte aus dem ziegelnen Rom ein marmelnes / aber aus seinem eigenen Vermögen; und mehr durch sein Beyspiel / als gemeine Kosten. Er erweiterte den Marckt; aber er wolte selbten lieber schlimm lassen / als einem Handwercks-Mañe sein Hauß ohne Bezahlung und wider Willen abdringen. Wenn das Volck seinen Kindern einige Würde zudachte / ließ er sie derselben nicht fähig werden /wenn sie sie nicht verdienten. Auf ihre Fehler hatte er Luchs-Augen / die er auf andere zudrückte. Er straffte an Tochter und Enckel mit Schärffe / was er Frembden übersahe. Nach der Herrschafft war er so wenig lüstern / daß er dem Volcke zweymal seine Freyheit anbot. Und ob zwar Rom frey zu seyn sich weigerte /so verfluchte er doch so wol die Heuchler / welche ihm den Titel eines Herrn aufnöthigten / als die Fürsten / welche ihnen einbildeten: sie büsseten so viel von ihrer Herrschafft ein / als sie derselben Mäßigung beysetzen; oder daß sie aufhörten Fürsten zu seyn /wenn sie etwas / wie Rathsherren / ausrichteten. Ja seine Neig- und Bemühung mühete sich stets neben dem Fürsten ein Bürger / neben dem Herrscher ein Vater / und neben dem Herrn aller Freund zu seyn. Mit den Rathsherren gieng er nicht anders um als mit seines gleichen / und mit den Bürgern wie mit seinen Kindern. Weñ er Bürgermeister war / gieng er meist zu Fusse aufs Rathhauß / sonst aber ließ er sich auf einem offenen Stule tragen / daß ihn jedermann anreden konte. Wenn er in Rath kam / dorffte niemand aufstehen; und bey seiner Ankunfft und Abschiede grüßte er jeden absonderlich. So wenig hatte Glück und Würde an ihm verwandelt / welche die Menschen ins gemein so verstellen / daß sie sich selbst nicht mehr kennen. Gleichwol aber wuste er Ansehn und Freundligkeit so künstlich zu vermischen; daß die /welche ihn als[963] einen Vater liebten / ihn eben so wol /als die Glieder ihr Haupt verehrten. Wie er durch seinen Glantz den Schimmer des Rathes nicht ausleschte / also benahm auch dessen Schein seinem Lichte nichts; sondern jedermann sahe: daß der Rath nicht /wie für Zeiten / sein eigenes Licht hatte / sondern es wie der Mohnde von des Kaysers Strahlen entlehnen muste. Meistentheils sahe man zwischen dem alten und gegenwärtigem Rathe keinen Unterscheid; Wenn es aber von nöthen war / vereinbarte sich alles Ansehen in dem eintzeln August. Denn diß und einen guten Nahmen hielte er für den fürnehmsten Werckzeug der Herrschens-Kunst / für welche er auffs eyfrigste sorgte / daß beyde sich niemahls eines Haares breit verminderten. Diesem nach er denn stets für rathsamer hielt / sich sicherer Rathschläge zu bedienen / ungeachtet die ihm gleichsam zu Gebote stehende Glückseligkeit ihn stets zu verwegenen Entschlüssungen anreitzte. Er hielt für rathsamer / das Reich durch Friede zu befestigen / als durch Krieg zu erweitern / das Volck glückselig als sich groß zu machen. Hingegen war niemand / der nicht gerne mit ihm das Hertze / wie vielmehr das Vermögen getheilet hätte. Dieses gaben sie damit zu verstehen / da das Volck alle Jahr aus einem Gelübde für des Kaysers Heil einen Pfennig ins Curtius See warff / und am Neuen Jahrstage ihm auffs Capitolium Geschencke ablieferte. Die Ritterschafft feyerte allemahl zwey Tage seinen Geburts-Tag. Seine Ankunfft in die Stadt ward allemahl für ein Glücks-Zeichen gehalten / mit Liedern gepriesen / und an selbigem Tage dorffte kein Ubelthäter abgethan werden. Diese Liebe der Bürger war das Labsal seiner Sorgen / der Balsam seines Lebens /und die Verlängerung seiner Jahre. Darüber brach ihm sein Hertz: daß als Rath und Volck ihm aus einem gemeinen Schlusse / als den Vater des Vaterlandes grüssete / ihm die milden Thränen aus den Augen brachen. Wer wolte nun unter euch diesem wehmüthigen Fürsten heute nicht tausend Thränen opffern / der ihrer so viel aus Liebe gegen euch verschüttete? ja der euch zu Liebe würde Blut geweinet /seine Eingeweide ausgeschüttet haben / wenn euch damit wäre geholffen oder gedienet gewest? Wer wolte nicht heute seine Asche mit Thränen anfeuchten / der als ein fruchtbarer Regen / als ein Brunn der allgemeinen Wolfarth / das Reich mit so viel Wolthaten gewässert hat? Und aus der Asche des Bürger-Krieges die Pflantze des Friedens und Uberflusses herfür gebracht hat? Alleine was nützen die unfruchtbaren Thränen? Welche offt in ihren eigenen Brunnen vertrocknen; welche Römern als Männern über etliche Tage nicht anstehen; ja welche mehrmahls Trauer-Larven freudiger Hertzen sind. Mit diesen ist dem Kayser nicht mehr gedienet / und sein vergötterter Geist darff derselben nicht mehr / wie gemeine Seelen / zum Geträncke. Lasset uns vielmehr / um ihn zu vergnügen / diß liefern / was der Kayser / welcher in sonst nichts geitzig war / unersättlich verlangte /nehmlich ein gutes Andencken. Dieses war bey ihm der Wetzstein der Tugend. Lasset es bey euch nunmehr dessen Danck seyn / der für den grösten Wucher hielt dem Vaterlande umsonst zu dienen! Richte ein ieder in seinem Hertzen dem eine Ehren-Säule auf /der in Rom die Herrschafft der Welt befestiget hat /für der Helffte seines Alters das Ziel eines ewigen Nahmens erreichet / und an der Ehre den einigen süssen Geschmack und die Belohnung grosser Verdienste fand. Der Ruhm allein ist derselbe Schatz / mit dem man einen beschencken kan / der / wie August vorher alles hat / und den auch die der Tugend nicht strittig machen können / welche ihr gleich wie Schlangen gram sind. Dieses wenig-kostbare Reichthum hat Rom zum Haupte der Welt / und ihren Bürgern die Unmögligkeit selbst leichte gemacht. Um ein paar Lorbeerzweige / um eines Tages Gepränge / um ein zu keinem Gebrauche[964] dienliches Bild aus Ertzte / um einen Zunahmen von Africa / Numantia / Macedonien / Achaien zu bekommen / haben so viel Helden mit Freuden ihr Blut verspritzet / und ihr Leben in Stich gesätzt. Diese unschätzbare Unfruchtbarkeit verlangte auch alleine August von dem edlen Saamen seiner so vielen Tugenden einzuerndten; als welcher wol wuste: daß Rom keinen würdigern Preiß hatte / seine grossen Dienste zu vergelten. Es war ihm die liebste Zahlung eure Erkenntligkeit / daß Rom auch nach seinem Tode würde seine Schuldnerin bleiben; und daß die Römer ihm nichts bessers geben könten / als wormit sie auch die unsterblichen Götter vergnügten. Schlüsset demnach seine Asche in Gold! hebet sie als eine köstliche Uberbleibung auf! nicht zwar in Meynung; daß die Asche kostbarer Dinge auch köstlich seyn müsse; sondern daß sie nur eine Gehülffin eures Gedächtnüsses sey. Verehret seine Bilder mit der lieblichen Einstimmung eurer Liebe und Verwunderung! Ihr Geschichtschreiber werdet Roth haben seine Tugenden und Verdienste so abzumahlen; daß euch entweder die gegenwärtige Welt nicht einer Unvollkommenheit /oder die künfftige einer Heucheley beschuldige. Euch selbst wird ehe das Tacht des Lebens ausleschen / ehe ihr von ihm nichts mehr zu sagen finden werdet; damit man ja von dem nicht zu schreiben aufhöre /der niemahls / sich um das menschliche Geschlechte zu verdienen / aufgehöret hat. Nennet dannenher nach seinem Nahmen alle künfftige Fürsten / welche so löblich als August herrschen werden. Diese eure Verehrung des Verstorbenen wird eine Aufmunterung der Lebenden in seine Fußstapffen zu treten / und eine Abgeltung eurer Schuldigkeit seyn. Ja weil ein guter Nahme das einige Vermögen der Todten / das Verlangen darnach aber ein kräfftiger Beweiß der Unsterbligkeit ist / wird diese Danckbarkeit mit dem August in Himmel steigen / und euch mit ihm verewigen. Die Welt und Nachwelt wird so denn zu beyder unsterblichen Ruhme erzählen: daß August sich der Tugend wegen ihrer eigenen Köstligkeit befließen / die Römer aber seine Ehre wegen der Tugend befördert haben.

Das Römische Volck ward durch diese Rede nicht wenig beweget / als die Leiche aber auf die Sudseite des Marcktes für den Tempel des Käysers Julius gebracht ward / richtete man sie daselbst wieder auf /und Tiberius stieg auf die neuen Schiffs-Schnäbel /welche Julius daselbst zwischen der zu Pferde sitzenden Sylla und Pompejens Bildern aufgerichtet hatte. Seine Rede zum Volcke war folgende:

Was Drusus / ihr Römer / vom Käyser August gutes gesagt / hat ihm seine Liebe eingegeben; was ich aber sagen soll / rühret vom Römischen Rathe her. Wie nun jenes euch seiner Verwandschafft halber verdächtig seyn könte / wenn iemand unter euch so unwissend wäre; daß August grösser gewest / als ihn die Heucheley zu machen wüste; also bescheide ich mich: daß mein Lob weit unter des Kaysers Verdiensten und unter eurer Einbildung seyn werde. Denn nicht nur das Volck und der Adel hat ihn für den grösten Römer geschätzt / sondern auch der so unmäßig hassende als hefftig liebende Pöfel hat seine Zunge nie zu seiner Unehre / sondern allein zu seinem Preiße geschärfft; weil er nicht mehr ein als des andern Heilbrunn gewest. Die gantze Welt hat einen Schau-Platz seiner Thaten abgegeben; und auch die / welche außerhalb des Römischen Gebietes gelebt / haben ihn mehr als ihren eigenen geliebet / denn als einen Frembden gefürchtet. Zwar den Geist des Käysers zu vergnügen / habe ich keine / den Menschen aber genung zu thun / grosse Sorge. Denn Götter verschmähen auch nicht die einfältigste Art der Verehrung. Wer eine handvoll Weyrauch ins Opffer-Feuer wirfft /ist ihnen so lieb / als wer mit tausend geschlachter Ochsen vielem Blute ihre Altäre überschwemmet. Wenn[965] ich nun zu Frembden redete / würde ich in Sorgen stehen / meine niedrige Rede würde den Käyser verkleinern und verächtlich machen; so aber rede ich zu Römern / welche selbst Anschauer und Zeugen seiner Thaten seyn / und die Lücken meiner Rede mit ihrem Gedächtnüsse ausfüllen können. Worte verrauchen ohne diß in die Lufft; gutes Andencken aber wird auf Kinder und Enckel fortgepflantzt / und es kan solches weder gegenwärtige Gewalt / noch der Bilder und Ehren-Säulen fressende Rost der Zeit aus geneigten Gemüthern ausleschen. Dieser Tag würde auch zu seinem auskommentlichen Lobe nicht zulangen / wenn ich mir mehr als alleine die Hauptstücke zu berühren / euch aber die Ehre eines längern Nachklanges zu lassen / für gesätzt hätte. Ich bin unbekümmert; daß ich hierdurch mein Unvermögen verrathen / euch aber mehr lüstern machen als vergnügen werde. Denn ich glaube / ihr selbst werdet euch gemäßen haben / und wissen: daß alle eure in einen Menschen vereinbahrte Beredsamkeit eben so wenig den Gipffel seines verdienten Ruhmes erreichen; als jemand unter den Römern sich mit Augusten vergleichen könne. Seine Verdienste haben alles Maaß /seine Grösse alle Mißgunst überstiegen. Je mehr ihr auch euch vom August fürbildet / je mehr liebkoset ihr euch selbst. Denn seine Grösse bestehet in dem: daß er euch so viel gutes gethan hat. Daher lebet wol niemand / der nicht mehr seine Verdienste danckbar zu verehren / als seine Höhe zu beneiden geneigt sey. Ich bin willens nur zu erzehlen / was er beym gemeinen Wesen ausgerichtet hat; aber hierdurch bin ich genöthigt / von seiner zarten Jugend anzufangen. Denn er war mit Noth aus seiner Kindheit getreten /als er schon die Waffen fürs Vaterland mit männlicher Stärcke in die Hand nahm; Als er die ihm und der Stadt Rom gestellte Garne / wie Hercules die Schlangen in der Wiege / zerrieß; und als ein junger Adler denen Verwirrern gemeiner Ruh die Klauen wieß / als sie nach zerfleischtem Julius ihr Mord-Messer auch der Römischen Freyheit an Hals sätzten. Weder die Schwäche seines Alters / noch die Größe des Werckes / und die Vielheit der Feinde schreckten ihn ab / seines Vaters Tod zu rächen / ohne welche Rache weder die Tugend sicher / noch die Welt ruhig seyn konte. Alexander und Romulus haben in ihren jungen Jahren zwar auch Thaten gethan. Aber wenn ich sie den Wunderwerken des Käysers an die Seite sätzte; würde ich diese so sehr verstellen / als Augusten zum Zwerge machen.

Alexander hatte mit Weibern / August mit Männern zu thun. Je mehr Alexander siegte / je mehr bemeisterten sich seiner die Laster / welche Reiche zu Grunde richten; August aber ward je länger je besser. Alexander bließ bald von Anfang das Glücke in sein Horn; Aber wider Augusten und das Römische Volck verschwuren sich gleichsam alle Ungewitter zusammen. Gleichwol aber verlohrer nie das Steuer-Ruder aus der Hand. Er erhielt ihm das Reich / und sich dem Reiche. Romulus kriegte wider rohe / August wider die ausgearbeitesten Leute der Welt. Hercules möchte noch einiger Weise gegen ihm auf die Wagschale zu legen seyn. Aber sein Hirsch / sein Schwein / sein Löwe sind so abscheuliche Ungeheuer nicht / als die waren / mit denen August zu ringen hatte. Hercules muste aus Zwang / und gleichsam zur Straffe mit seinen Verfolgern anbinden; Aber August that es aus Liebe das Vaterland zu erhalten. Er schnitt denen Aufrührern nicht nur ihre Drachen-Köpffe ab / sondern er versiegelte auch ihre Wunden mit dem glüenden Eisen guter Gesätze / daß sie nicht wieder wachsen konten. Dieses richtete August als ein Lehrling aus. Denn was andere lernen musten / war ihm angebohren. Zwischen seinem Anfange und der Vollkommenheit war kein Mittel. Die reiffen Früchte und Blüten wuchsen mit einander. Dieser Riesen-Anfang verdiente: daß dasRömische Volck ihn bey solchen Jahren zum Stadt-Vogte und Bürgermeister machte / da andere noch nicht gerne den Harnisch anziehen. Sein männliches Alter aber kriegte noch mäñlichere Thaten auszuüben. Lepidus / Antonius / Sextus Pompejus /Brutus und Caßius / waren so gewaltige Wallfische; derer ieder ihm das Recht Rom zu verschlingen einbildete. Seine Kräfften waren nicht einem unter ihnen gewachsen; seine Liebe des Vaterlandes aber war stärcker / als aller ihre Feindschafft / und seine Klugheit übertraff ihre gesa te Stäcke. Denn er streuete unter sie den Saamen der Zwytracht: daß sie einander wie die aus des Cadmus Drachen-Zähnen gewachsenen Menschen selbst aufrieben. Er schlug sich auf die eine Seite / die andern zu dämpffen / keinem aber nicht wider die Römische Freyheit beyzustehen. Denn als die Verwegensten aufgerieben waren / zerbrach er den schädlichen Werckzeug / und warff ihn ins Feuer. Weil der Grossen Geitz weder durch Geschencke /noch ihre Ehrsucht durch Ehren-Aempter zu sättigen; die Bürger auch durch Rachgier in einander so verwickelt waren: daß ein ieder lieber mit gantz Rom /als in seinem einzelnen Hause verbrennen wolte. Aus allen diesen Siegen vergnügte er sich an der Ehre /dem gemeinen Wesen aber eignete er den Nutzen zu. Und versalzte denen verwehnten Gemüthern die eingebildete Süßigkeit und Bemühung andere und sich selbst zu verterben. Was halte ich mich aber mit den bürgerlichen Kriegen auf / welche / wolte GOtt! nie gewest / oder mit ihrer Asche schon in den Staub der Vergessenheit vergraben wären! August selbst hörte derselben auch nicht gerne zu seinem eigenen Ruhme gedencken. Denn in einheimischen Kriegen ist es so erbärmlich siegen / als es jämmerlich ist verspielen; weil / was an beyden Orten verlohren wird / dem Vaterlande abgeht. Der eusserlichen Kriege solte ich wol gedencken. Aber diese haben vorhin ihren Redner /nemlich die Reichthümer / mit welchen der Kayser die Tempel / die gemeine Schatz-Kammer / und die Kisten der Bürger durch so viel Beuten erfüllet hat. Mit dem Nil hat er die Thore der unbekandten Ost-Welt eröffnet; daß die Natur gleichsam ihren Fräulichen Schmuck / nemlich die in den Eingeweiden der Erde verschlossenen Diamanten / und die im Schlunde des Meeres versteckten Perlen in eure Schoos ausschütten konte. Aber ich will hiervon so viel weniger Worte machen; weil vielleicht an diesen Siegen so wohl andere Römer und Hülffs-Völcker / als das Glücke /welches an der Herrschafft über den Krieg auch selbst nicht die Tugend wil Theil haben lassen / Theil hat. Es ist an Augustens eigenen Wercken ein genugsamer Vorrath bey handen / daran niemand keinen Anspruch machen / noch sich etwas dergleichen gethan zu haben rühmen kan. Dieser ist es / welcher Rom aus dem Untergange / und aus Armuth gerissen hat. Dieser ist es / welcher Rom so mächtig gemacht hat / als es am schwächsten war. Dieser hat seine Herrschens Art in eine solche Forme gegossen / welche denen Alten zur Ergötzligkeit / denen Jüngern und Nachkommen zur Richtschnure dienet. August ist es; diesen Zunahmen habt ihr ihm nach vertilgten Bürger-Kriegen selbst zugeleget; welcher nicht seine Begierden / sondern das Richtscheit des Verhängnüßes / und den Ancker gemeiner Ruh die Richtschnur seiner Einrichtungen seyn ließ. Er war glücklicher als der glückliche Sylla / weil er weniger grausam war. Er gründete nicht / wie Marius / seine Herrschafft aufs Blut / sondern auf Liebe der Bürger / ja seiner eigenen Feinde. Denn sonst würde das letzte Thule schon unter unserm Gebiete seyn / und die Irrsterne nichts bescheinen / was nicht den Römern gehorchte. Er vergab dem Seßius / Scaurus / Pompejus seine Beleidigungen /und ließ den Lepidus sein Lebtage oberster Priester seyn / dem gemeinen Wesen zum besten. Also verdiente[963] er wegen erhaltener Bürger und Feinde eine neue Art von Sieges-Kräntzen; welche ihm Rom von Eichen-Oel- und Lorberzweigen zusammen flochte. Ja die auch auf Treu und Glauben sich ihm nicht ergeben wolten / überwand er mehr mit Gerechtigkeit als mit Waffen / welches die schönste Weise zu siegen ist. Ja dem Siege Maaß und Ziel stecken / übertrifft alle Siege; und in dem bestehet die höchste Spitze eines unüberwindlichen Gemüthes / wenn es den Zorn hemmet / der Rache Süßigkeit abbricht / die an die Gurgel gesetzten Schwerdter zurücke hält; also sich selbst und das Gelücke überwindet. Seine Gehülffen beschenckte er nach seinen Würden / und ihren Verdiensten; aber er enträumte ihnen so wenig / als ihm selbst der Stadt durch Hoffart und Ehrsucht überlästig zu seyn. Sylla und Marius wüteten so gar auf unschuldige Kinder ihrer Wiedersacher. Pompejus und Cäsar verziehen zwar ihren Feinden; aber sie verhingen ihren Freunden allen Muthwillen. Niemand als nur August haute weder in einem noch dem andern über die Schnur. Seinen Feinden schlug ihre Niederlage zum Siege / allen aber ihre Tugend zum Gelücke aus. Ohne jene kam niemand bey ihm ans Bret / und sie war der Grund-Stein dem Mecänas und Agrippen zu geneigter Gnade. Dieser war seine rechte / jener seine lincke Hand / dieser halff ihm kriegen / jener gute Ordnungen / beyde aber Rom glückselig machen. Denn die Erhöhung grosser Reiche darff eben so wohl / als die Auffsätzung Egyptischer Spitz-Säulen tauglichen Werckzeug. Daher lieget viel daran / und ist es eine der wichtigsten Klugheiten eines Fürsten geschickte Diener wissen auszulesen. Als nun August ihm das Kriegs-Volck durch Geld / das Volck durch Getreyde / seine Wiederspenstigen ihm durch seine Leutseligkeit verknipfft / und er die zwey Spannadern der Herrschafft / Waffen und Schätze / in seinen Händen hatte / meinte iederman / August würde sich zum Herrn in Rom machen. Aber sein Gemüthe war freyer von solchem Hochmuthe / als der Niedriger ihre Gedancken. Er erwieß sich als einen gütigen Artzt / welcher nach der Genesung den Krancken seines ersten Wollebens genüssen läßt. Pompejus und Metellus wurden von Römern als Wunderwercke angesehen; daß sie nach verrichteten Feldzügen die ihnen auf gewisse Zeit anvertrauten Kriegsheere freywillig abdanckten. Worzu sie aber vielleicht durch andere konten gezwungen werden. Aber August war Meister aller Römischen Kriegs-Heere / alles Geldes; ihm war niemand mehr schrecklich noch verdächtig; iederman war willig ihm alleine zu gehorsamen. Gleichwol aber wolte er nicht herrschen / da er so wol konte; sondern er legte Waffen / Länder und Schätze in die Schoos des Rathes / übergab alles / ja sich selbst / der Willkühr des Volckes. Warlich! ich habe der Sache mehrmahls nachgedacht: ob ich es menschlicher Klugheit /oder der gütigen Versehung des Verhängnüßes zuschreiben solte: daß ihr den Kayser nicht wollet lassen einen gemeinen Bürger seyn / der zu einem Fürsten nicht weniger geschickt / als gebohren war. Daß ihr die Eigenschafft des gemeinen Wesens so genau erkundigtet; welches nunmehr sich durch einen beherrschen zu lassen geschickt war; und daß durch Wiedereinführung der vielköpffichten Herrschafft ihr nur den vereinbarten Leib des Reiches in vielerley Spaltungen und Aufruhr trennen würdet. O der überschwenglichen Weißheit! welche so wohl die Zeiten /als die Gemüther der Menschen unterscheiden kan. Junius Brutus hat unsterblichen Ruhm verdienet: daß er den Tarqvinius der Herrschafft entsätzte / und dem Volcke die nöthige Freyheit zuschantzte. Ihr aber habt es dem Brutus weit zuvor gethan: daß ihr den August anfangs auf eine zeitlang / und nach seiner geprüfeten Fähigkeit biß an seinen Tod zu herrschen zwanget. Denn Junius Brutus hing in seinem Fürhaben[964] dem Eingeben der Natur nach / welcher Trieb sich auf die Seite der Freyheit hängt; ihr aber suchtet Ehre und Heil im Gehorsame; welche niemahls / ausser unter einem August / ohne Beschwerligkeit ist. Denn dessen Botmäßigkeit hatte keine Gemeinschafft mit der Person eines scharffen Herrn / sondern eines gütigen Vaters. Er sorgte nicht nur euch zu beglückseligen /sondern er arbeitete auch für euch / daß ihr die müßigen Hände in die Schoos legen kontet. Die der Gefahr und den Kriegen unterworffenen Länder behielt er für sich / aus derer eussersten Gräntzen er durch seine bestellte Post-Reuter in wenig Tagen erfuhr / was im gantzen Reiche sich zutrug; die Friedlichen aber gab er dem Rathe zu verwalten. Er hielt so viel Heere auf den Beinen / nicht euch im Zaume zu halten / sondern eure Feinde zu schrecken; nicht das Hefft in Händen zu behalten / sondern euch Sicherheit zu verschaffen. Seine Leib-Wache war mehr im Friede zur Zierde /als ihm ein Schirm für Gefährligkeiten. Ungeachtet es auch guten Fürsten an Feinden nicht mangelt / denen ihre Tugend verhast ist / wenn sie an ihnen keine Laster zu schelten finden. Als gleich das Glücke den Bogen seiner Herrschafft am höchsten gespannet hatte / behielten doch die Raths-Herren so wohl das Recht Ländern und Kriegs-Heeren vorzustehen / als ihr altes Ansehn. In Rathschlägen dorfften sie ungescheuet sagen / was sie dem gemeinen Wesen für vorträglich hielten; nicht wormit sie des Fürsten Ohr zu kitzeln vermeinten. Ihrer Freyheit sätzte er deßwegen Versicherung / und der Tugend vorhin ungewohnte Preiße aus. In Versammlungen des gantzen Volckes tilgte er die Spaltungen der zusammenhaltenden / und lehrte sie statt der Zwistigkeiten freygebig seyn. Die Gerichte befreyete er ihrer langsamen Verwickelungen. Aempter und Würden ließ er keines der Ehrsucht zu feylem Kauffe stehen / sondern er weißte; daß man nicht anders / als durchs Heiligthum der Tugend in den Tempel der Ehren eingehen könte. Er mühte sich mit der alten Tracht auch die alten Sitten wieder in Rom einzuführen / ja die Stadt selbst von unnützen Hefen der vielen Knechte abzuschäumen; welche nach dem Einschlage des Salustius so wenig als ein Schiff gesund und reinlich seyn könte / wenn beydes nicht von der stinckenden Grund-Suppe gesaubert würde. Mit seinem Vermögen gebahrte er so sparsam / als wenn es des gemeinen Wesens wäre; die Stadt-Güter aber verwaltete er so fleißig / als seine eigene / oder er machte vielmehr unter beyden keinen Unterscheid; denn er verschenckte keine / sondern wendete alle zum gemeinen besten an. In der Stadt besserte er alles aus / was den Untergang dreuete / eignete ihm aber darüber keine Titel zu / und beraubte die Vergängligkeit zwar ihrer Gewalt / nicht aber die Uhrheber alter Gebäue ihrer Ehre. Er bauete viel ansehliche Gebäue /und war ein Liebhaber der Pracht / aber noch mehr ihrer Nutzbarkeit. Zu nicht wenigen gab er die Unkosten; schrieb aber daran anderer verdienter Leute Nahmen / theilte also mit ihnen die Ehre / welche andere alleine verschlingen wollen. In Bestraffung der Laster seines Hauses war er unerbittlich / frembde aber übersah er gar / oder straffte sie nicht zur Helffte nach dem Aufsatze der Gesätze; wieß also: daß er dort das Ampt eines Richters / hier eines Vaters verrichtete. Von denen / die ihm nach dem Leben standen / tödtete er nur wenige / derer Leben ihnen selbst beschwerlich / dem gemeinen Wesen nichts mehr nütze war. Aber auch in diesen Fällen kam er schwer daran / und war ihm ein wenig kummerhafft: daß seine Herrschafft auch so wenigen und Boßhafften solte verdrüßlich seyn. Da doch eines frommen Fürsten Tugend nicht nach dem vergällten Geschmacke lasterhaffter Leute / sondern aus ihrer eigenen Güte zu urtheilen ist / und selbst Jupiter nicht allen gefällt. Tapffere Leute hielt er so hoch /[965] als sich selbst / und dünckte sich keines Menschen zu gut seyn. Er verhälete die Fehler seiner Freunde; und wenn sich diese gleich so vergingen / daß seine Liebe gegen sie lau werden muste / verwandelte sich selbte doch wider die gemeine Art hohen Glückes / welches von keinem Mittel weiß / niemahls in Haß. Als Mecänas nicht mehr seine Freundschafft verdiente / begnadigte er ihn doch noch mit derselben Scheine. Allen Fremden aber setzte er das gemeine Wesen für. Dieses war sein einiger Aug-Apffel / welchem er alle seine Sorgen und Vergnügung opfferte. Des Volckes Wolfarth war sein oberstes Gesetze; für welchem alle andere des Geblütes und der Freundschafft biegen oder brechen musten. Jedermans Vergnügung war seine einige Freude / und die Hoffnung / bey euch in gutem Andencken nach dem Tode zu bleiben / sein niemanden nichts entziehender Gewinn. Wer unter euch wolte durch Vergessenheit ihn so unglücklich / sich aber so undanckbar machen? Welch Raths-Herr wolte sein Bild nicht stets für Augen / sein Beyspiel im Hertzen behalten? Welcher nicht unter die Unwürdigen sich selbst zehlen wolte / welche er zu keinem andern Ende absätzte / daß sie durch ihre Ungestaltnüs die Würdigen nicht verdüsterten. Welcher erinnert sich nicht / wie August dem Rathe mehr Einkommen gestifftet / einen ieden mit Geld und Gütern beschencket / und in Abgebung seiner Stimme / den letzten ihm gleich gemacht habe? Wer weiß nicht: daß der Kayser nichts wichtiges übers Knie zerbrochen / sondern auch über mittelmäßigen Dingen des Rathes Meynung vernommen / und seinen Willen denen unterworffen habe / welchen er zu gebieten hatte? Welch Fürst oder Römer hat für ihm die Macht mit der Bescheidenheit /die Gewalt mit der Tugend / als Dinge / welche sich sonst gar nicht mischen lassen / so künstlich vermenget? welcher durchaus nicht groß seyn wolte / wenn er nicht seiner Größe würdig wäre. Welches Fürstens Gemüthe hat sich so hoch über alle Einblasungen der Knechte und Freygelassenen geschwungen? daher fiel es auch den Edelsten nicht schwer ihm zu gehorsamen / weil er selbst herrschte / weil sein Verstand der oberste Kreiß der ersten Bewegung war / weil sein Geist alle andere regte und beseelte. Welch ander Römer könte ohne Undanck den außer acht lassen /welcher alle mit Gebäuen / Gelde / Getreyde / Spielen / Freyheiten / Uberfluß / Sicherheit wider Feinde und Zufälle erfreuet oder begabet hat? Welch Bundsgenosse wolte sein vergessen / welchen er ohne Gefahr ihrer Freyheit / ohne Beschwerligkeit seiner Hülffe /so redlich beygestanden? Welch Unterthan wolte sich nicht erinnern: daß er nicht einem aus ihnen ein Haar gekri et / weder Unrecht noch Schaden gethan? Ihr alle aber seyd in euren Gewissen überzeugt: daß August ihm selbst in vielem abgebrochen habe / daß er gegen euch konte freygebig seyn; daß er sich arm gemacht / um das gemeine Wesen und die Bürger zu bereichern. Bey derer Nothleidung kein Fürst vermögend bleiben kan. Daß er alle Bemühungen von euren Achseln auf seine Schultern gelegt / und in Gefährligkeiten für den Riß gestanden? daß er mit wiedergebrachtem Frieden alle Künste / fürnemlich Handel und Wandel eingeholet; ohne welche die Einwohner zwar ohne Krieg / aber auch ohne Nahrung sind / und keines Friedens genüssen? daß er den Mangel mit Uberfluß ersätzet / man also in der gantzen Welt nicht findet / was zu Rom mangelt? daß er durch die Schiffahrt beyde Angelsterne / und das Ost- mit dem West-Ende der Welt vereinbart hat? daß er der Welt-Weißheit den heßlichen Rock ausgezogen / die Musen aus Licht gehoben / daß sie nicht mehr am Hunger-Tuche nagen / noch sich mehr unter dem Pöfel drücken dörffen? ja denen Gelehrten gleichsam ein ander Verhängnüs ohne Mangel und Unfruchtbarkeit zugeeignet? darmit durch sie das Gedächtnüs seiner Tugend erhalten[966] würde; außer welchem er sonst von keiner Pracht etwas hält / und um euch nicht beschwerlich zu seyn / sich im Wegziehen weder begleiten /noch beym Wiederkommen ihm entgegen ziehen läßt? daß in Feyertagen sein Hauß und Zimmer jedem aus dem Volcke offen gestanden / und seiner Gemächligkeit halber / niemals / als wenn er gekrancket / außer dem Rathhause Rath gehalten? Wem können aus dem Gedächtnüsse fallẽ seine heilsame Gesätze / durch die er den Beleidigten Trost verschafft / der Boßheit durch wol abgewogene Straffen einen Riegel vorgeschoben? durch die er den Ehen Freyheiten / der Fruchtbarkeit gewisse Vortheile ausgesätzt? durch die er ohne jemandens Schaden / die welche fürs Vatersland fechten und gleichsam Soldner des Todes abgeben / mit Belohnungen versorget / und ihnen zu rechter Zeit das Kauff-Geld für ihr Blut bezahlet? welches die allezeit williger aufopffern / denen man nichts schuldig bleibt. Wer wolte so vergeßlich seyn nicht zu gedencken: daß er mit seinen Freunden alle Ergötzligkeiten getheilet / und das gröste ihres Kummers auf sich genommen habe? daß er jedermann fürs gemeine beste frey reden heissen / die Heuchler als Spinnen und Gifft gehasset / den Bedrängten geholffen / den Nothleidenden beygesprungen / die Vermächtnüsse den rechtmäßigen Erben wieder zugeschantzt habe? Ja seine heilige Vorsorge hat sich über seinen Tod erstrecket / da er so heilsame Rathgebungen unter seiner Hand / zu unser Richtschnur hinterlassen / wie man das von der Natur mit dem Rhein und Euphrat befestigte grosse Reich durch weitere Ausdehnung nicht zersprengen / und aus unersättlicher Begierde nach einem Schatten schnappen / das Wesen aber verliehren solle. O der unvergeltbaren Wolthaten! welche kaum geglaubt werden könten / wenn sie nicht in Augen der Welt / im Munde des Nachruhms schwebten! O des himmlischen Gemüthes! welches aller Geschäffte fähig gewest / und durch seine Unruh die Wache für die Ruhe der Welt verrichtet / ja der Natur gleichsam selbst zu gebieten gehabt hat! O des grossen und unvergleichlichen Fürsten! dessen gleichen niemand gewünscht / oder jemahls zu haben ihm hat träumen lassen! der so wol sein als seines Reiches mächtig ist / der keinem unterworffen gewest / und über alle geherrschet hat! Ihr habet in ihm zwar alle Würden vereinbaret / ihm den Nahmen eines Vaters des Vaterlandes beygeleget; und ihr sätzet ihn heute durch die Vergötterung außer den Schrancken der Sterbligkeit. Aber dieses ist mehr ein Werck seiner Tugend / als euerer Erkäntligkeit. Jenes aber ist eine armseelige Danckbarkeit. Denn ihr gebet ihm Schalen für Kerne / Worte für Wercke; Ihr habet ihm durch die durch seine Wolthaten wieder lebendwordene Mahler- und Bildhauer-Kunst zwar seine euserliche Gestalt der Nachwelt aufzuheben euch beflissen; aber beyden sind darüber Pinsel und Meissel entfallen /weil sie ihr Unvermögen gesehen / so wol ihn / als andere Götter aus irrdischem Wesen zu bilden. Saget diesemnach euren Nachkommen: daß sie ihnen Augusten nicht anders einbilden sollen / als wie Phidias Jupitern gebildet hat. Weil die Lebenden aber ja den Todten nichts bessers zu opffern haben; so verwahret zum wenigsten das ewige Feuer eures Andenckens in eurem Hertzen so fleißig / als die Vestalischen Jungfrauen Vestens auf ihrem Opffer-Heerde / mit welchem die Vorfahren der Julier die ewige Herschafft in Rom gebracht haben. Opffert ihm den glimmenden Weyrauch euer Liebe; der euch so sehr geliebet / und nichts mehr gefürchtet hat / als daß er von euch gefürchtet würde. Beweinet euer Unglück: daß ihr keinen August mehr zum Haupte habt; die Welt auch schwerlich mehr seines gleichen haben wird; nicht seinen Tod; denn dieser hilfft seinem Leibe zur Ruhe /seiner Seele zur Vergrösserung / seinem Nahmen zur Unsterbligkeit; welcher der Nachwelt heilig[967] seyn wird / es thue es gleich jemand ihm nach / oder nicht. Den Leib krieget seine Mutter die Erde / die Seele der Vater der Himmel wieder. Hebet seine Asche zu keinem Aberglauben / wol aber zu euerer Erinnerung auf. Bringet durch eure Andacht zu wege; daß wie August im Leben euer Schild und Schutzherr gewesen / also sein Geist nach seinem Tode euer Schutz-Gott bleibe. Thut durch weibisches Wehklagen dem Verstorbenen nicht weh / euer Tapfferkeit aber keine Schande an. Gönnet seiner Asche die Ruh / seiner Seele die Wohnung unter den Sternen in der Gemeinschafft seines Vaters Julius; welcher alleine dem August zu vergleichen; jedoch so viel niedriger ist / als der Krieg dem Frieden nachgiebt. Nehmet eures Heiles / euerer Pflicht wahr; verzweiffelt in keinem Rothstande / trauet dem Verhängnüsse / und lasset die unsterblichen Götter alles übrige machen. Dieser ihr Schluß ist es: daß Fürsten sterben müssen / Rom aber ewig stehen solle.

Diese Rede hatte eine so widrige Würckung / als das Wasser im Kalck. Dieses / welches ihn leschen soll / zündet ihn an / und jene solte das Weinen stopffen / so erregte sie es. Denn unter so viel hundert tausend Antlitzern war nicht eines trocken; und man hätte hier gantze Fässer voll Thränen sammlen können. Denen / welche entweder sich über des Tiberius Erhöhung erfreuten / oder welche meinten steinerne Hertzen zu Augen haben / schwamm doch die Augen in ihrem eigenen Brunnen. Vielen preßte die Wehmuth und Liebe die Zähren ihrer vielen auch das Erbarmnüs über den veränderten Zustand und den schädlichen Wechsel aus; da sie nemlich für den holdseeligen und offenhertzigen August den gramhafften und versteckten Tiberius / und für einen Pelican eine Aegel zum Herrn bekamen. Fürnemlich sahe man das Frauenzimmer gleichsam als versteinerte Nioben in Thränen zerflüssen / weil diesem vielleicht ahnete: daß ihm das Weinen nur noch diesen Tag frey stehen /künfftig aber es auch an Müttern ein halßbrüchiges Laster seyn würde. Von dem Marckte ward die Leiche durch die übrigen Sieges-Bogen nach dem Krieges-Felde zu getragen. So bald die Pfeiffer und Klage-Weiber nun den Bogen des Todes erblickten / fiengen sie ein so grausames Geheule an: daß einem davon die Haare zu Berge stunden. Die Gesätze musten hier ihrer Unsinnigkeit aus dem Wege treten. Denn sie zerkratzten darwider mit den Nägeln ihre Wangen / sie zerfleischten mit Messern ihre Armen / zerrissen ihre Kleider / schlugen ihre nackten Brüste / schnitten mit Scheren und Schermessern / oder raufften ihre Haare ihnen auf dem Haupte / ja so gar die Augenbranen aus / und stiessen die Köpffe an die Pfosten des Trauer-Bogens; theils weil sie mit ihrem Blute des Verstorbenen- und die höllischen Geister versöhnen / theils ihrem Leidwesen eine völlige Ausrichtung thun wolten. Endlich streueten sie ihnen auch Staub und Asche auf den Kopff / besudelten ihre Antlitzer / daß sie nicht mehr Menschen ähnlich sahen; vielleicht / weil sie bald darauf wider die unbarmhertzigen Götter abscheuliche Flüche ausschütteten / ihre Tempel zu steinigen / ihre Altäre abzubrechen / ihre eigene Kinder wegzuwerffen / welches kein Thun vernünfftiger Menschen ist. Das Frauenzimmer / welches bißher mit brennenden Lichtern gegangen war / leschten numehr selbte / und ihrer viel zugleich die Vergnügung ihres Lebens aus. Durch die Pforte des Todes kam man nun zu dem Holtzstosse / um welchen die Leiche dreymahl herum / und hierauf auf den Holtzstoß getragen ward. Auf diesen stiegen anfangs die / welche den Vorrath zu der letzten Mahlzeit trugen / welche des Verstorbenen Geiste oben bereitet war. Dieser ward um des Verstorbenen Bette gesätzt / und für einen Greuel gehalten / wenn jemand solche Speise kostete / welche nicht einst die gefräßigen Habichte und Sperber anrührten. Es verfügten sich aber auch Livia / Tiberius /[968] Drusus / und die Bürgermeister hinauf. Livia balsamte des Käysers Leiche hier im Gesichte / in Schläffen an Pülßen aufs neue ein; küssete selbten vielmahl und ruffte abermahls dreymahl seinen Nahmen / und gehab dich wol. Hierauf schnitte sie ihr etliche Spitzen von ihren Haarlocken ab / legte solche auf seine entblössete Brust / und sagte: Ni hin / liebster Schatz / diß mein letztes Geschencke / nach dem ich dir nichts mehr geben kan. Denn mein Hertze ist fürlängst bey deinem Leben dein Eigenthum worden. Nach diesem steckte sie ihm wieder die abgezogenen Ringe an / und öffnete ihm den Mund / und goß ihm gleichsam zum Reise- oder Abschieds-Truncke darein ein ziemlich Theil des besten mit Myrrhen vermischten Weines / wie solcher in hohen Feyern denen Bildern der Götter pflegt fürgesätzt zu werden. Als sie ihm nun auch die wolrüchenden Speisen vorgehalten hatte / steckte sie ihm eine güldene Müntze unter die Zunge zu des Charons Fahr-Lohne / legte ihm die Kleider zu rechte / machte ihm die zu Nola zugedrückten Augenlieder Angelweit auf; gleich als solte er nun das Ziel seiner Seele / nemlich den Himmel anschauen. Livia wolte ihm zwar auch einen Finger abschneiden / und zum Gedächtnüsse aufheben / aber Tiberius verwehrte es / als einen dem Gesätze widrigen Aberglauben. Endlich küssete Livia / Tiberius /und die zwey Bürgermeister ihn noch zu guter letzte einmahl / stiegen vom Holtzstosse herab / und nach dem Tiberius / Drusus / und die Bürgermeister mit ihren hinter den Rücken an den Holtzstoß gehaltenen Fackeln das Zeichen gegeben hatten / zündeten die Hauptleute mit abgewendetem Gesichte den Holtzstoß rings herum an. Als auch die Priester / der Rath und die Leidtragenden mit angezündeten Schwefel-Kertzen durch dreymahliges herumgehen den Holtzstoß eingeweihet / oder gereiniget hatten / gossen die Priester wider Königs Numa Verbot / viel Krüge Wein / Hartzt / Jasminen- und ander Oel in Holtzstoß / das Feuer desto lebhaffter zu machen; Jedermann wünschte auch der Flamme sie aufblasende Winde /damit der Leib desto zeitlicher in seinen ersten Talg verwandelt / die Seele aber zu ihrem Ursprunge gelangen möchte. Livia warff ihre besten Röcke / viel Perlen und Edelgesteine / Tiberius des Käysers Purper- Röcke / und seine Waffen in brennenden Holtzstoß. Die Römischen Frauen riessen ihre Kleider vom Halse / und warffen sie nebst vielem Schmucke nach; ja sie hätten / wie das Corinthische Frauenzimmer vom Periander bey seines Weibes Begräbnüsse gezwungen ward / freywillig alle ihre Kleider verbrennet / wenn sie nicht die Scham ihrer Blösse zurück gehalten hätte. Die Römischen Bürger aber schütteten noch so viel Weyrauch und Würtzen ins Feuer / als Arabien und Indien kaum in einem Jahre träget. Die Tichter warffen ihre Lob-Getichte / die Kriegs-Leute allen ihren Schmuck / Waffen / Kräntze / und dergleichen im Kriege vom Käyser Augusten empfangene Geschencke / und endlich auch ein fettes Weib in die Fla e / weil von ihrem Fleische die Glut mehr als zweyfache Krafft bekommen soll: dahero wenn in Pest-Zeiten viel Leichen verbrennet werden / die Todten-Gräber zehn Männern allezeit eine Weibes-Leiche beyzufügen gewohnet sind. Die Leibwache hielt auch linckwärts um den lodernden Holtzstoß ein Rennen /und das Trojanische Spiel / der Adel aber ein Gefechte. Des Käysers Freygelassene und Knechte schlachteten auch zwey seiner liebsten Pferde / und stürtzten selbte mit einem Adler / etlichen Papegoyen und andern singenden Vögeln in die rasende Flamme. Ein Hund des Käysers aber / welcher seine Leiche stets bewachet und begleitet hatte / stürtzte sich von sich selbst darein / wordurch Ulpius Martialis ein Freygelassener und gewester Mundschencke des August angereitzet ward: daß er nach dem Beyspiele des Catienus Philatinus demselben in der Glut das Leben aufopfferte /[969] von dem er die Freyheit bekommen hatte. Etliche andere thaten es ihm gleichsam aus Schamröthe nach / damit die Mohren und Scythen nicht alleine die Ehre hätten: daß jene sich auf ihrer Könige Holtzstösse tödten / diese sich mit denen Geliebten begraben liessen. Die Knechte musten überdiß das Looß werffen / da denn die / welche es traf / von Kriegs-Leuten geschlachtet / und zu des Todten Versöhnung in die Flamme gestürtzt wurden. Der Holtzstoß brennte in so weniger Zeit zu Grunde / als kaum jemand glauben konte. Als er aber am schreiten loderte / sahe man aus selbtem einen Adler empor fliegen; welchen Livia und Tiberius sonder Zweiffel auf dem Holtzstosse versteckt / und mit einem langen Bande angebunden hatten / nach dessen unten geschehener Abbrennung er sich rettete; das abergläubige Volck aber beredete: daß er die Seele des Käysers zu Jupitern in Himmel trüge. Nach der Zeit machte man / um diese Himmelfahrt desto mehr zu bekleiden / denen wächsernen Bildern der Käyser ein blindes Begräbnüs / und baute ein zu diesem Adler-Fluge geschicktes Zelt in Gestalt der in See-Hafen stehender Leucht-Thürme; denen vergötterten Käyserinnen aber eignete man an statt des Adlers einen der Juno gewiedmeten Pfauen zu. Wie nun der des Mordes nicht wenig verdächtige Rath zu Rom bey Vergötterung des Romulus den Julius Proculus anstiffteten / dem gemeinen Volcke weiß zu machen; Romulus wäre ihm erschienen /hätte ihm befohlen: daß sie ihm ein Heiligthum bauen solten / weil er ein Gott worden wäre / und Ovirinus hieße; also hatte Livia den Numerius Atticus mit zehntausend Sestertiern erkaufft; daß er eydlich betheuerte: er hätte den August sehen in Himmel fahren / und den Jupiter ihm die Hand zu reichen. Denn ob zwar nach dem Romulus ein und ander Römer von den Seinigen vergöttert / und sein Bild in Gestalt des Bacchus / des Apollo / des Mercur oder eines andern Gottes in seinem Hause verehret und bey desselben Asche geschworen ward; so war doch diß / daß man einen dem gantzen Römischen Volcke zu einem Gotte aufdrang / ziemlich neu / und war Käyser Julius der ander / August der dritte. Daher durffte dieser Betrug einen guten Schein / wie August bey Vergötterung des Julius den erscheinenden Schwantz-stern zu seiner Schmincke meisterlich angewehrte. Livia / Tiberius /Drusus und alles Volck wartete biß auf den spaten Abend dem Feuer aus / biß alles zu Asche gebrennet war; da doch sonsten die vornehmsten vom Marckte nach gehörter Lob-Rede / oder zum höchsten / wenn der Holtzstoß zu brennen anfieng / weggiengen. Endlich ruffte ein jeder Weggehender dreymahl: Lebe und ruhe wol! die Erde sey dir leichte. Wir alle werden nach der Ordnung / wie uns die Natur abfordern wird / dir folgen. Ihrer viel giengen auch / sich gleichsam zu reinigen / über die gluenden Kohlen. Die Nacht über ward der verbrennte Holtzstoß gantz unbeirret gelassen / aber starck bewachet. Auf den Morgen aber kam Livia mit dem vornehmsten Adel in schwartzer Trauer-Tracht zeitlich dahin. Alle zohen allhier ihre Schuch aus / und wuschen so wol ihre Füsse als Hände. Diese musten die noch glimmenden Brände mit dem besten Rhetischen Weine / weil ihn August am liebsten getruncken hatte / ausleschen / und die warme Asche abkühlen. Livia hatte wenig Müh des Käysers Asche und Gebeine von andern zu unterscheiden. Denn ob zwar auf den bürgerlichen Begräbnüssen solche nur ungefehr aus der Mitte / wo die Leiche gelegen / gesammlet werden konte / so hatte doch Livia des Käysers Leiche in ein von gesponnenem Amianten-Steine gewürcktes Tuch welches nicht verbrennet / eingehüllet; also daß sie in diesem Beine und Asche über einen Hauffen beysammen fand. Sie hob sie mit grosser Ehrerbietung auf / legte sie in ihre Schooß / betete solche mit vielem Glückwünschen an / küßte und netzte[970] sie mit ihren Thränen / ruffte dem August abermahls dreymahl. Hernach wusch sie solche mit Wein und Milch / und nach dem sie die Feuchtigkeit durch eine dünne Leinwand abgeseugt hatte / schüttete sie die Asche in ein klein Gefäße aus Berg-Kristall / füllete hernach solches theils mit Egyptischem Balsame / theils mit ihren Thränen. Die Gebeine thät sie mit Aloe / Myrrhen /Amomum / Casia und Zimmet in ein golden Geschirre. Alles beydes aber steckte sie hernach in einen grossen Todten-Kopff / aus Jaspis. Dessen übrige Höle füllete sie mit Myrthen-Oel- und schwartzen Pappel-Blättern voll; Den Topff aber selbst umwand sie mit so viel Kräntzen aus Wolle / Seide und Blumen / daß man kaum etwas vom Steine sahe. Hiermit kam Tiberius und Drusus auch darzu / um zugleich mit denen /welche die Leiche angerührt hatten / von Priestern gereiniget zu werden; weil Tiberius zumahl sich des sonst vom August bey Octaviens Begräbnüße gebrauchten Vorhanges nicht hatte bedienen wollen. Der Priester nahm also einen zusammen geflochtenen Lorber- und Oelzweig / tauchte selbtes in reines Brunnen-Wasser / besprengte damit alle Anwesenden dreymahl / hernach beraucherte er sie auch mit Weyrauch / Schwefel / Cretischen Zypressen / Farren-Kraut / und sagte: Es ist aus / ihr mögt gehen. Livia trug in Begleitung des Tiberius / Drusus / des Rathes / und Adels / Augustens Uberbleibung / durch den Sieges-Bogen der Ewigkeit / in das köstliche Grab-Maal / welches ihm August schon / als er das sechste mahl Bürgermeister war / zwischen der Flaminischen Strasse und der Tiber gebauet hatte. Dieses war über und über mit weissen Marmel besätzt / alles von der besten und mit Milch eingemachter Erde aus Chio zusammen gefügt / und bestand in drey rundten mit Corynthischen Säulen umsätzten Umfängen. Auf der innern und höchsten stand das Bild des Käysers August sehr groß und künstlich. Auf denen Flächen der zwey Absätze derer von vielfarbichten kleinen Kieselsteinen zusammen gesätztes Pflaster allerhand Spiele der Venus mit Schwanen / Tauben / Gänsen / und des Cupido kurtzweilige Ergetzligkeiten fürbildete / standen allerhand frembde aus Assyrien / Persien und Indien gebrachte Bäume und Gefässe / mit seltzamen Narzißen / Hyacinthen / Thulipanen / und die Farbe verwandelnden Rosen. Zwischen diesen waren hundert Marmelne Füsse zu sehen / darauf die Ertztenen Säulen gesetzt werden solten / in welche August seine Thaten zu etzen befohlen hatte. Uber dem Thore waren in Ertzt mit güldenen Buchstaben eingelassen: C. Octavius August. Zum sechsten mahl Bürgermeister / Zunfft-Meister / Oberster Priester /Vater des Vaterlandes / baute diß ihm und seinem Geschlechte zum Begräbnüsse. Für dem Eingange standen zwey aus Egypten gebrachte und hundert Ellen hohe Spitz-Säulen / aus einem einigen Porphirsteine gehauen. Hinter demselbigen waren weitschweiffige Lust-Wälder / in denen die Lorber-Myrten-Oelbäume alle nach der Schnure gesätzt waren /und dem Volcke zu annehmlichen und Schatten-reichen Spatzier-Gängen dienten. Daher auch diesen Platz niemand leer fand; und selten kam iemand dahin / der nicht zugleich auf des Käysers Grabmaal stieg. Sintemahl die Menschen gleichsam einen geheimen Zug haben / so wohl eingeäscherter Menschen / als Städte Grab-Maale zu betrachten. Wie denn selbst Kayser Julius und August des grossen Alexanders /Cicero Archimedens / Gräber sorgfältig beschauet hatten. Die darzu bestellten Thürhüter waren auch befehlicht / einen ieden ohne Entgeld einzulassen / und herum zu führen. Dieses Grab-Maal hatte noch eine besondere Umfassung von Marmel-Säulen / und darzwischen künstlich geflochtenen Gegittern aus[971] Eisen. Darinnen stand ein Altar aus Porphier. Die Marmelnen Wände waren auch in besondere Felder abgetheilet / und durch Bildhauer ausgearbeitet; worinn des Augustens Thaten mit denen des Hercules verglichen waren. Zwischen diese Bäume wurden des Augustus Haußgenossen begraben / und allhier auch dem Ulpius Martialis ein Marmeln Gedächtnüß-Maal aufgerichtet. In diesem Grab-Maale aber in dem untersten und eussersten Behältnüße / war des Marcellus /Agrippa und Drusus Asche schon verwahret / ihnen auch daselbst Uberschrifften gemacht. In der mittelsten Runde waren mehr nicht / als zwey Gewölbe /und inwendig mit Sardonichen / Amethisten / Chrysolithen und dergleichen Steinen versetzten Behältnüße für Augusten und Livien bereitet / und darein ein güldener Stul und Krone gesetzet. In dieser eines lieferte Livia des Kaysers Uberbleibung ab / und sätzte noch in zweyen Gläsern wolrüchende Wasser / wie auch eine Ampel mit ewigem Feuer dazu. Sie blieb auch fünff gantzer Tage mit einigen aus dem Adel alldar /ließ bey dem Grab-Maale zwey neue Altäre / eines der Juno / das andere des Kaysers Geiste aufrichten / und hielt daselbst nicht nur Versohn-Opffer für sich; gleich als wenn sie sich einer grossen Beleidigung schuldig wüßte / und sie im Traume vom Kayser mehrmahls erschreckt und aufgeweckt würde; sondern sie opfferte auch den Geistern deß wegen Augustens umkommenen Brutus / Caßius / und Antonius; weil auch die Todten mit einander Krieg führen / und in Gräbern einander beunruhigen sollen / wie von zweyen zu Thebe und auf dem Berge Garganus beerdigten Brüdern gegläubt wird; daß ihre Gräber noch die Todfeindschafft gegen einander hegen sollen / weil sie selbst einander nicht mehr ermorden können. Uber diß flehete Livia diese Tage alle dahin kommende Bürger und Frembdlinge an: Sie möchten doch des Verstorbenen Geiste nicht fluchen / noch sein Grab steinigen / oder ohne Segen und Wunsch verächtlich vorüber gehen / sondern ihm mit Wunsch und Segen zu Hülffe kommen; sonder Zweiffel / weil sie ihr des Gifftes halber übel bewust war / und nicht nur glaubte: daß die / welche eines gewaltsamen Todes gestorben / ohne ausgeübte Rache an den Mördern / oder Söhn Opffer / zu ihrem Uhrsprunge nicht kommen /vielmehr aber so lange / als sie sonst gelebt hätten /ums Grab herum schwermen müsten / sondern weil sie nach dem Tode mit des Kaysers Geiste einen Krieg zu bekommen besorgte. Dieses / oder vielmehr die sich täglich mehrende Liebe gegen dem August verursachte: daß das Volck bey diesem Grab-Maale ein besonderes Altar aufrichtete / und ihm mit nicht wenigerm Eyver / als für Jahren dem erschlagenen Julius bey seiner Säule opfferten. Inzwischen wurden in beyden Häusern des verstorbenen Kaysers denen Hauß-Göttern Hammel geopffert / und alle Zimmer von einer darzu bestellten Priesterin mit Schwefel und Wasser gereinigt. Tiberius bestellte über diß gewisse Verwalter über die zu diesem Grab-Maale gestifftete Einkunfften / welche solches bauständig erhalten /alle Hornunge und August-Monate / wie auch am Geburts-Tage dem Kayser neugemolckene Milch / und Blut von Opffer-Thieren / auch ungemischten Wein opffern / Rosen / Tausendschön / Hiacynthen und Mah-Blätter streuen / Nüsse auswerffen / Fleisch und Brodt austheilen / dem Todten wohl zu seyn wünschen / dem Volcke auf hundert Taffeln / dem Verstorbenen durch hundert verbreñte Speisen / wie auch von Bohnen / darinnen der Verstorbenen Seelen gerne weiden / Eyern / Gegräupe / und Saltz-Kuchen / ein Leichen Gast-Maal ausrichten / sein Grab mit dem auch in Isthmischen und Nemeischen Spielen beliebten Eppiche bekräntzen / die mit zwey und mehr Lichtern brennende silberne Lampen unaufhörlich mit Oel unterhalten / und mit allem[972] dem des Kaysers Geist versöhnen und seine Asche erqvicken solten. Uber diß sätzte Tiberius Augustens Bild aus Golde / mit Strahlen / einem Sternen-Krantze / und dem Blitze in der Hand ins Capitolium unter die andern von den Römern angebeteten Götter / eignete selbtem ein güldenes Bette / ein Altar und Priester / und diesem gewisse Gefährten zu / in derer Anzahl er sich / den Drusus / Germanicus / und Claudius einschreiben ließ. Der Römische Rath erklärte auch Livien selbst zu des Kaysers Priesterin. Uber dieses machte er Anstalt dem Kayser in Rom noch einen prächtigern Tempel zu bauen / als Julius bekommen hatte; und alle Länder wurden erinnert / diesem Beyspiele nachzufolgen. Insonderheit ward zu Nola das Hauß / worinnen August gestorben war / in einen prächtigen Tempel verwandelt / und zu Tarracon in Hispanien ein kostbarer erbauet / darzu sich diese eigenbeweglich anboten. Den neundten Tag nach dem Begräbnüße ließ Tiberius den Drusus / dem August zu Ehren / allerhand Pferd- und Wagen-Rennen / Trojanische Spiele halten / Gefechte zwischen Menschen und Thieren / welche in silbernen Kefichten dahin gebracht wurden / und andere Kurtzweilen bey des vergötterten Augustus Grabe und Brennstadt halten / welche er vorher gemahlet in Dianens Lust-Walde dem Volcke vorstellte. Denn nach dem Acastus zu Jola / Theseus Melicerten im Isthmus / Atreus die Olympischen Spiele / dem Pelops zum Gedächnüße gestifftet hatte / war die Gewohnheit durchgehends allen Helden zu Ehren / welche man für Götter hielt / solche Spiele anzustellen. Die Leidtragenden selbst sahen nicht allein in Trauer-Kleidern denselben / Livia und das Frauenzimmer nur alleine denen Fechtern nicht zu; sondern des verstorbenen Kaysers güldenes und gekräntztes Bild ward selbst in Schauplatz gebracht / und ihm darinnen die fürnehmste Stelle eingeräumet. Nach derselben Endigung aber speiseten sie in weissen Kleidern mit dem Rathe und dem fürnehmsten Adel ins Castors Tempel; folgenden Tag aber ließ Tiberius fürs Volck ein Früh-Maal auf tausend Tischen bereiten; Worbey niemand /der nicht mit Eppich gekrönt war / und nicht dem Todten oder seinen Vorfahren was rühmliches nachzusagen wuste / sitzen dorffte. Nachfolgende Tage wurden dem Pöfel Bäder ausgerichtet / und Oel ausgetheilet. Es kam auch ein Rathschluß heraus: daß die Salii des Kriegs-Gottes Priester alle Jahr nach den Spielen ein groß Maal halten / und seine Thaten in Getichten singen solten; welches zu Rom eine so grosse Ehre war / als wenn sein Nahme zu Athen in Schleyer der Minerva gewürcket ward. Uber diß ward befunden: daß ieder Bürger Augustens Bild als ein Heiligthum in seinem Hause haben / niemand bey Lebensstraffe einige Müntze / darauf er gepreget wäre /zerschmeltzen / noch bey seinem Nahmen falsch schweren solte. In selbiger Nacht ward eine Ertztene Taffel ins Kaysers Grab-Maal abgeliefert / mit einer darein von Golde eingelassenen Lob-Schrifft. Ob nun zwar dessen Erfinder nicht zu erforschen / solche auch dem Tiberius und folgenden Kaysern etwas verkleinerlich war; so wolte doch Tiberius sich nicht erkühnen solche unterzudrücken. Daher er denn solche auf die Thüre zum Behältnüße seiner Asche / auf die sie sich so eigen schickte / als wenn sie mit Fleiß dazu gemacht wäre / anfügen ließ. Es bestand aber solche in folgenden Worten:


[973] Octavius Augustus

liegt hier begraben /

Welcher vorher in Rom alle Bürger-Kriege begrub.

Dieses erkieste ihn zu seinem Haupte /

Um sich dadurch vieler zu entbürden /

derer es mehr als Berge in sich hatte.

In seinem Leibe war die Annmth / im Gemüthe die Tugend lebhafft;

um diese durch jene annehmlich zu machen.

Seine Jugend hatte in sich nichts unreiffes / sein Alter nichts verdrüßliches.

Als er noch Bürger war / stellte er einen Fürsten /

und als er Käyser worden / einen Bürger für.

Also verdiente er / was er erlangte; und er erlangte was er verdiente;

Wiewol Rom mehr durch ihn / als er durch Rom glücklich ward.

Denn Fürsten machen glücklich; wenn sie es gleich selbst nicht sind.

In seiner Kindheit schien er zum Kriege gebohren zu seyn;

nach dem er aber aller Waffen in die Hand kriegt hatte /

warf er sie alle weg;

um den Krieg zu verjagen / den Frieden zu umarmen.

Er war stets unruhig / die Welt in Ruhe zu erhalten;

des Janus Tempel schloß er zu / des Apollo auf /

gleich als hätten die Götter ihm den Schlüssel zu ihren Heiligthümern /

wie das Verhängnüs zu seinen Geheimnüssen zugestellt.

Er rauffte den Lastern die Schwung-Federn aus /

und ließ die Haare der Gelegenheit nie aus Händen /

dem Siege und Glücke band er die Flügel ab /

und hefftete sie den Musen an;

daß jene in Rom musten Stand halten /

diese aber aus Griechenland in Latium flohen.

Seine Feinde halffen ihm / Er aber der Tugend ans Brett /

und der Ehre an rechten Ort.

Also verzuckerte er dem Volcke den Gehorsam;

daß selbtem für der Freyheit wie für Galle eckelte.

Hierdurch ward er ein glücklicher Vater des Vaterlandes;

aber nicht seines Hauses;

vielleicht weil er alle Sorgen für jenes / keine für dieses führte.

Er verwandelte die eiserne Zeit in eine güldene /

daß wo vor Blut / itzt Milch und Oel floß /

um den Nahmen eines güldnen Käysers zu bekommen.

Und / weil er durch Künste und Wissenschafft aus Vieh Menschen gemacht hatte /

sich durch Wolthaten aus einem Menschen zum Gotte zu machen.[974]

Ja er wäre noch was grössers worden /

wenn jemand höher steigen könte / der dem Glücke zu Kopffe

und der von der Geburt an bis ins Grab

alle Tage gewachsen war.

Jedoch ward er durch den Tod allererst am grösten.

Denn Rom erfuhr so denn: daß er zwar unter Fürsten ein eintziger Phönix /

aber aus seiner Asche kein ander zu hoffen wäre.

Dieses wird nach ihm so lange seufftzen /

biß er seines gleichen bekomme / nemlich ewig.

Denn keinen bessern hat Rom zu wünschen / noch die Natur zu geben /

und also Rom nicht ihn / wol aber sich zu beweinen.


*** *** ***


Auf der andern Seite dieser ertztenen Taffel war eine Weissagung: Augustus würde seinen letzten Enckel zwar aus seinem Grabe ruffen; aber dieser würde nicht die Ehre haben darein zu kommen. Und wenn der dritte Käyser würde sollen vergöttert werden /würde es sich von sich selbst aufthun.

So viel nun itzt dem August nach der Eigenschafft des menschlichen Gemüthes / welches die Güte einer Sache allererst nach derselben Verluste zu schätzen anfängt / zu Ruhm ersonnen und geschrieben ward /so viel stachlichte Schrifften kamen auf Livien und den Tiberius heraus. Insonderheit fand man an einem Morgen an dem Tempel Proserpinens folgendes angeschrieben:


Der Mord-Geisi der Stadt Rom stieg in den Pful der Höllen /

Und nahm die Furien ihm zu Gehülffen an /

Kommt! sagt Er / helffet mir einst den Augustus fällen

Weil Arglist / Gifft und Stahl ihn nicht verletzen kan.

Sie aber wolten sich nicht dessen unterfangen /

Was Furien zu arg / hat Livia begangen.


Am Rathhause aber war folgendes angeschlagen:


August der Vater stirbt durch seines Weibes Rencke;

Die uns von anfangs her Stief-Mutter ist gewest /

Schwingt itzt der Stief-Sohn sich ins Röm'schen Adlers Nest /

Nur / daß er Rom und uns als ein Stief-Vater kräncke.

Er ist im guten stumpf- im schlimmen scharffer Sinnen

Ein Schoß-Kind des Gelücks / der Tugend stärckster Feind;

Er denckt nie / was er sagt / und sagt nie / was er meint

Ist Füchsen gleich an List / an Neide Molch- und Spinnen.

Die Aegeln dürsten nicht / wie Er / nach Menschen Blute.

Er schäumt kein wiegernd Hengst von Geilheit so / wie er;

Sein Kopff ist voller Wind / sein Hertz erbarmens-leer;

Er nagt / doch sättigt er sich nie an frembdem Gute.

Er siehet Tag und Nacht wie Nacht-Euln und wie Geyer /

So werden nun sein Raub so Schuld als Unschuld seyn;

Aus diesem bilde / Rom / dir dein Verhängnüs ein;

Doch 'brüttest du selbst aus die Basilisken-Eyer.

Du bist noch sehr bemüht zum Käyser ihn zu machen /

Und machst zum Sklaven dich / wenn du / O Thör'chte! meinst:

Daß Er nicht herrschen wil. Doch / die du itzt gleich weinst /

Sey nur getrost! du wirst zu seinem Tode lachen.


Unter denen Spatzier-Gängen des Pantheons aber ward an dem Bilde des Käysers / welches Agrippa dahin gesätzt hatte / unten an dessen Porphierenen Fusse folgende Uberschrifft künstlich eingegraben gefunden:


Zwey Wunder sieht die Welt in dieser schnöden Zeit

Der Juden grosser Gott wird Mensch / und kommt auf Erden;

Der schwache Mensch August meint aber Gott zu werden;

Wie daß ihr denn so blind und abergläubisch seyd!

Daß ihr den wahren Gott für keinen Gott erkiest /

Und den zum Gotte macht / der Asch' und Unflat ist?


Niemand konte begreiffen / wie es möglich gewest wäre: daß in einer Nacht / und ohne daß es die Hütter dieses Tempels gewahr worden / in einen so Eisen-harten Stein so viel habe gegraben werden können. Noch unbegreiflicher aber war ihnen der Innhalt / und zerbrachen ihnen nicht nur die Priester darüber ihren[975] Kopff / sondern auch der Rath befahl / darüber die Sibyllinischen Bücher aufzuschlagen. Tiberius ließ zwar unter dem Scheine: daß Augustens Bild nunmehr in den Tempel neben die andern Götter zu sätzen wäre / welches August im Leben nicht hätte verstatten wollen / den ihm ärgerlichen Fuß wegnehmen; gleichwol schickte er dem Jüdischen Land-Pfleger die Abschrifft hiervon mit Befehl: daß er von den Jüdischen Priestern eine Auslegung hierüber fordern solte. Den dreißigsten Tag hob Tiberius bey den Männern alles Trauren auf / ließ einen jeden seiner Ampts-Geschäffte und Nahrung abwarten / und sagte: die Klage hätte eines Maaßes nöthiger / als die Freude. Die tapffern Spartaner hätten nur eylf Tage / und andere kluge Völcker zum längsten einen Monat unterschiedene Völcker auch gar nicht wolverdiente Todten betrauret; ja die Thracier beweinten der Ihrigen Geburts- und feyerten mit Lust-Spielen ihren Sterbe-Tag. Viel tapffere Römer wären von ihrer Eltern oder Kinder brennendem Holtzstosse aufs Rathhauß in ihre Aempter gegangen / und hätten bey Verrichtungen ihnen das Betrübnüs aus den Sinnen geschlagen. Der Verstorbenen Seelen würden so wol durch übermäßiges / als durch unterlassenes Trauren beleidiget. Die edlen Frauen aber giengen nicht weniger um den Käyser /als für Zeiten um den Junius Brutus den so eyfrigen Rächer der versehrten Keuschheit ein gantz Jahr im Leide / wiewol im Hertzen viel verständige Bürger ihr Lebtage.

Nach derogestalt geendigtem Trauren kam der gantze Rath im Tempel der Eintracht zusammen. Niemand war in selbtem / welcher nicht gegen dem Tiberius ehrerbietiger als vorhin gegen dem August war; alle aber fleheten ihn / und zwar etliche mit Thränen an: daß er doch die schwere Last der Herrschafft über sich nehmen möchte. Aber Tiberius stellte sich hierzu gantz kaltsinnig / machte ihm die Sache schwer /schützte die Mäßigkeit seines mit wenigem vergnügten Gemüthes und Unvermögen / und am meisten die Größe des Reiches für / welches zu begreiffen / alleine Augustens Geist fähig gewest wäre. Gleichwol aber hätte dieser ihn mit einem Theile seiner Sorgen beleget / und er bey diesem wenigen durch Erfahrung gelernet; wie diese Last auch dem Vermögensten zu Kopffe wachse / und wie im Herrschen keine menschliche Klugheit alle Zufälle vorher sehen / weniger verhüten könte. Rom wäre mit so vielen erlauchten Leuten ausgerüstet; als hätten sie nicht von nöthen alles einem auf den Halß zu schieben. Ihrer viel könten mit gesa tem Rathe und getheilter Arbeit besser als einer dem gemeinen Wesen vorstehen. Mit diesen und andern zweydeutigen Reden und schlauer Langsamkeit versteckte Tiberius seine Gemüths-Meinung; daß einer den andern ansah / und keiner wuste / was er eigentlich daraus nehmen solte. Die meisten kennten zwar des Tiberius Art / und konten sich leicht bescheiden / daß dieser Vorwand sein Ernst nicht wäre; aber sie musten aufs künstlichste sich verstellen / als wenn sie seine Künste nicht merckten. Daher verfiel ihre Zunge in Wehklagen / ihre Augen in Thränen /ihre Andacht in seltzame Gelübde / da die Götter des Tiberius Hertze erweichen würden. Etliche umarmten das Bild Augustens / etliche des Tiberius Knie /drückten ihm die Hände / und baten ihn: er möchte sie doch nicht hülff- und trostloß lassen. Aber Tiberius ließ an sich die geringste Veränderung nicht spüren; sondern befahl das vom August mit eigner Hand geschriebne und hernach in zwey ertztene Seulen geetzte Verzeichnüs über das auf den Füssen stehende Kriegs-Volck / die Schiffs-Flotten / die den Römern unterthänige Reiche / Länder / derselben Einkunfften /und die nöthigen Ausgaben abzulesen. Aus diesem /sagte Tiberius / habt ihr die Schwerde dieser Last zu urtheilen. Und als einige Rathsherren ihm so gar knechtisch zu Fusse fielen / fieng[976] er an: Er wäre der gantzen Last nicht gewachsen; was sie ihm aber für ein Theil davon auftragen würden / wolte er treulich verwalten. Asinius Gallus fiel ihm ein: Was meint denn Tiberius / welch Theil des Reiches ihm anständig sey? Italien / die Heere / oder die eroberten Länder? Tiberius befand nicht ohne Bestürtzung sich durch diese unvermuthete Frage gleichsam zwischen Thür und Angel. Nach einem kurtzen Stillschweigen aber faßte er wieder ein Hertze und sagte: Er würde so unverschämt nicht seyn: daß er ihm von dem selbst was auslesen solte / damit er sich lieber gar verschont wissen wolte. Gallus / welcher dem Tiberius seine Entrüstung an Augen ansah / versätzte: Er hätte ihn nicht in der Meinung gefraget: daß er diß / was sich nicht zertrennen ließe / zu theilen gedächte; sondern daß er den Tiberius durch sein eigen Bekäntnüs überwiese: das Römische Reich bestünde in einem Leibe /also müste es auch durch nicht mehr / als einen Geist beseelet werden. Dieses hätte Käyser August durch sein Beyspiel schon erhärtet; unter welchem alles /und so gar die entferntesten Sachen an der Schnur gegangen wären; gleich als ein Athem und eine Hand alle Räder des Reiches herum drehete; in welchem vormahls ein Kopff hier / der andere dort hinaus gewolt; jeder Land-Pfleger seinen Gemüths-Regungen gefolgt / und diese Zwytracht die Harffe der Herrschafft schädlich verstimmt hätte. Diese Kunst hätte Tiberius / welcher Augustens Gefärthe gewest / von ihm begriffen / durch so viel Siege und mühsame Aempter bewiesen; und andere würden in vielen Jahren nicht begreiffen / was Tiberius aus Erfahrung wüste / und sein scharffsinniger Geist von Grund aus verstünde. Aber diese Heucheley war ein zu schlechter Schwa die Beleidigung auszuwischen. Denn Tiberius war ihm schon vorher über Achsel / weil Asinius die vormals dem Tiberius verheyrathet geweste Vipsania Agrippens Tochter zur Eh / und keinen Zug zur Dienstbarkeit / sondern vielmehr seines Vaters Pollio Sinn hatte / der als im Kriege bey Actium gleich gantz Rom und Italien auf Augustens Seite stand / alleine stille saß / und sich zur Beute des Uberwinders aufhob; hernach auch den Geschicht-Schreiber Timagenes in sein Hauß aufnahm / als ihn August wegen hefftiger Stachel-Schrifften aus seinem verstieß / auch wider die vom August in Schwung gebrachte Trojanische Spiele hefftig redete / weil sein Enckel Aesernin darauf ein Bein gebrochen hatte. Lucius Arnutius stieß beym Tiberius an eben diesen Stein an / als er anfieng: wenn sich auch gleich das Reich theilen liesse / wer würde des Tiberius würdiger Gefärthe seyn / den er nicht selbst aus seinem eigenen Hause nehme. Denn ob zwar Tiberius keinen alten Groll auf den Arnutius / oder eine andere Ursache ihn zu hassen hatte / als daß er reich / hurtig / gelehrt / und in Rom hoch gesehen war / so gieng ihm doch dieser Einwurff durchs Hertze; weil seine Rede dem ohne diß verdächtigen Germanicus das Wort zu reden schien / und August den Arnutius selbst so keck als geschickt zum Herrschen geurtheilt hatte. Daher antwortete ihm Tiberius: Die Stadt Rom wäre das grosse Hauß / daraus die Vorsteher des gemeinen Wesens genommen werden könten. Haterius ward dieser Verstellung überdrüßig / und fuhr heraus: Wie mag sich doch Tiberius so lange bitten lassen / da er selbst wohl weiß: daß ausser ihm niemand zum Haupte des Römischen Volckes geschickt sey? Scaurus aber sätzte bey: Er würde ja die Hoffnung des gantzen Rathes nicht lassen in Brunn fallen / da er denn / was vorher die Bürgermeister verlangt hätten / als oberster Zunfftmeister nicht zu wider gewest wäre. Tiberius verhörte diß / weil er sich über den Scaurus unversöhnlich erzürnte / den Haterius fuhr er an: Wenn hat das Römische Volck iemahls ein Haupt über sich begehret? und wenn ich nach der Herrschafft strebte /würde ich mich[977] so lange nicht bitten lassen. Endlich ward er durch so vieler demüthiger Bitte ermüdet: daß er sich darein gab; iedoch solte seine Einwilligung mehr den Schein haben: daß er nicht mehr wolte gebeten seyn / als daß er die Herrschafft wahrhafftig übernähme. Gleichwohl kostete es nach und nach alle / die diesen Tag bey ihm angestossen / das Leben; Ausser Haterius / welcher dem Tiberius in seinem Hause einen Fußfall that / ward endlich durch Liviens bewegliche Bitte kaum ausgesöhnt. Wiewohl auch Tiberius Livien mit schälen Augen ansah / und sich derselben so viel möglich entschlug / insonderheit aber lange und geheime Unterredungen meidete: daß es nicht den Schein haben solte / als wenn er sich derselben Rathes bediente / die ohne diß sich nebst ihm zu herrschen unterstund / und sich rühmte: Sie hätte den Tiberius zum Kayser gemacht. Daher er auch die Rathschläge zu bestätigen weigerte / Krafft welcher Livia die Mutter des gemeinen Wesens / Tiberius ein Sohn Juliens genennt / und deßwegen daß Augustus sein Ehweib Livien in das Geschlechte der Julier und zu seiner Tochter angenommen hatte / ein Altar der Einkindschafft erbauet werden solte. Ja er wolte ihr nicht einst einen Schergen / derogleichen doch den Vestalischen Jungfrauen vortraten / oder auch / daß sie bey Augustens Säule dem Adel ein Gast-Maal ausrichtete / erlauben; sondern er redete im Rathe dawider: Man müßte die Ehren des weiblichen Geschlechtes mäßigen / derogleichen er selbst gegen sich thun wolte. Hingegen bat er für den ihm nicht wenig verdächtigen Germanicus beym Rathe aus: daß er sein Lebtage in allen Ländern / wo er hinkäme / die völlige Botmäßigkeit haben solte / um ihn hierdurch zu besänfftigen / und von der Lüsternheit nach dem Kayserthume abzuhalten. Den Elius Sejanus aber machte er zum Gefärthen seines Vaters Strabo / und zum Hauptmanne über die Leibwache / wie auch zum Hofemeister seines Sohnes des Drusus.

Unterdessen kochte das Mißtrauen gegen den Germanicus unaufhörlich in des Tiberius Hertzen; und es gieng weder Tag noch Nacht fürbey: daß er nicht auf Mittel sann / ihn in etwas zu verwickeln / bey dessen Verrichtung er so viel zu schaffen kriegte; daß er weder nach Rom / noch an die Herrschafft gedächte. Hierzu aber fand er nichts dienlichers als den Krieg mit den Deutschen; zu welchem Feuer Adgandester und Sentia auffs fleißigste Holtz trugen; welche nach vernommenen Tode Augustens auff der Post nach Rom kommen waren / um zu verschaffen: daß der von ihnen angesteckte Krieges-Zunder mit Augusten nicht zu Asche werden möchte. Diese riethen dem Tiberius: daß er theils zu seiner Sicherheit / theils einigen deutschen Völckern einen Dunst für die Augen zu mahlen / die vom August abgeschaffte deutsche Leibwache /der mit dem Hertzoge Melo und Ganasch getroffenen Abrede nach / nunmehr würcklich aufrichten / und mit ihnen das Bündnüs verneuern solte. Welches denn auch ohne Verzug geschahe; und wurden tausend Bataver zu Pferde / zwey tausend Sicambrer und Chautzen zu Fuße / und der Graff von Diepholt zu ihrem Hauptmanne angenommen. Sentia und Adgandester wolten auch für anbefohlnem Kriege von Rom nicht verrücken / sondern lagen dem Tiberius täglich an Ohren: daß er bey so glücklich gesämten Kraut der Zwytracht unter die Deutschen / mit den Catten und Cheruskern zu brechen / die Gelegenheit nicht versäumen solte. Es war schon alles abgeredet / an den König Marbod / Hertzog Melo / Ganasch / und Cariovalda Gesandten und Geschencke / um sie in guten Gedancken gegen die Römer zu erhalten / auch an Germanicus / welcher / um sich alles Argwohns zu entschütten / nach erster Nachricht von des Kaysers Tode sich tieff in Gallien verfügt hatte / und mit Einnahme der Schatzung unmüßig war / Befehl abgeschickt / alles zu einem mächtigen Kriege zu bereiten.[978] Damit auch dieser Schluß durch kräfftigen Aberglauben bestärckt würde / tichtete Tiberius: Qvintilius Varus wäre ihm des Nachtes in blutiger Gestalt erschienen / und ihm den Untergang gedräuet / da er die unbedeckten Beine der erschlagenen Römer nicht beerdigen / und die im Tanfanischen Tempel zu seiner ewigen Schande aufgehenckten Adler nicht zu denen /welche die Parthen wieder geschickt / in des rächenden Kriegs-Gottes Heiligthum liefern würde. Aber diesen Schluß verrückte eine unvermuthete Zeitung vom Julius Bläsus: daß die ihm in Pannonien untergebene achte / neundte / und funffzehende Legion bey veränderter Herrschafft in dem Sommer-Lager auff Anstifftung eines Gaucklers Percennius / und eines gemeinen Lands-Knechtes Vibulenus sich wider ihn aufgelehnet / ihren Stand und Wache verlassen / die Adler und sich unter einander vermischet / ihren Befehlhabern Spott und Gewalt angethan hätten. Wenige Tage darnach kam des Bläsus Sohn / welchen sie zu dieser Gesandschafft gezwungen hatten / selbst nach Rom / mit ihren Beschwerden; welche darinnen bestunden: daß sie theils dreißig und viertzig Jahr im Kriege gedient hätten / und mit ihren gebrechlichen Gliedern nicht zur Ruh kommen könten / da die Gesätze sie doch nach zwantzig Jahren loßsprächen. Wenn sie auch schon hohen Alters halber der Wache und Schantz-Arbeit befreyet würden / müsten sie doch unter den Fahnen und wider den Feind dienen; oder endlich in wüsten Ländern Sümpffe austrocknen / und Felsen fruchtbar machen. Ihr Leib und Seele würde jeden Tag nur für zehn küpfferne Heller geschätzt; für ein so schnödes Kauffgeld müsten sie ihnen Kleider /Waffen / Zelte schaffen / der Hauptleute Grausamkeit / Schläge / Wunden / Frost / Hitze / und endlich einen unfruchtbaren Frieden vertragen. Jeder von der Leibwache hingegen / der doch nach sechtzehn Jahren seinen Abschied zu erwarten hätte / bekäme täglich zwey Silber-Groschen / also noch einmal so viel; da doch diese in der Stadt ihre gute Beqvämligkeit / sie gegen die wilden Völcker tausend Ungemach und Gefahr auszustehen hätten. Welchem allem sie von dem neuen Fürsten abgeholffen wissen wolten. Dieser schlimmen Botschafft folgte täglich ärgere Nachricht; nemlich: daß die Aufrührer die Fahnen von den Stangen gerissen / etliche Flecken / ja gar die Stadt Nauport geplündert / die Hauptleute beschimpfft / den Aufseher über das Lager Aufidienus zu Bodem geworffen / und bey nahe erstecket / den Bläsus selbst geschmähet / die Gefangenen mit Gewalt aus den Fesseln gerissen / den Hauptmañ Lucilius getödtet / also alle Scham und Gehorsam ausgezogen hätten. Tiberius ward hierüber aufs euserste bestürtzt / in Meinung: daß des Kriegs-Volckes Verlangen nur ein Vorwand /das rechte Absehn aber auf seinen eigenen Kopff gemüntzet wäre. Ihm war über diß bekandt: daß die Pannonier ihm grämer / als einer Spinne waren / und daher leicht wider ihn in Gemeinschafft der Waffen treten / die zu Carnuntum an der Donau liegenden Legionen mit aufwiegeln / und wol gar dem Könige Marbod sich Pannoniens zu bemächtigen / den Bojen / Marckmännern und Schwaben in Rhätien einzubrechen Anlaß geben möchten. Ob nun zwar Tiberius wie alle / also auch diese Wunde für Rath und Volcke meisterlich zu verbergen wuste; so konten doch alle Klugen leicht urtheilen: daß die Sachen ziemlich schlecht stehen müsten; weil er seinen eigenen Sohn Drusus mit dem Sejan / vielen Rathsherren / zweyen Fahnen zu Fuß / und fast aller Reiterey der Leibwache / und funfzehn hundert Deutschen dahin schickte. Aber der übel beredete Drusus hatte bey denen Aufrührern schlechtes Ansehn / seine Verströstung daß der Rath ihren Sold verbessern / ihnen zeitlichere Erlassung willigen würde / keinen Glauben. Sie störten ihn in seinem Vortrage / verhöhneten den abgelesenen Brieff des Tiberius;[979] welcher sie schon mehrmahls hinters Licht geführet hätte; und weil sie glaubten: daß Eneus Lentulus dem Drusus wider sie alle Anschläge / und sich zurück in das Winter-Läger zu ziehen / an die Hand gäbe / riessen sie ihn von der Seite des Drusus weg / umringten / verwundeten ihn am Haupte mit einem Steine / und hätten ihn gar erwürgt / wenn nicht die Deutschen zugeeilet / und ihn ihnen / und dem Tode aus den Klauen gerissen hätten. Es würde aber zweifelsfrey mit dem Drusus selbst schlecht abgelauffen seyn / wenn nicht der Himmel durch Verfinsterung des Mohnden / oder vielmehr der einfältigen Kriegs-Leute Aberglauben / seinem Unsterne abgeholffen hätte. Denn sie bildeten ihnen ein: daß die Götter ihr Vorhaben verdammten / und durch den beängstigten Mohnden ihnen ihr künftiges Elend fürbildete. Uber welcher Einfalt des Römischen Kriegs-Volckes sich nicht zu verwundern war / weil sie dessen natürliche Ursache nicht wusten; nemlich daß der Mohnde durch den zwischen die Sonne und den Monden kommenden Schatten der Erde / die Sonne aber durch den zwischen die Sonne und die Erde tretenden Mohnden nur in unsern Augen / nicht aber in ihnen selbst wesentlich verfinstert würden. Aus welcher Unwissenheit auch Nicias bey einem solchen Finsternüsse der Stadt Athen Kriegs-Flotte nicht aus dem Hafen führen wolte / Hannibal für der letzten mit dem Scipio gehaltenen Schlacht / Perseus / und seine Macedonier / in der Schlacht mit den Römern so sehr erschreckt wurden / als die unvernünfftigen Thiere sich bey Finsternüssen entsetzen. Hingegen kam Sulpitius Gallus bey seinen Römern / der mit den Africanern kriegende Agathocles bey seinen Siciliern durch Auslegung der wahren Beschaffenheit / allem Schrecken klüglich zuvor / und benahm ihnen den gemeinen Aberglauben: daß die verfinsterten Sterne kranck würden / oder gar stürben; dahero die Leute insgemein / und auch dißmahl allhier die Römer dem nothleidenden Mohnden mit klingendem Ertzte zu Hülffe kommen wolten. Drusus machte ihm diesen Zufall meisterlich nütze; ließ durch den Hauptmann Clemens und etliche andere Gutgesinnte ihnen ihr Verbrechen und die Thorheit / wenn sie glaubten: daß Percennius und Vibulenus an stat der Neronen und Drusen das Hefft des Reiches behaupten würden / zu Gemüthe führen. Nach dem diese die Gemüther ziemlich gewonnen / beruffte sie Drusus selbst für sich / und hielt ihnen ein: Ihr Aufruhr wäre ein solcher Greuel in den Augen der Götter / daß sie auch den himmlischen Lichtern ihre Krafft benähmen / um solche Laster nicht zu schauen. Der unerträgliche Winter / die hefftigen Platz-Regen / der stete Hagel / die Ergießungen der Wässer rührten nicht ungefehr her; sondern wären gerechte Straffen des erzürnten Himmels. Diese würden sich noch vergrössern / wenn sie nicht ihre Hartnäckigkeit in Gehorsam verwandelten. Auf solchen Fall aber wolte er für ihr Verlangen selbst bey seinem Vater / und dem Rathe eine Vorbitte einlegen. Hierauf gab sich das Kriegs-Volck / schickte aufs neue den jungen Bläsus /den Lucius Apronius aus des Drusus Leibwache / und den ersten Hauptmann Justus Catonius nach Rom. Drusus ließ die Rädelsführer aufsuchen / und durch die Deutschen; den Vibulenus und Percennius aber in seinem eignen Zelt hinrichten. Die drey Legionen verliessen das Sommer-Lager / gleich als wenn dieser Ort ihnen stets ihr Verbrechen fürrückte / verfügten sich in das Winter-Lager / Drusus aber nach Rom.

Ehe aber Drusus diese Verwirrung in Pannonien verrichtete / ward Tiberius fast durch eine viel ärgere Zeitung bey nahe entseelet; nemlich: daß alle neun auf die Gräntzen Deutschlands verlegten Legionen in vollem Aufruhre begriffen wären. Sintemahl er diß für eine Anstifftung des Germanicus hielt; wech er doch noch in Gallien die Schatzung einsammlete /[980] und alle Städte / wo er hinkam / besonders die Seqvaner und Belgen dem Tiberius schweren ließ. Zu und um Mäyntz lag die andere / dreyzehnde / viertzehnde und sechtzehnde Legion. Ihr Haupt war in des Germanicus Abwesenheit / Cajus Silius. Von der Reiterey dieser Legionen ward bey Trier / Effern / ein deutscher Edelmann abgehalten / welcher von Thußnelden Brieffe an Agrippinen zu bringen hatte / in Meinung: daß er ein Kundschaffter wäre. Wie er aber für den Römischen Rittmeister Sergius gebracht / und seiner Verrichtung halber befragt ward / rechtfertigte er sich theils durch seine Brieffe; theils durch vorgewendeten Befehl: daß er wegen des deutschen Feldherrn dem Germanicus zum Erbtheile des Römischen Reichs Glück wünschen solte; Also ward Effern frey; Sergius aber saan der Sache nach / und ließ sich hierauf gegen etliche vertraute Römer heraus: Es wäre ihnen wol eine Schande: daß ein Deutscher sie ihrer Pflicht erinnern solte; welchem allerdings für dem Tiberius so wol sein / als seiner Gemahlin halber das Käyserthum zugehörte / und welcher es auch für einem gramhafften Sauer-Topffe verdiente. Diese Meinung breitete sich in wenig Tagen durch alle vier Legionen aus: daß in Mäyntz die Hauptleute und gemeine Knechte täglich für des Silius Wohnung kamen / und fragten / was ihn hinderte oder aufhielte / daß er die Legionen nicht zusammen führte / und sie dem Germanicus vereydete? welcher ihm ja nimmermehr den gramhafftigen Tiberius die Beherrschung des Römischen Volckes würde wegnehmen lassen / welche ihm so wol das Erb-Recht / als die Liebe der Legionen / die für ihn alles euserste thun würden / zueignete. Aulus Cäcina aber lag mit der ersten und zwantzigsten Legion in der Stadt der Ubier; die fünffte und ein und zwantzigste war nahe herum verlegt. Diese waren eben so gut für den Germanicus gesinnet; und weil beyde ihnen einbildeten: daß gut ihnen die Kräfften des Römischen Reichs beruheten / von denen deutschen Legionen die Käyser ihre Zunahmen entlehnten / stünde ihnen die Erwehlung des Hauptes zu. Weil ihnen aber zu solcher Erklärung ein verwegener Führer mangelte / und ihnen des Germanicus Gemüthe unbekandt war / stiffteten die Verschlagensten die gemeinen Knechte an / mit welchen nach des Varus Niederlage die Legionen waren verstärckt worden: daß sie in Kriegs-Diensten mehr Freyheit / grössern Sold / und zeitlichere Erlassung forderten. Ehe aber ihnen was gewehret oder verweigert ward / fielen sie ihre Hauptleute mit blossen Degen an / schlugen selbte zu Bodem / und warffen sie todt entweder über den Wall / oder in Rhein. Septimius meinte sich bey den Füssen und unter dem Stuhle Cäcinens zu retten; aber sie machten des Dräuens kein Ende / biß er ihnen zu Abstraffung seiner Grausamkeit / nemlich zum Tode ausgefolgt ward. Caßius Chärea / welchen das Verhängnüs zu Abthuung des Unmenschen Caligula aufheben wolte /machte ihm mit dem Degen einen Weg durch die Aufrührer. Niemand gehorchte mehr den Obersten und Befehlhabern; sondern die gemeinen Knechte bestellten die Wachen / besätzten den Stand / und verrichteten alles in unglaublicher Ordnung und Eintracht.

Weil nun Augustens Tod die gantze Welt / und sonderlich Deutschland rege gemacht hatte / hätte es ihm der Feldherr für die gröste Schande geachtet /wenn er nicht bey diesem grossen Staffel-Jahre der Welt und einer so mercklichen Veränderung beyde Augen aufgesperret / und die Römischen-Heimligkeiten auszuspüren alle euserste Mittel fürgekehret hätte. Daher säumte er sich nicht nach erfahrnem Absterben des Käysers mit dem Hertzoge Ingviomer und Jubil nach Mattium zu eilen / und beym Hertzoge Arpus auf den Teppicht zu werffen / was bey gegenwärtiger Gelegenheit für Deutschlands Sicherheit zu beobachten[981] nöthig wäre. Zumahl er ihn nicht etwan aus selbst gemachtem Argwohne / sondern aus glaubhafften Nachrichten versichern könte: daß Germanicus nicht aus Liebe des Friedens seinen Anspruch auf die Catten und den Brücken-Bau über den Rhein abgethan; sondern allein Augustens Tod ihm die Zirckel verrückt / und ihn von so schädlichen Anschlägen zurück gehalten hätte. Er wäre von vertrauter Hand auch versichert: daß Adgandester auf des Tiberius Anstifftung beym Hertzoge Melo und Ganasch wider die Cherusker und Catten eine solche Glocke gegossen hätte /welche man in kurtzem zu ihrem Schaden durch gantz Deutschland würde leuten horen. Des Melo und Ganasches gäntzliche Abziehung von dem Leibe des übrigen Deutschlandes gäben diß nicht nur zu verstehen; sondern die den Römern geschehene Räumung des Ubischen Altares / und des Emße-Stromes machten hierüber eine so klare Auslegung: daß man sie billich Leute ohne Augen nennen könte / wenn sie diese Gefahr übesähen. Hertzog Arpus hatte ein so gutes Gemüthe für die gemeine Wolfarth / als ein tapfferes Hertze was Helden-mäßiges zu entschlüssen. Aber weil er von Rom Nachricht hatte: daß alle Winde in des Tiberius Segel bliessen / hielt er nicht für rathsam / ausser eusserster Noth einen gefährlichen Streich zu wagen / sondern meinte: es wäre das sicherste nur auf guter Hut zu stehen. Hierüber kam die Nachricht nach Mattium; daß das Römische Heer am Ober-Rheine den Germanicus zum Kayser haben wolte / das am Nieder-Rheine aber in dem grösten Aufruhre begriffen wäre. Der Feldherr wuste ihm diese Begebnüs wohl nütze zu machen / und hielt dem Hertzoge Arpus für: daß die Zwytracht der Feinde eines Staats heilsamstes Genesungs-Mittel wäre / und das Verhängnüs dieses den Deutschen zweiffelsfrey zur Rettung ihrer sonst dem Schiffbruche ziemlich nahen Freyheit zuschickte. Daher riethe er treulich: man solte den Germanicus auf alle Weise trachten zu einem bürgerlichen Kriege anzufrischen; oder denen auf Deutschlands Ungedeyen am Rheine liegenden Heeren einen solchen Streich wie dem Varus zu versetzen. Diese würde das kräfftigste Mittel seyn / den Hertzog Melo und Ganasch zu bessern Gedancken zu bringen / die Römer aber ausser denen Gräntzen Deutschlands zu halten. Hertzog Arpus nahm diß zum Bedencken / und überlegte es mit seinen Räthen. Diese aber fanden in dem Wercke hundert Schwerigkeiten / iedoch kein Ende; weil einige die Furcht / andere der Eigennutz / und etliche vielleicht auch das Römische Geld verbländete. Keiner unter ihnen kunte zwar die gute Meinung des Feldherrn / und die besorgliche Gefahr von Römern umstehen; aber der meisten Schluß ging doch dahin: daß wenn die Deutschen wider den gemachten Frieden gegen die Römer was beginnten / diß ihrer Feinde Friedens-Bruche eine vortreffliche Farbe anstreichen /und so denn nicht nur die Sicambrer und Chauzen /sondern auch den Marbod wider sie in Harnisch bringen würde / welche vielleicht sonst sich noch hundertmahl bedencken würden / sich auff die Seite öffentlicher Friedensstörer zu schlagen. Sie hätten zur Feindseligkeit noch keinen andern Grund / als den Argwohn; Und was Germanicus im Schilde führte / die wenigste Nachricht. Ihn zu was anzureitzen wäre eine offenbahre Beleidigung des Kaysers; auch an sich selbst ärgerlich die Glieder eines Reichs wider ihr Haupt zu verhetzen. Einen zwistigen Feind aber anzugreiffen diente nur zu seiner Eintracht. Also wäre dieses Werck allenthalben stachlicht / wo man es angriffe / wie scheinbar es auch wäre. Der allertieffsinnigste Verstand betrüge sich in solchen Fällen / und die klügsten Schlüsse kämen ins stecken / die vorsichtigsten Anschläge verschlügen. Sie kitzelten anfangs wohl die Ohren / und hätten die Annehmligkeit der ersten Liebe; und so lange sie auf dem[982] Teppichte in der Rath-Stube blieben / wäre man derselben Meister; und niemand wäre so nachdenklich; daß er solchen Erfindungen Mängel ausstellen könte; aber wenn es zum Wercke selbst käme / thäten sich allererst die Schwerigkeiten herfür; alle Dinge kriegten eine andere Gestalt / und man lernte so denn allererst: daß es sich leichter in Land-Karten / als durch die Welt reisen / und im Zimmer sicherer / als im Felde kriegen liesse. Weil ein schlechter Umstand den man übersehen / und die geringste Hindernüß das gantze Spiel verterben / wie die Zerreissung einer Seite die beste Uhr hemmen könte. Niemahls aber hätte man mehr Ursache / alles genau abzuwägen / als wenn man mit den Römern zu thun hätte / in derer Wagschale das Gelücke die Zunge wäre / und meistentheils für sie den Ausschlag gäbe / wenn schon wider sie Klugheit und Tapfferkeit zu Felde zöge. Auch hätten die Catten / als die nechsten Nachbarn der Römer / mehr als die Cherusker von nöthen / auf ihrer Hut zu seyn / und sich vorzusehen. An die mehr entlegenen Cherusker und Bructerer könte allererst die Reye kommen / wenn der Römer Waffen schon wären stumpff worden. Hertzog Arpus ward von den Seinigen / und dieser Meinung gantz eingenommen; iedoch wolte er / aus Beysorge beym Feldherrn anzustossen / nicht mit heraus / und suchte bald unter einem / bald dem andern Scheine Befristung. Hingegen drang Hertzog-Herrmann auff eine gewisse Erklärung; damit auf allen Fall nicht Zeit und Gelegenheit verspielet würde. Es wäre rathsamer / etwas böse / als gar nichts entschlüssen; und einer Uhr besser / daß sie ginge / als stünde; nichts aber schädlicher als eine Tieffsinnigkeit / welche nur Schwerigkeiten auf die Bahn zu bringen / oder sie gar vom Ende der Welt oder den Nachkommen herzuholen / aber keine zu verrichten wüßte. Man müste niemals den Verstand gar angewehren / oder erschöpffen / sondern gedencken: daß wir Menschen wären; und also etwas von andern Thieren an uns behalten / und das Licht unser Vernunfft niemals gar vom Schatten entfernen. Aber Hertzog Herrmann brachte hierdurch mehr nicht zu wege; denn daß Arpus endlich mit allen ihm eingegebenen Ursachen herfür brach / und sich entschuldigte: daß sein Zustand ohn eusserste Noth mit den Römern in Krieg zu gerathen nicht liedte. Würden sie aber selbst brechen / wolte er für Deutschlands Freyheit das eusserste thun / und so denn mit desto grösserer Hoffnung des Sieges / seine grauen Haare willig in die Schantze schlagen; weil doch so denn die gantze Welt die Gerechtigkeit ihrer Sache erkennen würde /diese aber ein guter Gefärthe und Beystand im Kriege wäre. Hertzog Herrmann und Jubil müheten sich zwar ihn mit allerhand Vorstellungen auf eine andere Meynung zu bringen; als aber nichts verfing / zohe er die Achseln ein / und sagte: Ich sehe das Verhängnüß Deutschlandes. Es werden nicht drey Monat vergehen / so wird uns allen diese unsere Furchtsamkeit leid seyn. Jedoch will ich mich gerne in Ruh halten / daß mir die Schuld nicht gegeben werde / daß ich Deutschland ohne Noth in Gefahr und Krieg gestürtzt hätte. Weil er aber vom Fürsten Catumer / der seiner hertzhafften Meinung beypflichtete / erfuhr: daß hieran allein gewisse Räthe Schuld hätten / stieß ihm solches bey der Taffel / als alle Räthe und Kriegs-Obersten zu gegen waren / auf; und weil Hertzog Arpus in einem mit dem Hertzoge Ingviomer führenden Gespräche die Glückseligkeit des Kaysers August der des grossen Alexanders fürzoh / fiel der Feldherr ein: Beyder Glückseligkeit hätte daher gerühret: daß sie keine furchtsame Räthe / sondern dieser den behertzten Parmenio / und Hephästion / jener den tapffern Agrippa zu Beyständen an der Seite gehabt; und beyde nicht alleine die gar zu sichern Rathschläge als Verzagte verworffen / sondern seine Diener ihm niemals was gerathen hätten / was[983] der Grösse seines Gemüthes nicht wäre gemäß gewest. Daher auch alles diß / was Furchtsame an ihnen für Vermessenheit gescholten / einen gewünschten Ausschlag gewonnen hätte. Hertzog Arpus nahm sich dessen an / und antwortete: Es wären kluge Räthe allerdings die rechten Glücks-Sterne eines Fürsten / und wären Parmenio und Hephästion freylich bey Alexandern / Agrippa beym August die rechten Werckzeuge ihrer Siege gewest. Aber seinem Bedüncken nach / hätten alle diese ihre Fürsten mehrmahls von hitzigen Entschlüssungen zurücke gehalten / Parmenio den Persischen Krieg wiederrathen / und August sich grösten theils nach des vorsichtigen Mecänas Gutachten gerichtet. Daher seines Bedünckens einem Fürsten verwegene Räthe schädlicher / als etwas furchtsame wären. Denn weil der Fürsten Geist und Geblüte ins gemein ohne diß feurig wäre / dienten selbigen mehrmahls ein Hemmeband / als die Wagenschmiere. Uber diß hätten auch furchtsame Räthe nicht selten die Art: daß wenn sie nur nicht selbst die Schlüsse ausüben müsten / lieber vor hertzhafft als vorsichtig wolten angesehen seyn. Der Feldherr versetzte: Es könte seyn / daß man zuweilen durch Verwegenheit irrte; aber dieser Irrthum /weñ er auch schadete / thäte er doch der Ehre keinen Abbruch; Furchtsame Leute aber brächten Fürsten um Herrschafft und guten Nahmen. Daher wären hertzhaffte Rathschläge allemal sicherer / diß aber ein grosser Irrthum / als wenn Furcht die rechte / Kühnheit aber die Stieff-Schwester der Weißheit wäre. Sintemahl man eine Gefahr der andern zu Hülffe ruffen /und aus dem Ubel durch ein anders entkommen müste. Die Furcht aber liesse einen im Peche / und in der Noth stecken / liesse die Hände sincken / und wolte / ehe sie einen Streich wagte / und ihrer Pflicht ein Genügen thäte / lieber ersticken. Gleich als es erträglicher wäre gewiß unterzugehen; als eine ungewisse oder unsichere Rettung für die Hand zu nehmen. Sie verzweiffelte / ehe sich was furchtsames hervor thäte / und wenn sich nichts schreckliches zeigen wolte / machte ihr ihre Einbildung eines. Sie läst ihr träumen: daß kein Unfall / welcher denn und wenn sich ereignet hätte / aussenbleiben könte; gleich als wenn weder das Verhängnüß / noch unsere Behutsamkeit / ein oder anders zu verhüten vermöchte / oder unser Feind nicht eben so / als wir irren / und durch seine Unvorsichtigkeit uns unserer Fehler entladen könte. Ja wenn das Gelücke die Furchtsamen auch gleich mit den Haaren auf einen guten Weg bringt /und der Anfang sie anlacht / haben sie doch nicht das Hertze ihr Glücke zu verfolgen / oder etwas auszumachen; sondern ihre kalte und schwere Weißheit mißtrauet nicht weniger ihren Kräfften / als dem lachenden Munde des Gelückes. Daher halten sie für rathsamer Zeit zu gewinnen / als die Gefahr abzuthun / den dreuenden Fall zu stützen / als ein Reich auf festen Fuß zu setzen. Der gegenwärtige Zustand / wie schlecht er ist / fällt ihnen erträglicher / als daß sie sich einer Aenderung erkühnen solten; und ehe sie sich umwenden / lassen sie lieber das oberste zu unterste drehen. Ja sie verlieben sich endlich in ihre alte Gefahr so sehr / und befinden sich bey ihrem Ubel so wohl; daß sie kein kleiners an die Stelle rücken / oder davon genesen wollen; machen also aus ihrem Siech Bette eine Ruhstadt / oder gar eine Senffte der Wollust. Also hielten sie ihre sie anfäulende Faulheit für einen Frieden / und die durch Kunst gemachte Düsternheit für einen Schlaff; und meinten wie jener Artzt / der seinem Krancken eine schöne Farbe anstrich / dem gemeinen Wesen viel genutzet zu haben /wenn sie es unter der Larve des Friedens ohne Zucken liessen den Geist ausblasen. Hertzog Arpus meinte so wohl seinem Thun / als seinen Dienern das Wort zu reden; hielt also dem Feldherrn entgegen: Es wäre nicht zu leugnen / daß eine furchtsame[984] Behutsamkeit /wenn sie zu einer knechtischen Zagheit würde / mit ihrer Kaltsinnigkeit nicht viel gutes ausbrütete. Alleine diß bliebe doch wahr: daß die Furchtsamen die Sicherheit / und den Nutzen eines Staats zu ihrem Absehn / die Vernunfft zu ihrer Richtschnur / und bey ihrer langsamen Fahrt allezeit das Bley-Maaß in der Hand hätten / also ihre Schiffe selten auf Sand-Bäncke oder Klippen geriethen. Sie betrügen sich zuweilen selbst / aber nicht leicht jemand anders: sie verspielten bißweilen / weil sie gar zu sicher spielen wolten /aber niemahls so viel als die Wagehälse. Diese aber verschütten alles gute auf einmahl; hencken das gemeine Heil an Nagel / und halten für eine Tugend die Wolfarth des Volckes ihrer Ehrsucht aufopffern. Wenn sie schon ihrer Fehler wahrnehmen / und die Unmögligkeit ihrer Hitze in Zaum fällt / wil doch ihre blinde Hartnäckigkeit ehe mit dem Kopffe durchdringen / und selbten lieber zerstossen / als durch Umkehren ihren Irrthum erkennen. Sie halten für rühmlicher Märterer ihrer Meinungen zu werden / wenn schon ein gantzes Volck selbte verwirfft / andere mit handgreiflichen Gründen / und dem Augenscheine sie widerlegen. Sintemahl auch die euserlichen Sinnen ihrer Einbildung aus dem Wege treten. Sie dünckt eine grössere Hertzhafftigkeit zu seyn / wenn sie auf gerader Fahrt Schiffbruch leiden / als einen Steinfels umfahren; gleich als wenn es nicht eine so nützliche Klugheit wäre / Fehler verbessern / als niemahls fehlen. Hertzog Herrmann brach ein: Es wäre diß ein Fehler der Verwegenen: daß sie ihr Vornehmen mit einem feurigen Eyver fortsätzten / und sich nicht leicht die ersten Hindernüsse / oder auch niedriger Leute Einreden zurück halten liessen. Sie suchten zwar aus ihren Helden-Thaten Ehre / aber keinen Eigennutz / und wenn sie tausend Hälse hätten / würden sie solche fürs gemeine beste hingeben / wenn sie nur eines guten Nachruhmes versichert wären. Aber der Furchtsamen Thun bestünde in eitel todten Ohnmachten; jede Schwerigkeit wäre in ihren Augen eine Unmögligkeit. Sie schadete mit ihrer Schwachheit mehr / als andere mit ihrer Untreue. Ihr Stillschweigen stifftete wie das einer Schildwache mehr Unheil / als eines Uberläuffers Verrätherey. Wenn sie von der Wolfahrt des Reiches rathschlagten / steckte allezeit ihr Glücke mit darunter. Sie hätten die zärteste Fühle für ihr Glücke / und wären von ihrem Eigennutze so wenig /als von sich selbst entfernet. Dahero trösteten sie sich auch bey gäntzlichem Untergange eines Reiches /wenn nur der Nachen ihres Hauses entkäme / und sie aus dem allgemeinen Schiffbruche ihre Waare retteten. Jeder erzürnter Diener dünckte sie ein mächtiger Feind zu seyn; und damit sie nirgends anstössen / riethen sie Leuten grössere Aempter zu geben / welche man aus dem Lande verweisen solte. Sie scheueten sich eine Verrätherey zu entdecken: daß sie ihren Kindern keine Feinde erweckten. Die Warheit bliebe ihnen im Daumen kleben / wenn sie ihrem Glücke schiene nachtheilig zu seyn. Ja es wäre ihnen bedencklich ihres Fürsten offenbahre Feinde zu beleidigen / um sie nicht unversöhnlich zu machen. Also liessen sie lieber die Bundsgenossen im Stiche / rechtmäßige Ansprüche verschlaffen / die Gelegenheit dem Feinde Abbruch zu thun / unter dem Vorwand was zu ersparen / und weil das euserliche Ansehn das innerliche Elend eines Reiches nicht ersätzte / vorbey streichen; als daß sie ihrer Schlafsucht Abbruch thun / und hundert Siege und Vortheile einerndten solten. Wolte GOtt aber! diese Zärtlinge bißten nur ihr / nicht aber zugleich ihres Fürsten Ansehn durch ihre Kleinmuth ein! So aber erniedrigten sie selbten so sehr: daß er mit einem aufrührischen Unterthanen schimpfliche Vergleiche machte / seine Empörung als einen Eyver für die Freyheit des Volckes entschuldigte / sich durch unzeitige Begnadigungen übereilte / daß er hernach entweder[985] seiner Ehre oder Worten zu nahe ko en müste / die Missethäter zu straffen bedencken / treue Verdienste zu belohnen Sorge hätte / oder diese wol gar seinem untreuen Nachbar zu Liebe straffte / seinen Ubelwollenden jährliche Besoldungen gäbe /denen feindlichen Kriegs-Heeren / um sie eine Weile von sich abzuhalten / Unterhalt verschaffte / einem Feinde / der gleich schon wider ihn Bündnüsse gemacht / und die Hand am Heffte des Degens hätte /destwegen mit Vortheil vorzukommen / ihm Gewissen machte / weil der Krieg Tempel und Gesätze entheiligte / Länder und Völcker verzehrte; und weil den Angrief zu erwarten nicht nur zur Gerechtigkeit der abgenöthigten Gegenwehr / sondern auch im Kriege zu einem mercklichen Vortheile diente. Sintemahl man in seinem eignen Lande dem Feinde / welchem insgemein Lufft / Wasser und Menschen zuwider sind / durch Abstrickung der Lebensmittel / Abzwackung der Uberläuffer / und Ausreitenden mehr Abbruch thun; hingegen mit gesammten Kräfften des Reiches auf den Hals gehen / allerhand Fall-Bretter stellen /also den von seinem Lande entfernten Feind eben wie der kluge Hercules den aus seinem Vortheile gelockten Antäus / erlegen könte. Da doch so wol Scipio als Hannibal die klügsten Kriegs-Häupter der Welt durch ihr Beyspiel gelehrt: daß weder Rom außerhalb Italiens / noch Carthago anderwerts als in Eingeweyden Afrikens bestritten werden könte. Sintemahl man ins Feindes Lande auf dessen Unkosten zehret / das Vaterland nicht aussaugt / zum geben willig behält; der /welcher angreifft / allezeit ein besser Hertz hat / als der nur die Streiche versätzt. Daher Crösus dem Eyrus gar weißlich rieth / als ihm die Scythische Königin Tomyris die Wahl ließ: er solte sie im Hertzen angreiffen. Mit einem Worte: furchtsame Hertzen liessen ihrem Vaterlande lieber das Joch der Dienstbarkeit unter dem Scheine des Friedens an Hals werffen /als daß sie sich zu einer Gegenwehre schickten; weñ gleich andere darzu ihre Armen und Blut leihen wolten. Hertzog Arpus begegnete dem Feldherrn: Er müste gestehen: daß die Verwegenheit ein viel besseres Ansehn hätte / als die Furchtsamkeit. Aber jene wären in einem Fürsten / diese in einem Diener besser. Denn ob die Kühnen sich zwar nicht eben vorsätzlich wider ihren Herrn auflehneten / und nicht leicht aus Boßheit untreu würden; sätzten sie doch wegen einer schlechten Beleidigung oder Mißtrauens durch eine Ubereilung offt von ihm ab. Denn sie meinten es zwar mit dem gemeinen Wesen gut; aber sie könten keinen Befehl oder Gesätze vertragen / keinen Obern über sich leiden. Sie wolten nicht anders /als nach ihrem eigenen Gutdüncken gehorsamen / und allezeit die freye Willkühr über ihren Willen haben; also nicht Räthe sondern Vormünden ihres Fürsten seyn. Ja sie verfielen zuweilen wol gar in die Thorheit: daß sie zwischen dem Fürsten und dem Staat eine Ehscheidung machen / und durch Aufstand und Widersätzligkeit den Nahmen treuer Diener zu verdienen vermeinten. Sie wüsten aber nicht nur in ihrem eigenen Thun / sondern auch in ihren Einrathungen kein Mittel zu halten; welches doch die Seele aller Tugenden wäre. Deñ wie sie in jenem entweder alles / oder nichts behaupten / überwinden / oder zu Grunde gehen / lieber zehn Staffeln herunter stürtzen / als eine herab steigen wolten; also riethen sie niemahls zu einem Vergleiche; verderbten lieber etwas / als sie es theilten / und hielten nichts von dem edlen Geschencke des Himmels / dem güldenen Frieden; welcher dem Sieger so nöthig / als dem Besiegten nützlich wäre. Da doch die Schickungen des Verhängnüsses /und die Zufälle in der Welt offt so seltzam lieffen: daß die edelsten Gemüther offt für der Noth die Achseln einziehen / und die Klugheit aus Nachgebung einen Nutzen ziehen müsten / denn die Wolfahrt des gemeinen Wesens wäre der einige Zweck der Staats-Klugheit. Dieser müste Ehre und[986] Gerechtigkeit nachtreten. Ihr zu Liebe müste man Rache / Straffe der Laster /und sein Ansehn vergessen / und ausser Augen sätzen / und offt aus seiner eignen Schande / wie die Aertzte aus Harn und Miste Artzneyen machen. Sintemahl so denn seine eigene Brandmaale schön / wie das Gifft gut wäre / wenn sie nur hülffen. Der Feldherr färbte sich hierüber etwas / und brach ein: Es könte nichts sicher / nichts dem gemeinen Wesen nützlich seyn /was den bösen Geschmack einiges Schimpffes / und den stinckenden Geruch der Unehre hätte. Wäre die mit einem Gran der Verwegenheit vermischte Hertzhafftigkeit einem Fürsten anständig / so könte sie an seinen Räthen nicht scheltbar seyn. Wenn auch die Kühnheit irgendswo einbißte / verursachte es mehr Lermen als Schaden. Die Furcht aber thäte wie die an den Ufern nagenden Ströme unempfindlich hundertmahl mehr Schaden. Sie wäre viel schimpflicher / als die Flucht aus einer Schlacht. Denn diese würde offt durch Sonne / Wind und Ungelegenheit der Oerter verursacht. Alle diese Zufälle aber dienten zu keiner Entschuldigung in Sachen / welche in der Rathstube fürkämen; ja welches niemand glauben solte / wüste sie bey ihrer stillen Boßheit grausamer als kein Phalaris zu seyn. Denn sie machte ihre Worte mit so viel Hütten-Rauch als Zucker süsse; sie überfirnßte ihre geheime Verfolgungen mit schönsten Farben der Vertröstungen und falscher Lobsprüche; welches die schlimmste Art der Feindschafft wäre. Sie wäre ein stiller Wirbel / welche die Reiche ohne Geräusche verschlinge. Das Assyrische / Persische und Griechische wären durch die furchtsamen Rathschläge ihrer Weichlinge vergangen / welche ihrer Fürsten Ansehn verschertzet / von rauen Völckern Friede gekaufft /ihren Nachbarn unter dem Nahmen der Geschencke Schatzung gegeben / ihren Fürsten die Gefahr und Niederlagen verschwiegen / und in dem ihre Herrscher und das Reich verrathen / und verkaufft / daraus noch ein Geheimnüs der Staats-Klugheit gemacht; daß sie die Ruhe der Welt / und den Frieden der Völcker unterhalten hätten. Eben diese Zagheit wäre die einige Ursache: daß Rom der Stadt Carthago und nicht Carthago der Stadt Rom Meister worden. Denn an stat: daß jene nach der Niederlage bey Canna vollends sich aufs euserste angreiffen / Hannibaln mit Geld und Volcke verstärcken sollen / um den Römern den letzten tödtlichen Streich zu versätzen. So aber hätte es im Rathe zu Carthago Leute gegeben / welche die denen Römischen Edelleuten abgezogene und ausgeschüttete eiserne Ringe mit sambt Hannibals Siegen verhöhnet; gleich als wenn diese elende Beute ihr eingebißtes Volck / ihre aufgewendete Schätze zu ersätzen / viel zu wenig wären. Daher hätten sie die Hände sincken lassen / und bey der höchsten Blüthe ihres Reiches sich für ohnmächtig geschätzt. Ja Hannibal selbst hätte seinen Sieg mit einer heßlichen Zagheit besudelt; als er für eine alle Hoffnung übersteigende Unmögligkeit gehalten: daß er folgenden Tag im Capitolium speisen solte. Hingegen hätten die Römer bey verzweifeltem Zustande nicht verzweiffelt / sondern dem Bürgermeister / welcher aus der Cannischen Schlacht entkommen / noch Danck gesagt / und durch solche Hertzhafftigkeit sich aus dem Rachen des Unterganges gerissen. Und wolte GOtt! wir Deutschen hätten nach des Varus Niederlage für keine Unmögligkeit gehalten: daß wir so wol als unsere Vorfahren die Alpen übersteigen / Rom einäschern / und dieses von dem Raube der Welt gemästete / vom Blute der Völcker trunckene Thier zur Freude des menschlichen Geschlechtes / der Rache abschlachten könten. Hertzog Ingviomer hörte dem Feldherrn mit Lust zu; weil er aber wahrnam: daß seine Reden stets feuriger wurden; also beym Hertzoge der Catten eine Empfindligkeit besorgte / hielt er für rathsam allem Unvernehmen durch folgenden[987] den Vortrag fürzukommen: weder die furchtsamen noch die verwegenen Rathschläge wären gut / sondern kluge und hertzhaffte. Dieses Mittel aber wäre so schwer zu treffen / als ein Zirckel ins gevierdte zu bringen. Ins gemein würden alle Einrathungen eben so wol / als die Wercke nach derselben glück- oder unglücklichem Ausschlage für gut oder böse gehalten / und diß / was durch Zufall geriethe / der vernünfftigsten Meinung vorgezogen /und was fehl schlüge von andern getadelt / welche nichts für klug hielten / was nicht aus ihrem Gehirne entsprossen wäre. Ja das einen zu verderben gesinnte Verhängnüs selbst mischte sich nicht selten mit ins Spiel / verrückte den Verständigsten die Vernunfft /und gebe denen / die es am besten meinten / das schlimmste / oder so denn allererst / wenn die Zeit und Gelegenheit schon vorbey wäre / was gutes ein; daher könte ein Fürst / auch wenn etwas aufs schlimmste ausschlüge / seinen Diener nicht schelten /weniger straffen; wenn er nur nichts betrüglich oder wider die gesunde Vernunfft eingerathen hätte. Denn sonst würde jeder Diener nie aufrichtig seine Meinung sagen / sondern allemahl den Kopff aus der Schlinge ziehen. Wenn aber ja die Verwegenheit und Furcht gegen einander abgewogen werden solten / hätte seinem unvorgreiflichem Gutdüncken nach / diese eben so wol als die Langsamkeit in dem Rath geben / jene wie die Beständigkeit in Ausübung der Rathschläge den Vorzug. Hertzog Jubil verfiel mit Fleiß auf andere Gespräche / um sie von so stachlichtem vollends abzuleiten. Der Feldherr vergnügte sich auch daran: daß er den Cattischen Räthen die Warheit so trocken gesagt / und ihnen ihre Schwachheiten vorgehalten hätte. Denn ausser dem / brach er seiner vorigen Verträuligkeit mit dem Cattischen Hause nichts ab / und verbarg seinen entworffenen Vorschlag / sich in den Römischen Aufruhr zu mischen; ungeachtet selbter dem Ruffe nach sich täglich vergrösserte.

Eben selbigen Tag brachte Effern / welcher den Germanicus zu Tolbiacum verlassen hatte / von Agrippinen eine Antwort an die Cheruskische Hertzogin zurücke; darinnen sie den Glückwunsch danckbar annam / und das zum Käyserthum habende Erb-Recht deutlich billigte; aber darbey schrieb: daß weder des Germanicus Gemüths-Mäßigung / noch das Verhängnüs ihr diese Würde zu gönnen schiene. Es erzählte auch Effern hierbey: daß Agrippina ihn aufs freundlichste bewillko t / und aufs fleißigste geforscht hätte: ob die deutschen Fürsten es / wenn Germanicus die Römische Herrschafft bekäme / gerne sehen / und ihm auf benöthigten Fall darzu behülfflich seyn würden. Wie er nun dessen sie beständig versichert / hätte sie / so viel er von ihr selbst vernehmen können / dem Germanicus etliche Tag und Nächte in Ohren gelegen: daß er die Römischen Legionen für sich selbst in Eyd und Pflicht nehmen / dem verhaßten Tiberius / welcher nebst Livien ihr todtfeind wäre / die Spitzen weisen / und durch angemaaßte Herrschafft sich in Sicherheit setzen / das sich nach ihm sehnende Römische Volck aber vergnügen solte. Nach derselben Verlauff hätte er Agrippinen auf ihre Erforderung sehr stürmrich angetroffen; welche aus grosser sie übereilenden Ungedult heraus gefahren wäre: daß Germanicus wohl für andere / aber für sich kein Hertze hätte; und ungeachtet die Legionen ihm anbieten liessen / für ihn Gut und Blut aufzuopffern /wolte er doch lieber des Tiberius Knecht / als der Römer Haupt seyn; und lieber sich durch ihn tödten /als kluge Leute zur Herrschafft bereden lassen. Sintemahl nicht nur denen Herrschenden die Tugend ihrer Untergebenen verhaßt / sondern auch dem Germanicus von einem Druys wäre geweissaget worden: daß er entweder den Tiberius / oder dieser ihn aufreiben müste. Also müsse sie das verborgene Gesätze des Verhängnüßes nur auswarten / welchem nichts zu schwer wäre / und so wohl über der[988] Menschen willen als Gelücke herrschete. Folgenden Tag hätte sie ihn mit dem überbrachten Schreiben abgefertigt / ihm etliche güldene Müntzen mit des Germanicus und ihrem Bildnüße geschencket / und ihm mit gegeben Thußnelden ihrer beständigen Freundschafft zu versichern / weñ gleich Tiberius wider die Deutschen Himmel und Hölle aufwiegeln solte. Germanicus wäre auch eben selbigen Tag von Tolbiacum aufgebrochen / und hätte nach der Ubier Altare geeilet / wo die Sachen im allerschlimsten Zustande seyn solten.

Unterdessen eilete Germanicus mit der in Gallien eingenommenen Schatzung dem Ubischen Altare zu. Denn er verstand allzuwol: daß Empörungen / ie länger sie währeten / wie die Flüsse / ie weiter sie lieffen / immer grösser / und die unsichtbaren Dünste endlich zu hagelnden Wolcken würden; also solchen im Anfange leichte / zu letzt aber schwerlich begegnet werden könte. Sintemahl die Ursache eines Aufruhrs zu erst eine Kleinigkeit wäre / hernach aber spielten sich wichtige Sachen mit ein; und es wüchse denen Widerspenstigen alle Tage der Muth was neues und nachtheiligers zu begehren; also daß die / welche sich bey Zeite mit Nuß-Schalen vergnügt hätten / hernach nicht mit dem Kerne zu frieden wären. Es kamen ihm aber gleichwohl die vier aufrührischen Legionen biß an den Erffte-Fluß entgegen. Sie hatten aber aus Schamröthe nicht das Hertze ihn anzuschauen; sondern sie schlugen die Augen gleichsam aus Reue zu Bodem. Als er aber mit ihnen ins Sommer-Lager kam / machten sie mit ihrem Wehklagen ein Gemurmel; ieder grieff nach des Germanicus Hand sie zu küssen / und sie in ihren Mund zu leiten; daß er fühlen solte / wie sie von Zähnen leer / ihre Glieder von Alter und Wunden krieplicht wären. Einen so kräfftigen Nachdruck hat die Gegenwart eines Fürsten / wenn selbter nicht verhaßt ist / und er so zeitlich einem Ubel zu steuren /wie das Blut eine Wunde zu heilen / zueilet. Germanicus befahl; es solte ieder sich zu seinem Fahne verfügen / um sie von einander zu unterscheiden / und ihr Verlangen desto verständlicher zu hören. Nach dem sie zwar / aber langsam / gehorsamten / striech Germanicus den August / und die Thaten des Tiberius /die Treue Italiens / und Galliens / ja aller Länder treflich heraus; welche mit einander gleichsam um den Vorzug stritten / gegen dem neuen Kayser ihre Verbindligkeit zu bezeigen. Als sie hierzu nun kein Freudens-Zeichen von sich blicken liessen / sondern vielmehr darwider murmelten / berührte Germanicus ihren Auffstand und fragte: wohin der vorige Gehorsam / und die alte Bescheidenheit des Kriegs-Volckes verschwunden? Wohin ihre obersten Hauptleute vertrieben wordẽ wären? Nach dem sie nun die über sich habende Gewalt zernichtet / würde er auch nur so lange / als es ihnen gefiele / sollen ihr Feldherr seyn. Derogleichen Abfall wäre unerhöret. Die liederlichsten Knechte verliessen nicht auf einmahl ihre schärffste Herren. Hier aber würde ein gantzes Heer abtrinnig. Alle Siege / welche er durch sie zu erlangen verhofft hätte / fielen nun nicht allein auf einmahl in Brunn / sondern sie stürtzten sich selbst in Gefahr /und öffneten die Pforten den wilden Nord-Völckern in des Römischen Reiches Eingeweide zu dringen. Aber die guten Tage / die sie bey so reichlicher Verpflegung aus Gallien genossen / hätten sie unsinnig gemacht. Weil sie solche nun selbst von sich stiessen /möchten und würden sie in schlimmern veralten / weil sie zu schwache Beine hätten / bessere zu vertragen. Statt der Antwort aber / wiesen sie die Narben feindlicher Wunden / und die Striemen der von Befehlhabern bekommener Streiche. Hierauf beschwerten sie sich über ihren schlechten Besold / die langen Dienste / und die schwere Arbeit. Sonderlich aber forderten die alten Kriegs-Knechte eine ehrliche Erlassung aus dem Kriege; und daß sie nicht am Hunger-Tuche[989] nagen dörfften / eine auskommentliche Versorgung und Augustens Vermächtnüs. Endlich rufften sie entweder aus Liebe / oder um ihm das Hertze zu erweichen: Die Götter lassen den Germanicus lange leben /siegen / und über die Römer herrschen. Denn wir wissen und wollen von keinem andern Haupte hören / als vom Germanicus. Bey ihm wolten sie leben / für ihn wolten sie Leib und Leben auffsätzen. Germanicus sprang hierüber / gleich als wenn er mit ihrem Laster angesteckt würde / vom Stule. Sie aber hielten ihm die Waffen für: daß er sich ihrer nicht einbrechen konte. Germanicus zohe hiermit vom Leder / sätzte ihm den Degen selbst an die Brust / und sagte: Er wolte ehe sterben / als gegen seinem Vater Tiberius untreu werden. Ob nun zwar die nechsten darbey ihm den Degen wegschlugen / so waren doch etliche so ruchlose / daß sie ihn ermahnten: Er solte immer stechen; ja Calusidius reckte ihm gar seinen blossen Degen und sagte: diesen solte er brauchen / er wäre schärffer. Die Seinigen aber brachten den Germanicus aus dieser verzweiffelten Menge ins Zelt. Nach dem er dem Kriegs-Volcke gesagt hatte: Sie möchten ihm nur aus den Augen gehen / die Pforten stünden ihnen offen. Sie würden zu Rom als Ausgerissene sehr willkommen seyn. Er traute in weniger Zeit ihr Bekäntnüß zu hören: daß er ehe ihrer / als sie eines Feldherrn entbehren könten. Also glücket es nicht allemahl einem tapffern Fürsten / wie dem grossen Alexander /welcher im Grimme sich in die Mitte seines gewaffneten Heeres stürtzte / die frechesten / welche er ihm gemercket / erwischte / und sie zur Hinrichtung wegführen ließ; ohne daß ein einiger der Aufrührischen das Hertz hatte / gegen ihm einen Finger zu rühren / sondern alle erwarteten mit Zittern / auch ihre Straff-Urthel. Hierbey aber ließ es das Kriegs-Volck nicht bewenden; sondern es erwehlte Gesandten an die um Meyntz liegende Legionen sich mit ihnen zu verbinden. Es ward auch beschlossen / das Ubische Altar und hierauf auch Gallien auszuplündern. Germanicus gerieth hierüber in grossen Kummer; daß nicht nur hierdurch das Römische Reich zerrüttet / die Sicambrer und Chauzen von Römern abspänstig gemacht /sondern auch die Cherusker und Catten über den der Besatzung entblösten Rhein zu setzen / die Bojen und Schwaben aber in Noricum und Rhätien einzubrechen veranlasset werden möchten. Bey darüber gehaltenem Rathe schien es so bedencklich / denen Aufrühren den Willen zu verhängen / als die Gallier / Bataver / und Sicambrer wider sie zu führen / und dadurch einen Bürger-Krieg anzuzünden. Ihm war nicht minder gefährlich mit der Schärffe zu verfahren / als schimpflich ihnen das Verbrechen nachzusehen. Also wuste er nicht; ob er ihnen nichts / oder alles willigen solte. Endlich schiene das rathsamste zu tichten; daß Tiberius in einem Schreiben verwilligt hätte: daß nach zwantzig Jahren alle Kriegs-Leute erlassen / nach sechzehnen der Wache / und Arbeit entladen / und diß / was ihnen August vermacht hätte / bezahlet werden solte. Ob sie nun zwar wohl merckten: daß diß nur ersonnen wäre / fielen sie ihm doch mit grossem Geschrey in die Rede / und drangen auf die Erfüllung des Versprechens. Die Loßlassung derer / die ausgedient hatten / muste auch bald erfüllet werden / und daß sie die Zahlung biß ins Winter-Lager verschoben / muste Germanicus der fünfften und ein und zwantzigsten Legion / welche sich nach Vetera begeben solte / ein ergebiges Reise-Geld bezahlen. Cäcina aber führte die erste und zwantzigste Legion / welche sich des dem Germanicus zustehenden Geldes bemächtigte / wieder in das Altar der Ubier. Deñ weil schwürige Leute wie die Schaafe dahin rennen / wo das erste hinlaufft /wenn es schon ins Feuer wäre; ist nichts heilsamer /als sie wie die schwermenden Bienen zu theilen /damit so wohl ihre Laster als Kräfften zertrennet / geschwächt /[990] und die einfältigen Glieder von ihren Häuptern abgesondert werden. Wiewohl diese nun noch Aufruhr und Ungedult ausschäumeten / hielt doch Germanicus für rathsam denen Aufrührern zu ihrer Besänfftigung Zeit zu lassen; welche sich wie die Wellen ins gemein einander selbst erdrücken /hingegen für nöthig / sich der vier obern Legionen zu versichern / ehe sie auch angesteckt würden / oder die Catten mit ihnen was gefährliches anspinnten. Sintemahl der Empörung leichter vorzukommen / als hernach zu begegnen ist; derselbe denen / wider welche er einen so schädlichen Anschlag hatte / nichts gutes zutrauen kan. Die andere / drey- und sechzehnde Legion schwuren zu Meyntz dem Tiberius alsobald willig. Die vierzehnde sperrte sich etwas / als Germanicus ihnen aber Geld und Vertröstung wegen zeitlicher Loßlassung gab / Silius auch sie schreckte: daß die Cherusker und Catten sie bey solcher Zwytracht zu überfallen im Wercke begriffen wären / leisteten sie auch dem Tiberius den Eyd der Treue. Mitler Zeit entpörte sich auch die Römische Besatzung an der Emße bey den Chauzen. Memmius der Oberste selbigen Lagers meinte den Aufruhr zwar durch zweyer Rädelsführer Hinrichtung zu stillen; aber sie wurden hierüber desto ungestümer; so daß Memmius fliehen und sich verstecken muste. Als sie ihn aber ausspüreten /sagte er ihnen keck: Sie möchten thun / was sie nicht lassen könten / aber doch behertzigen: daß sie nicht an ihren Obersten / sondern selbst an Germanicus /und dem Tiberius die Hand legten. Hierauf rieß er den Fähnriche den Römischen Adler aus der Hand / steckte selbten an das Ufer der Emße / und sagte: Er gebiete dem Trotz / der von selbtem sich entfernen würde. Denn dieser solte ohn alle Gnade als ein Flüchtling gestrafft werden. Es würde ihm an getreuen Römern nicht mangeln / und auf allen Fall würden die Chauzen und Bataver des Tiberius Bundgenossen an ihnen so schändlichen Meineyd rächen. Diese Kühnheit gelang ihm so wohl: daß keiner sich rührte / weniger wiedersätzte / sondern sich alle friedlich ins Winter-Lager einfanden; und hiermit wahr gemacht ward: daß die / welche ein blinder Trieb erregte / durch einen Schatten beruhigt würden / und der schwürige Pöfel bald gefürchtet seyn wolte / bald selbst zitterte und bebte. Nach dem Germanicus zu- und um Meyntz alles in gute Sicherheit gestellt hatte / eilte er wieder nach dem Altare der Ubier; welchem gegen über Hertzog Melo mit etlichen tausend Sicambern den Abend vorher ankommen war. Ehe nun Germanicus in die Stadt einzoh / fuhr er zum Hertzoge Melo über den Rhein / und brachte bey ihm den halben Tag mit heimlichem Gespräche zu. Dieses war der ersten und zwantzigsten Legion nicht wenig verdächtig / und mangelte es nicht an unruhigen Köpffen / welche anfangs besorgten / hernach aussprengten: daß Germanicus und Melo mit einander ihren Untergang abgeredet hätten. Dieser Argwohn vermehrte sich bey denen / welche ihnen übel bewust waren / noch mehr / als den Tag darauf der gewesene Bürgermeister Munatius Plancus mit noch zwey andern Rathsherren als Gesandten vom Tiberius / und dem Römischen Rathe ankamen. Weil nu einem schuldigen das Gewissen stets das schlimste wahrsagt / und Plancus für einen scharffen Eyverer für die Gesätze gehalten ward; rotteten sich des Nachts dort und dar die vertrautesten zusammen / und unter unzählbaren Urtheiln ersaanen etliche / Plancus wäre nicht nur diß / was ihnen Germanicus versprochen / zu nehmen / sondern auch sie ernstlich zu straffen ankommen. Weil nun die Furcht leichtgläubig und unruhig ist / auch alles vergrössert /wurden beyde Legionen mehr durch ihr Mißtrauen als durch iemanden glaubhafftes beredet: der folgende Tag würde allererst der rechte Anfang ihres Elends /oder das Ende des Lebens seyn. Hierdurch verfielen sie in eine solche Raserey: daß[991] sie des Nachts beym Germanicus die Hauß-Thüre erbrachen / und ihm mit Andreuung des Todes / die Purper-Fahne abzwangen /darmit er pflegte das Zeichen zum Treffen zu geben. Sie wüteten durch alle Strassen und beschimpfften mit den ärgsten Schmähungen die durch solchen Auffstand erweckten und zum Germanicus sich flüchtenden Gesandten von Rom. Sie waren auch schon begriffen / Hand an sie zu legen / und insonderheit wäre Plancus / welcher seiner Würde halber ihm für schimpfflich hielt zu fliehen / von ihnen zerfleischet worden / wenn er nicht dem Lager der ersten Legion zugeeilet / den heiligen Adler als ein Schutz-Bild umarmet / und zwischen selbtem und dem Altare sich erhalten hätte. Auf den Morgen kam Germanicus dahin / sätzte den Plancus neben sich / und fieng an zu wehklagen: daß diese Nacht bey nahe Adler und Altar im Römischen Lager von Römern mit eines Bürgermeisters Blute wären besudelt worden. Diß wäre eine so abscheuliche That: daß sie nicht von Unsinnigkeit des Kriegs-Volckes / sondern vom Zorne der gehäßigen Götter herrühren müste. Nichts desto weniger würde jenes den Schandfleck seines Meineydes nimmermehr austilgen / und die Legion / welche die erste an der Zahl wäre / die letzte durch ihre Untreu / oder sie gar mit Strumpf und Stiel ausgerottet werden. Das Kriegs-Volck hörte diß mit mehrer Erstaun- als Beruhigung. Daher führte Germanicus die Gesandten selbst zum Thore hinaus / und ließ sie durch fünf hundert Sicambrische Reiter / welche Hertzog Melo über den Rhein setzte / nach Trier in Sicherheit bringen. Weil das Kriegs-Volck nun wol sahe: daß die Treue der Deutschen / welche doch unlängst der Römer Feinde gewest waren / sie aufs ärgste beschämte /fieng ihr Unmuth aufs neue an zu jähren. Dahero des Germanicus Freunde ihm theils übel auslegten: daß er die Meineydigen durch ein und des andern Nachgebung verwehnet und hochmuthig gemacht / und sie nicht durch die vier treuen Legionen zum Gehorsam gebracht hätte. Theils riethen ihm: er solte diesen Unsinnigen nicht länger trauen / oder zum wenigsten seinen Sohn Cajus und seine schwangere Gemahlin nicht länger unter der Gewalt derer laßen / welche schon alle Rechte der Völcker versehrt hätten. Agrippina /welche als des Käysers August Enckelin für Schande hielt / sich für Römern zu fürchten / weigerte sich zwar anfangs für der Gefahr zu fliehen; aber nach langer Berathung muste sie sich doch in des Germanicus Willen geben. Also nam sie ein Kind auf den Armen /das andere in der Schoos habende vom Germanicus /und andere vornehme Römische Frauen / als flüchtige für ihrem eigenen Volcke / von ihren Männern mit Küssen und Thränen Abschied. Der Abzug war wegen des weiblichen Wehklagens überaus jämmerlich; so daß so wol diese Bestürtzung / als daß die Deutschen abermahls die Ehre hatten des Römischen Feldherrn Gemahlin und Sohn nach Trier zu führen /auch denen wildesten Kriegs-Leuten tief zu Gemüthe stieg. Also hatte Schmertz und Schmach bey ihnen mehr Nachdruck / als Vernunfft und Tugend. Einer hielt dem andern ein; wie alle rauen Völcker sie verspeyen würden; daß des Germanicus Gemahlin / des Käysers Enckelin / Agrippens Tochter / des Drusus Schnur / und ihr im Lager gebohrner / zeither unter dem Kriegs-Volcke erzogener Sohn / aus dem Römischen Lager unter deutschem Schirme in Gallien sich flüchten müste. Daher rennte ein Theil Agrippinen nach / vertrat ihr den Weg / sie mit Thränen bittende: Sie möchte doch bleiben / sie nicht verlassen / und ihnen so grossen Spott anthun. Die meisten aber verfügten sich zum Germanicus / demüthigten sich / und erboten sich zu gehorsamen; welcher aber für Zorn und Schmertz schäumete / und ihnen einhielt: Seine Gemahlin und Sohn wären ihm nicht lieber als Rom /[992] und sein Vater Tiberius; allein diesen würde schon seine Hoheit / jenes andere Krieges-Heere beschirmen. Sein Weib und Kinder / welche er für des Kriegsvolckes Ehre willig aufopffern würde / hätte er nur darumb den Händen der Wüttenden entzogen: daß sie nur durch sein / nicht durch der Seinigen Blutstürtzung ihr Laster verärgerten. Denn welche Boßheit hätten sie diese Tage unterlassen? Sie verdienten den Nahmen der Kriegs-Leute nicht; weil sie ihres Käysers Sohn gefangen gehalten hätten. Sie wären nicht würdig / Bürger genennt zu werden; denn sie hätten des Rathes Ansehn mit Füssen getreten. Käyser Julius hätte mit dem einigen Worte: Qvirites /einen Aufruhr gestillt. Augustens Antlitz hätte die Legionen bey Actium gebändigt. Dieser Bilder hätten sie nicht alleine in ihren Kriegs-Fahnen für Augen / sondern er wäre von ihnen entsprossen; er aber würde von denen so verächtlich gehalten / welche Tiberius aufgerichtet / die seine Gefärthen gewest / und von ihm so offte beschencket worden wären. Die Macedonier wären durch das blosse Zelt des grossen Alexanders / welches die Kriegs-Heere nach seinem Tode allezeit mit sich geführet hätten / nicht nur im Gehorsame erhalten / sondern auch zur Tapfferkeit aufgemuntert worden; Sie aber scheueten sich nicht für denen sichtbaren Bildern derer / welche nicht nur Rom /sondern die Welt als Götter verehrten. Diß würde dem Tiberius eine fröliche Zeitung seyn / der aus allen Orten von nichts als Gehorsam hörte. Könte wol von ihnen was schli ers verlauten / als daß sie ihre Haupt-Leute erschlagen / die Obersten verjagt / die Gesandten eingesperrt / Lager und Flüsse mit Blut besudelt / und ihm mit Noth das Leben übrig gelassen hätten? wie ungütlich hätten seine Freunde mit ihm den ersten Tag durch Auswindung seines Degens gehandelt? wie gut aber hätte es der mit ihm gemeint /der ihm zu seiner Entleibung den Degen angeboten? denn so hätte ich nach der Zeit nicht ein Anschauer so vieler Laster seyn dürffen. So würden sie ihnen ja einen Feldherrn erwehlt haben / der wo nicht meinen doch des Varus Tod / und der drey Legionen Niederlage gerächet haben würde. Die Götter möchten ja nicht verhengen: daß die Römer die sich hierzu anbietenden Velgen zu ihrem Schutze und zu Zäumung der Deutschen bedörfften! Augustens himmlischer Geist /des Drusus aus ihren Hertzen noch nicht vertilgtes Bild und Gedächtnüs / welche beyde ihr in euren Kriegs-Fahnen führet / und mit den heiligen Adlern anbetet / möchte ja sie als ihre gewesene Kriegs-Gefärthen / in welchen sich schon Scham und Ehre wieder regte / dieses Schandmahls befreyen / und den wider sich selbst gefasten Zorn auf der Feinde Köpffe abwenden! Er sähe / Gott Lob! nun gantz andere Gesichter als vorhin / und ihre Hertzen schiene eine gantz andere Neigung zu regen / nemlich denen Gesandten ihre Ehre / dem Kayser den Gehorsam / ihm Gemahlin und Kinder wieder zu geben. Wäre diß nun ihr Ernst / so solten sie ihn nicht anrühren / biß sie sich der unruhigen Aufwiegler entschlagen hätten. Diß alleine wäre die rechte Busse / und das einige Band der Treue. Wo eine heldenmäßige Beredsamkeit jemahls grosse Würckung gethan hat / geschah es gewiß allhier. Denn Germanicus sagte kein Wort /welches nicht wie der Blitz ihnen durch Marck und Beine drang. Die Scham überfiel sie so sehr: daß fast keiner das Hertz hatte die Augen gegen einander aufzuheben. Sie selbst sahen einander nicht recht an. Ihr erste Rede bestund in Seufftzern. Endlich fieng Cajus Centronius der Oberste der ersten Legion an: es ist kein ander Mittel sich eines Lasters zu entschütten /als Bekäntnüs und Reue; und keine grössere Thorheit als sich schämen ein Verbrechen abzubitten / über dessen Begehung man nicht schamroth worden. Jedoch ist euer Stillschweigẽ schon ein Zugeständnis euerer Ubelthat; daß Germanicus aber euch noch würdigt anzureden /[993] ein Zeichen seiner nicht gar erloschenen Gnade. Gehet und fallet für seinem Stuhle nieder /umarmet seine Knie / bittet um Gnade / ohne welche ihr weder glücklich seyn noch leben könnet. Hiermit drang sich alles zum Stuhle des Germanicus als zum Ancker der Wolfarth. Einer ruffte: er solte die Schuldigen straffen / den Unschuldigen verzeihen; der ander; er möchte doch seine Gemahlin / seinen Sohn das theure Pfand der Legionen zurück fordern / und ihnen nicht weniger als den Galliern zutrauen. Germanicus ward über diesem glücklichem Streiche sehr vergnügt; entschloß sich also aus dem Steigereiffen und ohne Berathschlagung dem Auffruhre zu steuren; welcher wie er sich im Augenblicke anspinnt / auch ohne einige Zeitverliehrung ehe er Wurtzel kriegt ausgerottet / und darinnen so verfahren werden muß: daß das Mittel solchen zu stillen vom Fürsten selbst /nicht von seinen Räthen herzurühren scheine. Er lobte daher ihre Erkäntnüs; entschuldigte das Aussenbleiben Agrippinens mit der Unzeit des Winters / und ihrer herbey nahenden Geburt; vertröstete sie auf die Rückkunfft seines Sohnes; die Straffe der Verbrecher aber stellte er dem Kriegs-Volcke selbst heim / welches am besten wissen würde / wer ihre Verführer gewest wären. Denn hiermit traute er ohne seinen Haß /und den Schein der Grausamkeit zu erlangen: daß die Rädelsführer nicht ungestrafft blieben / weil doch seine und des Tiberius Hoheit verletzt worden war. Welche Vermessenheit nicht mit so linden Fingern /als ein ander gemeiner Ungehorsam zu überstreichen war. Dieses Meisterstücke einen Aufrührischen wider den andern zu verhetzen / und einen Aufstand mit dem andern zu stillen / gerieth so wol: daß ein jeder wolte der erste seyn / die Urheber des Aufstandes herfür zu suchen. Diese faßten sie mit Gewalt an / und schlepten sie für den Centronius; welcher die zum Gehorsam nun gantz willigen Legionen in richtige Schlacht-Ordnung stellte. Wenn nun ein herzugeschleppter auf einem erhobenen Orte gewiesen ward /und die Legionen rufften: dieser wäre einer ihrer Verführer; ward er alsbald abgethan. Uber dieser Bestraffung frolockten die andern; gleich als wenn anderer Tod ein Zeugnüs ihrer Unschuld wäre. Germanicus ließ dem Kriegs-Volcke hierinnen ihren Willen / und die ihm nützliche Rache. Diese übten nun nicht alleine die neugeworbenen / sondern auch die alten und ausgedienten Kriegs-Knechte gegen einander aus; von welchen Germanicus einen ihm verdächtigen Ausschuß in Rhetien zu Bewachung der Gräntzen wider die Bojen und Schwaben schickte; etliche ihm unanständige gar ausmusterte / und die Stellen der erschlagenen Hauptleute mit denen / welche am längsten und rühmlichsten gedient hatten / ersätzte. Unterdessen war das Volck zu Rom sehr schwürig: daß Tiberius mit dem Rathe und dem ungewaffneten Volcke sich verwickelte / jener unbedachtsame Worte auffienge /der Bürgerschafft Fürhaben durchhechelte / und nach genungsam befestigter Dienstbarkeit in der Stadt gleichwol das unsinnige Kriegs-Volck nicht zu bestillen trachtete; da doch August im hohen Alter etliche mahl wegen nicht so wichtiger Ursachen in Deutschland gereiset wäre. Tiberius aber kehrte sich wenig daran / und hielt gar nicht für rathsam / sich durch des nicht so weit / als er / sehenden Volckes übele Nachrede von seinem beständigen Vorsatze abwendig machen zu lassen / und mit Rom das Haupt und Hertze des Reiches / das Capitolium und das Palladium zu verlassen; ausser welchem / damahligem Glauben nach / weder der Sitz der Welt Herrschafft seyn / noch ein Käyser erwehlet werden konte. Wenn aber auch diß ohne Gefahr zu thun gewest wäre / stand ihm doch im Wege: daß er ein Kriegs-Heer dem andern nicht fürziehen / er auch leichter diß / was Drusus oder Germanicus / als was er selbst willigte / mäßigen oder zurück ziehen könte; und / daß / wenn er anwesend verachtet[994] würde / kein Mittel mehr die Sache beyzulegen übrig wäre / und ein Fürst ins gemein in der Ferne als in der Nähe ein grösser Ansehn hätte. Gleichwol aber machte er ansehliche Anstalt; gleich als wenn er alle Tage reisen wolte; bald ertichtete er ihm neue Hindernüsse / äffete also anfangs auch kluge Leute / den Pöfel länger / und die Länder am längsten. Germanicus aber wolte allenthalben mit seiner Anwesenheit das Feuer ausleschen. Weil nun die zu Vetera liegende fünffte und ein und zwantzigste Legion die Anfänger des Aufruhrs waren / an ihren Obern und denen Römischen Gesandten sich vergriffen hatten /sich auch die Straffe der andern nicht bestillen liessen; sätzte Germanicus anderthalbe Legionen / sechstausend Sicambrer / zu Schiffe / fuhr auf dem Rheine hinab / und auf einer Seite zohen sich auch sechstausend Gallier / so viel Bataver / und dreytausend Chauzen dahin / um die Halsstarrigen mit Gewalt zum Gehorsam zu bringen. Gleichwol schickte er einen Dräu- Brief an Cäcina voran / und deutete den Widerspenstigen an: daß wenn sie für seiner Ankunfft nicht die Rädelsführer aufgerieben haben würden / solten die Unschuldigen mit den Schuldigen in Stücke zerhauen werden. Der schlaue Cäcina laß diesen Brief nur denen fürnehmsten und redlichsten als ein groß Geheimnüs; rieth also ihnen ihrer Ehre und Lebens wahrzunehmen. Denn im Friede liesse sich nur Schuld und Verdienste unterscheiden; wenn es aber zun Waffen und Handgemenge käme / schönte das Schwerdt weder des guten noch des bösen. Diese sagten es ihren Vertrauten; und also machte das allgemeine Schrecken über dem Anzuge der beruhigten Legionen: daß die meisten dem Cäcina zu gehorsamen angelobten / und auf seinen Anlaß folgende Nacht die Köpffe der Unruh abzuschneiden beschlossen. Als nun hierzu das abgeredete Zeichen gegeben ward / fielen sie in die Häuser und Hütten ein / schlugen nach ihrem Gutdüncken ihrer viel / welche ihnen in Wurff kamen /todt; ohne daß iemand die Ursache / oder den Zweck dessen wuste; weil zumahl kein Befehlhaber sich dessen anmaste / oder dem Würgen widersätzte. Als auch gleich endlich gesagt war: daß es nur den Urhebern des Aufruhrs gielte; fielen doch viel unschuldige; weil mehr der Zufall / als die Vernunfft die Hand im Spiele hatte; ihrer viel auch unter dem Scheine der allgemeinen Wolfarth sein eigen Unrecht rächete / und die Schuldigen nicht ungerochen sterben wolten. Die Rache hatte sich noch nicht gesättigt / sondern alles war noch voller Blutstürtzung / als Germanicus ins Lager kam / dem Wütten einen Stillestand bot / und diese grimmige Artzney für was schli ers schalt / als wenn Aertzte Sege / Feuer und Messer brauchen. Nach dem er alle Unruh / in welcher ins gemein der geringste und schlimmste die meiste Macht an sich zeucht / die Häupter und Klügsten am wenigsten zu sagen haben / gestillet waren / ließ er die Leichen verbrennen / und ieden wieder sein Ampt verrichten.

Eben selbigen Tag kam Hertzog Flavius vom Tiberius mit einer ziemlichen Anzahl vornehmer Römer ins Lager / mit Befehl: daß Germanicus / so bald es sich thun liesse / die Legionen wider den Feind führen solte. Denn es wäre nichts anders die Ursache ihres Auffstandes / deñ daß sie eine zeitlang keinen Feind gehabt; ihr Müßiggang sie lüstern / und der Mangel der Gefahr sie hochmüthig gemacht hätte; gleich als wenn ihrer Macht weder einiger Feind noch selbst das Römische Reich gewachsen wäre. Dahero müste man die unruhigen Köpffe in einen ausländischen Krieg verwickeln / daß sie keinen bürgerlichen anfingen. Uber diß versicherte Flavius: daß Hertzog Segesthes sich mit seinen Chassuariern wie vorhin / auf die Römische Seite zu schlagen willens wäre / so bald die Römischen Adler über den Rhein flügen / und ihn von der Furcht der Cherusker befreyen würden. Hertzog Melo und Ganasch liessen an ihnen[995] ebenfalls nichts erwinden / den Germanicus wider die Cherusker zu verhetzen; welche lieber ihre Rachgier vergnügen / als ihrer Sicherheit rathen wolten; Endlich schien es: als wenn alles auf einmahl sich zum Kriege wider die Deutschen verschworen hätte. Sintemahl die aufrührisch gewesenen Legionen alle Tage vom Germanicus mit Ungestüme verlangten: Er solte sie wider den Feind führen / weil sie den Schandfleck ihres Lasters durch nichts / als durch desselben Blut abwischen könten. Ihrer in dem Auffstande umgebrachter Kriegs-Gefärthen Geister könten auch nicht andern Gestalt versöhnt werden / als durch ehrliche Wunden / welche sie vorwerts beko en würden. Damit nun der Eyver des Kriegs-Volckes nicht verrauchte / oder lau würde / schlug Germanicus mit Hülffe der Sicambrer in Eil eine Brücke über den Rhein / sätzte die vier Legionen / acht Flügel der Römischen Reuterey / sechs und zwantzig Fahnen Menapier / Ubier / und Trierer / wie auch zweytausend Batavische Reuter darüber. Und weil Melo noch nicht den Nahmen haben wolte: daß er gegen die Cherusker offentlich brechen wolte / ließ er zu: daß etliche tausend Sicambrer und Tencterer sich zum Flavius schlugen; welcher unter dem scheinbaren Vorwande sein väterliches Erbtheil zu behaupten / wider seinen Bruder und Vaterland die Waffen zu führen sich nicht scheuete. Hertzog Melo zohe sich mit einem ziemlichen Heere an seine Gräntzen / unter dem Scheine solche zu bewahren / in Wahrheit aber das Römische Heer auf den Nothfall zu bedecken. Silius hingegen baute bey Meyntz eine neue Brücke über den Rhein / gleich als wolte er daselbst den Catten alle Tage einfallen / damit sie denen von unten angegriffenen Cheruskern nicht zu Hülffe kommen könten. Hertzog Arpus bereuete nunmehr: daß er des Feldherrn Herrmanns Wahrsagung nicht geglaubt /und seinem treuen Rathe nicht gefolgt hatte. Alleine die zu späte Klugheit hat keinen Nutzen / sie verursacht aber desto mehr Grämung. Der Feldherr war noch zu Mattium / halff also nicht allein dem Cattischen Hertzoge zu tapfferer Gegenwehr gute Anstalt machen / sondern befahl auch: daß / was von seinen Cheruskern in der Eil nur auffsitzen könte / denen Catten zu Hülffe kommen solte. Zu welchem Ende denn auch Hertzog Ingviomer zu seinen Bructerern /Jubil zu den Hermundurern / Cattumer mit denen Mattiachern zu Besetzung des Meyn-Stromes eilete. Unterdessen rückte Germanicus mit Wust und Willen des Hertzogs Melo durch das Gebiete seiner untergebenen Tencterern unverhindert fort / biß an den zwischen der Rohr und Lippe gelegenen Cäsischen Wald / welchen Tiberius vormahls zur Gräntze zwischen den Römern und Marsen gemacht und verhauen hatte; weil nun durch diese Wildnüß zwey Wege waren /ward berathschlagt: ob sie den gerädesten uñ engen /oder den geräumern Umweg nehmen solten. Weil nun die Tencterer / welche Melo dem Germanicus zu Wegweisern und Kundschafftern mitgegeben hatte /ihn versicherten: daß das Römische Heer in etlichen Tagen sich schwerlich durch den geraden / leicht aber durch den weitern Weg durcharbeiten würde / ward dieser erkieset. Zumahl etliche Tencterer auch Kundschafft brachten: daß die sich so wenig eines Feindes als des Himmels-Falls versehenden Marsen ohne alle Wache in stoltzer Sicherheit lebten / und auf die andere Nacht das Feyer der Hertha mit vielen Gastmahlen feyern würden. Cäcina muste mit denen der Wege kundigen Tencterern / mit welchen er die Beute zu theilen versprach / und etlich tausenden mit Aexten und Sägen gerüsteten Hülffsvölckern voran; welche die verhauenen oder sonst im Wege liegenden Bäume zerhauen / aus dem Wege räumen / also denen langsam nachfolgenden Legionen Platz machten. Folgenden Tag gegen Abend hatten sie sich völlig durchgearbeitet / aber Germanicus[996] wolte nicht ehe die Marsen überfallen / als biß er aus ihren des Nachtes aufgehenden Feuern sehen würde: daß sie sich bey ihren Gast-Maalen mit Speise und Tranck schon ziemlich würden überladen haben: und weil die Nacht ohne diß den Einbruch eines Feindes schrecklicher macht /auch solche so wohl als die Trunckenheit gute Anstalten und den Gehorsam auch williger Leute verhindert. Germanicus theilte unter deß sein gantzes Heer in vier Theil / und als eine Stunde für Mitternacht kam / ließ er selbtes derogestalt ausgebreitet die Marsen überfallen; welche weil sie theils schlaffend / theils schläffrig oder truncken; also weder zu gutem Rathe / noch zu einiger Verfassung fähig waren / entweder gar keine Gegenwehre thaten / oder doch von denen viel stärckern Feinden leicht übermannet wurden. Das Andencken des nicht ferne von dar erschlagenen Varus machte die Römer so verbittert: daß sie weder der schwachen Weiber noch zarten Kinder schonten; sondern alles / was lebte / durch die Schärffe der Schwerdter aufgerieben / und alle Wohnungen durchs Feuer eingeäschert wurden. Diese Verwüstung erstreckte sich bey nahe auf funffzig Römische Meilen /im Umkreiße / ehe die Maasen fast ihre Feinde erfuhren / und sich irgendswo setzen kunten. Ja Fürst Malovend muste / um der Gefahr zu entkommen / durch die Lippe sätzen. Germanicus / ob er zwar sonst zur Grausamkeit nicht geneigt war; verhing doch diese dißmahl seinem Volcke / theils durch diese sie zur Rache aufzufrischen / theils den Feinden bald anfangs ein Schrecken einzujagen. Denn wenn im Anfange des Krieges man entweder mit einer grossen Gewalt und Hefftigkeit verfährt; oder ein Feind dem andern / wie Brennus der Stadt Rom gantz unvermuthet auf den Halß kommt; oder man eine neue Art zu kämpffen wie die Carthaginenser mit den Elephanten / die Römer mit ihren Schiff-Angeln gebrauchet / oder auch alsbald etwas grosses / wie Xerres mit seinem Brücken-Bau über das Meer / und Durchgrabung des Berges Athos / ausrichtet / kan es nicht fehlen: daß seinem Kriegs-Volcke das Hertze wachsen / den Feinden es abnehmen müsse. Daher war es hier den Marsen nicht zu verargen: daß sie bey einem so geschwinden Uberfalle keine andere Hülffe als die Flügel der Flucht zu ergreiffen wusten. Germanicus aber ward hierdurch so vermässen: daß er daselbst / wo sein Vater Drusus dem Mohnden ein Altar gebauet hatte /drey Brücken über die Lippe schlug / und mit seinem gantzen Heer darüber gieng; ja sich alldar nicht alleine zu verschantzen anfieng / sondern auch alles / was er konte / zu Pferde sätzte / und dem Stertinius mit solcher Reuterey den Tanfanischen Tempel einzuäschern anbefahl. Ungeachtet solcher nun sieben oder acht deutsche Meilen von dar entfernet war / kam doch dieser Schwarm / welchem die Tencterer die gantze Nacht durch die Wälder die geradesten Wege gewiesen hatten / des Morgens mit dem Tage eine halbe Meile vom Tempel an. Daselbst stieß der Feldherr Herrmann mit tausend Pferden auf die Römer /welcher nach verlautetem Einbruche der Römer von Mattium nach Deutschburg mehr geflohen als geritten / auch allererst selbige Nacht zu Hause ankommen war. Denn diese Reuterey hatte er in höchster Eil zusammen gezogen / um des Feindes Vorhaben auszuspüren; weil alle Stunden von Marsen und Bructerern reitende Boten ankamen und Hülffe begehrten. Ob nun zwar ihm Hertzog Hermann nicht hätte träumen lassen / so nahe Römer aufzustossen; grieff er doch ihren Vordrab mit unsäglicher Tapfferkeit an / und brachte selbten ohne grosse Mühe in die Flucht. Als er aber diesen in Eisen lag / und die Flüchtigen durch einen kleinen Eich-Wald verfolgte / traff er hinter selbtem auff einer freyen Fläche die gantze Römische Reuterey / welche über fünff tausend starck war / in voller Schlacht-Ordnung an. Dieses Gesichte schiene ihm eine[997] Zauberty zu seyn; nichts desto weniger hielt er es ihm für die ärgste Schande schlechter Dings zu fliehen. Als er nun selbst einem gefangenen Römer mit Ansetzung seines Degens ans Hertze die Bekäntnüß ausgepreßt hatte: daß kein Römisches Fuß-Volck darbey / sondern dieser Reuterey Vorhaben alleine wäre / den Tanfanischen Tempel zu zerstören /schickte er spornstreichs dahin: daß die Priester mit allem köstlichen Vorrathe / insonderheit aber mit denen aufgehenckten zwey Römischen Adlern des Varus sich nach Deutschburg flüchten solten. Hierhin aber befahl er: daß ihm alles / was nur zu entrathen wäre / zu Hülffe kommen solte. Er theilte sein Volck auch alsbald in vier Hauffen. Einen untergab er dem Grafen von Bentheim / den andern dem von Steinfurth / und den dritten dem von der Lippe / der Graff von Nassau mit der Leib-Wache aber blieb bey dem / welchen der Feldherr selbst für sich behielt; welcher denn sich auch des Eich Waldes / und eines Sumpffes zu seinem Vortheil bediente; daß er von der Menge der feindlichen Reuterey nicht umringet werden konte. Stertinius hingegen hatte sich eben so wenig eines ihm begegnenden Feindes versehen; also stutzte und bedachte er sich auch wegen besorgten Hinterhalts eine weile: ob er den Feind antasten solte. Weil er nu mit eitel Reuterey versehen / also von dem auf allen Fall von dem versteckten deutschen Fuß-Volcke keine so grosse Gefahr / welcher er sich nicht hätte entziehen können / zu besorgen war / theilte er seine Reiterey gleichfalls / und ließ anfangs des Cariovalda Bruder mit zweytausend Batavern auf die Cherusker treffen. Diese hatten die Einbildung von sich / daß sie der Kern aller Völcker am Rheinstrome / und insonderheit ihrer Reiterey niemand gewachsen wäre. Aber sie fanden an dem Kerne dieser Cherusker / welcher fast an eitel Edelleuten bestand / nicht nur gnungsame Gegenwehre / sondern diese würden auch bey zeit der Bataver Meister worden seyn; wenn nicht Flavius mit etlichen Fahnen der Tencterer / welche zu Pferde so berühmte Krieger / als die Catten zu Fusse sind / sie entsätzt hätte; zumahl ihre abgerittene Pferde ohne diß nicht recht fort wolten; hingegen die Cherusker von ihrem Hertzoge nach Gelegenheit des Ortes / und Erforderung der Noth bald auf Parthisch fliehende /und im geraumen mit Pfeilen / bald auf Sarmatisch im Gedrangen mit Lantzen und kurtzen Degen / bald mit geschlossenen Hauffen auf Römisch / bald eintzelich hinten und vorwerts auf deutsch zu fechten gelehrt waren. Weil die Deutschen sich derogestalt mit einander abmatteten / wolte Stertinius den ihm vom Germanicus anbefohlnen Hauptzweck / nemlich die Zerstörung des Tanfanischen Tempels nicht versäumen. Daher schickte er den Emilius mit tausend Pferden gerade dem über die Eich-Bäume herfür ragenden Tempel zu. Diese fanden denselben leer und offen / insonderheit aber keinen Schatten mehr von denen Römischen Adlern oder Kriegs-Fahnen. Wie die Römer nun solchen auf allen Ecken anzündeten; trat der eysgraue Priester Libys / welcher nicht zu bewegen gewest war das Heiligthum zu verlassen / aus der heiligen Höle an derselben Thüre herfür / und redete den nicht ferne davon stehenden / und zur Einäscherung Befehl ertheilenden Emilius dergestalt an: Ich weiß nicht: ob wir Deutschen euch Römern für diese Arbeit dancken oder fluchen sollen. Denn ihr zerstöret den Tempel / welcher zwar euch ein Dorn in Augen / aber uns / die wir in der alten Einfalt einen viel reinern Gottesdienst als in Gold und Marmel finden / kein geringes Aergernüs gewest. Also schaffet ihr uns hierdurch mehr Nutz als Schaden; und ihr seyd nicht mächtig unser Andacht den geringsten Abbruch zu thun / so lang ihr in der Welt nicht alle Bäume / Stauden und Kräuter auszurotten / oder alle Thiere und Würmer zu vertilgen / alle Brunnen / Bäche und Felsen zu zernichten vermöget /[998] denn das geringste unter allen diesen Dingen lehret uns die Warheit unsers Gottes; ja er ist nirgends grösser als in den kleinsten /und nirgends sichtbarer / als in denen verstecktesten Geschöpffen. Diese finstere Höle / in der ich stehe /und das daraus rinnende Qvell / ist wie der nechste Heyn ein viel herrlicher Tempel Gottes / als der / welchen ihr zerstöret. Denn jener ist Gottes Werck / diß aber nur ein Gemächte der Menschen / welche ins gemein mehr zum Gepränge ihrer Eitelkeit / zu Ausübung ihres Hochmuths / als aus Andacht / und zur Ehre Gottes Heiligthümer aus köstlichen Steinen und Ertzte bauen / und nichts anders wünschen; als daß sie darinnen die Götzen / wie der Egyptischen Könige Leichen der stinckende Schatz ihrer kostbarer Spitz-Säulen seyn mögen. Brennet demnach wie ihr wollet! lasset keinen Stein auf dem andern; glaubet aber: daß ich um diesen vortheilhafften Verlust keinen Seufftzer / keine Thränen verliehren werde. Nichts desto weniger bildet euch nicht ein: daß euch dieser Frevel ungenossen werde ausgehen / ob ihr schon unsern reinern Gottesdienst gegen eurem besudelten / da ihr so viel gestorbene Menschen anbetet / für unvollkommen haltet. Es ist Boßheit auch eines irrigen Gottesdienstes Heiligthümer versehren. Wisset ihr nicht / wie übel es dem Cambyses bekommen / als er sich an der Egyptier Aberglauben ärgerte / des Apis / Osiris / und der Isis Bilder zerstörte? Wie sein Heer vom Ungewitter und Sande verschlungen ward / welches er zu Vertilgung des Ammonischen Tempels ausschickte? Habet ihr nie gehöret / wie alle viertausend Perser /welche Xerxes zu Beraubung des Delphischen Tempels aussendete / durch Regen und Blitz vertilget / er auch selbst so schimpflich aus Griechenland gejagt ward? Zu einer Erinnerung der Nachwelt! wie thöricht der Mensch Gott Krieg ankündige / und aller Welt Kräfften gegen seiner Hand verglommene Strohalmen sind? Nicht besser ist es den Kirchen-rauberischen Phocensern / und noch ärger soll es dem Brennus /den Galliern / und Tectosagen / der Griechen Berichte nach / beym Delphischen Heiligthume ergangen seyn. Wider den Antiochus haben sich alle Nachtbarn verschworen / und ihn erschlagen / als er des Didymeischen Jupiters Tempel beraubt. Und mit Alexander in Syrien hat es einen kläglichen Ausgang gewonnen; welcher zu Antiochia das güldene Bild des Sieges aus einem Tempel nam / und als er es zu Bezahlung seines Kriegs-Volcks zerschmeltzte / GOtt noch spottete / mit Vorgeben: Jupiter hätte ihm des Sieges Bild geliehen. Wie viel einen ärgern Krieg aber führet ihr Römer wider GOtt; die ihr mit diesem Heiligthume unsern gantzen Gottesdienst auszurotten euch träumen laßt! Bildet euch dannenher nur festiglich ein: daß diese Einäscherung keinem unter dessen Werckzeugen ungenossen ausgehen werde. Saget eurem Germanicus; daß er mit dieser Flamme seinen Glücks-Stern verdüstere; und daß er / ehe vier Jahr vergehen werden / seinen Geist durch Gifft und Zauberey aufgeben; Rom auch aus seinen Augen hierüber mehr Wasser schütten werde / als man zu Leschung dieses Brandes bedörffte. Denn GOtt ist zwar barmhertzig; wenn er aber durch Verachtung beleidigt / oder er gar zum Streite ausgefordert wird / ist er gerecht; und zermalmet alles / was ihm den Kopff zu bieten sich erkühnet. Rechtschaffenen Feinden ist es nicht zu verargen: daß sie ihnen im Wege stehende Festungen / Städte /Hafen / Schiffe und Früchte verderben / und Waffen zu tragen-fähige Leute tödten; aber die ihnen nichts schädliche Tempel / Lust-Häuser / Gedächtnüs-Maale zerstören / Weiber und Kinder ermorden / ist eines Rafenden / oder gar eines Unmenschen Werck. Emilius und andere Römer hörten den Priester anfangs mit grosser Verbitterung; hernach aber mit so grossem Schrecken: daß allen denen / welche ihn zu[999] tödten und in der Asche des Tempels zu vergraben fürsätzten /Hertze und Vernunfft entfiel; ja endlich alle mit Einreissung des lodernden Tempels beschäfftigte Römer /in eine so unvermuthete Zagheit geriethen: daß /gleich als wenn jeder Feuer-Funcken ein Donnerkeil wäre / oder ihnen die göttliche Rache schon im Nacken säße / sie sich in gröster Verwirrung von dem einsamen Tempel flüchteten. Bey ihrer Rückkunfft fanden sie den Stertinius und das Treffen in viel anderer Beschaffenheit / als es bey ihrem Wegzuge gewest war. Denn als in Deutschburg das Gerüchte erschollen: daß der Feldherr so nahe mit den Römern schlüge / und man daselbst vom brennenden Tempel den Rauch aufgehen gesehen / hatte sich alles / was nur streitbar war / auf- und ins gemein sich ihrer zwey auf ein Pferd gesätzt; also war der Feldherr mit mehr als dreytausend Cheruskern verstärckt worden / welche den Streit mit denen stärckern Feinden bald gleich gemacht hatten. Bey Ankunfft der Tempel-Störer aber hatte sich das Spiel mercklich verkehret. Denn der Feldherr hatte mit eigener Hand Cariovaldens Bruder getödtet; von seinen Batavern hatte mehr als die Helffte ins Graß gebissen; Nassau hatte auch den Führer der Tencterer Fürstenberg erlegt / und denen Römern / welche sich an einen vortheilhafften Ort gesätzet / ward nicht wenig zugesätzt. Emilius ermahnte seine Römer zwar den Cheruskern tapffer in die Seite zu gehen; aber das Schrecken stackte ihnen nicht nur in Hertzen / sondern sahe ihnen auch aus den Augen. Und also war ihr Angrief lau / ihr Verfolg kalt / da sie denen gegen einer viel grössern Menge abgematteten Cheruskern einen gewaltigen Streich zu versätzen fähig gewest wären; wenn der ungewaffnete Priester Libys ihnen nicht eine so nachdrückliche Furcht eingejagt hätte. Dem Stertinius schwindete daher für einer grössern Niederlage; und weil er die ihm befohlne Verbrennung des Tempels verrichtet hatte / hielt er nicht für rathsam / sein Heil aus einer eitelen und zweifelhafften Ehre ferner auf die Spitze zu setzen. Er zohe sich diesem nach Fuß für Fuß in den am Rücken habenden Wald / und befahl dem Emilius dergleichen zu thun. Der Feldherr aber lag ihnen beständig in Eisen. Weil sich aber in selbtem etliche zum Hinterhalte gelassene Römische und Chassuarische Hauffen blicken liessen / und der Feldherr eine Arglist besorgte / vergnügte er sich mit neun denen Batavern / drey den Tencterern / und zwey den Römern abgeschlagenen Fahnen; ließ also seinem Volcke das Zeichen geben einzuhalten; wolwissende: daß ein mäßiger Sieg besser sey / als mit Gefahr seinen Feind biß zum Untergange verfolgen. Stertinius war über dieser Vorsicht des Germanicus sehr vergnügt; und ob wol sein Volck für Müdigkeit sich zum theil kaum mehr regen konte / musten sie doch den Wald des Nachtes verhauen; daß sie / so bald die Pferde nur ein wenig verblasen hätten / desto sicherer ihren Rückweg nehmen / oder vielmehr fliehen konten. Stertinius kam also zwar mit einem blauen Auge / die Bataver aber und Tencterer mit grossem Verluste und noch grösserem Unwillen beym Germanicus an. Denn sie beschwerten sich: daß die Römer sie nicht ehrlich entsätzt / sondern sie allein im Bade gelassen hätten; als welche noch nicht wusten: daß es der Römer Eigenschafft wäre / mit frembdem Blute frembde Völcker zu überwinden.

Germanicus hatte inzwischen das Monden-Altar wieder aufgerichtet / und zu Befestigung selbigen Platzes einen Anfang gemacht. Als er aber vernam: daß der Feldherr die Cherusker / Tubanter und Dulgibiner aufs fleißigste zusammen zohe; Hertzog Ingviomer auch mit einer ziemlichen Macht der Bructerer und Usipeter ihm im Rücken stünde; über diß weder Chauzen / Chassuarier und Sicambrer mit den Cheruskern und Bructerern völlig zu brechen das Hertz hatten / sondern gleichsam auf beyden[1000] Achseln trugen / und das Römische Heer mit Einbissung des Kernes ihrer Reiterey und Verlust ihrer ersten Hertzhafftigkeit die wenig rühmliche Verwüstung eines Tempels /welchen nur seine Heiligkeit und GOtt beschützte / so theuer bezahlet hatte / gerieth er in nicht geringen Kummer. Ob nun wol in gehaltenem Kriegs-Rathe Germanicus der Meinung war / daß er ohne Abbruch seines guten Nahmens / und ohne Verkleinerung der Römischen Waffen nicht zurück weichen könte; Sintemahl ein guter Ruff im Kriege mehr als viel tausend Kriegs-Leute machte / und meist mehr in der Einbildung und in einem scheinbaren Schatten als im Wesen eines Dinges bestünde / so war doch Cäcina /Stertinius / Cetronius / und alle andere Kriegs-Obersten widriger Meinung; welche alle einhellig riethen /daß nach dem ihnen die Bructerer und Usipier im Rücken alle Zufuhre an Lebens-Mitteln abschneiden könten / sie / dafern sie tieffer in Deutschland rückten / bey dem ohne diß so rauen Wetter erhungern und umkommen würden / wenn ihnen gleich nicht der besorgliche Untergang des Varus von den Deutschen zuhienge. Auf die Sicambrer und Chauzen wäre sich nicht zu verlassen; wo Fürsten ja jemahls fähig wären einige Freundschafft zu stifften / oder zu unterhalten /wäre auf selbte länger nichts zu bauen / als so lange sie der Eigennutz unterhielte und beseelte. Denn dieser wäre aller Fürstlichen Verträuligkeiten und Feindschafften Mäßstab. Daher ob wol Melo und Ganasch mit dem Hertzoge der Catten und Cherusker zerfallen / die Freundschafft gemeiner Leute auch schwerer als Thon und Ertzt zusammen zu löthen wäre / so hätte es doch mit Bündnüssen der Herrscher viel eine andere Beschaffenheit; welche / wie liederlich sie gleich vorher wären zerrissen worden / doch bey sich hervor thuendem Vortheil sich so geschwinde als die Stücke zerhauener Nattern zusa en fügten. Daher müste man mit verbundenen Fürsten nicht anders umgehen / als wenn sie morgen unsere Feinde werden solten. Die schläfrigen Sicambrer / und die gefrornen Chautzen hätten bereits sich schon verrathen / wie wenig Eyver sie für die Römer hätten / und wie leichte sie ihr Kleid umwenden würden / wenn den Römern nur ein schlechter Streich noch versätzet werden wolte. Wie schimpflich dieses nun zwar dem Germanicus schien /traute er doch weder dem Glücke noch den Deutschen / am allerwenigsten dem Tiberius; welcher das geringste Versehen zu einer grossen Schuld machen würde. Daher ward beschlossen das Monden-Altar wieder zu verlassen / und weil auf der lincken Seiten der Lippe alles verbrennt / der dicke Cäsische Wald auch ihm allzu verdächtig war / sich geraden Weges gegen dem Rheine und Vetera zu wenden. Weil aber Hertzog Ingviomer mit seinen Bructerern / Tubandten und Usipetern / wie auch Malovend mit einem Theile seiner Marsen den Römern aufwartete / muste Germanicus / wo er Raum hatte / in voller Schlacht-Ordnung fortrücken. Die Helffte der Reiterey und Hülffs-Völcker hatte den Vorzug; diesem folgte die erste Legion / hernach zohe die ein und zwantzigste auf der lincken- die fünffte auf der rechten Seite; und zwischen inne alles Kriegs-Geräthe / den Beschluß machte die zwantzigste Legion / welche von der andern Helffte der Reiterey und Hülffs-Völcker bedeckt ward. Die Deutschen aber / weil sie einer so grossen Macht nicht gewachsen waren / trauten sich selbte nicht im flachen Felde anzugreiffen. So bald aber die Römer zwischen die Wälder und Püsche kamen / fiel der Graf von Steinfurt mit tausend Usipetern zu Pferde den an den übrigen Batavern bestehenden Vordrab /Malovend mit zwölffhundert Marsen die ein und zwantzigste / der Graf von Bentheim mit so viel Tubanten die fünffte Legion an. Aber dieses war nur angesehen den Feind irre zu machen. Denn Hertzog Ingviomer that mit zwantzig tausend Bructerern und Usipetern den rechten Angrief[1001] von hinten zu. Die Römische und Gallische Reiterey war in einem Augenblicke über den Hauffen geworffen / und zwischen die Legionen gejagt. Ob nun wol die zwantzigste Legion sich wendete / und festen Fuß hielt; so sätzten ihr doch die Bructerer so heftig zu: daß die fördersten Glieder von einander giengen / und die ältesten Kriegs-Leute ihre Lücken erfüllen musten. Germanicus merckte alsbald: daß am Rücken die Kräfften der Deutschen stünden / an andern Seiten aber die Angrieffe nur ein Spiegelfechten wären; daher ließ er die erste Legion auf beyden Seiten um das Kriegs-Ge räthe sich an die zwantzigste Legion ziehen; und er selbst sprach denen Wanckenden einen Muth zu / und sagte: die Feinde wären nicht halb so starck / als sie die Römer / und nur ein zusa en gerafftes übel gewaffnetes Volck; daher sie auch nicht das Hertze gehabt hätten / sie im freyen Felde anzugreiffen. Dieses aber wäre der Tag und die gewünschte Gelegenheit /da sie Schande ihres Aufruhrs in den Ruhm eines herrlichen Sieges verwandeln könten. Dieser Einhalt hielt die wanckende zwantzigste Legion im Stande /welche wenn sie von der ersten und dem hertzhafften Cetronius nicht so zeitlich wäre entsätzt worden /durch den einem Löwen gleich fechtenden Ingviomer in weniger Zeit würde seyn in Stücken gehauen worden. Sintemal er selbter sein fünft Krieges-Zeichen abgenommen; die auf ihren Seiten stehende Fuß-Völcker aus Gallien grösten theils erlegt hatte. Nunmehr aber / da Germanicus selbst allenthalben gute Verfassung machte / und mit Mund und Hand die Römer zu tapfferer Gegenwehre aufrischte / kam es zu einem gleichen und scharffen Gefechte / sonderlich da Germanicus an allen dienlichen Orten Bäume aushauen ließ: daß die Bructerer zu Pferde nicht auf den Seiten einbrechen konten. Gleichwol aber sprang Ingviomer selbst vom Pferde / und gab den Seinigen ihm solches nachzuthun ein Beyspiel / ihnen meldende: dieses wäre eben der Tag des Jahres / an welchem Qvintilius Varus mit einem zweymahl so starcken Heere wäre erschlagen worden. Wenn die Bructerer nun alle es dem Germanicus so mit spieleten / würden sie zehnmahl mehr Ehre darvon tragen. Sie solten also eilen ihren Sieg zu befördern / ehe der ihnen nahe Hertzog Herrmann mit seinen Cheruskern dazu käme / und die Helffte des Sieges und Ruhms ihnen wegnähme. Also verbitterte die Deutschen die Ehrsucht / die Römer das Andencken ihrer Schande: daß sie desto verzweiffelter gegen einander fochten; und ein jeder lieber das Leben / als einen Fußbreit Erde verliehren wolte. In dieser Hartnäckigkeit verharreten sie wol drey Stunden / ehe die Bructerer einen rechten Einbruch in die erste Legion thun konten. Als aber Cetronius vom Ritter Winnenthal hefftig verwundet ward /gerieth sie in Verwirrung: daß Germanicus Noth hatte sie zu erhalten; daher er dem Stertinius befehlen muste / mit der halben fünfften und halben ein und zwantzigsten Legion ihm einen Weg zu suchen / die Bructerer auf der Seite anzugreiffen / um ihm mit der ersten und zwantzigsten Legion Lufft zu machen. Stertinius richtete diß glücklich aus / und kam denen Bructerern an einem gantz unvermutheten Orte über den Halß. Uber diß gebrauchte sich Stertinius dieser Krieges-List: daß er drey falsche güldene Adler / wie solche die dem Silius untergebenen Legionen führten /aufsteckte / und unter seine zwey halbe Legionen alle übrigen Gallier mischte. Hierdurch wurden die Bructerer verführet; daß sie glaubten / es käme Silius dem Germanicus zu Hülffe. Als diß nun dem Hertzoge Ingviomer / welcher dem Germanicus im Hertzen der ersten und zwantzigsten Legion hefftig zusätzte /angedeutet ward / muste er seinem Siege nicht anders / als einem rennenden Pferde in Zügel fallen; und mehr auf Sicherheit seines Volckes / als auf Eitelkeit eines gefährlichen Sieges bedacht seyn. Daher bebefahl[1002] er: es solten seine Kriegs-Obersten und Haupt-Leute sich allgemach aus dem Gedränge der Wälder ins geraume zurück ziehen / damit sie wieder zu Pferde kommen könten. Dieses ward von den Bructerern auch ohne Unordnung vollzogen; und ob wol der hierüber erfreute Germanicus und Stertinius so weit / als die Wälder währeten / denen Deutschen folgten / wolten sie sich doch nicht unterstehen / ihnen ins flache Feld zu folgen / aus Beysorge: daß der so wol angeschlagene Betrug verrathen werden / und sie sich in neue Gefahr vertieffen möchten. Eine Stunde darauf kam der Feldherr mit sieben tausend Cheruskern zu Pferde beym Ingviomer an; und ihm folgten auch zehntausend Cherusker zu Fusse. Er war über seine Langsamkeit: daß er nicht zurechte kommen wäre / so wol als seinen Irrthum sehr ungeduldig. Denn weil er vermuthet hatte: es würden die Römer beym Altare des Mohnden entweder noch stehen / oder daselbst wieder über die Lippe gehen / war er auf der Sudseite dieses Stromes herab kommen; und nach dem er das Monden-Altar aufs neue über einen Hauffen geworffen / hatte er daselbst über den Fluß gesätzt / und also dieses Treffen durch solchen Umweg versäumet. Er wolte sich auch gar nicht bereden lassen: daß Germanicus den von den Catten starck besätzten Rhein und Meyn gantz entblösset / und einige von des Silius Legionen herunter gezogen haben solte. Ob nun wol Fürst Malovend / und der Graf von Bentheim / Ingviomers Meinung hielten / weil gegen ihnen der fünffte und ein und zwantzigste Adler beständig blieben wäre / und sie am Einfalle verhindert hätte; so sagte doch der Feldherr: Es wäre den Römern nichts neues; daß wenn sie sich klein machen wolten / um den Feind verwegen zu machen / zwey Legionen einen / und wenn es die Noth erforderte / sich groß zu machen /einer Legion zwey oder drey Adler zu geben. Und hätte er in Asien selbst gesehen: daß die Römischen Feldherren stets drey oder vier dieser ihrer Lager-Götter mit sich in einer Kiste führeten / und dadurch einfältige Feinde blendeten. Uberdiß hätten des Silius Legionen / seinem Urthel nach / flügen müssen / da sie beym Germanicus an der Lippe stehen solten; weil er für fünf Tagen noch zu Mattium gewest / und Hertzog Arpus gewisse Nachricht gehabt hätte: daß alle 4. Legionen daselbst / und zwar meistentheils am Meyne gestanden hätten. Ingviomer muste solcher gestalt des Feldherrn Meinung billigen / und seine Leichtgläubigkeit schelten; daß er durch eine KriegesList ihm den Sieg hätte aus den Händen spielen lassen. Daher wolte er selbigen Augenblick zu einem neuen Angriffe das Zeichen geben / ungeachtet es schon stockfinstere Nacht war. Hertzog Herrmann aber widerrieth es; theils wegen der zum Betruge dienlichen Finsternüs; theils weil so wol die Bructerer als Cherusker der Ruhe / welche dem Kriegs-Volcke neue Hurtigkeit gäbe / und in diesen Wäldern des erwarteten Fuß-Volcks hoch vonnöthen / welches auch nach zwey Stunden ankam. Des Morgens früh für Tage muste zwar alles in die Waffen / um die Römer aufs neue anzugreiffen / sonderlich als etliche Bructerer in dem Gepüsche zwey Römer erschlichen / und von ihnen das Bekäntnüs ausgepreßt hatten: daß Stertinius sich falscher Adler bedient hätte / und mehr nicht als vier Legionen / welche ohne diß zimlich abgenommen hätten / gegenwärtig wären. Der deutsche Vordrab aber traf nur etliche Stallbuben an / welche die Römischen Wach-Feuer unterhielten / und in Wäldern alle Wege und Eingänge / wordurch die Römer sich aus dem Staube gemacht hatten / verhauen. Der Feldherr und Ingviomer wurden alsbald schlüßig: daß dieser mit der Reiterey ihm auf der rechten Seiten um die verhauenen Wälder einen Weg suchen; Ingviomer und Malovend aber sich mit dem Fuß-Volcke durchhauen / und den Römern auf der Ferse folgen solten. Germanicus / welcher von des Feldherrn[1003] Ankunfft ebenfals Wind kriegt / hatte sich dieses Streiches wol versehen / und daher seinen Weg auf Einrathen der in selbiger Gegend wolbekandten Tencterer / gerade gegen der Lippe / auf ein von den Marsen verlassenes Dorff Dorsten eingerichtet / welches an einem zu geschwinder Befestigung beqvemen Orte gelegen / und vorher schon von Marsen mit Schlag-Bäumen / und einer Brücke über die Lippe versehen war; also daß der Feldherr / welcher aus Irrthum zu weit auf die rechte Hand abkommen war / mit seiner Reiterey mehr nicht ausrichten konte / als daß er etliche hundert Gallier /welche gegen den im Rücken habenden Feinde den Nachdrab führen musten / theils in Stücken hauete /theils gefangen nahm. Germanicus ließ sein gantzes Heer / ohne Verschonung der alten und sonst hiervon freyen Kriegs-Leute / den gantzen übrigen Tag und folgende Nacht an Verschantzung selbigen Dorffes /und an noch zwey Brücken über den Fluß / arbeiten; Und als der Feldherr ihr Heer gegen ihm in Schlacht-Ordnung stellte / und ihn zum Gefechte ausforderten /ihnen zu entbieten: Sein Absehn wäre nicht gewest /mit den Deutschen einen Krieg zu führen / sondern nur die Marsen wegen ihres offtern in Gallien geholeten Raubes zu züchtigen / und der Römer Spott mit dem Taufanischen Tempel abzuthun. Wenn aber die Bructerer und Cherusker / denen er kein Leid gethan hätte / sich an die Römer nöthigten / würde es dem Käyser nicht an Kräfften / ihm nicht an Muthe fehlen ihnen zu widerstehen. Malovend wendete bey dem Feldherrn ein: daß seinen Marsen unrecht geschähe /und dieser Vorwand nur vom Germanicus zu Bekleidung des gegen ihn gefaßten Hasses vorgeschützt würde / weil er nach seiner Gefangenschafft die Römische Seite verlassen / und sich mit seinen Marsen unter den Römischen Schutz begeben hätte. Hätte Germanicus nur nicht einen blossen geschlagen / so würde er / wie niemand seines Sieges halber / keine Rechenschafft gegeben / sondern solchen mit Recht und Unrecht verfolget haben. Nach dem ihm aber sein Anschlag mißlungen / wolte er seiner unverantwortlichen Feindseeligkeit eine so falsche Stirne anstreichen. Dahero verlangte er: daß der Feldherr diesen gewaltsamen Uberfall an den Römern rächen / und ihm die Erstattung des unverwindlichen Schadens zuwege bringen solte. Hertzog Herrmann und Ingviomer billigten zwar die Gerechtigkeit seines Gesuches / und versprachen ihm so viel Hülffe / als die Mögligkeit zulassen würde; zu welchem Ende sie ober- und unterhalb des Dorffes Dorsten eine Brücke zu bauen anfiengen. Germanicus sahe wol / wenn sein Feind mit einem Theile übersätzte / und den Cäsischen Wald aufs neue verhiebe und besätzte / mit der grösten Macht aber auf der Nordseite der Lippe stehen bliebe / daß er entweder in seinem Lager wegẽ gesperrter Zufuhre erhungern / oder an ein oder anderm Orte einen gefährlichen Streich würde wagen müssen. Daher ließ er noch selbige Nacht ein Theil seiner Reiterey zwey Durchgänge des Cäsischen Waldes besätzen / sein Kriegs-Geräthe und die Schwachen folgen /sonder daß es die Deutschen inne worden. Folgenden Morgen that er unterschiedene Ausfälle / und stellte sich als wenn er den Deutschen eine Schlacht zu liefern Lust hätte. Denn er wuste wol: daß im Kriege nichts gefährlicher / als der Abzug wäre / wenn man schon einmahl dem Feinde verächtlich worden wäre. Auf die andere Nacht aber zohe er mit seinem gantzen Heere in unglaublicher Stille aus dem Läger; also daß die Deutschen allererst früh seinen Abzug gewahr worden / und das Nest der Römer leer funden; welche bey erfolgendem Nachsatze den Wald schon allenthalben verhauen fanden / und nach dessen Oeffnung erfuhren: daß die Römer schon grösten theils über den Rhein gesätzt hätten; musten also sich nur damit vergnügen / daß eine so grosse Macht der Römer / welche[1004] mehrmals mit einer viel kleinern gantze Völcker unters Joch gebracht hatten / denen in der Eyl zusa en gerafften Deutschen nicht Stand halten wolten; sondern so wol aus ihrer Flucht / als ihrem nur am Mord-Brande bestehenden Siege / nichts als Schande erlangten. Malovend drang zwar starck darauf: daß man die flüchtigen und verzagten Römer über den Rhein verfolgen solte; aber weder der Feldherr noch Ingviomer hielten es vor rathsam / weil das deutsche Heer weder mit nöthigem Vorrath versehen / noch denen in Waffen stehenden Sicambern / Chaßuariern und Chauzen / welche sich verlauten liessen: daß sie des Germanicus Einfall für keinen Friedens-Bruch mit den Cheruskern und Bructerern halten könten / sie aber den Friede in Deutschland auch wider die Deutschen mit ihren Waffen erhalten wolten / am wenigsten aber dem Könige Marbod / und seinem Ohrenbläser Segesthes zu trauen wäre. Zu geschweigen: daß auch das einfallende raue Wetter / bey welchem sie mehr wider die Natur als Menschen zu Felde ziehen müsten / alle fruchtbare Krieges-Rüstungen hinderte. Uber biß / sagte der Feldherr / müste man keinen Feind / am wenigsten aber die in Waffen erzogenen Römer / welche nicht allzuweit davon vier andere Legionen stehen / und gantz Gallien zu ihrem Dienste hätten / nicht verachten / noch zu vermäßen seyn; ungeachtet sie itzt zu fliehen schienen. Sintemahl verschmitzte Kriegs-Leute wol ehe durch angenommene Furcht und Flucht ihre Feinde ins Netze gelockt hätten. Niemand könte leichter berückt werden / als wer nichts fürchtete; Sicherheit und Verwegenheit wäre der gemeinste Anfang zum Untergange. Daher hätte man niemals mehr Ursache sorgfältig und wachsam zu seyn / als wenn einen das Glück im Kriege mit Sieg anlachte / und man ins gröste Ansehn kommen wäre. Es wäre ein grosser Unterschied in einem Treffen Meister seyn / und den Feind überwinden / auch nichts seltzames: daß im Kriege sich das Blat wendete / und der / welcher sich wegen eines vortheilhafftigen Anfangs den Sieg schon durch Einbildung verschlungen hatte / hernach unten gelegen hätte. Sintemal der Verlust ins gemein behutsam / der Gewinn aber unachtsam machte. Dieses hätte her geschlagene Mechanides dem siegenden Philopamen / Pontius und Calovius den Samnitern / nach der Römer Niederlage vernünfftig eingehalten; und der Samniter Vertilgung hätte dessen Warheit erhärtet. Er wüste zwar / was er sich auf der Deutschen Tugend zu verlassen hätte /welche den Römern an Hertzhafftigkeit und Begierde der Ehre eben so wie die Spartaner denen Atheniensern überlegen wären; aber die Römer hätten auf ihrer Seite das Verhängnüs / welches sie unüberwindlich machte / und so wol Carthago als Samnium / ja auch sie Deutschen hätten erfahren: daß die Römer niemals mehr zu fürchten wären / als wenn man sie geschlagen hätte. Sie stünden wie Antäus von ihrer Niederlage allezeit stärcker auf. Daher hielte er für rathsamer gegen die Römer die alte Gräntze des Rheines zu behaupten / als über demselben eitelen Ruhm und Saamen neuer Kriege suchen. Malovend muste für dißmahl sein Unglücks dem gemeinen Wesen zum besten verschmertzen / die Rache der Zeit und dem Verhängnüsse anvertrauen; Sie aber alle sich bescheiden: daß es keine geringere Tugend wäre / seinen Sieg / als seine Begierden mäßigen. Aus diesem zweiffelhafften Troste aber schöpffte Fürst Malovend schlechten Trost; daher er / weil das Unglück nicht weniger die Zunge zum Klagen löset / als das Hertze unwillig macht / er sein Unvergnügen nicht verbeissen konte / sondern heraus fuhr: Er sähe wol: daß die / welche sich auf anderer Barmhertzigkeit verliessen / nicht wüsten / wie bald die Thränen zu verseigen pflegten / und auf was für schwachen Füssen frembde Hülffe bestünde. Endlich aber muste er sich doch in den vernünfftigen Einhalt des Feldherrn und[1005] Ingviomers finden / und sich an dem seinen abgebrennten Marsen verwilligtem Vorschube vergnügen / und mit ihnen die Völcker wieder nach Hause führen. Dem Flavius aber entfiel hiermit alle Hoffnung / die ihm Adgandester / Sentia /und die Römer zu Eroberung seines eingebildeten Erbtheils gemacht hatten. Und ob er zwar beschämt war: daß er so vergebens wider sein Vaterland den Degen ausgezogen hatte; so hielt er doch für ehrlicher die angefangene That mit Gefahr ausüben / als mit Abstehung seinen Fehler bekennen. Hingegen machten nicht nur die Römer von ihrer Verrichtung ein so grosses Wesen / als wenn sie halb Deutschland bemeistert hätten; sondern Tiberius rühmte auch deßwegen im Rathe den Germanicus so sehr / als vorher den Drusus; wiewol jedermann leicht abmerckte: daß des letzten Ruhm ihm mehr Ernst / des ersten aber nur ein blosser Schein war. Gleichwol aber hatte er alles genehm / was Germanicus dem Kriegs-Volcke verwilliget hatte. Der Rath und das Volck wurden über des Germanicus Verrichtung / von welcher man / wie von allen fernen Sachen ins gemein mehr glaubte / als daran war / auch so erfreuet / daß sie ihm / wiewol nicht ohne Kränckung des Tiberius / ein Siegs-Gepränge zuerkennten.

Der Winter hemmete nun zwar nicht weniger den Krieg / als die zugefrierenden Flüsse; daher die Römer und Gallier ihr gewohntes Opffer dem Rheine schlachteten: daß er nicht zu starck gefrieren / und den Deutschen eine Brücke in Gallien abgeben möchte; Aber auf beyden Seiten war man im Kriegs-Rathe nie geschäfftiger gewest / als nun. Die Catten / Cheruskerer und Bructerer bieß nicht wenig die Niederlage der mit ihnen verbundener Marsen / noch mehr aber: daß man zu Rom / und in Gallien so sehr über ihnen frolockte. Und ob wohl Germanicus durch diesen Einfall nicht den Frieden gebrochen haben wolte; war doch den aufrichtigen Deutschen es eine unbegreiffliche Scharffsinnigkeit; daß man ohne Verletzung gemachter Freundschafft / gegen iemanden solte mit Feuer und Schwerdt wüten / und / wo kein Krieg gewest wäre / Sieges-Gepränge bereiten könte. Nach dem nun Silius seine Legionen in Gallien eben so wohl als Cäcina seine in die Winter-Lager vertheilet hatten / kamen Ingviomer / Arpus / Catumer / Jubil und Malovend / zu Deutschburg beym Feldherrn zusammen / welcher ihnen für Augen stellte: wie liederlich die Römer an die Catten Ursache des Krieges gesucht; und als sie keine finden können / wie tückisch sie die friedsamen Marsen überfallen / und wie undanckbar sie dem Fürsten Malovend seine Dienste belohnet hätten. Daß Silius nicht auch bey den Catten eingebrochen wäre / hätte die Wachsamkeit ihrer Hertzoge verhindert. Daher wäre auf des Germanicus einschläffernde Versicherung: daß die Römer mit den Deutschen keinen Krieg begehrten / nicht zu trauen /sondern es gereichte ihnen vielmehr zum Schimpffe /da er sie in die Augen schlüge / und ihnen gleichwohl als alberen Leuten weiß machen wolte: daß er es nicht böse meinte. Brand und Mord wäre die nachdrücklichste Kriegs-Ankündigung; welche mehr keiner Worte bedörffte. Ihre Beleidigung aber desto empfindlicher / und die Feindschafft der Römer desto grösser / weil die Deutschen ihnen darzu keine Ursache gegeben. Daher sie auf das Früh-Jahr sich eines so viel stärckern Anfalls zu besorgen hätten. Die Römer hätten vorzeiten die Deutschen beschuldigt: daß sie ihre Rechte im Degen-Knopffe führten; und daß / ihrer Meinung nach / die Zeug-Häuser die besten Richterstühle / das Faust Recht aber aller tapfferer Leute Richt-Scheid wäre. Alleine / da die Römer iemahls gerechte Leute gewest wären / hätte sich diese Eigenschafft gewiß mit Uberkommung mehrer Gewalt verlohren. Ihr Geld-Durst / ihre Begierde biß an der Welt Ende zu gebieten / hätte[1006] das Recht der Natur /dessen sich Adler und Habichte gegen die Tauben /grosse Raub-Fische gegen die kleinern gebrauchten /eingeführt; also / daß sie bey allen Völckern billich des grossen Alexanders Nahmen / den ihm unsere Vor-Eltern in die Augen sagten / nehmlich der grossen Welt Rauber führten / und ihre zeither glücklichen Laster Tugenden hiessen. Ihre grösten Lichter und Helden hätten diß nicht nur wider Frembde / sondern wider ihr eigenes Vaterland ausgeübt; ja Kayser Julius den Metellus und andere Freunde ausgelacht /als sie ihm wider den Rath und die Gesetze etwas vorzunehmen / und den gemeinen Schatz-Kasten zu erbrechen / wiederrathen hätten / vorwendende: Sein Recht steckte in seiner Scheiden / sie solten schweigen / denn der Krieg vertrüge nicht die Freyheit seine Meynung zu sagen. Marius hätte seine Gewalt-Thaten damit gerechtfertiget: daß er unter dem Geräusche der Waffen die schlaffenden oder gar zu linde redenden Gesätze nicht gehöret hätte. Andern wäre das Lob der Gerechtigkeit eben so wohl / als die hiervon geschriebenen und dem Antigonus zugeeignete Bücher / eine unzeitige und tapfferen Leuten unanständige Weißheit gewest. Da nun das Königliche Gesetze der Römischen Kayser auch wider die Römer in dem Rechte der Faust bestünde / solten die Fürsten Deutschlandes selbst ermässen: was sie vom Tiberius dem geschwornen Feinde der deutschen Freyheit zu hoffen oder zu fürchten; am meisten aber / was sie hierwider vor Mittel vorzukehren hätten. Als nun alle zusammen der einhelligen Meinung waren: daß / nach dem die Römer schon einmahl die blutigen Würffel auf den Tisch geworffen hätten / sie das angefangene Spiel so bald nicht abbrechen würden / sie sich unfehlbar eines hefftigen Krieges zu besorgen hätten. Daher beschlossen sie: daß ein ieder sich eussersten Kräfften nach ihnen zu begegnen rüsten solte. Sie sassen hierauf zur Tafel / und bekräfftigten nach deutscher Art ihren verneuerten Bund / und gemachten Schluß / durch den Wein. Weil die Deutschen für allen andern Völckern der Welt der offenhertzigen Redligkeit sich befleissen / haben sie so viel weniger Bedencken ihr Hertz gegen einander auszuschütten; und also sich bey Rathschlägen und Bündnüßen im Truncke zu übernehmen; ungeachtet ihnen nicht unwissend ist: daß diß / was einem nüchternen im Hertzen liegt / einem trunckenen auf die Zunge komme / und diese alle Heimligkeiten /welche man sonst einem nicht leicht durch Folter und Pein auspressen würde / ausschütte; ja trunckene Leute ehe glüende Kohlen / als ihre Gedancken im Munde zu behalten vermögen. Weßwegen der Wein /ungeachtet Marcus Crassus durch selbten denen Bastarnischen Gesandten alle ihre Rathschläge gleichsam mit einer Zange aus dem innersten ihres Hertzens hervor gezogen / bey den meisten Deutschen nicht als eine die Wahrheit auszwingende Marter verachtet; sondern als ein Spiegel des menschlichen Gemüthes gerühmet wird. Die Fürsten waren kaum von der Taffel aufgestanden / als Malovend durch einen Chauzischen Edelmann aus Rom vom Grafen von Diepholt /welcher über des Kaysers deutsche Wache bestellt war / ein Schreiben empfing / darinnen er ihn im Vertrauen versicherte: daß es dem Tiberius / mit den Deutschen Krieg zu führen / kein Ernst wäre; sondern er den Germanicus nur zu dem Ende in Deutschland zu fallen angestifftet hätte: daß er wie Varus darinnen sein Begräbnüß finden möchte. Die Deutschen könten auch den Tiberius durch keine Wolthat ihnen mehr versöhnen / als wenn sie / auf was Weise es immer seyn möchte / durch den Tod des Germanicus ihm einen so beschwerlichen Dorn aus dem Fuße zügen. Hertzog Arpus / als er diesen Brieff ablesen hörte /fing an: O schalckhaffter Tiberius! sollen die ehrlichen Deutschen die Werck-Leute deiner Meichelmörderischen Verrätherey seyn? Hertzog Jubil[1007] fiel ein: Ich glaube wohl / daß der grausame Tiberius wider den Germanicus / welcher alleine seinem Sohne Drusus in der Reichs-Folge im Wege stehen wird / nichts gutes im Schilde führe / und es ist einer der verschlagensten Staat-Streiche / wenn man einen Feind durch den andern aufreiben kan. Alleine dieses schiene ihm allzuweit gesucht / und hergeholet zu seyn: daß Tiberius deßwegen den Germanicus wider die Deutschen kriegen liesse / daß er von ihnen erschlagen würde. Er hätte hundert andere leichtere und minder gefährliche Mittel / dem Germanicus das Licht auszuleschen /und müste in Rom oder Gallien kein Gifft oder Dolch mehr zu bekommen seyn / welche zeither sein gemeinster Handwercks-Zeug gewest wären / und wodurch er noch neulich den Sempronius Grachus hätte hinrichten lassen. Diesem nach hielte er diß / was Diepholt schriebe / nicht für glaublich; und wenn man sich in Auslegungen fremden Thuns zu sehr überstiege / verliere man ins gemein die Wahrheit / wie die allzuhoch fliegenden Falcken die Reiger aus dem Gesichte. Allzutieffes Ausgrübeln einer Sache hätte zwar anfangs einen Schein grosser Wahrheit; alleine ein Loth mäßiger Klugheit wäre besser / als eine gantze Last Spitzfinnigkeit. Malovend hingegen versicherte sie: daß Diepholt so verschmitzt / und gegen ihn so verträulich wäre / daß er ihm nichts ohne Grund / weniger ihn dadurch zu verführen / schreiben würde. Hertzog Jubil antwortete: Es kan diß alles wohl seyn; und Tiberius hat wohl ehe einem was falsches / um den dritten dadurch zu betrügen / angebunden. Wie ich denn vielmehr glaube: daß man hierdurch die Deutschen einwiegen / und sie von einer mächtigen Gegenrüstung abhalten / oder deutscher zu sagen / unter dem scheinbaren Namen des Friedens betrügen wolle. Denn ich kan dem arglistigen Tiberius nicht zutrauen: daß nach dem er den Frieden einmahl aus Liebe des Krieges verletzet / er den angefangenen Krieg aus Verlangen des Friedens so bald endigen solle. Der Feldherr fiel Jubiln bey / und eriñerte sie dessen / was er ihnen zu Mattium von diesem Kriege wahrgesaget hätte; weil solches nun so genau eingetroffen / würden sie ihm hoffentlich dißmahl so viel leichter glauben / und sich von der geschlossenen Bereitschafft durch keine Friedens-Vertröstungen zurück halten lassen / welche die Römer am meisten im Munde führten / wenn sie im Hertzen den gifftigsten Krieg kochten. Im Kriege liesse es sich nicht zweymahl irren; Ein einiger Streich könte einem die Spann-Adern so verhauen: daß man hernach durch keine Klugheit oder Tapfferkeit wieder zu Kräfften käme. Wenn ein Fürst einmahl was wichtiges versähe / oder versäumte / verspielte er nicht nur sein Gelücke / sondern wenn er schon das Leben / und das gröste Theil seines Volckes erhielte / doch alles Ansehen: daß weder der Feind ihn mehr fürchtete /noch die Seinigen mehr was von ihm hielten. Sintemahl uns mit dem Glücke / auch der Menschen Gewogenheit verliesse; zumahl da auch die Glücklichen ihrer Schantze wahrnehmen müsten; weil man wohlgerathene Dinge ins gemein nur Zufällen / mißlingende aber unserm Versehen zuschriebe. Ja ein einig Versehen wäre im Kriege mächtig auch tapfern Leuten Hertze und Verstand zu benehmen / wie dem grossen Pompejus begegnet / welchen zu überwinden / es dem Kayser Julius eine schlechte Kunst mehr war / nach dem er auf einmahl allen seinen Witz und Hertze verlohren / das Gelücke ihn auch verrathen / oder wenigstens verlassen hatte. Daher müste man in allen unvermutheten Begebnüßen sich nicht selbst verlieren /sondern auf den schlimsten Fall vorher / oder auch /wenn er uns übereilet / alsobald was gewisses entschlüssen. In Uberlegung der Friedens-Geschäffte wäre die Langsamkeit / in denen des Krieges aber die Geschwindigkeit die Seele der Rathschläge. In diesen geriethe meistentheils am besten / was man sich aus den Steigereiffen[1008] entschlüsse; Denn diß könte weder vom Feinde vorgesehen / oder ihm verrathen; also darwider keine Anstalt gemacht werden. Daher auch der grosse Alexander so unglaubliche Thaten ausgeübt / weil er / seinem Wahl-Spruche nach / sich über nichts lange bedacht hätte. Was für einen unverwindlichen Streich hätten die Deutschen den Römern versetzen können / wenn sie seinem Rathe nach / sich der aufrührischen Legionen bemächtiget hätten. Diese schöne Gelegenheit aber hätten sie mit ihrem Zweifel und Schwerigkeiten versäumet. Diese wartete nicht auf unsere Langsamkeit / sondern entschlippte / wenn man nicht bald zugriffe / wie ein Aal dem Fischer aus den Händen. Sie würden auch lange warten müssen /biß sie wieder käme / als welche dieselben verschmähte / die ihrer nicht wahrnähmen. Jedoch müsten sie sich nicht zum andern mahl an diesen Stein stossen / sondern niemahls ausser acht lassen: daß Langsamkeit dem Glücke und der Gelegenheit; die Geschwindigkeit aber der grösten Macht vielen Abbruch thäte / und eine ausgemachte Sache erst einen Kopff hätte / eine unausgemachte aber einer unzeitigen Geburt gleichte. Unsern Zweck aber zu erreichen / werden unser Haupt / unser Hertze / und unsere Hände / redlich ihr Ampt verrichten müssen. Das Haupt wird als die Burg der Seele sein Gedächtnüß zu Betrachtung der vergangenen Zeit / unser Fehler /unsers Unglücks / und der Römischen Ehrsucht / seinen Verstand auf künfftige Jahre / und was uns nicht weniger vom Verhängnüße / als dem Feinde zuhenge /anwenden / also wie ein Janus / oder Kluger vorwerts und hinter sich sehen müssen. Unser Hertze muß als der Brunn des Lebens unserm Vornehmen eine lebhaffte Thätigkeit / als ein stets in Flammen schwebender Phönix / einen feurigen Eyver einflössen / als der Sitz des Willens / und der Liebe / alle unsere Regungen zur Eintracht und Liebe des Vaterlandes leiten; und wie nur ein Hertze im menschlichen Leibe ist /diß auch an sich selbst rein ist / und nicht wie andere Glieder einigen Unflat auswirfft; also muß auch unser aller Wille ein Wille / und unsere Aufrichtigkeit von aller Falschheit / und dem Kothe des Eigennutzes geläutert seyn. Unsere Hände / welche die Natur zu Gehülffen aller Sinnen / zum Werckzeuge der Vernunfft und des Willens gemacht / und ihnen Zahl / Gewichte und Maaß anvertrauet hat / müssen durch tapffere Helden-Thaten unsern itzigen Reden das Leben geben; und wir mit Warheit alles wohl abmässen / mit Scharffsinnigkeit überrechnen / unsere und der Feinde Kräfften mit Standhafftigkeit abwiegen. Auf solche Art wird von unsern Armen / als aus Brunnen / der köstliche Helden-Schweiß / und die güldene Tinte ewigen Nachruhms rinnen. Diese Ermahnung hatte bey denen andern Fürsten einen solchen Nachdruck: daß sie folgenden Morgen nicht allein eine richtige Eintheilung machten / was ein ieder Fürst auff das erste / andere und dritte Aufgebot für Kriegs-Volck gestellen / und für Vorrath liefern solten; sondern es ward auch der Graf von Arenberg zum Hertzoge Melo / der von Lingen zum Hertzoge Ganasch / Graf von Hohenstein an Malorich der Friesen / und den Grafen von der Lippe an Bojocal der Angrivarier Hertzog abgeschickt / um selbte zu bewegen / daß sie für die deutsche Freyheit nur einen Schirm-Bund mit ihnen aufrichten möchten.

Auf der Römer Seiten feyerte Germanicus eben so wenig; und weil die Legionen theils durch den Aufruhr / theils durch den Zug in Deutschland zimlich zerschmoltzen warẽ / schrieb er an Tiberius um Verstärckung derselben / und darbey; daß solches durch alte abgehärtete Kriegs-Leute geschehen müste / weil die Neulinge nicht einst die ernsten Gesichter der Deutschen zu vertragen vermöchten. Eben solche Anstalt wachte er in Hispanien und Gallien; welche ihm unter denen Hülffs-Völckern niemanden schicken solten[1009] / der nicht zum wenigsten fünf Jahr die Waffen getragen hätte / ließ daher auch ihnen an der Zahl ihrer Schuldigkeit ein ergebiges nach. Denn er verstund allzu wol: daß nicht viel Nahmen / sondern streitbare Armen den Feind schlügen / nicht die Anzahl vieler Menschen / sondern die Tugend weniger Kriegs-Leute den Krieg ausmachten / und mit einem mäßigen und geübten Heere Miltiades den Xerxes /Alexander den Darius / Lucullus und Pompejus den Mithridates geschlagen hätten / von derer Heere gantze Flüsse wären ausgetruncken worden. Sintemahl einer so unmäßigen Menge weder die Länder ausko entliche Verpflegung schaffen / noch die klügsten Feldherren ihrer Unordnung und Uppigkeit steuern können / welche Laster als Feinde in eigenen Busem und Lager unterhalten werden / also uns am nechsten und schädlichsten sind. Uber diß sind auch grosse Heere eben so wol / als ungeheure Leiber unberüglich. Sie lassen sich mit ihrem vielen Geräthe schwer über enge Gebirge und Flüsse bringen; also hindern sie nicht selten die besten Anschläge durch ihre Langsamkeit. Zu geschweigen: daß unter so vielerley Volcke die Eintracht nicht lange bestehen kan / und des einen Eyversucht dem andern nicht nur sein Unglücke gönnet / sondern selbst darzu beförderlich ist. Der aufachtsamste Feldherr kan auch unmöglich so viel Leute / und ihre Tugend und Unarten kennen; also weiß er nicht / was er diesem oder jenem vertrauen soll; und es derogestalt vonnöthen wäre: daß einem jeden seine Eigenschafft an die Stirne / wie sein Nahme auf den Schild geschrieben wäre. Dem Germanicus ward vom Käyser auch sein Wille erfüllet; und muste Junius Bläsus aus seinen Pannonischen / Sabinus Poppäus aus seinen Mäsischen Legionen zwölf tausend der besten Kriegs-Leute hergeben / welche durch Neugeworbene ersetzt wurden. Diese brachte Lucius Domitius mit zweyen Fahnen von des Tiberius Leibwache / wie auch fünf tausend auserlesene Rhätier und Vindelicher zu Hülffe. Die Hispanier und Gallier stritten auch mit einander / wer unter beyden mehr alte Soldaten / die besten Pferde / das meiste Geld und Getreyde beytragen könte. Es war dem Germanicus aber noch nicht genung / aus dem Kerne anderer Völcker etliche Heere aufzurichten; sondern er brauchte alle nur ersinnliche Kunststücke / sparte auch keine Unkosten die Sicambrer und Chauzen mit in Krieg zu verwickeln. Denn ob es zwar sonst nicht rathsam ist / des Feindes Lands-Leute wider ihn zu führen; weil sie sich leichte mit einander verstehen und vereinbaren; also die Heimligkeiten verrathen /und im Fall der Noth einen nicht selten im Stiche lassen; so wuste doch Germanicus: daß die Deutschen alle andere Völcker an Treue überträffen / jedoch insgemein mit einander zwistig- und wider einander zu kriegen gewohnet wären. Daher auch die Römer so wol zu Rom / als zu Mayntz / und im Lager / diese gewohnte Art zu beten hatten: die Götter möchten doch die Deutschen in ihrem gegen einander habenden Hasse erhalten / wenn sie ja den Römern nicht gut seyn wolten. Sintemahl das Verhängnüs dem Römischen Reiche keine grössere Wolthat leisten könte /als wenn es seine Feinde in Zwietracht erhielte. Daher hatte er diese Gefahr nicht groß zu besorgen; sondern er wuste vielmehr: daß Cäsar ohne die Bataver die Heduer und Arverner nicht zum Gehorsam gebracht /weniger sich ohne die deutsche Reiterey Galliens so leichte bemächtiget; er auch ohne die Vangionen / Bataver / Menapier / nicht den Pompejus / noch August den Antonius überwunden haben würde; ja er selbst hatte schon erfahren: daß es die Deutschen ohne Deutsche zu überwinden unmöglich wäre. Tiberius bediente sich auch hierzu Adgandesters und Sentiens / als zweyer recht in seinen Kram dienender Werckzeuge; wiewol diese nirgends offentlich als Gesandten erschienen / sondern nur heimlich / und also desto gefährlicher ihr Gifft ausschütteten.[1010] Germanicus aber schickte den Domitius an Hertzog Ganasch / und an Bojocal den Fürsten der Angrivarier / den Stertinius zum Hertzoge Melo / und Malorich der Friesen Hertzoge. Beyde versicherten die deutschen Fürsten: daß die Römer über dem Rheine keinen Kloß Erde eigenthümlich verlangten. Es hätte Käyser August auch in einer besondern Schrifft seine Nachfolger nachdrücklich beschworen: daß sie die Gräntzen des Römischen Reichs nicht über den Eufrat und den Rhein in Deutschland / welches ohne diß den Römern eine neue Welt zu seyn schiene / nicht erstrecken solten. Welche Warnigung er / dem Vermuthen nach / in den Sibyllinischen Büchern gelesen hätte / darinnen stehen solte: daß Rom ewig blühen würde / wenn es nicht von Deutschen zerstöret würde. Daß diese Mäßigung auch Augustens rechter Ernst gewest wäre /könte man daraus ermässen: daß er diß / was Ventidius über dem Eufrat / und Käyser Julius in Britannien behauptet / ohne einige Noth gutwillig hätte fahren lassen. Nach dem aber die unruhigen Cherusker und Catten alle Mittel und Wege suchten / sich an die Römer zu reiben / andere deutsche Völcker wider sie verhetzten / und Gallien zu beunruhigen oder zu erobern; ja der hochmüthige Herrmann / welcher mit dem Varus das halbe Römische Reich verschlungen zu haben ihm träumen liesse / eine allgemeine Herrschafft über Deutschland im Schilde führte / würden die Römer mit den Haaren darzu gezogen: daß sie die Cherusker und Catten demüthigen / Gallien also Ruhe / und Deutschlande Sicherheit schaffen müsten. Also wäre dieses eine gemeine Sache; es hienge so wol anderer Deutschen Völcker / als der Römer Wolstand daran; daher solten sie die Waffen mit ihnen wider diese Frieden-Störer vereinbaren. Die Römer wolten sich an der Ehre des Sieges vergnügen / der Deutschen solte die Beute und das Land seyn / welches sie erobern würden. Hingegen hielten die Cherusk- und Cattischen Gesandten denen deutschen Fürsten ein: die deutsche Freyheit stünde nun auf der Spitze / sie entweder durch Tapfferkeit zu erhalten / oder durch Zagheit zu verlieren! die Römer zügen am Rheine eine solche Macht zusammen / dergleichen sie zu Bezwingung der übrigen Welt nicht gebraucht oder bedörfft hätten. Griechenland wäre mit dreyẽ / gantz Asien kaum mit vier Legionen gewonnen worden. Auf den Gräntzen Deutschlandes aber stünden zwölff Legionen. Noch vielmehr Völcker aber gäben andere Länder her / welche die noch allein übrige Freyheit der Deutschen mit neidischem Auge ansähen; und die Schande ihrer Dienstbarkeit durch Unterdrückung der Deutschen auszuleschen vermeinten. Die Römer schielten die Deutschen für Barbern / schätzten sie kaum für halbe Menschen; und die / welche gleich mit ihnen Freunde und Bundsgenossen / oder rechter zu sagen ihre Zinß-Bauern- oder Dienst-Knechte wären /und an allen Enden der Welt / wo sie ihre Herrschafft auszuspannen gedächten / ihnen die Bahn brechen /den Kopff zerstossen / und durch ihr Blut den unersättlichen Römern Länder erwerben müsten / dörfften nicht einst des Nachtes / und gewaffnet / ihrer Nothdurfft halber über den Rhein / oder die Donau fahren; gleich als wenn sie Nacht-Diebe oder Degen zu tragen unwürdig / oder Meuchel-Mörder wären. Ja wenn ein Kauffmann aus Deutschland seiner Geschäffte halber irgends wohin reisete / müste er an der Gräntze einen Römer zum Aufseher seines Vorhabens mit sich führen und bezahlen; gleich als wenn sie Unkraut säen /Brunnen und Bäche vergifften würden. Welch Deutscher könte denn zu so mißträulichen und gehäßigen Leuten sich was gutes versehen? Sie wären zwar Meister ihre Herrschenssucht mit dem Firnße der Freundschafft und Bündnüsse zu überziehen; Mit diesem hätten sie die über dem Rheine wohnenden Tribozen /Vangionen / Nemeter / Trirer / Nervier / Ubier / und andere[1011] Deutschen beredet / daß sie ihnen Gallien hätten helffen einnehmen; aber diese Römischen Wallfische hätten hernach auch von ihnen einen nach dem andern verschlungen. Eben biß wäre des Germanicus itziges Kunststücke: daß er durch die Sicambrer und Chauzen / die Cherusker und Catten / er aber als ein viel schlauerer Cyclope / hernach jene verschlingen wolte. Dahero seine vertrautesten Freunde sich keiner grössern Wolthat / als welche Polyphemus Ulyssen viel redlicher vorher gesagt / sich zu getrösten hätten. Germanicus gäbe für: die Römer verlangten keinen Fußbreit Erde über dem Rheine zu besitzen. Zu was Ende hätten sie denn die Festung Alison an der Lippe und Ambre / auf dem Berge Taunus / und an der Fulde erbauet; und nachdem diese Kapzäume der Freyheit nach des Varus Niederlage abgestreifft worden / zu was Ende hätte Germanicus das Monden-Altar an der Lippe / das Lager am Munde der Emße /und am Munde des in den Rhein fließenden Mäyns einen so grossen Umkreiß zu befestigen angefangen? Zu was Ende verneuerte er seinen Anspruch auf das beste Gebiete der Catten / nemlich die gantze Landschafft der Mattiacher; welche für Zeiten nach Mäyntz gehöret haben solten. Warum machte er Anspruch an den Streiff am Rheine zwischen der Ruhr und Lippe /als ein gewesenes Eigenthum ihrer Ubier? Absonderlich aber stellte der Graf von Arenberg dem Hertzoge Melo für Augen: daß die Römer mit der Zeit gegen ihn einen viel scheinbarern Anspruch machen würden; theils weil er das meiste Gebiete der Ubier / welches sie noch zur Zeit des Käysers Julius eigenthümlich besessen / und wegen des mit den Römern gehabten Verständnüsses / für denen sie verdringenden Catten und Sicambrern verlassen müssen; theils auch die Aecker der vom Agrippa in Gallien versetzter Sicambrer / welche nun so wol / als die Ubier / Römische Unterthanen wären / inne hätte. Eben dieses Joch würde er mit seinen noch freyen Sicambrern / Tencterern und Juhonen anziehen müssen. Würde dieses aber wol denen unbändigen Sicambern erträglich seyn; welche mit seinem hertzhafften Vater Bäoris am ersten dem über den Rhein setzenden Julius den Kopff geboten /und ihn die Brücke abzubrechen gezwungen hätten? Also könte er nicht glauben: daß die Sicambern itzt eine dem Germanicus über den Rhein bauen solten. Die Sicambrer hätten mit den Tencterern und Usipetern den Lollius aufs Haupt und Rom eine bis ans Hertz gehende Wunde geschlagen. Sie hätten das Hertze gehabt: daß als alle Völcker der Welt sich für dem August gedemüthigt / in Gallien einzubrechen /und ihn an Schlüssung des Janischen Tempels zu hindern. Nun aber wolten sie dem Tiberius / welcher Augusten nicht das Wasser reichte / die Pforten ihres eigenen Vaterlandes angelweit aufsperren? Niemand wäre von Römern so sehr als Hertzog Melo vom Varus an seiner Tochter beleidigt / und er wolte mit denen Ehrenraubern in so schändliche Verträuligkeit treten? Hertzog Melo hätte den Ruhm: daß er wider den Varus zum ersten den Degen gezuckt; und die Sicambrer hätten wegen ihrer unverträglichen Dienstbarkeit den Nahmen Franck / und freyer Völcker / und der Urheber der Freyheit in Deutschland erworben. Also wäre dem Feldherrn unglaublich / und unbegreiflich: daß sie den Cheruskern und Catten wolten helffen Römische Fessel an-ihnen aber selbst Fuß-Eisen legen. Dem Hertzoge Ganasch hielt der Graf von Lingen für: daß ihm weder die Cherusker noch Catten einiges Unrecht gethan / wol aber Adgandester uñ Sentia ihn beleidigt; der Hertzog aber über seinem Eydame dem Fürsten Catumer sich mehr zu erfreuen als zu betrüben hätte. Wenn er aber ja vom Fürsten Catumer wahrhafftig beleidiget wäre / solte er diß nicht alle Catten / weniger die Cherusker / noch alle Deutschen entgeltẽ lassen / und das seinem Hause angethane Unrecht sich nicht zur Rache wider das gemeine Wesen anreitzen lassen; sondern[1012] von denen bey ihm so hochgeschäzten Römern ein Beyspiel nehmen / und Catumern wie Fabius dem Papyrius / wie Grachus dem Scipio die Beleidigung der Deutschen Wolfarth halber verzeihen / oder zum wenigsten den Zorn wie Aristides und Themistocles so lange an Nagel hencken / biß er ihn ohne Deutschlandes Gefahr auszuleschen Gelegenheit bekäme. Keine grössere Helden-That aber könte er sein Lebtage ausübẽ / als wenn er seinem Feinde nicht nur vergäbe; sondern ihn gar wider unrechte Gewalt beschirmte. Wie viel Schaden aber seines Unwillens halber er ihm und Deutschlande schon gethan habe / würde er bey genauer Uberlegung selbst befinden; da er nemlich durch die den Römern geschehene Einräumung des Eylands Burhana und des Emse-Mundes ihm einen Dorn in Fuß gestochen / welchen er seinen Chauzen so bald nicht heraus ziehen würde / die doch den Drusus von ihrem Gestade mit so grossem Ruhme abgetrieben / und zu Erlegung des Varus ein so merckliches durch ihre Helden-Thaten beygetragen hätten. Es wäre aber viel verkleinerlicher von der Tugend absetzen / als derselben niemahls habhafft worden seyn. Den Hertzog der Friesen Malorich erinnerte der Graf von Hohenstein: daß sie ein Theil der mit so viel Siegen gekrönten Sicambrer wären; Sie auch durch ihre Schifffarthen sich zu Meistern des grossen Meeres und der Winde gemacht hätten; also stünde ihnen als freyen Leuten und unerschrockenen Land- und See-Helden die Römische Knechtschaft nicht an. Die Römer hätten sie mit ihrem Liebkosen / die Bataver mit ihrem Beyspiele verführet; daß sie unter dem Scheine einer freywilligen Beysteuer / von Rind-Ledern den unvergnüglichen Römern wären zinßbar worden. Sintemahl sie dieses Geschencke nunmehr jährlich als eine Schuldigkeit forderten / ja sich numehr nicht an gemeinen Ochsen-Häuten vergnügten / sondern nur von wilden Auer-Ochsen den Zinß annehmen / und ihr Land allemahl zu kriegerischen Durchzügen offen- und die Sümpffe mit Brücken ausgebessert haben wolten. Die Römer wüsten diese Dinge zwar mit dem scheinbaren Nahmen freyer Verwilligungen / Geschencke und Gutwilligkeit zu bekleiden; es wären aber warhafftig Schatzungen und Frohndienste. Die gebohrnen Knechte würden nur einmal Dienst-Bothen / aber von ihren Herren unterhalten; die hertzhafften Friesen aber kauften sich alle Tage in die Dienstbarkeit. Sie meinten: es wäre derselben Völcker / welcher das Verhängnüs schonete / grosses Unglück / wenn sie nicht von Römern überwunden würden; gleich als wenn sie mit Anlegung ihres Joches den Deutschen noch eine Gnade thäten / und sie nicht aus Begierde zu herrschen / sondern aus Liebe ihres bestens sie bekriegten / und sie alleine die Ehre haben wolten: daß sie die Barbarn auch wider ihren Willen in einen bessern Stand versätzet hätten. Uber diß stäche die geitzigen Römer in der Welt nichts mehr in die Augen als die Schiffarth der Friesen / weil sie wol wüsten: daß durch diese die Griechen das goldene Flüß aus Colchis geholet; die Tyrier so grosse Schätze gesammlet /Carthago sich so schrecklich gemacht hätte. Diese mächtige Stadt wäre durch die Mißgunst der Römer gefallen; und ihr Neid würde auch der Friesen Fallbret seyn / die Römer zu Herren der Ost- und West-See /der noch für ihren Augen und Waffen verschlossenen Atlantischen Eylande / und folgends der gantzen Nord-Welt machen / die sie auf die Brücke der Römer treten / und ihnen sonderlich mit Schiffen behülflich seyn; also die Deutschen an dem Orte / wo sie die Natur mit dem Meere am meisten befestigt hätte / anzugreiffen den geringsten Vorschub thun würden. Dem Fürsten Bojocal machte der Graf von der Lippe die von den Cheruskern genossene Wolthaten indenck; welche vorlängst von den Chauzen wären vertrieben worden / wenn sie nicht die Cherusker zu Rückenhaltern gehabt hätten. Da die Römer auch den Meister in Deutschland spielen solten / wären die Angrivarier schon[1013] ein dem Hertzoge Ganasch zu schlachten besti tes Opffer / itzt aber der Wurm an der Angel / mit welchem Domitius ihn als einen lüsternen Fisch fangen wolte. Alle Gesandten zusammen wusten auch nachdrücklich zu entwerffen; wie die Römischen Bürger nach nichts in der Welt mehr lüstern wären; als daß gekrönte Häupter und Fürsten für ihnen die Knie beugen möchten; ja alle Römer wären den ersten Tag höfliche Gäste / den andern verdrüßlich / den dritten unerträglich; von welchen schon Mithridates vernünfftig geurtheilet hätte: weil die Urheber der Stadt Rom von einer Wölffin wären gesäugt worden / hätten alle Römer Wolffs-Magen / welche weder mit Gelde / noch Ländern / noch Blute zu ersättigen wären.

Es ist schwerlich zu glauben / was diese widrige Handlungẽ der Römischen und Deutschen Gesandten an allen Höfen für widrige Regungen erweckten; sintemahl Domitius und Stertinius kein Geld spareten /so wol der Fürsten Räthe zu bestechen / als sie selbst durch Anbietung vielen Geldes zu Unterhaltung der auf den Beinen habenden Kriegs-Völcker zu gewinnen. Denn weil die Römer nach Jugurthens Urthel und Erfahrung selbst so geartet waren: daß man wider sie mehr mit Golde als mit Eisen ausrichtete / verstanden sie so viel besser / wie mit diesem mächtigsten Geschütze / nemlich Gelde und silbernen Spißen / andere zu gewinnen / und durch heimliche Freygebigkeit ein und anderm Volcke die Stricke der Dienstbarkeit anzuschlingen wären. Wenn jemand so redlich war /daß er seinen freyen Willen ihnen nicht ums Geld verkauffen wolte / mit dem fiengen sie ein Spiel an; weil sie genugsame Nachricht hatten / wie die Deutschen hierzu einen so hefftigen Hang hatten. Hiermit brachten sie durch befließenes Verspielen auch den Ehrlichsten / oder auch ihren Frauen durch Geschencke ihren betrüglichen Vogel-Leim der Gemüther bey. Uber diß betheuerten sie ihre gute Meinung gegen Deutschland durch viel Schwüre / bey dem Geiste und Glücke des Tiberius / und sätzten darbey ihnen selbst die Schwerdter an die Gurgel. Welche Art bey denen mehr die Straffe der Menschen / als die Rache der Götter fürchtenden Römer die kräfftigsten Eyde seyn solten. Wordurch sie aber den Deutschen einen ziemlichen blauen Dunst für die Augen mahlten; als derer redlichen Einfalt unwissend war: daß ehrsüchtige Fürsten mit Eyden / wie die Kinder mit Seiff-Blasen oder Bällen spieleten. Nichts desto weniger würden diese Streiche mehr nicht gewürcket haben; als daß Melo /Ganasch / Malorich / und Bojocal mit den Händen in der Schoß beyder Theile Krieges-Spiele zugesehen /oder zum höchsten Melo nur seine tausend Tencterische Reiter / vermöge vorigen Bündnüsses den Römern beygefügt / durch diese für angehendem Kriege versprochene Hülffe aber mit den Catten und Cheruskern nicht gebrochen haben würde. Sintemahl es numehr aufkam: daß solche nach gewissem Maaße geschehende Angriffe für keinen Krieg oder Feindschafft angenommen werden dorffte; gleich als wenn abgemäßene Wunden keine Verletzung abgäben. Denn ob zwar die Römischen Gesandten diesem besorglichen Ausschlage vorzukommen meinten / und denen deutschen Fürsten vorstellten: daß die Furcht ein böser Rathgeber; diese aber der Vater mittelmäßiger Entschlüssungen wäre / welche im Kriege dem Feinde Zeit und Hertze zur Gegenwehr gäben; weder einen noch den andern vergnügten: sondern bey unsern Freunden den Nahmen der Undanckbarkeit bekämen / die Feinde uns aber für diese Kaltsinnigkeit nicht verbunden würden / und man sich in einheimischen Kriegen / wenn man weder auf einer noch der andern Seite hienge / sich nur in Gefahr sätze / des Uberwinders Beute zu werden. Dahero sie nach dem Beyspiele der Aertzte / welche in zweiffelhafften Kranckheiten für rathsamer hielten / eine ungewisse- als gar keine Artzney zu gebrauchen / in Sachen welche die Herrschafft angiengen /[1014] und zwischen Höhe und Thal kein Mittel vertrügen / sich auf eine oder andere Seite / welcher sie den Sieg zutrauten / schlagen möchten; so steckte doch allen auf einer Seite die Macht der Römer / auf der andern die Gefahr der Deutschen Freyheit so tieff im Kopffe: daß beyde sich mit einander zermalmeten / und sie einander wie ein Schwerdt das andere in der Scheide hielten; also allerdings die Erfahrung erhärtete: es liessen sich mittelmäßige Rathschläge leichter tadeln / als im Wercke verwerffen. Alleine dieser Mittel-Punct ward durch Arglist ehe / als ihnen die Römer selbst einbildeten /verrückt. Denn weil Adgandester und Sentia vernahm: daß weder Melo noch Ganasch / welche denen andern zum Beyspiele der Nachfolge dienen solten / von ihrer Meinung durch keine Vorbildung in der Welt abwendig zu machen seyn würden / kamen sie auf ihre gewohnte Springe der Sache durch Betrug und Verfälschungen zu helffen; welche als verborgene Stricke so viel schwerer zu vermeiden seyn. Worzu ihnen deñ sonderlich die angebohrne Leichtglaubigkeit des Cheruskischen Hertzogs so viel mehr Anlaß gab / und weniger Furcht machte / wiewol ihre Boßheit vergrösserte. Diesem nach verfügte sich Adgandester nach Niemegen der Bataver Haupt-Stadt an der Maaß /welche Kayser Julius mit einem Schlosse versehen hatte; daselbst hielte er mit dem Fürsten Cariovalda über seine Zurüstung wider die Cherusker allerhand Rathschläge / und schwuren einander in dem nahe darbey gelegenen heiligen Heyne auff dem Altare der Leva / welche der Bataver gröste Göttin war / einen theuren Eyd: daß sie nicht ehe ruhen wolten / als biß sie die Cherusker unter der Römer Botmäßigkeit gebracht hätten. Von dar zohen sie mit einander nach Lugdun / von welchen nicht weit der mitlere Arm des Rheines bey dem Brittischen Schlosse ins grosse Meer fällt. Daselbst erkaufften sie ein Cimbrisch Schiff / und etliche Cimbrische Schiffer / diese richteten sie ab: daß sie mit Fleiß auf denen Chauzischen Sand-Bäncken stranden und berichten solten: daß auf dem Schiffe ein vornehmer Cheruskischer Ritter /welcher beym Könige Frotho in Botschafft gewest wäre / mit seinen Leuten / weil sie nicht hätten schwimmen können / ertruncken wäre. Wenn sie nun von den Chauzen würden angehalten und befragt werden; solten sie denselben eine stählerne Schachtel /welche ihnen der Gesandte als einen besondern Schatz dem Cheruskischen Herzoge zu überbringen anbefohlen hätte / zustellen. Diese Cimbern richteten den Befehl fleißig aus / segelten dem Munde der Weser zu; und nach dem sie sich in einen kleinen Nachen begeben / liessen sie früh das Schiff auf eine Sandbanck anlauffen / und von Wellen zerschlagen /und nach dem sie auf einem Eylande festen Fuß beko en / durchbohrten und ersäufften sie diesen Nachen; welchen Vorwand ihnen der dicke Nebel und der ziemlich starcke Nord-Ost Wind bey denen Chauzen ziemlich beglaubt machte / welche sie / als die Sonne den Nebel unterdrückte / in Hoffnung einer reichen Strand-Beute gefangen nahmen / und zu dem Chauzischen Befehlhaber in die nahe darbey liegende Cattenburg brachten. Daselbst wurden sie von ihrem Schiffbruche befraget / ihre Kleider durchsucht; und weil die stählerne Schachtel was besonders in sich zu haben schien / ihre Nachrichten wegen des Cheruskischen Gesandten / den sie hätten an der Ostseite der Elbe zu Marionis aussätzen müssen / bedencklich schienen / wurden sie mit der verschlossenen Schachtel nach Fabiranum zum Hertzoge Ganasch geschickt. Als dieser solche öffnete / fand er darinnen zwey Schreiben vom Könige Frotho / eines an Hertzog Herrmann / das andere an Arpus. Beyde aber waren deß Inhalts: Es thäten beyde Fürsten rühmlich; daß sie denen Römern / derer Macht auch numehr der eussersten Nordwelt verdächtig zu werden anfienge / mit einem so tapffern Helden-Muthe[1015] begegnen wolten. Nach dem aber Deutschland zwey so gefährliche Nattern / als Hertzog Melo und Ganasch wäre / in seinem Busen nehrte / wäre ihr Anschlag gar gut: daß sie beyde so lange mit guten Worten und Einladungen in ihr Bündniß unterhielten / biß sie beyde mit ihrer Macht / ehe die Römer zu diesen Verräthern ihres eigenen Vaterlandes stossen könten / als ein Blitz überfielen und erdrückten. Er wolte bey ihrem vernommenen Einfalle / so viel die Sicherheit seines Reiches wegen der ihm verdächtigen Caledonier / Orcader /und Svioner liedte / eine ergebige Schiff-Flotte an das Chauzische Gestade schicken / die ihnen verdächtigen / ihm aber in der Schiffarth / und seiner über das West- und Ost-Meer habender Herrschafft keinen geringen Eintrag thuenden Friesen im Zaume halten /und zu Züchtigung dieser Völcker / welche ihrer eigenen Freyheit / und der Deutschen Sicherheit so gram wären / behülfflich seyn. Es ist nicht zu sagen / wie Ganasch über diesen Schreiben anfangs bestürtzt /hernach auf den Feldherrn und Hertzog Arpus entrüstet ward. Wie dieser Betrug so scheinbar angesponnen war; also verstatteten ihm seine so hefftige Gemüths-Regungen nicht: daß er das Siegel und die Handschrifft des Cimbrischen Königes genau untersucht hätte. Zu allem Unglücke war auch den Tag vorher der Graf von Hohenstein mit dieser vergnüglichen Abfertigung: daß er weder den Römern noch Deutschen helffen / auch keinem den Durchzug durch sein Gebiete verstatten wolte / abgereiset. Domitius machte aus Unvergnügen sich ebenfalls Reise-fertig. Diesem ließ Hertzog Ganasch zu entbieten: daß er für seinem Wegzuge ihm noch einmal Verhör geben wolte. Weil nun Domitius dem Hertzoge zu liebkosen Ursach hatte / um durch seine Empfindligkeit nicht noch zu einer schli ern Entschlüssung zu veranlassen / fand er sich ungesäumt ein / und den Hertzog zwar in ziemlicher Verwirrung / aber freundlicher als iemahls zuvor. Er hielt auch nicht lange hinter dem Berge; sondern sagte dem Domitius: Er hätte nicht ohne erhebliche Ursache etwas gutes biß auf den letzten Augenblick seiner Abreise versparet. Nunmehr aber erklärte er sich nicht nur für einen treuen Bundgenossen des Tiberius; sondern auch für einen Feind der Cherusker und Catten; wenn die Römer ihm zu seiner Rüstung die angebotenen Waffen und Hülffs-Gelder lieferten. Ihnen solte die Weser und Emse mit ihren Hafen / und sein gantzes Land offen stehen. Er wolte den Domitius auch in seinem Gebiete herum führen lassen: daß er anwiese / wo es sich am besten schickte durch die Sümpffe Tämme zu führen / um die Reuterey / das Geschütze und das Kriegs-Geräthe desto besser fortzubringen. Er wolte ihm auch Schreiben an den Frieß- und Sicambrischen Hertzog mitgeben / und Gesandten nachschicken / welche einen unfehlbaren Nachdruck haben würden / sie zu gleichmäßiger Erklärung zu bewegen. Domitius glaubte fast seinen eignen Ohren nicht; so unvermuthet kam ihm diese annehmliche Zeitung / vielleicht weil die Furcht leichtglaubiger ist / als die Hoffnung. Nach dem aber Ganasch seinen guten Willen gegen die Römer / und den Haß gegen die Cherusker und Catten ie länger ie mehr mit ziemlicher Offenhertzigkeit heraus ließ; wuste Domitius kaum Worte genug zu finden ihm zu dancken / und ihn aller vorigen Anbietungen zu versichern. Absonderlich nahm er seine Erklärung wegen der hochnöthigen Tämme an; und versprach die zu solcher Arbeit mehr geschickten Chauzen mit Römischem Gelde alle Wochen richtig zu bezahlen. Hiermit nahmen sie von einander ohne eusserliche Friedens- oder Liebesbezeigung Abschied / damit ihr Bündnüß nicht denen in guter Verfassung stehenden Cheruskern zu zeitlich kundig würde. Domitius reisete folgenden Morgen mit Ganasches eigenhändigen Briefen aus Fabiranum / und besahe unterweges[1016] mehr zum Scheine / als aus Noth / die Gelegenheit zu den Tämmen ab; Weil er bey seiner Anwesenheit theils selbst / theils durch seine bey sich unter der Gestalt schlechter Diener habenden Feldmesser und Bauleute / bey Jagten und Spazierfarthen / das gantze Chauzische Gebiete ausgekundschaffet hatte / derer er etliche dem Hertzoge Ganasch zu Angebung des Baues zurücke ließ. Domitius kam unvermuthet nach Manarmanis an dem Flevischen See zum Hertzoge Malorich / bey welchem der Graf von Hohenstein sein Ansuchen derogestalt unterbauet hatte: daß er mehr auf die Seite der Cherusker und Catten als der Römer hienge / und den Domitius gar schlecht und kaltsinnig bewillkommen ließ. Nach dem er aber das vom Domitius überbrachte Schreiben Hertzog Ganasches gelesen hatte / that er ihm alle ersinnliche Ehre an; und nach dem der Ritter Ludingshausen zween Tage darauf ankam / und dem Malorich des Cimbrischen Königes Schreiben vorzeigte / war dieser in dreyen Tagen mit dem Domitius richtig; welcher denen Friesen den alten Zinß der Ochsen-Häute erließ / alle Monate fünff hundert Pfund Silber / die benöthigten Waffen zu reichen / hingegen Malorich seinen Vetter Cruptorich mit fünff tausend Friesen den Römern zu Hülffe zu schicken / tausend Boots-Leute zu geben /freyen Durchzug zu Wasser und Lande zu verstatten /auch zwischen der Isel und Emße durch die Moräste auf Römische Unkosten Tämme bauen zu lassen versprach. Der Graf von Hohenstein kriegte zwar hiervon Wind; aber weil die Ursache dem Malorich und Domitius alleine bekandt war / konte er sie durch kein Geschencke oder andere Künste erfahren; also sie weniger als Aertzte verborgene Kranckheiten heilen; zumahl ihm auch Malorich kein Gehöre mehr geben wolte / sondern ihn bescheiden ließ: daß / nach dem sein Begehren eine lange Bedenckzeit bedörffte / er sich zu Manarmanis nicht länger aufhalten dörffte.

Unterdessen befand sich Sentia zu Techelia an dem Hofe Hertzog Bojocals. Dieses war ein junger wolgewachsener Fürst von zwey und zwantzig Jahren / und hatte nach Gewohnheit der was frembdes zu sehen begieriger Deutschen etliche Jahr in Gallien und zu Rom zubracht / wo die meisten Sachen fürlängst ihre rechte Nahmen verlohren hatten / und die ärgsten Laster im Goldstücke der Tugend hergiengen. Sintemahl man die Verwegenheit alles Böse zu stifften Tapfferkeit /die Hoffart eine Großmüthigkeit hieß / die Verschwendung zur Freygebigkeit / den Geitz zur Sparsamkeit / die Grausamkeit zur Gerechtigkeit / den Aberglauben zur Gottesfurcht machte / und die / welche in Wollüsten andern es zuvor thäten / für aufgeweckte Leute / unkeusche Bälge für den Ausbund des Frauenzimmers hielt; also in der Welt mehr kein so genanntes Laster zu finden war / und die Römer ihnen einbildeten: daß sie mit Uberwindung so vieler Völcker auch die Botmäßigkeit überkommen hätten / zu sätzen / was künfftig Sünde oder Ubelthat seyn solte. Da sie vielmehr sich hätten bescheiden sollen: daß Laster bey grossen Leuten kein besser Ansehen bekämen / und ein heßlicher Fleck mehr Purper und Seide / als ein hären Kleid verstellte. Von diesen bösen Sitten hatten ihm einige insonderheit den Hang zur Wollust angeklebt; welche seine gute Geburtsart uñ die Unschuld der Deutschen Sitten mercklich verterbt /und ihn gleichsam zu einer Mißgeburt / welche halb Tugend / halb Laster war / gemacht hatten. Nach dem er auch nach seines Vaters Tode gleich wieder in Deutschland kommen war / konten die guten Beyspiele das Böse / welches ihn gleichsam wie ein scharffer Geruch gantz durchzogen hatte / ihn so bald nicht wieder in ersten Stand versätzen. Denn die Begierde findet sich wie ein Fremdling ein; welcher nur auf wenige Augenblicke Herberge suchet; sie machet sich aber bald zum Gaste / uñ wird endlich gar ein Herr vom gantzen Menschen. Also war[1017] Bojocal nicht mehr seiner selbst mächtig: sonderlich weil er in die Hände der Zauberin Sentia durch die mit Segesthen habende nahe Anverwandnüß gerathen war; welche auf Betrug und Uppigkeiten alle ihre Scharffsinnigkeit angewehrte / und es dem Bojocal niemahls an Oel der Wollust ermangeln ließ / die Ampel seiner Begierden damit zu unterhalten. Mit diesen Künsten führte sie ihn gleichsam an einer Schnure. Ob sie ihn nun zwar eben so zu ihrem Willen hatte / so war sie doch niemals mächtig gewest / ihn zu bewegen: daß er um so schnöden Liebe / die des Vaterlandes ausgezogen / und sich mit den Römern wider selbtes verbunden hätte. Weil aber Sentia sich nur frembder Geilheit zum Werckzeuge /ihre Anschläge der Römischen Herrschafft zum besten auszuführen gebrauchte / hatte sie doch niemahls ihre eigene Ehre versehret / ungeachtet sie so schön war / als eine Römerin seyn konte; und sie war mit so viel Geiste ausgerüstet / als zehn greuliche Frauen zu ihrem Liebreitze von nöthen hatten. Bojocal hatte bey seiner mit Sentien führenden Verträuligkeit wohl hundertmahl sie versucht / und an sie gesätzt / aber auch so vielmahl in seinem Begehren Schiffbruch gelitten /und von ihr mehr als einmahl die Antwort erhalten: daß eine Frau / welcher die Seele der Keuschheit / und der hieraus flüssende Geruch eines guten Nahmens abgienge / ein stinckendes Aaß wäre; also daß man wegen ihrer mit so viel andern Lastern vermängter Keuschheit und Klugheit sie füglich mit dem Egyptischen Acker vergleichen konte / in welchem die edelsten und gifftigsten Kräuter wachsen. Alleine / wie ist es möglich / daß die Tugend in die Länge unter so viel Lastern unversehrt bleiben solle? Scharffer Knobloch und Zwibeln verterben zwar nicht die neben ihnen stehenden Gewächse / sondern die Rosen bekommen vielmehr davon einen stärckern Geruch / der Spargel einen bessern Geschmack. Denn die Laster sind viel schädlich- und anfälliger / als beschwerliche Eigenschafften natürlicher Gewächse / derer keines zu finden / was nicht seinen guten Nutz / wie unangenehm oder auch gifftig es zu seyn scheinet; Laster aber sind von ihrer Wurtzel und in allen Würckungen böse. Dahero sie nicht nur die Tugend entkräfften /sondern wie die Wicken den Weitzen zu Bodem reissen und erstecken. Wohlrüchende Rosen und Sandal-Holtz zeucht durch Beherbergung stinckender Dinge den Gestanck an sich / also wird das edelste Gemüthe / wenn es sich zu einem Gefässe nur eines Lasters gebrauchen läst / angesteckt. Ja die Tugend hilfft den Lastern / wenn sie selbte vergesellschafftet / noch mehr auff die Beine / wie der köstliche Balsam den Bockintzenden Gestanck und die Amber- und Zimmet-Kuchen den faulen Athem noch unerträglicher machen. Bey solcher Bewandniß konte Sentiens Keuschheit nicht lange den Stich halten / sondern sie kam nach Techelia mit dem Vorsatze den Bojocal zu gewinnen / solte es gleich mit Verlust ihrer Ehre geschehen. Nach dem sie aber gleichwohl lieber eine Kuplerin / als Ehbrecherin seyn wolte; vielleicht weil alle andere Laster unsern Leib nicht berühren / die Unzucht aber ihn und uns inwendig besudelt / nahm sie mit sich vier schöne Mägdlein von funffzehn Jahren. Die erste war eine Amazonin aus dem Caspischen Sarmatien / welches Ostwerts das Caspische Meer / gegen Mittag Albanien / gegen Abend den Caucasus / gegen Nord den Fluß Rha zur Gräntze hat. Dieses Land ist bey nahe das schönste in der Welt. Auf den Feldern wachsen von sich selbst Tulipanen /Narcissen / und Hiacynthen / die wilden Bäume tragen die vollkommensten Früchte / die Schaafe bessere Wolle als die Spanischen. Ihre Pferde holen die Hirschen im Lauffe ein / welche sie mit Hauffe jagen /und davon das Marck als die kräfftigste Stärcke des Leibes essen. Fürnehmlich aber hat es das schönste Frauenzimmer in Asien / und diese die schönsten Augen in der[1018] Welt / gegen welche aller andern schönen Weider Augen / wie Sterne gegen der Sonne erbleichen. Aus diesem schönen Volcke war nun die /welche Sentia ihr über Alopecia / und das Euxinische Meer hatte bringen lassen / eine nicht der gemeinsten. Sie war lang gewachsen / geschlanck / hatte braune Haare / weisse und zarte Haut / Rosenfarbichte Wangen / einen engen Mund mit Corallen-farbichten Lippen / schwartze und grosse Augen / welche gleichsam mit Blitze spielten / weit heraus stehende und doch kleine und rundte Brüste. Die andere war aus Britannien / von gleicher Länge. Ihre Haare waren goldgelbe / die Augen braun und lebhafft / die Wangen nur ein wenig / der Mund aber mit reicher Röthe beschüttet / ziemliche grosse / doch rundte Brüste. Die dritte war aus Gottland / und gleichsam ein Ebenbild der schneeichten Nord-Welt. Denn sie war zwar nicht so lang als die ersten; aber ihre Haut war so weiß / als der Schnee immer seyn konte; also / daß Anaxagoras /welcher behaupten wolte: daß der Schnee schwartz wäre / schwerlich diesem Frauenzimmer ihre Weiße würde strittig gemacht haben. Ihre Himmel blaue Augen hatten zwar nicht so viel Feuer / aber doch eine liebreitzende Anmuth. Jhre Wangen gleichten flüssender / ihre Brüste geronnener Milch / dieser Höhe schienen gleichsam mit zwey rothen Erd-Beeren besteckt / und jener Lippen von Zinober bereitet zu seyn. Die vierdte war eine schwartze Mohrin / von einer rechten Gestalt und holdseligen Gebehrdung. Sie hatte wie die Mohren ins gemein im gantzen Leibe weder Flecke noch Wartzen. Hingegen war sie länger / als itzt die Mohren ins gemein zu seyn pflegen / also nach der Beschaffenheit / wie sie zu Cambysens Zeit sollen gewesen seyn. Ihr Haupt war nach Mohrischer Art vollkommen rund / die Wangen fleischicht / die Haare ziemlich lang; wiewol die Mohren nicht wie andere Völcker zu Bedeckung ihrer eingefallenen Schläffe und Wangen / und der Gruben im Haupte / derselben benöthigt sind. Welches für weissen Leuten sonder Zweiffel eine Schönheit seyn muß; weil die Liebes-Götter mit so rundten / die Unholden aber mit höckrichten Köpffen und Schlangen-Haaren gemahlet werden. Sie hatte einen gestreckten Halß /und eine längere / und nicht überbogene Nase / wie die Mohren sonst ins gemein haben; daß man ihnen in die Hölen der Nasen-Löcher schauen kan; wiewohl diese Lufftschöpffung zum Athem holen / zu Bewegung der Mauß in Gliedern / und daher zur Geilheit dienlich ist. Sie hatte zwar nicht gar grosse / aber keinen Augenblick stillstehende Augen / welche ihr wie eine Unruh im Kopffe herum lieffen. Ihre Zähne waren weisser als Helffenbein / und keinem Dinge ähnlicher als Perlen. Ihr Mund war auch nicht wie sonst aufgeworffen / ihre Brüste aber strutzten für Härte / und alle ihre Bewegungen hatten einen gewissen Liebreitz / und ein Merckmaal hefftiger Begierden an sich; Also / daß diese am ersten und tieffsten Bojocaln verwundete; zweifelsfrey weil die Seltzamkeit verursacht / daß weisse Männer nach schwartzen / und Mohren nach weissen Frauen am meisten lüstern sind. Sentia war mit dieser holdseligen Gesellschafft ihm eine angenehme Gästin; weil Gleichheit eben wie das Feuer sich an neuem Zunder ergötzet /und nach selbtem begierig ist. Dahero gehet es der Schönheit wie den Kleidern / wenn diese schon von köstlichem Sammet und Goldstücke auch geschickt gemacht sind / wirfft man sie doch weg / wenn sie der neuen Art nicht gemäß sind; und für gebrauchten Helenen krieget Paris endlich einen Eckel. Eben so gieng es Bojocaln; diese vier / an welchen er sich anfangs nicht ersättigen konte / machten ihm / weil er mit ihnen keine Maaß hielt / ein Grauen; Sintemahl kein Ding in der Welt ist / welches / wenn es uns auf einmahl allzuhäuffig überschüttet / nicht Eckel verursache. Denn es gehet damit wie mit den Speisen / wenn wir damit den Magen[1019] überschütten / müssen wir sie wieder wegbrechen. Weil nun Sentia durch diese Frauenzimmer Bojocaln nicht an Bort kommen / und ihn zu Erkiesung der Römischen Seite bewegen konte; fieng sie an / ihm nunmehr mit den Beeren ihrer eigenen Keuschheit durch Entblössung ihrer Brüste / und hunderterley Liebkosungen zu stellen. So verschwenderisch ist die Ehr- und Herrschenssucht! Jedoch ist sich über Sentiens so schändlicher Feilbietung ihres Leibes nicht so sehr zu verwundern; weil auch Kayser Julius und August mit dem Netze der Unzucht nach der Herrschafft gefischet; Ja in Indien kein Weib so züchtig ist / welche ihre Keuschheit nicht um einen Elephanten verkauffet / und in Asien sich ihrer viel / um bey ihrem Könige / oder nur seinem obersten Verschnittenen aus Bret zu kommen /sich haben entmannen lassen. Weil die Lüsternheit nun zugleich scharffsichtig und leichtglaubig ist / und Bojocal längst nach Sentiens Genüße geseuffzet hatte / sätzte er auffs neue an sie. Aber die schlaue Sentia war nicht willens ihre Waare so wolfeil anzugewehren / ob sie sie ihm gleich feil geboten hatte. Sie verhüllete ihre Brüste / und auch numehr ihr Antlitz / und bezeugte sich kaltsinniger / als sie nie vorhergewest war; Wolwissende: daß wie unser Geist mehr Vergnügung in Retzeln und tieffsinnigen Dingen findet /als derer seichter Verstand auch Einfältigen am Tage liegt; also in Wollüsten die Schwerigkeit des Uberkommens das schärffste Saltz und die beste Würtze; die Kaltsinnigkeit des Frauenzimmers auch der stärckste Blasebalg sey / damit es in den Hertzen der Männer das Feuer der Begierden lebend / seine Schönheit aber zweymahl so schön machen könne. Worüber sich aber nicht sehr zu verwundern ist. Sintemahl auch ein männlich Hertze denselben Sieg wenig achtet / welcher nicht Schweiß kostet / und mit Blute erfochten ist. Eben so hat die Wollust an sich wenig ergötzliches / welche nicht mit einem Saade der Hindernüße angesüsset worden. Sie sätzte seinen Anmuthungen ihre Ehre / die dem Segesthen schuldige Pflicht / und anders Bländwerck der Tugend / endlich auch diß entgegen: daß sie durch Verhängung der wenigsten Vergnügung sie nur ihr Ansehen bey ihm verspielen / und sich verächtlich machen würde / nach dem sie wahrnehme: daß er der vier Schönheiten /welche sie ihm aus allen Ecken der Welt zusammen gelesen / so bald überdrüßig worden wäre. Denn wir Frauenzimmer gleichen den Rosensträuchen; wenn wir voll Rosen stehen / erweiset man uns alle ersinnliche Ehrerbietung; wenn man sie uns aber einmahl abgebrochen hat / siehet man uns nicht über den Zaun an. Unser anfangs angebeteter Leib wirfft nach dem Genüsse den Schatten der Verachtung hinter sich; und unsere vorher vor himmlisch gepriesene Schönheiten werden in einer Stunde in den Augen unser Liebhaber / wie die Farben der Regenbogen zu Wasser. Bojocal antwortete Sentien: Sie solte diese Schuld ihr nur selbst / nicht ihm zuschreiben / und sich bescheiden: daß die ihm mitgebrachten vier Sterne in ihrer / als seiner Sonnen Anwesenheit / in seinen Augen den Glantz verlieren müssen. Sentia gab nur ein Lachen darein / und sagte: Er solte ihr nicht weiß machen: daß er von so frischen Morgen-Rosen / als ihre ihm aufgeopfferten vier Jungfrauschafften wären / nicht mehr Vergnügung schöpffen solte / als von ihr / welche vor so viel Jahren schon die Knospen ihrer Jugend aufgeopffert / und schon dreyßig Jahre auf dem Halse / von ihrer Schönheit aber nicht wenig Blätter eingebüßet hätte. Bojocal seuffzete / und fieng an: Ach unbarmhertzige Sentia! weist du nicht: daß die heßlichen schon alt sind / wenn sie gebohren werden? Die Schönen aber behalten ihre Jugend und Anmuth unaufhörlich. Dieser ihr Herbst lachet uns mehr an /als jener ihr Frühling. Wie magstu aber Sentia deine Jahre zum Herbste / zwischen diesen unreiffen Unvollkommenheiten und dir / eine Vergleichung /[1020] deine unvergleichliche Schönheit aber mir zu einer Höllenpein machen? Ich traue dir selbst diesen einfältigen Glauben nicht zu: daß die nur noch Blüthe tragenden Bäume denselben / welche mit denen süssesten Früchten belastet sind / vorzuziehen seyn. Also schone meiner / und mißbrauche mich nicht zum Vorwand deines anderwärtigen Unvergnügens. Ach! Sentia / sagte Bojocal / du bist allzuschön / und hast allzu viel Geist /daß du mir zu einem blossen Vorwande dienen soltest. Du kennest dich selber allzuwohl / und weist es: daß du nicht nur mir / sondern der gantzen Welt /mehr als eine gemeine Liebe einzuflössen / mächtig seyst. Wie thöricht habe ich gethan! daß ich mich zeither durch deine Hand mit schlechtern Körnern habe speisen lassen / und daß ich meine Liebe in Ketten gelegt / wormit sie nicht mit grösserm Ungestüme die Härtigkeit deines Hertzens zu erweichen getrachtet hat! Alleine mein Fehler ist aus diesem Irrthume geflossen: daß heimlich und bescheiden lieben das sicherste Mittel wäre / uns Gegen-Liebe zu erwerben /oder in erlangter Gnade zu erhalten. Wie schädlich habe ich gefehlet! daß ich mich mehr auf die Schickung der Zeit / als auf deine Hülffe verlassen; also meiner Liebe nach meiner Einbildung / nicht nach deiner durchdringenden Schönheit ein Ziel gesteckt /unwissende / daß die der beste Lehrmeister sey / wie sehr man lieben solle. Freylich wohl! fiel Sentia ein /ist die Schönheit der Mäßstab / nach welchem die Männer ihre Liebe abtheilen sollen. Weil ich mich nun selbst bescheiden: daß ich so schön nicht sey / als die vier dich zu vergnügen unvermögende Schoos-Kinder der Liebe / würde ich sonder Zweifel mehr Sorge haben müssen / bey deinen Flammen nicht zu erfrieren / als zu zerschmeltzen. Grausame Sentia! fing Bojocal an. Wie viel milder würdest du von deiner und anderer Gestalt urtheilen / wenn du durch meine Augen sähest. Ist dir so frembde / daß wie ein Ding / nach dem es gewendet wird / vielerley Farben /also einerley Schönheit in unterschiedenen Augen vielerley Gestalten haben könne. Wir Männer werden über dem / welch Frauenzimmer das schönste sey /längsamer als die Menschen über dem Geschmacke der Speisen eines werden. Wie die Orcader und andere Nordländer an dem Fischthrane von Wallfischen /die eussersten Africaner an unflätigen Rind-Därmern /die Scythen an Pferde-Fleische / die Gethen an Hau sen-Rogen / was gar schmackhafftes zu essen vermeinen / andere Völcker aber dafür ein Grauen haben; Also weit fället auch das Urthel in der Liebe von einander. Die Einwohner der Rhätischen und Noricher Gebürge halten die Kröpffe für eine Zierrath; In Hesperischen Eylanden zerkerben sie die Haut / färben sie mit Kräutern / und prangen mit solchen Flecken. In Indien durchbohren sie die Nasen / und halten die darein gehenckten Rincken für was schöners / als Ohrgehencke. Der Mohren strumpfichte Nasen rühren zwar itzt von der Geburt her; anfangs aber hat man sie aus Einbildung der Schönheit mit Gewalt so aufgeschürtzt / wie die Serer die Füsse einzwängen /daß sie klein bleiben müssen. In Italien hält man lange Nägel / bey den Samojeden gekrümte Leiber für schön / da andere Völcker ihre Kinder in Wiegen so feste einwickeln: daß sie gerade und geschlanck werden sollen. Hingegen zwängen andere ihre Köpfe /daß sie länglicht / wie das gethürmte Haupt der Cybele wachsen. Die Mohren / und die zwischen dem Flusse Tyras und Borysthenes wohnenden Völcker schätzen die weit vom Haupte abstehende Ohren / welche auch wohl wegen Rundtung ihrer Hölen zum Gehöre am dienlichsten sind / für schön / gleichwohl aber meinen wir dadurch verstellet zu seyn / und mühen sich unsere Mütter sie an die Fläche des Hauptes anzugewöhnen. Die Mohren bilden die höllischen Geister weiß; wir weissen sie schwartz ab. Also / daß alle Schönheit mehr in eines ieden Liebhabers Einbildung /[1021] als in einem gewissen Wesen bestehet. Wiewol ich von dir beredet bin; daß der gantzen Welt Beyfall über der unvergleichlichen Sentia Vollkommenheit meiner Wahl beypflichte / die aber / welche in deinen Augen schöner / als in meinen sind / dir den Vorzug strittig zu machen / selbst für eine unverschämte Vermessenheit halten würden. Sentia brach ein: Ich muß gestehen: daß ich mich in meinen Gedancken sehr betrogen befinde. Denn ich hätte mir eingebildet: daß ich mit meinen vier Liebes-Kindern nicht nur Bojocaln / sondern alle gefrorne Nord-Völcker anzünden solte. So aber finde ich Bojocaln bey ihnen unempfindlicher / als der ernsthaffte Cato würde gewesen seyn. Diesemnach möchte ich wol gerne hiervon die Ursache ergründen. Bojocal antwortete: Ich muß gestehen: daß ich zwischen ihnen wie zwischen Schnee und Kohlen gelegen / mit der einen Hand eine unbeseelte Marmel-Säule / mit der andern einen stachlichten Rosenstrauch umarmet habe. Oder mich deutscher zu erklären / so mangelt der einen die Anmuth / der andern der Geist / der dritten das Fühlen /der vierdten die Schönheit. Daher wenn man sie alle zusammen schmeltzte / würde man mit Noth eine einige Sentia daraus machen. Sentia lachte hierüber /und fragte: welcher er denn ein oder andern Gebrechen zuzueignen hätte? Er solte ihr doch diese Rätzel auslegen. Bojocal sagte / der Scythin. Denn ob zwar diese mit ihrem Leibe ein vollko en Lusthauß der Schönheit vorstellet / und es ihr an Heerd und Feuer nicht fehlet; so ist sie doch ein unbewohnter Pallast /nemlich ein Weib ohne Sitten; ich wil nicht sagen: daß durch ihre wilde Gebehrden sie mehr ein wildes Thier als eine holdseelige Liebhaberin fürbilde. Sie ist geschickter zu einer Kämpferin ins Feld / als ins Bette / und mit einem Worte / eine Amazonin. Die Britannische hingegen hat keinen Mangel an Holdseeligkeit / und sie hat auch den nöthigen Vorrath an Feuer in sich. Aber sie scheinet: daß sie aus den weissen Felsen der Kreide-Bergen ihres Albions gehauen sey / weil sie nichts geistiges an sich hat; und ihr inwendiges Feuer mit so grosser Gewalt / als die Funcken aus den Feuer-Steinen geschlagen werden müssen. Dahero würde sie wol eine anständige Buhlschafft des in sein eigenes helffenbeinernes Venus-Bild sich verliebenden Pygmalions / aber nicht des lebhafften Bojocals seyn; welcher von Sentien selbst gelernet: daß die Liebe mehr Grund und Bestand habe / wenn sie sich nicht nur an die euserliche Schönheit /sondern an die innere Vollkommenheit eines aufgeweckten Geistes hänge. Denn welche nur an denen durch Alter und Kranckheit vergänglichen Strichen eines wolgestellten Antlitzes und Leibes hängt / hat sich täglich für Zufällen zu fürchten / welche durch alle seine Ergötzligkeiten einen Strich machen. Wer aber seine Vergnügung an einer himmlischen Seele und ihren Tugenden suchet / kan sein Lebtage ohne Unruh und Furcht des Verlustes / und biß in Tod lieben. Die Gothische aber hat so viel Schnee im Hertzen / als auf ihrer Haut. Sie hat weder Empfindligkeit für sich; weniger kan sie sie andern geben. Ihrer Adern Blut ist eben so starck gefroren / als die Flüsse ihres Vaterlandes; Und ob ich zwar allemahl für glaubhaffter gehalten: daß die Liebe vom Feuer entsprossen / so glaube ich doch numehr: daß die in Norden aus seinem Eiß-Meere den Ursprung habe. Sie hat keine Fühle wenn man sie küsset / sie ist taub zu allen Liebkosungen / todt bey den ansehnlichsten Liebes-Seuffzern / und in der Wollust selbst eine sich nicht rührende Leiche. Die Mohrin hingegen ist eitel Feuer; also daß ich glaube: daß der thörichte Satyrus / der sich in die Flamme verliebet / und solche umarmende sich darinnen eingeäschert haben soll / in einer verliebten Mohrin Hände verfallen sey. Ich muß ihr den Preiß für allen lassen / und ihr nachsagen: daß sie Eiß erwärmen / Steine erweichen / und Todte beseelen[1022] könne. Aber ihre Liebe dienet nur für die Nacht / oder für Blinde. Denn wenn ich auch bey der grösten Lust sie anschaue / fället mir ihre Todten-Farbe in die Augen / welche die lebhafftesten Begierden ersterben läßt. Ihre Kohlen-Gestalt machet: daß das Feuer meiner brennenden Liebe zu ausgeloschenen Kohlen wird. Ihre traurige und der gemeinen Meinung nach von einer väterlichen Verfluchung herrührende Schwärtze machet: daß mir im Augenblicke das Hertze / und in dem grösten Eyver alle Mannbarkeit entfällt / weil sie gleichsam meiner Liebe einen kläglichen Ausgang wahrsagt; dahingegen deine weissen Flammen der Schönheit / O holdseelige Sentia! mich zur Freude aufmuntern / meine Kräfften ergäntzen. Sentia begegnete ihm mit folgender Antwort: O kaltsinniger! O einfältiger Bojocal! können dich diese vier Liebes-Göttinnen nicht erwärmen / so wirst du gewiß bey allen andern und noch mehr bey einer einzelen erfrieren. Wer hat dich überredet: daß die Schönheit in der Farbe / nicht aber vielmehr in geschickter Bild-Eintheilung der Glieder / und in richtiger Zusammenstimmung des gantzen Leibes bestehe? Wer hat dir einen solchen Irrthum aufgehalset: daß alles / was schwartz / heßlich sey? Sind nicht die tunckeln Früh- und Abend-Stunden des Tages die behäglichsten? Suchen wir nicht bey ihrer liebkosenden Kühle frische Lufft / wenn wir uns für dem lichten Mittage versteckt haben? Verstecken wir uns nicht in den Schatten der Wälder und Hölen / ja bauen wir nicht selbst zu unser Ergötzung künstliche Finsternüsse? Mühen wir uns nicht hingegen für der Sonnen / als dem Brunnen des Lichtes / nicht nur die Thüren /sondern auch die Fenster zu versperren? Sind die tunckelen Hiacynthen / die blauen Veilgen / die schwartzen Tulipanen nicht die schönsten? Rüchen die schwartzen Nelcken nicht am stärcksten? Gläntzen die schwartzesten Haare nicht am meisten? Spielen die schwartzen Augen nicht am stärcksten mit dem Blitze der Liebes-Strahlen? Verzeihe mir / kluge Sentia / versätzte Bojocal / daß ich deinem Urthel /welches ich sonst so hoch achte / hierinnen nicht beyfalle. Andere schwartze Sachen können wol / aber schwartze Menschen nicht schön seyn; ob gleich ein und ander Stücke in der Schönheit schwartz seyn muß. Die Natur hat einem jeden Gliede seine anständige Farbe ausersehen / derer Versätzung alles verstellet. Die den Mund zierende Röthe ist in Augen /das die Augen so annehmlich-machende Hi el-blau ist auf dem Munde und der Nase ein Schandfleck. Eben so machet die denen Augensternen uñ Augenbranen dienende Schwärtze die Haut sonder allen Zweiffel so heßlich / als sich ereignen würde / wenn jemand grüne Haare / gelbe Augen / leinfarbene Wangen hätte / ungeachtet die grünen Haare der Bäume /nemlich die Blätter / allen Pflantzen / die gelbe dem Golde als dem Augapffel der Welt / die leinfarbe aber den Anemonen so wol anstehen. Denn ob zwar ich wol weiß: daß ein grosses Theil der Welt mit eitel von der Natur so schwartzgemahlten Menschen angefüllet sey; so ist doch diß nicht die urspringliche Gestalt der ersten-sondern die Affter-Farbe nachfolgender Menschen. Wir haben unsere Ankunfft vom Himmel / welcher in sich so viel tausend Lichter beherbergt / daß er ja alles schwartze ausschlüsse. Uns ist die Nacht nur zum Schlaffe / der Tag aber zum Leben bestimmet. Daher solten die mit der Farbe der Nacht verstellten Mohren nur des Nachtes / wie wir am Tage / leben / die wir mit der Farbe des Tages geschmücket sind. Die Mohren selber müssen diß nachgeben; denn sie verfluchen die sie so aussaugend und verbrennende Sonne; Sie wünschten zweiffelsfrey selbst in einem andern Ecke der Welt gebohren zu seyn / als in ihrem; welches / ungeachtet ihrer so vielen Sonne / mehr als das der Cimbern / ein Land des Schattens ihrer finsteren Menschen halber genennet zu werden verdienet. Sentia fiel ein: Ich[1023] wundre mich nicht: daß du von schwartzer Schönheit so übel zu urtheilen weist / weil du auch in dem alten Irrthume steckest: daß der Mohren Schwärtze von der Ungütigkeit ihrer Sonne herrühre. Wie sollst du es aber jener sparen / nach dem du nicht der Sonne des Brunnens der Schönheit / aus welcher das Licht und Glantz so wol der Farben als anderer Dinge herfleußt / nicht schonest; gleich als wenn sie ein solch rauchichtes Feuer in sich hätte / als ihr Deutschen auf eurem Heerde und Rauch-Stuben anzündet / welches durch seinen finsteren Schwefel alles schwärtzet und zu Kohlen macht. Ist dir nicht wissend: daß die Sonne mit ihren lichten Strahlen das Wachs / die aus der Erde gegrabenen Steine die rohe Leinwand / die gelben Lilgen nach und nach weiß bleiche? Sintemahl sie mit Zuthat des Thaues / oder salpetrichten Wassers die Unsauberkeit zertheilet: daß sie wie das im Schaume dinne gemachte Wasser weiß werden müssen. Dahero würde dieses gütige Gestirne auch die Menschen ehe weiß als schwartz machen /wenn nicht die bewegliche Wäßrigkeit in der Haut ihre Würckung verhinderte. Bojocal brach ein: wie solte er die Sonne in Mohrenland nicht für schwärtzend halten / da sie auch in Deutschland und in Cimbrien die schneeweissesten Einwohner / wenn sie sich eine Weile bescheinen liessen / färbte? Sentia antwortete: die Sonne färbte sie zwar / und machte die Haut so wol gelbe / als sie sie härtete / trocken und runtzlicht machte. Weisse Leute aber würden auch in den Ländern / wo sie gleich die Sonne über der Scheitel haben / wenn sie schon von drey Sonnen beschienen würden / so wenig die Schwärtze der Mohren an sich ziehen / so wenig als die von Mohren in Deutschland gebohrne Kinder allhier weiß werden. Ja dieser Schwärtze vergehet auch in ihren Kindern nicht /wenn sie solche gleich mit Schwanen-weissen Menschen zeugen; und wird man auch in kalten Ländern die Merckmaale des Mohren-Ursprunges noch wahrnehmen. Wie nun diese Tauerhafftigkeit ein unbeweglicher Beweiß ist: daß die Mohren nicht von Verbrennung der Sonne / sondern einer innerlichen Eigenschafft schwartz sind; also erhärtet der Augenschein: daß nicht allenthalben / wo die Sonne am heissesten scheinet / die Menschen am schwärtzesten sind. Die in dem Mund des Persischen See-Busems liegende Insel Nasora soll der heisseste Ort in der Welt seyn; weßwegen sie auch der Sonnen gewidmet ist: gleichwol giebt es dar keine Mohren. Die an dem Mittelländischen Meere wohnenden Mauren / Sicilier und Hispanier sind wegen Seltzamkeit des Wassers schwärtzer als andere Völcker / die in Asien und andern Ländern / so nahe und näher der Mittags-Sonne liegen / ja ihre Haut ist ramprichter / als der glatten und gläntzenden Egyptier / wie auch derer / welche gerade unter dem Sonnen-Zirckel wohnen. Und ob diese zwar schwartz sind / so ist doch die sie nach der Schnure unterwerts bescheinende Sonne ihnen viel erträglich- und gütiger / als die sie um den Kreiß des Krebses und Steinbocks seitenwerts haben. Denn hier brennet sie mehr; dort aber zeucht sie aus Seen und Flüssen eine unsägliche Menge salpetrichter Feuchtigkeiten /als die kräfftigsten Mittel der Nahrung und Fruchtbarkeit empor / und der wolausgekochte Thau erfrischet Lufft und Land häuffig. Daher auch / wenn die Sonne über ihrem Haupte steht / ihr Winter / und daselbst alle Thiere voller Safft / die Menschen fruchtbarer /stärcker und tauerhaffter als irgend anderswo / ja so fett / als die um den nahrhafften und ölichten Nil wohnenden Egyptier und Meroiten sind; wo sich doch die fettesten Leute der Welt befinden sollen. Im Nordtheile der Atlantischen Eylande sind die Einwohner schwärtzer als die gegen Suden. Und eben daselbst scheidet an etlichen Orten ein Fluß die schwartzen und weissen Menschen von sammen / welche doch unter einerley Himmels-Streiche gelegen sind. Eben so sind in unserm[1024] Italien zu Mävania und um den Fluß Clitumnus die Menschen weisser / die Ochsen fetter / als in der Nachbarschafft. Ja ich traute mit besserm Grunde zu erhärten: daß ehe die Kälte als Sonnenhitze schwartz mache; Sintemahl grosser Frost eben so wol als das Feuer anbrennet / und weisse Dinge gelbe / das kältende Saltz und Qvecksilber roth / endlich schwartz macht. Denn werden nicht die in der Sonne weiß werdende Gebeine in der kalten Erde schwartz? Verwandeln sich nicht die Kohlen selbst in freyer Lufft zu weisser Asche / die in versteckten Orten nichts von ihrer Farbe ändern? Bojocal fiel ihr in die Rede / und sagte: Ich muß gestehen: daß in den eussersten Nord-Ländern fast alle Thiere und Vögel mit der Farbe der Nacht bekleidet sind; und zwischen dem weissesten Schnee und Eise weltzen sich die schwartzen Wallfische in so grosser Menge herum: daß sie die gantze Welt ausko entlich mit Fettigkeit versorgen. Ja auch die nahe bey dem Rubeischen Vorgebürge / und an der Nordspitze wohnenden Menschen sollen der Cimbern und Svionen Berichte nach ziemlich berauchert aussehen / weil die finstere Kälte die von Dinnigkeit des Blutes und der Lebensgeister herrührende weisse Farbe zusa en zeucht / und das lichte Häutlein schwärtzet; wiewol auch der viele Pechrauch in ihren unterirrdischen Holen nicht wenig zu ihrer Ungestalt helffen soll. Aleine daß dieses keine angebohrne / sondern nur eine zufällige Farbe sey / ist daraus deutlich abzunehmen: daß diese Mitternacht-Kinder ziemlich weiß gebohren / hernach aber erst schwartz / wie unsere rothgebohrnen weiß werden. Bey dieser Beschaffenheit ist gleichwol seltzam: daß in denen kalten Ländern / besonders bey den Skaniern und über dem Flusse Taruntus die Hasen und etliche andere Thiere weiß werden / und tieffer gegen Mitternacht bey den Lappionen und Hiperborischen Eißländern die Raben selbst so weiß als ihre Bären seyn sollen. Sentia fiel ein: dieser Unterschied der Farbe rühret nicht von der Kälte. Denn sonst würden alle Thiere weiß seyn / sondern von dem Wasser und der besondern Speise her; Sintemal auch das Wasser des Flusses Clitumnus machet: daß alle solches trinckende Kühe weisse Rinder zeugen. Hingegen macht das Kupffer-Wasser im Geträncke die Haare der Thiere schwartz / und soll ein solcher Tranck den Calchas über Nacht aus einem Raben in einen Schwan verwandelt haben. Eben so ist es mit der Speise beschaffen; welche / besonders das Saltz /zu Veränderung der Farben viel beyträgt / und erhärtet die Erfahrung: daß die im Frühlinge untermischten Eichen-Knospen die Pferde eben so wol schwartzäpflicht als der eichene Safft Hände und Nägel der Gärber schwartz machen. Aber alles diß ist nicht die Ursache der Schwärtze an den Mohren / sondern sie wird von den Eltern ihren Kindern in der Zeugung eingepflantzt. Diese Eigenschafft steckt schon in dem Eyerstocke der Mütter / und im Saamen der Väter; welcher / ob er gleich nicht schwärtzer als anderer Männer ist / doch diese Färbungs-Krafft eben so verborgen / als den gewissen Unterschied der Gestalt in sich stecken hat. Weil nun bey uns ins gemein weisse Leute weisse / schwartze Eltern schwartze Kinder zeugen / ist sich so viel weniger zu verwundern: daß auch die Mohren-Kinder schwartz gebohren werden. Bojocal hatte hierüber noch allerhand Bedencken; daher fragte er: weil die Schwärtze denn in den Eltern stecken soll / so müssen die Mohren nothwendig einen andern Vater zum Urheber gehabt haben; also die gemeine Meinung falsch seyn: daß das gantze menschliche Geschlechte von einem Vater und Mutter herrühre. Welches denen Mohren etlicher massen zu statten kommt / welche sich die ersten Menschen /und durch die bey ihnen am meisten brennende Sonne aus der Erde gebohren zu seyn rühmen. Sentia antwortete: Unsere Weltweisen sind mit den Deutschen einerley Meinung: daß alle Völcker einerley Groß-Eltern[1025] haben; und deßwegen ist dein Einwurff / wie nemlich diese Schwärtze oder Krafft dem ersten Mohren-Vater / und eben zugleich auch seiner Mutter eingeflößt worden sey / ein ziemlich schwerer Knoten /die sonst ziemlich machtige Einbildung der sich versehenden Mütter / da auch weisse zuweilen Mohren-Kinder / und trächtige Schaaffe nach für gelegten Stäben scheckichte Lämmer gebracht / kan schwerlich hier zu Hülffe geruffen werden; weil vom Anfange kein Mohr / also noch weniger eine schwartz-gemahlte Andromeda in der Welt gewest / daran sich eine Mutter und zwar so nachdrücklich hätte versehen können: daß sie so viel hundert Völcker auf so viel tausend Jahre eine so beständige Schwärtze hätte eindrücken können. Denn ob man zwar weiß / daß auch gewisse Geschlechter ihre absondere Geburts-Maale ziemliche Zeit gehabt haben / so sind sie doch endlich verschwunden. Also muß ich nur meine Unwissenheit bekennen; wiewol ich nicht glauben kan: daß diese mir so sehr beliebende Farbe zum ersten dem Cham oder Ammon durch seines Vaters Fluch solle eingebrennet worden seyn. Denn ich wolte mir / nach dem ich keine Deutsche bin / kein grösseres Glücke wünschen / als eine Mohrin zu seyn. Bojocal lachte hierüber überlaut / und fragte: ob sie denn auf die Natur erzürnet wäre / daß solche sie hätte lassen eine Römerin gebohren werden / da so viel tausend Leute so mühsam nach dem Römischen Bürgerrechte strebten. Sentia versätzte: weil ich die Mohren und Deutschen alleine für recht schön halte. Denn diese können sich alleine weiß zu seyn rühmen; und ihre Wangen können wegen ihres durchschimmernden Geblütes alleine den Rosen einen Kampff anbieten. Aber der Mohren Farbe / welche mit der gleichsam durchschimmernden Nacht / jene als den Tag abzustechen bemühet ist /hat diese Vortheil für der weissen: daß sie nicht so geschwinde durch Gifft und gallichtes Geblüte grün und gelbe / durch versteckte und dumpfichte Lufft blaß und leichenhafftig / wie sich bey Bergleuten und Eingekerckerten ereignet / oder durch dessen Erhitzung des Blutes / oder wenn bey denen Gemüths-Regungen zu viel Geblüte in die kleinen Haar-Adern steiget / zu roth gemacht-noch durch andere Kranckheiten verstellet wird. Bojocal brach mit abermahligem Lachen ein / und sagte: Schönste Sentia / ich solte nach deinem Vortrage dich wol nicht mehr schön heissen; weil du mit nichts als den weissen Zähnen einer Mohrin ähnlich bist; aber ich wil / um deiner gerühmten Nachtfarbe ihre Schmach zu verkleinern / noch einen Fürniß anstreichen helffen; nehmlich daß sie nicht / wie die weisse / einiger Schmincke von nöthen hat. Denn sonst würde man Tinte und Kohlen darzu brauchen müssen. Sentia versätzte: Es ist dieses sicher ein grösser Ruhm der Mohren / als daß er mit Hohnlachen zu verwerffen / hingegen ein grosser Gebrechen der weissen Farbe: daß sie nicht einen einigen Tag ohne ihre Verminderung die Sonnenstrahlen vertragen kan /sondern diese in der ausgesaugten und verbrennten Haut den linden Thau verzehren / das Geblüte gleichsam jährend machen / daß diß / was gallichtes darinnen ist / sich an das Netze der dinnen Haut anlegt. Worauf sich denn ereignet: daß weisse Weiber ihre offtmahls sich wie in Hälsen der Indianischen Hahne entzündende Röthe mit Melonen-See-Blumen- und Wege-Warte-Wasser / und andern kühlenden Schmincken / die grünlichte Gallen-Farbe und Sprenckeln mit zertreibenden Salpeter-Salben- und Gewürtz-Wassern / die den Glantz benehmende Rauigkeit der Haut mit lindernden Balsamen erweichen / die Gruben des Gesichtes / die Hölen der Schläffe und eingefallenen Wangen / mit denen die rundköpfficht- und fleischichten Mohren nicht verstellet sind / weder mit Bleyweiß ausfüllen / noch mit gekrausten Haaren verdecken / die heßlichen Zähne mit Zinober beitzen / ja Gifft und Qvecksilber in ihren Schmincken zu Hülffe nehmen[1026] müssen. Weil das Hispanische Papier / die Kermes-Körner aus Gallien / der Safft aus Sonnen-wenden / und andere aus der andern Welt geholeten Gewächse zu so viel Mängeln nicht zulangen; wiewohl diese Künste doch in die Länge nicht den Stich halten / sondern die durchbeitzte Haut desto ehe schäb- und runtzlicht / den Mund leer und übelrüchend machen. Daß also die Farbe der Mohren / welche weder der Veralterung / noch anderer Verfallung unterworffen ist / weder von Mahlern ihre Zierrath erborgen / noch mit frembder Gestalt prangen / sondern sich vielmehr für der weissen Farbe mit Recht eines grossen Vorzugs / die Mohren auch sich rühmen können / daß sie wegen ihrer balsamischen Safftigkeit weichere Haut / als der Sammet ist / haben. Bojocal antwortete: Ich kan nicht läugnen / daß die Mohren-Farbe beständiger als die weiße sey; aber wie die Flüchtigkeit ins gemein der vollkommensten Schönheit anklebt / die Rosen und Tulipanen am geschwindesten veraltern; also ist die Tauerhafftigkeit dieses eben die Eigenschafft der Heßligkeit / welche zumahl durch keine Zufälle heßlicher werden kan. Jener Vergängligkeit macht: daß man sie zu genüssen so viel mehr wahrnehmen / für dieser niemahls besorglichen Verlust so viel weniger Kummer haben darff. Diß aber muß ich nachgeben: daß nach dem weiche und rundte Sachen die Liebkosungen unsers Fühlens / der Mohren Haut aber weich / das Fleisch rundt ist / der Mohren weiche Haut / welche gegen der weissen wie die Lilgen- und Sammet-Blumen sich angreiffen lässet / unsere Fühle überaus kützele / und uns bey nahe bezaubere. Wenns aber an die Augen kommt / welche in der Liebe den Richterstuhl besitzen / so ist es sonder Zweiffel mit der traurigẽ Schwärtze aus; daher auch die Mohren sich ins gemein weiß mahlen / und mit bundten Federn oder Tüchern schmücken. Sintemahl die freudige Silber-Farbe / welche auch in Bildern einen Liebreitz an sich hat / und uns nachstellet /das Gesichte auffs freundlichste anlacht / und ihr darein fallendes Licht vielfältig zurücke wirfft; hingegen werden die sich zusammen ziehenden Strahlen vom schwartzen in Augen verschlungen. Sentia begegnete ihm: hingegen kleiben weisse Weiber schwartze Flügen und andere ausgeschnittene Kleinigkeiten auf ihre Stirne und Wangen; also muß ja die Schwärtze an ihr selbst nicht greulich seyn. Ja die weissesten Sachen /wenn sie glatt sind / nehmen gewissen Strichen nach eine Schwärtze an sich; Der Schnee / weil in ihm die Augen-Strahlen allzu hefftig zurück prellen / verdüstert das Gesichte / und scheinet uns schwartz zu seyn / schwartze Dinge aber und fürnehmlich die Mohren /geben wie der Sammet aus ihren Tieffen einen weissen Schein von sich. Ja die Natur spielet mit diesen zweyen Farben so artlich durch einander / daß sie keiner gram zu seyn scheinet / und wenn man beydes beym Lichten besiehet / so ist die Mohren Silber-Haut / welche gleichsam wie die zum Schwimmen deßwegen geschickte Fische mit einem Oele überfirnßet ist /gläntzender als die der Deutschen; weil jene weniger Blut und Geister in sich hat / auch eine flügende Salbe sie gleichsam einbalsamet / und erhobene Dinge das Licht kräfftiger / als flache zurück werffen. Bojocal brach ein: Dieses der Schwärtze zugeschriebenes Licht ist nur ein betrüglich und vergänglicher Schein / kein Wesen. Ich kan mich / schneeweiße Sentia / nicht darein finden / warum du die Waffen deines Verstandes so wider dich selbst brauchst. Ich kan anders nichts muthmassen / als daß du entweder meine Vernunfft durch deine Scharffsinnigkeit zu bländen / oder meiner Einfalt zu mißbrauchen gedenckest / um mich nur deiner Liebe verlustig zu machen. Du scheinest aus der Schale Ledens gekrochen zu seyn / und wünschest eine schwartze Andromeda /oder aus einem Schwane ein Rabe zu werden / nur daß du mir mißfallen sollest. O grausame[1027] Sentia! Ich glaube; daß du deiner Schönheit selbst gram bist /und du nur mir zur Pein deine weisse Haut mit einer beraucherten der schwärtzesten Mohrin gerne vertauschen würdest. Sentia thät zwar / als wenn sie die Hefftigkeit seiner Liebe weder merckte / noch verstünde; sie ließ aber aus dem Zeug-Hause ihrer Lie bes-Reitzungen einen gantzen Sturm ihrer Anlockungen aus: daß das Feuer in seinem Hertzen mehr wachsen muste / als verschwinden konte. Hierauff fing sie an: Ich sehe wohl / Bojocal: daß du die Haut der Mohren schwartz zu seyn glaubst / da sie doch weisser als meine / oder als allen deutschen Frauenzimmers ist. Bojocal ward nach der denen Verliebten gemeiniglich angewohneten Hefftigkeit hierüber ein wenig entrüstet / und bat; Sie möchte doch seine Schwachheit nicht für einen Verlust seiner Sinnen /ihn auch nicht für ein solch Kind halten / welcher schwartz und weiß nicht zu unterscheiden wüßte. Sentia vermehrte ihre Anmuth / und sagte: Es ist mir leid / liebster Bojocal! daß du von nicht geringerem Argwohne / als Irrthume verleitet wirst. Meinestu denn: daß die Mohren eine schwartze Haut haben? Glaube mir / daß in einem dich deine Unwissenheit / wie sehr ich dich liebe / im andern dein Auge betrüge. Es ist mehr denn allzuwahr / und zu gewiß: daß an Mohren weder das eusserste Häutlein / noch die innere dicke Haut schwartz / sondern ihr auswendiges eben so /wie die Umhüllen der Eingeweyde durchsichtig / und so weiß / oder weisser als in uns sey. Es lieget aber zwischen der Menschen Haut und Häutlein / oder es hänget vielmehr in diesem ein so dinnes Netze als die Spinneweben sind / und keinem Dinge besser als dem Häutlein der Augen verglichen werden kan. Ob nun dieses eben so wohl lichte ist; so leget sich doch bey den Mohren an dessen fettes und klebrichtes Blaster etwas schwartzes / gleich einem Rauche an; welches /weil zumahl der Mohren Häutlein und Netze klärer und durchsichtiger als bey uns ist / den Schein einer solcher Schwärtze verursacht; Also / daß wenn man bey Zerschneidung der Mohren-Leichen dieses Netze von der Oberhaut / oder auch nur den Rauch vom Netze absondert / sie gantz weiß anzusehen sind. Wie denn auch solch Netze / wenn man es ausspannet / um ein gutes lichter ist / als gefalten. Und der neugebohrnen Mohren Kinder anfangs eine röthlichte Tunckelheit haben / weil so wohl ihre als unsere Kinder eusserlich viel Blut haben. Je röther aber die Kinder anfangs sind / ie weisser werden sie bey uns / und ie schwärtzer bey ihnen. Denn das eusserste Häutlein ist in beyden so viel dinner. Daher rühret es auch: daß in der inwendigen Hand / und in Fußsolen / wo die dicke Haut engere Schweißlöcher macht / also die Schwärtze am Netze nicht so wol durchleuchten kan / wie auch wo die gehabten Blattern Haut und Netze durchbrochen / besonders wenn sie lange gestanden / die Haut der Mohren weisser / als anderwerts ist. Hingegen macht ihr fettes Netze: daß sie keine so zarte Fühle als weisse Leute haben / und das Feuer länger vertragen können. Bojocal hörte Sentien mit Verwunderung zu / und fragte: Woher sie so eigentlich diese Wissenschafft geschöpfft hätte? und wie sie dessen vergewissert wäre? Sentia antwortete: Meine eigene Augen; als der Artzt Musa zu Rom in Anwesenheit des Kaysers / Liviens / und vieler vornehmen Leute /etliche Mohren-Leichen zergliedert / die Schwärtze von dem feuchten Netze (denn wenn es trocken / ist sie weder mit Seiffe noch Scheide-Wasser davon zu trennen) abgesondert hat. Uber diß können wir diese veränderliche Beschaffenheit an unser eigenen Haut wahrnehmen / durch welche das in das kleine Geäder sich ergissende Geblüte mit seinem Purpur / wie der Wein durch das Glaß / durchleuchtet. Ja das mit der sich ergiessenden Galle vermengte Blut streichet offt unser Gestalt eine wiewohl vergängliche Schwärtze an / und besämet unser Antlitz mit Sprenckeln. Bojocal[1028] fragte ferner: Woher denn diese sich aus Netze anhängende Schwärtze den Uhrsprung? und ob die Mohren schwärtzer Blut als weisse Menschen hätten? oder ob schwartze Dünste aus ihrem innern Leibe ausdampfften / und am Netze kleben blieben? Sentia gab ihm zur Antwort: Sie hätten weder solche Dünste noch schwärtzer Blut als die weissesten Deutschen /sondern in dem Netze selbst steckte eine besondere Krafft die daran kommenden Feuchtigkeiten durch eine Jährung schwartz zu machen. Sintemahl sich das helle Wasser im Menschen nicht weniger / als in den Zwiebeln der Tulipanen / in den Gängen der Kräuter in alle Farben der Welt verwandeln kan. Das grüne Kupffer-Wasser macht alles schwartz / das grüne Papier in Hispanien färbet hoch roth / und der Geist von dem weissesten Weinsteine kleidet sich in Purper / ja in denen gläsernen Kolben derer das Ertzt ausziehenden Aertzte verstellen sich die Farben der schmeltzenden Dinge mehr / als kein Proteus. Bojocal versetzte: Ich bin aber der Meinung: daß sich niemand mehr verstelle als Sentia / wenn sie ihr gerne unähnlich / und minder schön / als eine Mohrin werden wolte / um mich nur meiner an ihr findenden Vergnügung zu berauben. Ich glaub dir zwar / Sentia /ehe: daß die Mohren eusserlich weiß sind / als dem Anaxagoras / daß der Schnee schwartz sey; aber diß mustu doch selbst gestehen: daß ihr berauchertes Netze ihre Silber-Haut mit einem heßlichen Schatten verstelle; und daß sie in aller unser Augen schwartz sind. Diese aber sind die Richter über die Schönheit. Verarge mir daher nicht: daß sich meine Liebe bey den Kohlen dieser Mohrin so geschwinde einäschere; daß alle andere Sterne für dir / als meiner einigen Sonne erbleichen / als mit welcher mir alle Schönheit der Welt aufgeht / in meinem Hertzen aber die süsseste Wärmbde einflösset. Schöneste Sentia! hastu in dir keine Fühle? die du doch mein Hertze / meine Seele / und mein Leben bist; die du durch deinen Liebreitz mich doch selbst ausser mir raubest; die du mich meiner Vernunfft und Hertzhafftigkeit entsätzest / und mich auf einmahl verbrennen / erblassen / verstummen / und sterben läßt. Aber diese / und alle andere Mässigkeit übersteigende Worte waren noch die kaltsinnigste Ausdrückungen seiner Liebe. Seine Augen redeten mehr als sein Mund; denn jene verstehen sich besser auf die Sprache der Liebe / als dieser. Wiewohl sie beredsamer ist / als andere hefftige Gemüthsregungen / denen ihre eigene Gewalt die Zunge bindet. Nach diesem verschwur er sich: daß in seinem einigen Hertzen mehr Liebe als sonst in der gantzen Welt steckte / und sie nimmermehr aufhören würde. Er demüthigte sich für ihr mehr / als der geringste Sclave gegen seinem Herrn thun kan; und betete sie als seinen Abgott an. So vielmahl als Sentia ein Auge verwendete / oder so offt ihre Brüste sich auffschwellten / veränderte er seine Gebehrdung; gleich als wenn seine Liebe nach der alten Meinung ein Kind des veränderlichen Windes und des Regenbogens wäre. Weil aber Sentia noch nicht gemeint war ihn zu vergnügen / hielt sie mit allem fernem Liebreitze an sich / und sagte: Mein lieber Bojocal! du übereilest dich mit deinen Begierden; darum kan ich denselben nichts verhängen / was du als eine irrige Vergehung / und als eine böse Wahl hernach bereuen möchtest. Sintemahl ich / die ich mich selbst am besten kenne / an mir nichts finde / was dich so sehr nach mir lüstern ma chen solte. Bojocal antwortete: Ich aber finde es / und du wirst mir Beyfall geben / wenn du dich nur selbst betrachten / oder einen Spiegel zu Rathe nehmen wirst. Keine andere Ursache bin ich dir zu geben schuldig / als daß du in meinen. Augen die schönste bist. Sintemahl es eben so ungeschickt zu fragen ist: warum man die Schönheit liebe / als warum das Feuer brenne? denn der Liebreitz ist so wol eine Eigenschafft der Schönheit / als das Brennen[1029] des Feuers. Sie ist ein Strahl und Bild von der göttlichen Vollkommenheit / wie soll sie uns nicht durch Marck und Adern dringen? Sentia versätzte: Lasse dich / Bojocal / deine Einbildung nicht verführen / welche in nichts leichter irret / als in der Liebe / und im Urthel der Schönheit. Sie ist ein rechtes Vergrösserungs-Glaß /welches allem / was sie begreifft / einen mercklichen Beysatz gibt / ja gar denen Sachen eine andere Gestalt / und eine Schönheit zueignet / worvon ihr etwan getraumet hat / oder worzu ihre Neigung einen Zug hat. Diese falsche Mahlerin hat eben die Eigenschafft der Mahler insgemein: daß sie uns schöner mahlet / als wir sind; nur dieses ist der Unterscheid: daß diese andern / jene ihr aber selbst darmit heuchelt / und zwar derogestalt: daß Leute / welche doch sonst freyen Gemüthes / und in andern Dingen scharfsichtig sind /hierinnen Sklaven ihrer Begierden / und so wol ihrer Augen / als Vernunfft beraubt werden / und durch ihre Einbildung der Heßligkeit eine Farbe anstreichen /und einer eingeschlaffenen die kräfftigsten Regungen eindrücken. Zeit und Abwesenheit sind alleine das Mittel / sich dieses annehmlichen Irrthums zu entschütten; daher vergönne mir: daß ich zu deinem eigenen besten mich von hier wieder entferne. Mit diesem Worte ergrief sie die Thüre / trat aus dem Zimmer /und verfügte sich zu der Frauen von Ardenberg; ließ also Bojocaln in der grösten Verwirrung / darein jemahls ein Verliebter gerathen kan. Nach dem nun die Schönheit für sich selbst / ohne daß sie von Liebreitz angefeuret wird / genugsames Vermögen zu gefallen oder zu bezaubern hat; ist unschwer zu ermässen /was Sentia durch die Waffen ihres zu Hülffe geruffeten Liebreitzes in Bojocals Hertze für eine tieffe Wunde geschlagen hatte. Er war von ihr so sehr eingenommen: daß alle andere Annehmligkeiten ihm Verdruß erweckten. Er verschloß sich für aller Menschen Gemeinschafft / und unterhielt sich mit seiner Einsamkeit und Stillschweigen. Er hassete das Licht und die Menschen / liebte nur die Finsternüß / und die an seinem Schlosse liegende Einöden / besprachte sich alleine mit den Bäumen / Bächen / Winden und Sternen; gleich als wenn diese seinen unkeuschen Gedancken neue Flügel geben / und zum Zwecke helffen solten. Gleichwol aber schalt er sie für taub und unempfindlich / und daß sie ihm für den Verlust seiner Seufftzer und Thränen Rechenschafft geben solte. Aus dieser Unsinnigkeit erwuchs in Bojocaln eine solche Ungedult: daß er an Sentien seine Begierden zu sättigen entschloß / solte er hierfür gleich alle seine Wolfarth aufopffern. Diesemnach bestach er eine ihrer Griechischen Sclavin; daß sie ihm / wiewol mit Vorbewust Sentiens / ihr Schlaff-Gemach zu öffnen versprach / darinnen Sentia allemal auf vier Chrystallenen Leuchtern so viel Wachs-Kertzen brennen hatte. Bojocal ward von der Griechin auf bestimmte Zeit eingelassen / und fand die zum Scheine schlaffende Sentia in einer solchen Gestalt liegen: daß seinen Augen wenig verborgen blieb / was ein Weib liebreitzendes an sich hat. Bojocal ward über diesem Anblicke anfangs verzückt; bald aber darauf in eine solche Raserey versätzt: daß er sie auf alle ihre Schönheiten küssete; und weil sie entweder keine Fühle hatte /oder mercken ließ / sie fast verzweiffelnd umarmte. Sentia fuhr hierüber als aus einem tieffen Schlaffe mit Ungestüme auf / nahm sich einer zornigen Gebehrdung an; und als sie Bojocaln ihrer Anstellung nach erblickte / sagte sie ihm mit einer hefftigen Entrüftung: Für was er sie ansähe? Ob er sich so verlohren hätte / daß er nicht wüste / wer sie wäre? Ob er sich nicht erinnerte: daß sie des Sentius Saturninus Tochter und Hertzog Segesthens Gemahlin wäre? Ob diß der Angrivarier Unart wäre / ihre auff guten Treu und Glauben angenommene Gäste so zu beleidigen? Weil nun ein ieder / der auff dem Steige der Laster sich vergehet / mit Kleinmuth[1030] und Schrecken angefüllet ist; ward Bojocal durch Sentiens Einhalt wie vom Blitze gerührt. Er fiel für ihr auf die Knie / und bat anfangs zwar um Verzeihung seines Verbrechens; aber er brauchte diß alsobald zu einem Beweise seiner hefftigen Liebe. Er gestand seinen Fehler / aber er entschuldigte selbten mit der Grösse ihrer Schönheit; welche sich durch ihre Gütigkeit zwar seiner Seele eingesänckt; aber sich zugleich ihrer Eigenschafft nach als eine Königin der Herrschafft über sein sie aufnehmendes Hertze bemeistert hätte. Daher wäre sein Verbrechen nichts anders / als ein Gehorsam gegen ihre Herrschafft / und eine Folge eines Gefangenen. Für dieses erkennte er sich nicht nur / sondern er schätzte es ihm auch für eine Ehre ihrer Willkühr unterworffen zu seyn. Sentia sahe nunmehr wohl: daß es mit Bojocaln auffs höchste kommen / und er /ihrem Belieben nach / um einen Finger zu winden wäre. Daher leerte sie nunmehr gegen ihn vollends alle liebreitzende Pfeile ihres gefüllten Köchers aus /und sagte hierauf: Solte ich mich wol bereden lassen: daß Bojocal eine Römerin auffrichtig liebe / welcher zeither eine so grosse Abscheu für allen Römern gehabt hat? Ich weiß allzuwohl: daß kein Fürst so sehr ein Weib / als seine Herrschafft lieben könne; aber alle die vom Germanicus angebotene Vortheile haben deinen Haß gegen Rom nicht aus dem Hertzen bannen können; Wie soll ich mich denn bereden lassen: daß du mich so sehr liebest / da ich dir nichts als eine Vergnügung geben kan / welche in wenig Augenblicken verrauchet / mich aber mein Lebtage beunruhiget. Meinestu: daß die Deutschẽ mit den Römern keine verträuliche Freundschafft hegen können? Mit was Vertrauen sollen wir denn unser Geblüte mit einander vermischen? Höre mich diesem nach auf zu lieben /oder vielmehr zu versuchen; weil du Römisch zu seyn nicht anfangen kanst / ich aber es zu seyn nimmermehr aufhören werde. Bojocal ward durch Sentiens Liebkosungen nicht so wol gefangen als bezaubert; dahero sie ihm nicht nur Bedingungen den Römern beyzufallen / sondern sich selbst für ihren Sklaven wie Attalus einen Freygelassenen der Römer zu erkennen hätte / fürschreiben dörffen. Er betheuerte diesemnach: daß wie alle Adern in seinem Leibe Sentien liebten / also keine in selbigem Raum hätte / welche ihrem Vaterlande und Landes-Leuten gram seyn könte. Er erklärte sich auch ohn ihr Verlangen: daß er nicht alleine / so lange ihm Sentia ein gut Auge geben würde / keinen Degen gegen die Römer zücken; sondern wenn sie ihn nicht unvergnügt sterben liesse /wider die Catten / Cherusker und alle ihre Feinde zu Felde ziehen wolte. Die Zeither kaltsinnige Sentia fiel Bojocaln nunmehr selbst um den Halß / und nach dem sie ihn durch ihre Küsse mehr als verzückt / fieng sie an: Ich weiß wol: daß deine Worte so wenig einer Versicherung / als vermögende Leute einiger Bürgen dörffen; aber schreib mir zu deinem eigenen besten deine Meinung in dreyen Zeilen auf; daß ich dir vom Käyser und Germanicus so viel gutes zuneigen könne / als deine Tugend um Rom / und deine Liebe um Sentien verdienet. Der wahnsinnige Bojocal hätte seiner Verführerin zu gefallen alle sein Blut verschrieben; also fiel es ihm nicht schwer / die schärffste Verbindung aufzusetzen / bey den Römern zu leben und zu sterben. Das Siegel dieses schändlichen Bündnüsses war die seiner tollẽ Brunst aufgeopfferte Ehre Sentiens; welche aus dem Verluste dieses unersätzlichen Kleinods den Römern einen grossen Gewinn erworben; Bojocal aber durch Sättigung seiner Geilheit viel erwuchert zu haben vermeinte. In eine so grausame Unholdin kan sich die Liebe verwandeln! welche doch ihrer ersten Art nach eine Urheberin aller tugendhafften Regungen / ein Brunn alles guten ist; ohne welche die Tugend keine Nachfolger / wir zur menschlichen Gemeinschafft keinen Zug haben; und weil sie der Werkzeug[1031] aller Glückseeligkeit / das von ihr unverzuckerte Leben eitel Gifft und Galle seyn würde. Wenn sie aber so / wie in Sentien / umschlägt / rottet sie die Tugend aus / und zerstöret die Gemeinschafft. Sie versehret die heiligsten Bande; sie erstecket das göttliche Feuer in unsern Seelen; sie machet tausend Ungewitter / von Furcht / Schmertz und Verzweiffelung in unserm Gemüthe / und ein ewiges Nagen in unserm Gewissen. Sie äschert Städte und Königreiche ein / stürtzet die freyesten Völcker in Dienstbarkeit; Sie stifftet Mord und Blutvergießen /und verleitet die edelsten Gemüther zu knechtischen Entschlüßungen. Diese Würckungen alle erfolgten auf das einmahl begangene Laster Sentiens und Bojocals. Denn dieser ward von Sentien dergestalt eingenommen: daß er gegen ihre Pfützen stinckender Wollust alle ehrliche Ergötzligkeit verschmähete / sich von ihr um einen Finger winden / von dieser Zauberin nicht nur alles Blut / sondern selbst Marck und Gehirne aussaugen; ja ihn von der Seite des Vaterlandes zum Dienste der herrschsüchtigen Römer ziehen ließ; und also beyde die zwey unvernünftigsten Gemüths-Regungen nemlich Liebe und Haß wider Deutschland ausrüsteten.

Nach dem Sentia Bojocaln nun derogestalt gefesselt hatte: daß er wie ein Fisch an der Angel ihrer Geilheit hieng / verfügte sie sich nach Siegburg zum Hertzoge Melo; bey welchem Domitius vom Chauzisch- und Friesischen Hertzoge allbereit ankommen war / und ihn theils durch Adgandesters falschen Brieff / theils durch Hertzog Ganasches und Malorichs Erklärung auf die Römische Seite gebracht hatte. Hierinnen ward er so viel mehr gestärcket / als Sentia vom Fürsten Bojocal / welcher wegen Nähe der Cherusker die gröste Ursache gehabt hätte / hinter dem Berge zu halten / eine schrifftliche Versicherung des Römischen Bündnüsses vorlegte. Alles dieses würckte bey denen nicht allzu weit sehenden Deutschen / die in ihren Gedancken sich schon in der Cherusker und Catten Länder theilten / eine ungemeine Freude; welche nicht wusten: daß böse Rathschläge in einem Reiche so viel würckten / als die aus Ertzt gezogenen Geister / damit unverständige Aertzte die Krancken zu stärcken vermeinen / ihnen aber das Leben verkürtzen. Es wurden nichts minder bey diesen hinters Licht geführten Deutschen / als bey den Römern selbst grosse Kriegs-Rüstungen für die Hand genommen / und in denen See-Hafen des Belgischen Galliens an den Kriegs-Schiffen unaufhörlich gearbeitet. Hingegen legten der Feldherr / Hertzog Arpus und Jubil / die Hände nicht in die Schooß; sonderlich da sie von ihren Gesandten am Sicambrischen / Chauzisch- und Friesischen Hofe so schlechte Zeitung von weniger Verrichtung und verdächtigen Anstalten vernahmen. Jedoch konte diesen Fürsten nicht träumen /weniger sie durch Klugheit vorsehen: daß so viel Deutsche sich solten bethören lassen / ihre Eingeweide mit ihren eigenen Nägeln zu zerreissen; Ungeachtet sie auch wider unterschiedene benachbarte Fürsten /besonders aber Segesthen / dessen Verwandschafft mit dem Feldherrn eine Anreitzung zu unversöhnlichem Hasse war / genugsame Ursachen eines rechtmäßigen Verdachtes hatten / sie auch selbte mit schlechter Müh hätten über einen Hauffen werffen können / so wolten sie doch lieber ihre Gefahr vergrössern / als durch eine unzeitige Rache denselben einen scheinbaren Vorwand ihres Abfalles / den Römern aber ihrer abgenöthigten Hülffe geben.

Nach dem nun Germanicus durch seltzame Hin- und Wiederführung seiner Kriegs-Völcker die Deutschen gäntzlich irre gemachet hatte / daß sie unmöglich urtheilen konten / wo er einbrechen würde; sammlete er zu Mäyntz eine grosse Menge Schiffe /mit ausgesprengtem Geschrey: daß er seine vier oberste Legionen den Rhein hinab führen wolte; wie denn auch die Schiffe mit allerhand gerüstetem Droß und vier aufgesteckten[1032] Adlern würcklich abführen / und Apronius die Catten versicherte: daß die Römer mit ihnen nichts zu schaffen haben wolten. Hertzog Arpus ward dadurch verleitet: daß weil er vom Feldherrn gewisse Nachricht bekam / Cäcina hätte zwischen der Ruhr und Lippe mit Hülffe der Tencterer und Sicambrer eine Brücke über den Rhein geschlagen / er den Fürsten Catumer mit der besten Reiterey / und dem Kerne des Fuß-Volckes / gegen dem Siege-Strome schickte. So bald Germanicus diß erfuhr / setzte er seine in Meynz versteckte Legionen / und sechzehntausend auf den Ufern der Gallier wohnende Deutschen mit dreyen flügenden Brücken so geschwinde und unvermuthet über: daß Hertzog Arpus nicht ehe /als biß das gantze Römische Heer festen Fuß gesätzt hatte / von diesem Einfalle Nachricht erhielt / und da rief er zwar seinen Sohn zurücke / und benachrichtigte es dem Feldherrn. Dieser war zwar willens den Catten Hülffe zu senden / aber weil ringsumher alles gegen die Cherusker / Bructerer und Marsen aufstand / fand er auf allen Seiten alle Hände voll zu thun. Catumer aber ward an so geschwinder Rückkehr verhindert; weil Hertzog Franck mit zehntausend Sicambern und Catten über den Siege-Strom gegangen war / und den Catten den Weg verleget hatte. Als nun Hertzog Arpus sahe: daß er dem Feinde mit seiner zertheilten Macht nicht gewachsen wäre / befahl er: daß sich alles über den Lohn-Strom flüchten / und was Waffen tragen könte / entweder zu ihm stossen / oder sich an solchem Fluß sammlen solte. Also kriegte Germanicus Lufft: daß er auf dem Berge Taunus die von seinem Vater Drusus erbaute / von den Catten aber zerstörte Festung wieder aufführen konte. Bey währendem Bau wolte Germanicus die beqveme Zeit / da wegen grosser Dürre fast alle Flüsse ausgetrocknet waren / nicht versäumen / sondern er eilte mit seinen Legionen / allen Nemetern / Vangionen / und andern Deutschen / ohne die auf dem Gebirge gelassenen Trierer über den Lohn-Strom zu kommen; welches Hertzog Arpus theils wegen Mangel des Wassers /theils weil Hertzog Melo sich mit zwölf tausend Tencterern und Juhonen an dem Flusse Seyn ankommen war / und den Catten bey Vertheidigung des Lohn-Flusses in Rücken kommen wäre. Jedoch traute Germanicus in diesem sonst regenhafften Lande weder dem Wetter noch den weichenden Catten. Diesemnach muste Lucius Apronius mit zweytausend Römern / dreytausend Tribozen / und sechstausend Galliern zurücke bleiben / über alle Ströme Brücken bauen / und selbte wie auch andere Pässe mit Schantzen versehen / damit er auf allen Fall sich wieder ohne Hindernüs gegen dem Rheine wenden könte. Bey solcher Beschaffenheit wendete sich Hertzog Arpus / als er bey dem Schlosse Dietz durch Befestigung seines Lägers an dem Lohnflusse den grösten Schein von sich gab / dar festen Fuß zu setzen. Er brach aber mit angehender Nacht in aller Stille gegen der Eder auf /theils zu seinem Sohne zu stossen / theils sich der Cheruskischen Macht zu nähern. Germanicus und Melo wurden hierüber verdrüßlich; weil sie den Hertzog Arpus in ihrer Hoffnung schon im Netze oder gar verschlungen hatten. Hingegen stiessen Arpus und Catumer bey Berleburg an der Eder glücklich zusammen; Hertzog Jubil aber kam an dem Flusse Knitz mit funfzehn tausend Hermunduren und Nariskern zu Hülffe. Also wurden die Römer und Sicamber zwar des Landes zwischen dem Sieg- und Lohn-Strome Meister / ihre Siege aber erstreckten sich nicht weiter / als über eine Menge Weiber und Kinder / und etliche verlassene Schlösser / welche den Sicambern eingeräumt wurden. Der gröste Schade war der Verlust der unbesetzten Stadt Mattium; welche Germanicus zu grossem Unwillen des Hertzogs Melo / und zur Freude der Catten einäscherte. Denn jener legte diesen Brand aus: daß ihm Mattium nicht gegönnet würde; jene aber /[1033] daß die Römer selbst an Behauptung ihres Landes verzweiffelten. Weil nun Germanicus derogestalt bey den Catten hausete / und Anstalt machte /über die vom Regen nun ziemlich angelauffene Eder zu sätzen / hatte Cäcina seine vier Legionen über den Rhein geführt / Cruptorich auch ihm fünf tausend Friesen / und Cariovalda sechstausend Bataver zu Hülffe gebracht. Mit diesen dräuete er bald den Marsen / bald den Bructerern einzufallen. Hertzog Ganasch und Bojocal stiessen auch an der Weser bey Tuliphurd zusammen / und dräueten den Cheruskern daselbst einzubrechen. Der Feldherr sätzte diesen letztern Feinden sechstausend Chamarer / acht tausend Dulgubiner / und zwey tausend Cherusker unter dem Hertzoge Segimer entgegen. Er aber gieng mit seiner Macht halb auf der einen / halb auf der andern Seite der Lippe hinunter / um wider den Cäcina so wol den Marsen als Bructerern und Catten auf ein und andern Nothfall beyzustehen. Weil Segesthes den Feldherrn versichern ließ: daß er sich in diesen neuen Krieg nicht mischen wolte / auch die geringste Kriegs-Anstalt nicht machte; ließ er bey Deutschburg / und gegen die Chaßuarier den Fürsten Sesitach Segimers Sohn / und den Grafen von Ritberg nur mit zweytausend Cheruskern stehen / und schickte den Grafen von Schaumberg mit sechstausend Cheruskern den Catten zu Hülffe. Hertzog Ingviomer hatte nicht nur seine sumpfichte Gräntzen gegen die Chauzen und Friesen besätzt; sondern stand auch mit zwantzig tausend Bructerern / und Malovend mit acht tausend Marsen fertig. Fürst Siegesmund lag inzwischen noch so hefftig als jemand an dem Feber der Liebe kranck darnieder; und hatte bey ihm diesen unveränderlichen Schluß gemacht / sich Zirolanens zu bemächtigen /solte es gleich sein Blut und Leben kosten. Ob er nun zwar Sentien / welche nach ihren geheimen Verrichtungen gantz stille nach Hause kommen war / gleich als hätte sie nirgends das Wasser getrübt / im Hertzen hassete / nahm er doch in seinem Anliegen zu ihr /und ihren glücklichen Betrügereyen Zuflucht; vielleicht weil der Betrug selbst eine angebohrne Schwachheit der Verliebten ist. Sentia versprach ihm nicht nur ihre Hülffe / sondern auch einen gewünschten Ausschlag / er solte nur tausend Reiter in verborgener Bereitschafft halten / und sich umb einen sichern Ort bekümmern / wo ihm niemand leicht seine Zirolane wieder nehmen würde. Sie wüste ihm aber keinen sicherern Auffenthalt / als bey den Römern /zu verschaffen. Siegesmund warf zwar hierwider ein: daß ihm keine Zuflucht verdächtiger seyn könte als die Römische; weil er des Käysers Priesterthum bey dem Ubischen Altare verschmähet hätte / und ihm beygemessen würde: daß er mit des Qvintilius Varus Leiche seinen Spott solte getrieben haben. Aber Sentia war eine Meisterin ihm alles bedenckliche auszureden / und sie stellte sich für seine gute Aufnehmung ihm selbst zum Bürgen. Gleich als wenn es in niedriger Leute Gewalt stünde / des mächtigern Willen zu he en; oder man beym Unglücke die Verbundenen zwingen könte: daß sie nicht ihren Kopff aus der Schlinge zügen. Diesen Betheuerungen gab er völligẽ Glauben / hielt auch zweytausend Pferde insgeheim fertig zum Aufsitzen / ohne Nachdencken: daß man an Pferden und von Weibern am meisten betrogen würde. Sentia schickte hingegen nach Deutschburg unterschiedene ihrer stets an der Hand habender Kundschaffter / welche aufs sorgfältigste erkundigen und ihr aufs geschwindeste berichten solten / wenn Ismene sich jemahls ausserhalb Deutschburg würde finden lassen. Diese brachten ihr in dreyen Tagen Nachricht: daß / seit dem der Feldherr zu Felde gezogen wäre / Thußnelde / Ismene / Zirolane / und das fürnehmste Frauenzimmer alle Morgen in die unter dem eingeäscherten Tanfanischen Tempel liegende Höle der Andacht halber sich verfügten. Sentia erinnerte hierauf ihren Stief-Sohn:[1034] daß er noch selbigen Abend sein Volck zusammen ziehen solte; denn sie wäre bereit folgenden Morgen ihm selbst seine Buhlschafft in die Hände zu lieffern. Sie wolte ihm schon Nachricht geben / wenn und wo er sich ihrer bemächtigen solte; Er möchte sich nur dem Tanfanischen Tempel nähern / und in dem Walde darbey sich verdeckt halten. Sie selbst aber zohe von Stund an dahin / verrichtete in der heiligen Höle ihre Andacht / ließ allda viel Opffer abschlachten / und wolte durch ihre Scheinheiligkeit alle Welt bereden: daß sie für die Ruhe Deutschlands sich auf einen Monat in selbiges Heiligthum verlobet hätte. Also muß die Gottesfurcht den Lastern / wie der Glantz bundten Schlangen zum Deckel ihres Gifftes dienen. Denn als den ersten Morgen die Fürstin Thußnelda mit ihrem Sohne Thumelich / Ismene / Zirolane / die Gräfin von der Lippe / von Nassau / und ander adeliches Frauenzimmer / welches vom Fürsten Sesitach mit fünffhundert Pferden begleitet ward / in dem Heiligthume ankamen / machte Sentia ihnen die demüthigste / Thußnelda aber Sentien als einer bekandten Verrätherin eine kaltsinnige Begegnung. Sentia gab hierbey einem ihrer Diener nur einen Winck; welcher spornstreichs dem Fürsten Siegesmund die abgeredete Nachricht brachte. Dieser war mit seinen zwey tausend Pferden in einer Stunde verhanden /welcher alsbald die Höle und den ungewaffneten Fürsten Sesitach besätzte / das Frauenzimmer ingesamt /wie auch den alten Priester Libys mit Gewalt zu Pferde brachte / und ungeachtet vieler von den Priestern wider diese Räuber und Versehrer des Heiligthums ausgeschütteter Flüche / und angedreuter Göttlichen Rache / davon führte. Die Cheruskische Reuterey /welche ein gutes Stücke auf der Seite hielt / ward des Raubes zwar zeitlich genung gewahr / und that alles eusserste die Geraubten zu retten; aber Siegesmund und Sentia liessen tausend Pferde mit den Cheruskern fechten / und verfolgten mit ihrer herrlichen Beute die Flucht ohne Versäumung einigen Augenblicks; welchen die übrigen Chaßuarier / wiewohl nach einem ziemlichen Verluste endlich / nach dem sie die schwächern Cherusker zum weichen gebracht hatten / aus Beysorge von grösserer Macht aus Deutschburg überfallen zu werden / folgten. Das Geschrey von diesem Raube kam nicht so bald nach Deutschburg / als alle daselbst befindliche Kriegs-Leute und Einwohner /welche Waffen tragen konten / zu Pferde sassen / und den Räubern nachsätzten. Sie holten sie auch an einem Furthe des Mönstromes ein / da es denn zu einem scharffen Gefechte kam / an welchem die Chaßuarier / welche doch wenig schwächer als die Cherusker waren / ziemlich einbüsten / weil diese so wohl der Verlust schmertzte / als Gerechtigkeit und Rache ihre Schwerdter schärffte. Diesem nach rieth der Graff von Arnsberg Segesthen / welcher mit fünffhundert Pferden zum Siegesmund gestossen war: daß er / und Sentia mit dem Raube sich auf sein nur zwey Meilen davon an der Ruhr gelegenes Schloß Arnsberg flüchten wolten. Siegesmund und er wolten inzwischen den Feind am Mönstrome noch so lange als möglich auffhalten; Dieser Rath ward für gut befunden / und befolgt. Aber der Graf von Schaumburg und Limburg sätzten mit solchem Grimme durch den Fluß: daß sie in einer halben Stunde deß von den Chaßuarien vertheidigten Ufers / und kurtz darauf des Feldes Meister wurden. Denn nach dem Siegesmund von Schaumburg eine Wunde in den Arm bekam: daß er nicht mehr den Degen halten kunte / rieth ihm Arnstein / es wäre nunmehr Zeit / auch auf seine Sicherheit zu dencken; also wiech er anfangs allgemach; endlich aber geriethen die Chaßuarier in völlige Flucht / und kam kaum ihr halber Theil in Arnsberg. Etliche wurden auch / und darunter Siegesmund vom Schlosse abgeschnitten / und gezwungen / durch die Ruhr zu schwemmen / und[1035] sich nach der Else zu flüchten. Die übrigen wurden erschlagen oder in die Ruhr gejagt. Denn die ergrimmten Cherusker würdigten als Räuber keinen gefangen zu nehmen / und die /welche auch lebendig in ihre Hände fielen / liessen sie ihre Roß-Buben an Bäume binden / und nach ihnen mit Pfeilen zum Ziele schüssen. Die Cherusker / ob sie zwar nicht den geringsten Sturmzeug bey sich hatten / machten doch alle möglichste Anstalt / Arnsberg zu belägren / thaten auch dem Feldherrn so wohl den Raub / als ihr Vorhaben zu wissen. Die meisten Chaßuarier verdammten auch selbst Segesthens und Siegemunds Beginnen / und war keiner / welcher / die Belägerten zu retten / nachziehen wolte. Segesthes und Sentia waren hingegen in grossem Kummer / weil sie wohl wusten: daß der Feldherr sich nichts in der Welt würde irren lassen / seine Gemahlin / Sohn / und andere Gefangene zu retten. Er verkleidete daher vier Edelleute in Bauern / schickte derer zwey mit Schreiben und Befehl: daß Siegesmund / welcher seine Entkommung nach Iserbon berichtet hatte / sie begleiten solte zum Germanicus / einen zum Cäcina / und einen zum Hertzoge Melo; welche ihren Nothstand / und die Herrligkeit der Beute berichten / und durch Versprechung alles dessen / was die Römer verlangen würden / sie zu erretten bewegen solten Die Gesandten Segesthens kamen mit seinen und Sentiens Briefen am ersten beym Germanicus an; welcher schon drey Tage hinter einander über die Eder zu kommen sich bemühet hatte / aber allemahl vom Hertzoge Arpus und Catumer glücklich abgeschlagen worden war. Melo und Franck solten zwar den Catten in Rücken gehen; aber die Lust ward ihnen theils durch das verbrennte Mattium / theils durch die böse Zeitung versaltzen: daß der Feldherr Herrmann zwischen der Ruhr und Lippe mit zwantzig tausend Cheruskern in das Gebiete der Sicamber eingefallen wäre / und des Melo zu Beschirmung selbiger Gräntze gelassene Bruder Dietrich mit acht tausend Sicambern und Tencterern sich zum Feldherrn geschlagen hätten. Daher meinten sie: die Liebe seiner selbst hätte das Vorrecht / und das Hembde wäre ihnen näher / als der Rock; also eilte Melo und Franck nach schädlicher Gewohnheit eigennütziger Bundgenossen nach Hause / ihr eigenes Feuer zu leschen. Germanicus nahm die Gesandten wohl / und den Fürsten Siegesmund freundlicher an /als dieser ihm eingebildet hatte; und weil er aus Arnsberg eine köstlichere Beute zu bekommen hoffte / als er durch etlicher Jahre Kriege zu erlangen ihm kaum hätte träumen lassen können / ließ er gegen der Eder /und denen Catten nur die vierzehn und sechzehende Legion unter dem Silius stehen / und schickte dem Apronius Befehl zu / mit denen zurück gehaltenen Völckern / welche nicht zu Besätzung der Brücken und Schantzen nöthig wären / diese zwey Legionen zu verstärcken. Er selbst aber wendete sich mit der andern und dreyzehenden Legion / wie auch mit seiner gantzen übrigen Macht / die er grossen theils zu Pferde sätzte / gegen der Ruhr; und weil sein starcker Vordrab die Cherusker von Arnsberg schon abgetrieben hatte / als er mit beyden Adlern nachkam / verfügte er sich selbst aus Begierde die Gefangenen zu schauen alsbald darein. Segesthes kam dem Germanicus an dem Thor freudig entgegen / überlieferte ihm etliche Stücke der dem Varus abgenommenen / und vom Siegesmund aus der heiligen Höle mit weggerafften Beute; redete den Germanicus auch mit einer grossen Zuversicht an: diß ist nicht der erste Beweiß meiner beständigen Treue / damit ich dem Römischen Volcke zugethan gewest. Nach dem mich August mit dem Bürger-Rechte beschencket / ist des Römischen Reichs Wohlstand die Richtschnure alles meines Thuns gewest; nicht zwar / daß ich als ein deutscher Fürst von meinem Vaterlande absätzen wolle; Denn Verräther sind auch euch[1036] Römern verhaßt / sondern weil Deutschlands Heil an dem Römischen hängt; Weil auch ein sicherer Friede besser als ein ungewisser Sieg ist / rieth ich / mit den Römern lieber Friede zu halten / als zu brechen. Ich habe den Rauber meiner Tochter / den unruhigen Herrmann / als einen Aufrührer beym Varus angegeben; Ich habe ihn ums gemeine Heil beweglichst gebeten / mich mit ihm gefangen zu nehmen; Aber Varus hatte hierzu keine Ohren / entweder weil er nicht klug genung / oder vom Verhängnüße zum Untergange versehen war. Folgende Nacht aber / welche ich mit meinem Blute gerne zurück kauffen wolte / erhärtete aber zu spat die Wahrheit meiner Unschuld / und das Wolmeinen meiner verachteten Warnigung. Was hierauff dann und wann erfolgt / ist mehr zu beweinen / als zu entschuldigen. Wie wenig Verständnüß und Verträuligkeit zwischen mir und dem Herrmann die Römer zu besorgen haben / ist daraus zu ermässen: daß ich ihm / und die Seinigen mir Ketten angelegt haben. So bald ich auch nur ein wenig Lufft bekommen / habe ich mit ihm die mir aufgedrungene Versöhnung abgebrochen / und bin dir zu gefallen nicht aus Knechtischer Begierde einigen Gewinnes / sondern nur meine Treue gegen die Römer zu bezeigen / und Deutschland mit euch zu versöhnen; wo es mit dir lieber friedlich seyn / als zu Grunde gehen will. Für meinen Sohn Siegesmund bitte ich Gnade / wo seine zu fallen gewohnte Jugend / und meine Verdienste es werth sind. Meiner Tochter Hertze / ich kan es nicht läugnen / hängt an ihrem Manne / aber gleichwohl ist ausser Augen nicht zu sätzen: daß sie zwar Herrmannes eures Feindes Gemahlin / aber doch euers treuen Segesthes Tochter sey. Germanicus umarmte Segesthen / nennte ihn seinen Bruder / des Kaysers Freund / versprach ihm /daß seinen Kindern kein Haar gekrümmet / und er bey seiner alten Herrschafft mit eussersten Kräfften geschützet werden solte. Hierauf ward Germanicus von Sentien bewillkommt / und in das Zimmer geführet /wo Thußnelda mit ihrem kleinen Sohne / Ismenen /und Zirolanen verwahret wurden. Die zwey letztern hatten die Augen nieder geschlagen / und konten nicht gar ihre Traurigkeit / oder vielmehr ihre Entrüstung gegen die Räuber verbergen; Thußnelda aber hielt anfangs die Hände in der Schoos zusammen geschlossen / und sahe nur ihren schwangern Leib an; gleich als wenn sie nicht so wohl um sich / als um diß / was das Tagelicht noch nicht beschienen hatte / bekümmert wäre; Jedoch ließ keine weder eine Thräne aus den Augen / noch einigen Seuffzer aus dem Hertzen steigen / und sie nahmen sich auch / so bald sie des Germanicus gewahr wurden / einer freudigern Gestalt an. Germanicus grüssete sie mit gewohnter Freundligkeit; ihre Gegenbezeigung aber war ziemlich kaltsinnig. Germanicus meinte hierauf sein Mitleiden zu bezeugen: daß er sie in solchem Unvergnügen antreffe; Welchem Ismene mit einer weder zu schwachen noch zu hefftigen Stimme / sondern welche der Ruhe ihres Geistes / und der Gegenwart ihrer Hertzhafftigkeit genugsames Zeugnis gab / antwortete: Wenn ihm sein Mitleiden ernstlich wäre / stünde es in seiner Gewalt sie aus den Händen ihrer Rauber zu erlösen / und durch ihre Erlassung vergnügt zu machen. Germanicus zohe die Achseln ein / und antwortete: Er wäre wol ihr Freund / aber zugleich ein Kriegsmann / welche scharffe Gesätze und gebundene Hände hätten. Zirolane ward durch eine so geschwinde und rundte Abschlagung ihres Gesuchs übereilet: daß sie ihm mit einer kleinen Entrüstung begegnete: Sie hätte nicht gewüst / daß der Römer Kriegs-Recht sich auch über ungewaffnete Weiber erstreckte / und verrätherischer Leute Raubereyen billichte. Germanicus versätzte:[1037] Sie solten sich darüber nicht ärgern; giengen doch anderer Völcker Kriegs-Gesätze noch viel weiter; welche auch das unvernünfftige Vieh auszutilgen Befehl ertheilten / und die Griechen hätten auch durch Zerbrechung über die Waffen ihren Grimm ausüben müssen. Diesemnach möchten sie nicht übel empfinden: daß er /als ein Feld-Hauptmann des Tiberius / so holdseliges und ihm so liebes Frauenzimmer für Römische Gefangene aufheben müste; So fern er aber Germanicus wäre / hätte er die gröste Begierde / ihnen alle Annehmligkeiten der Welt zu erweisen / und ihr Gefängniß in das annehmlichste Lust-Hauß zu verwandeln. Zirolane fiel ein: Es giebt kein ehrlich oder behägliches Gefängnüß in der Welt; und dem kan man nichts behägliches anthun / den man der unschäzbaren Freyheit nicht genüßen läßt. Ismene / welche ihre sittsame Unerschrockenheit behielt / und nicht weniger zum Germanicus / als gegen ihr selbst / ein behertztes Vertrauen bezeugte / versätzte: Ich bin dißfalls gantz anderer Meinung / und wil gerne eine Römische Gefangene seyn / wenn ich versichert bin: daß ich nur nicht der Willkühr meines Raubers übergeben werde; welchem ich zwar mein Tage nie hold gewest / ihm aber nunmehr grämer als einer Spinne worden bin. Denn ausser dem / würde ich mich ehe in den nechsten und besten Brunn stürtzen / ehe ich diesem verdrüßlichem Liebhaber das wenigste zu Willen leben solte. Ja ich wünschte nichts mehr / als mit Verlust meines Lebens an ihm sein so schwartzes Laster zu rächen. Eine solche Süßigkeit gewinnet die Rache in einem verliebten Weiber-Hertze / so / daß man zugleich muß ein Weib und verliebt seyn / wenn man ihren Kern recht schmecken will. Germanicus versprach Ismenen / und allen völlige Sicherheit. Thußnelde verlohr hierbey weder ihre erste Anstellung / noch ein Wort; weil aber der Fürsten Bilder nicht wie andere stumm / sondern lebhafftig und beredsam sind / gab sie ihre Großmüthigkeit auch ohne Sprache genugsam zu verstehen. Denn sie veränderte weder Farbe noch Gebehrden / sondern blieb immer in einem: Ihre Stirne und Augen gaben mit ihrer Beständigkeit genungsam zu verstehen: daß ihr Hertze gantz unerschrocken / und ihre Vernunfft ohn alle Verwirrung wäre. Ihre Ernsthafftigkeit war nicht aller Anmuth entblöst; und ihre Kaltsinnigkeit erstreckte sich nicht weiter / als gegen das Ubel / welches sie zu besorgen hatte; wiewohl ihr aus den Augen sehender Geist auch dem Unglücke selbst Trotz zu bieten schien. Germanicus wendete sich hierauf zu ihr alleine / und bat: Sie möchte ihm doch zutrauen; daß / so viel bey ihm stünde / er und Agrippine ihre Bekümmerniß zu erleichtern / bemüht seyn würde. Thußnelde nahm diß Erbieten zwar für bekandt an / antwortete aber: Sie wäre nicht würdig Hertzog Herrmanns Gemahlin zu seyn / wenn sein und ihres mit ihm überkommenen Gelückes Andencken nicht ihren gegenwärtigen Ubelstand zu versüssen vermögend wäre. Wiewohl sie in eines so großmüthigen Helden Hände zu gerathen für keinen Unfall halten würde / wenn es ihr nicht durch Vergehung ihres eigenen Vaters / und durch das Laster ihres Bruders begegnet wäre. Sie wäre wohl ehe unglücklicher gewest / als dißmahl / und daher käme dieser Zufall ihr weder seltzam noch unerträglich vor. Denn sie bescheidete sich: daß / wer lange auf Rosen gegangen /für nichts seltzames aufnehmen könte / wenn er einmal in einen Dorn träte; Ja der wüste nicht einst von Süssigkeit den rechten Geschmack zu ziehen / wer ihm die Zunge nie vergällt hätte. Ein Absatz des Glückes diente uns ehe zum besten / als zum Schaden. Denn wenn es uns mit einem Strome auff einmahl überschüttete / könte auch das gröste Gemüthe solches nicht fassen. Dieses / und der Krieg würde müde und verdrüßlich / wenn sie sich stets auff eine Seite hencken solten. Daher hoffte sie[1038] den Tag ihrer und der Deutschen Freyheit / wie auch die Wiedersehung ihres Gemahles / noch wol zu erleben. Weil doch das Glücke ein für allemahl der Tugend wie eine Magd nachtreten müste / auf den ärgsten Fall aber /würde doch ein ehrlicher Tod sie dem Spotte der Gefangenschafft entreissen. Germanicus befahl die Gefangenen aufs ehrlichste zu halten / ließ sie aber noch selbigen Tag mit fünf hundert Pferden gerade nach dem Ubischen Altare führen.

Unterdessen hatte so wol Cäcina als Hertzog Herrmann von Arnsberg Nachricht eingezogen / und jeder mühte sich daselbst hin gleich als zum Mittelpuncte alles ihres Vorhabens zu gelangen. Der Feldherr ließ beym Fürsten Malovend und Marsen den Hertzog Dietrich und viertausend Cherusker / gegen Cäcinen ein wachsames Auge zu haben. Mit sechzehn tausend Cheruskern aber wendete er sich gerade gegen Arnsberg / er wäre auch dem Germanicus sonder Zweiffel zuvor kommen / wenn er nicht über alles Vermuthen an dem Ursprunge der Emser / bey Trintenstad den Hertzog Melo für sich gefunden hätte. Des Feldherrn Eyver war so groß: daß er diesen ihm am Wege liegenden Feind von Stund an angrief. Aber Melo / welcher entweder meinte: daß die gantze Cheruskische Macht im Anzuge wäre; oder weil er mit den Deutschen es selbst nicht wolte auf die Spitze kommen lassen / zohe sich nach etlicher Stunden hefftigem Gefechte / darinnen er den kürtzern zohe / bey anbrechender Nacht auf Siegburg an die Ruhr zurücke. Der Feldherr blieb die Nacht auf der Wahlstatt stehen; und als er auf den Morgen keinen Feind mehr fand /verfolgte er unverhindert seinen Weg nach Arnsberg. Er hätte aber für Grimm und Hertzeleid vergehen mögen / als er nach Mittage von etlichen ihm begegnenden Cheruskern die traurige Nachricht bekam: daß selbigen Morgen Plancus mit zweytausend Römischen / und Eberhard / der Vangionen Fürst / mit drey tausend Nemetischen und Vangionischen Reitern das Schloß Arnsberg entsätzt / Segesthen / Sentien / mit Thußnelden / Ismenen / dem jungen Thumelich heraus genommen hätten. Der Graf Schaumburg / Ritberg /und Limburg hätten zwar mit allen Cheruskern / als Löwen gefochten / und drey Stunden die dreymahl stärckeren Feinde an der Einkunfft in Arnsberg / daraus gleicher gestalt ein Ausfall geschehen wäre / verhindert; aber nach dem Schaumburg todt blieben /Ritberg und Limburg harte verwundet / die Ankunfft zweyer Römischen Legionen auch von ferne erkieset worden wäre / hätten die bestürtzten Cherusker nur der Noth und dem Feinde weichen müssen. Der Feldherr erblaste und verstummete auf einmahl über dieser bösen Zeitung. Hernach ward er Feuer-roth; seine Augen brannten / er runtzelte die Stirne / ließ die Augenbrauen bald niederfallen / bald zoh er sie wieder in die Höh / die Haare stunden ihm zu Berge / die Nasenlöcher weit offen. Die Lippen schwollen ihm auf /und zitterten. Er knirschte mit den Zähnen / schäumte mit dem Munde / die Zunge ward ihm trocken; er redete nur verbrochene und unverständliche Worte; und weil er mit seinem Stammeln nicht fort konte /seuffzete er nur. Die Adern lieffen ihm auf der Stirne und am Halse auf / der Puls schlug ihm starck und gefach / und er muste noch einmahl so offt als sonsten Athem holen. Aus welcher Verstellung leicht zu urtheilen war: daß dem sonst so freundlichen und unveränderlichen Fürsten wol sein Lebtage nichts schmertzlichers begegnet seyn müste. Und alle diese Veränderung überfiel ihn in einem Augenblicke. Denn der Zorn kommet nicht nach und nach / sondern schlägt wie der Blitz unversehens / daß Knall und Fall ein Ding ist. Die Rachgier ergeußt sich wie ein feuriger Strom in alle Gedancken / brennet wie eine fressende Flamme in allen Adern / scheinet aus den Augen und allen Gebehrden auf einmahl; indem der Zorn alle Glieder auf einmahl[1039] zu seinem Werckzeuge gebrauchen wil. Weil der Feldherr nur / wie alle tapffere Fürsten / ein Bild war / dem sich alle seine Unterthanen ähnlich zu machen befliessen / ward sein gantzes Krieges-Heer mit einem gleichmäßigen Feuer von Schmertz und Tapfferkeit angezündet / daß sie alle rieffen: der Feldherr möchte sie nur als Männer wider die Räuber des unbewehrten Frauenzimmers / und als Verehrer des unsterblichen Gottes wider die Mord-Brenner und Versehrer der Heiligthümer führen. Sie wolten für ihn / für seine Gemahlin / und seinen Sohn ihren Erb-Fürsten / freudiger ihr Blut / als andere Rinder und Schaafe aufopffern. Nach dem sich nun Hertzog Herrmann von seiner ersten Bewegung ein wenig erholet hatte / und er an allen Cheruskern eine freudige Begierde zu fechten sahe / ertheilte er Befehl; daß Männer und Pferde sich ein paar Stunden erholen / ein jeder sich zum Streite fertig machen / und man in Eyl für das Fuß-Volck Steige und Brücken über die Ruhr legen solte: denn er wolte die Römer noch selbigen Abend angreiffen. Er schickte auch hin und wieder wolberittene / und selbigen Landstriches kundige Leute aus / die von Arnsberg abgetriebene Cherusker zusammen zu lesen / welche sich an ihn hencken solten. Dieses erfolgte zu grossem Glücke. Sintemal nicht ferne davon gegen Werle / der Graf von Ritberg und Limburg mit funfzehn hundert Pferden angetroffen / und ehe es jemand vermuthete / zum Feldherrn gebracht wurden. Wie diese nun zwar angenehme Gäste waren / und von ihm ihrer Tapferkeit und empfangener Wunden halber gerühmet wurden; also unterliessen bey versammleten Kriegs-Rathe Ritberg und Limburg nicht / dem Feldherrn den Angrief zu widerrathen. Sintemahl sie von etlichen Römischen Gefangenen und deutschen Uberläuffern / die sie auch ihm eintzelweise fürstellen / die einstimmige Nachricht / ja mit ihren Augen von einer Höhe gesehen hätten: daß Germanicus mit zwey Legionen / und mehr als sechzehntausend Hülffs-Völckern bey Arnsberg ankommen wäre. Der Feldherr antwortete ihnen: Er wüste es wol; und sie hätten es mit ihren Helden-Thaten erhärtet: daß in ihren Hertzen so wenig als in seinem eigenen Furcht steckte. Er glaubte auch: daß die Römer zweymahl so starck wären; aber sie hätten darbey zu viel Vernunfft / welche allezeit zu mißträulich / und daher auch zu langsam und vorsichtig wäre. Er würde selbst mit ihnen bedachtsamer zu verfahren für gut befinden / wenn nicht der Zeit Verlust ihm alle Hoffnung die unschätzbare Beute sein Lebtage wieder zu erlangen benähme / ohne welche er lieber todt seyn als leben wolte. Hundert künfftige Siege könten ihm nicht ersätzen / was diesen Tag ein einiger geben könte / weil Germanicus mit denen Gefangenen über Hals und Kopff nach Rom eilen / und zu Deutschlands ewiger Schande eines Feldherrn Gemahlin zur Magd / seinen Sohn zum Sclaven machen würde. Diesen vorhin nie empfangenen Schandfleck würde Deutschland nimmermehr mit so viel Blute ausleschen / als der Rhein und die Elbe Wasser führte. Also müste so wol die Noth als die Hertzhafftigkeit in ihrer aller Seelen nicht so wol die Zag- als übrige Klugheit ausleschen / und durch kühne Entschlüssung / durch tapffere Verrichtung ihm den Weg zur Glückseeligkeit / ihnen zur Ehre bähnen. Gleiche gegen gleiche fechten wäre ein Werck der Kleinmüthigen. Helden aber müsten ihre Feinde nicht zehlen; denn einer stünde gegen hundert. Der Feinde Menge blähete hertzhaffter Leute Hertze mehr auf / ihre Rüstigkeit ermunterte die Lebens-Kräfften / und ihre Seele wüchse mit der Grösse ihres Gegentheils. Ja es wäre gewisser; daß die Seele auf dem Stuhle der Tapfferkeit /von welchem sie alle andere Gemüths-Regungen beherrschte / als die Krafft[1040] der Sonne in dem Hause des himmlischen Löwen vergrössert würde. Denn so denn führte sie nichts als hohe Gedancken / sie sätzte ihr nichts gemeines für / sie träte alle Gewalten mit Füssen / sie verachtete so wol alle Gefahr als Dräuungen / sie freute sich bey Näherung ihres Feindes / und hielte den Angrief für den Anfang ihres Sieges. Durch solche Regungen sonderte sich der Adel vom Pöfel ab. Denn die Hertzhafftigkeit hätte alle Würden erfunden / alle Reiche der Welt in Grund gelegt / alle grosse Fürsten gemacht / den Weg der Ehre und der Unsterbligkeit eröffnet. Die Macht bildete ihr zwar ein /und das Glücke rühmte sich / daß sie Ausgäber in der Sieges-Kräntze wären; aber diß wäre ein Eingrief ins Recht der Tapfferkeit / ja wenn auch diese je zuweilen den kürtzern züge / müsten doch jene der Tugend das beste vom Siege / nemlich den Ruhm einer unverbesserlichen Gegenwehre / und daß der Feind heldenmäßig gefochten hätte / oder gestorben wäre / überlassen. Lasset uns diesem nach lieber ritterlich sterben /als uns mit der Schande beladen / daß wir als feige Leute den Römern unsere geraubte Kleinodter nicht einst strittig gemacht hätten. Hertzog Sesitach / welcher die Reiterey führte / fieng hierauf an: Ich weiß wol: daß es der meisten Kriegs-Leute Art sey alle furchtsame Anschläge zu verwerffen; weder abschüßige Klippen noch Schiffbrüche / oder die schrecklichsten Ungeheuer und Zufälle der Welt zu achten / oder ins Auge zu fassen; ja den sich in tausenderley Gestalten ihnen fürstellenden Tod für eine Bländung oder Gespenste zuhalten / damit sie selbst nicht für furchtsam angesehn werden. Aber er wolte lieber: daß er an seinem Ansehn / als das Vaterland an seiner Wolfahrt eine Verminderung leiden solte. Allem Ansehn und Umständen nach würden sie nun zwar durch ihren Angrief eine herrliche Gelegenheit rühmlich ihr Leben zu schlüssen / aber nicht die Gefangenen zu befreyen haben; hingegen würde ihr Untergang Deutschland mit sich in Dienstbarkeit reissen. Wenn es aber ja geschlagen seyn müste / wolte er nicht der letzte seyn / sondern ihm die Ehre ausbitten / den ersten Angrief zu thun. Der Graf von Limburg und selbst der von Nassau waren eben dieser Gedancken: daß es menschlicher Vernunfft nach wohl vergebne Müh / aber ein gefährlicher Streich seyn würde. Alleine weil dieser letztere wol wuste: daß ein entrüsteter Helden-Geist alle widrige Gutachten für Kleinmuth /alle böse Wahrsagungen für Aberglauben / alle für ihn führende Sorgen für Beleidigung und Beneidung seines Ruhmes hielte / und wie ein verthämter Bergstrom mit desto grösserem Ungestüme alle Hindernüsse über einen Hauffen würffe / zohe es die Achseln ein / und sagte: Wir sind ohne diß mit so viel Feinden verwickelt: daß weder menschliche Vorsicht noch Stärcke / sondern nur das göttliche Verhängnüs uns zu rechte helffen kan. Und diß / was Diener nach Verstande einrathen / muß allezeit auf Sicherheit / was aber ein Fürst entschleust / auf einen unverzagten Helden-Muth gegründet seyn. Ich rathe daher als ein Diener / nicht alles auf die Spitze zu sätzen; wenn ich aber Hertzog Herrmann wäre / weiß ich nicht / was ich thäte. Weil nun Rachgier und Verwegenheit ohne diß gewohnt ist / langsame wiewol gute Rathschläge zu verachten / das Vertrauen auf sich selbst / und übereilende Begierden sie aller Vorsicht berauben / ja das Gedächtnüs ausgeübter Helden-Thaten und die vorgesetzte edle Sterbens-Art seiner Verwegenheit ober Unvernunfft alle Flecken abwischen; Waren alle eingeworffene Bedencken / ja die eigene Einbildung alles zu verspielen / beym Feldherrn nicht so vermögend / etwas von seiner Hertzhafftigkeit zu verliehren / oder von seinem Vorsatze nachzulassen. Diesem nach sagte er: es bleibt einmahl[1041] darbey: wir wollen diese Nacht / und ehe wir vom Cäcina und Melo mehr Feinde über den Halß bekommen / siegen oder sterben. Der Feldherr hatte hiemit kaum den Rathschlägen ein Ende gemacht / als ihm Woldenburg und Ludingshausen zwey Cheruskische Edelleute die erfreuliche Zeitung brachten / daß die Ritter Arnstein /Wippra / Sittberg / Hoya / Weda / Kappenberg / Arnburg / Deipholtz / und Wintzenberg / nach erfahrnem Raube in Eyl viertausend Mann zusammen gezogen hätten / und selbte keine viertel Meile mehr entfernet wären. Der Feldherr fieng hierüber an: Höret und sehet ihrs nun! daß GOtt selbst durch Zusendung so unvermutheter Hülffe an unserm hertzhafften Schlusse ein Gefallen habe. Lasset uns also unerschrocken verrichten / was das Verhängnüs zu befördern uns anbeut! hiermit saß alles zu Pferde / und schwä ete durch die Ruhr; das Fuß-Volck aber gieng theils über die Brücken und Steige / theils schwam es aus Begierde durch / theils sätzte es sich hinter die Reiter auf die Pferde; also daß ehe die Nacht anbrach / alles übergesätzt war. Die ausgeschickten Kundschaffer brachten die Zeitung: daß Germanicus im Schlosse Arnsberg wäre / das Römische Heer sich aber nahe darbey / zwischen zweyen in die Ruhr flüssenden Bächen / gelagert hätte / die Wachen auch allenthalben wol bestellt wären. Kurtz darauf fand sich auch von den Nemetern ein Uberläuffer ein; welcher berichtete: daß die Vangionen und Nemeter zu diesem Kriege wider ihre Lands-Leute mit den Haaren gezogen wären / und zu fechten wenig Lust hätten; diesen Abend wäre ihnen das Wort: Livia / zur Losung gegeben worden. Der Feldherr ward hierüber nicht wenig froh: stellte bey dem ziemlich hellen Mohnden-Scheine sein Heer in Gestalt einer Sichel in Schlacht-Ordnung. Man sahe ihm an seiner Gestalt und Gebehrdung an: daß die Hertzhafftigkeit seinem Antlitze einen besondern Glantz eingedrückt / seiner Seele eitel edle Regungen und Entzückungen eingeblasen /alle Adern mit aufschwellendem Geblüte erfüllet /allen Gliedern eine kräfftige Bewegung zugeeignet hatte; also daß ihn in dieser Stellung billich einer der fürtreflichen Mahler hätte abbilden sollen / derer Pinsel nur Götter und Helden fürstellte. Diesem nach redete er die Cherusker / und die sich zu ihm gefundenen Chassuarier mit desto grösserem Nachdrucke folgender Gestalt an: dieses ist die Stunde ihr Fürsten /ihr Helden und Brüder / da wir es dem Germanicus wie dem Qvintilius Varus mitspielen / itzt aber so viel mehr Ehre als damahls einlegen sollen / so vielmehr Germanicus des Tiberius Sohn vornehmer als jener seyn wil. Es ist nicht der erste Tag / daß ihr mit ihm die Kräfften geeichtet / und ihm über dem Rheine gewiesen habt: daß dieser freche Jüngling euch zu bekriegen zu unerfahren sey / die Römer aber kaum euer Gesichte / weniger eure Schwerdter vertragen können. Die zwey gegen uns liegenden Legionen gehen mehr mit Aufruhr schwanger / als sie Lust zum fechten haben; und die den Römern folgende Deutschen warten nur auf eine Gelegenheit wieder über den Rhein zu fliehen. Segesthes / mein stattlicher Schwäher / ist der Urheber dieses Einbruchs; der Zweck ihrer fürtreflichen Verrichtung ist eine schwangere Frau / und etliche unbewehrte Jungfrauen zu rauben. Dieses haben sie mit Noth / und zwar durch Verrätherey und Arglist kaum zuwege gebracht. Ich aber habe drey Legionen mit ihren Obersten für freyer Faust erlegt. Denn ich halte es auch im Kriege nicht für ehrlich / jemanden zu betrügen / und für weibisch ungewaffnete anzutasten. Der Blitz schämt sich Leichen oder Schlaffende zu versehren; also reibet sich ein tapffer Gemüthe nicht an die / welche ihres Geschlechts halber sich nicht wehren können / oder welche kein Hertz haben. Ihr Cherusker habt euch der noch in dem Deutschburgischen Heyne aufgehenckten Sieges-Zeichen / die ihr über die Römer erlangt /[1042] zu erinnern. Solche müsset ihr diese Nacht zu vermehren / nicht zu verlieren trachten. Ihr ehrlichen Chaßuarier aber! entschüttet euer Vaterland so wohl aller Schande / als Dienstbarkeit; weil ihr euch des Lasters nicht theilhafftig machet / wormit der kleinmüthige Segesthes sich befleckt; welcher / um seinem Sohne das Knechtische Priesterthum wieder zu erlangen / Deutschland und die Freyheit mit dem Rücken ansehen / und auf der bezwungenen Seite des Rheines dienen will. Alle aber gedencket: daß Deutschland nimmer genug Segesthen verspeyen wird / als welcher die Römischen Beile und Stecken zwischen den Rhein und die Elbe gelockt hat. Denn dieses ist denen Deutschen gegen andere Nord-Völcker keine geringe Schande / welche von der Römischen Herrschafft ihrem Joche und ihrer Schatzung nichts wissen. Der vergötterte Augustus / der neunmahl in Deutschland zu ziehen erkohrne Tiberius / hat so vielmahl den kürtzern gezogen / und unverrichteter Dinge abweichen müssen; nun aber soll ein unerfahrner Jüngling / ein aufrührisches Kriegs-Herr Deutschlands Meister werden? Da ihr nun alle euer Vaterland / eure Eltern / eure alte Freyheit und Sitten / scharffen Herren und der Dienstbarkeit vorziehet / werdet ihr sonder Zweiffel eher mir / als dem Beschirmer eurer Ehre und Freyheit / denn Segesthen folgen / welcher euch mit sich in ein lasterhafftes Joch zu stürtzen gedencket. Der Feldherr vertraute hierauf das dritte Theil seines Heeres dem Fürsten Sesitach / und dem Grafen von Eberstein / damit er die deutschen Hülffs-Völcker der Römer zum ersten angreiffen solte. Er selbst übernahm mit dem Grafen von Nassau / Teckelnburg / Rittberg / Steinfurth / und andern / die Römischen Legionen anzufallen / und der Graf von der Lippe / und Ludingshausen musten mit dreytausend Cheruskern zum Entsatz im Hinterhalte bleiben. Fürst Sesitach gieng vermittelst des ihm bewusten Losungs-Wortes mit seinem Vordrabe bey den eusserlichen Wachen der Nemeter und Vangionen vorbey; als die letztere aber ihn viel rechtfertigen wolte / machte sich ein Theil der Cherusker an selbte; Sesitach und Eberstein aber brachen an zweyen Orten ohne einigen Wiederstand in das schlecht verwahrte Lager der deutschen Hülffs-Völcker ein; welche meist in voller Sicherheit schlieffen / und bey ihrer Erweckung mehr auf die Flucht / als Gegenwehr dachten. Daher gerieth alles in Verwirrung; die Cherusker hatten mehr zu schlachten / als zu fechten / und die Sterbenden wusten nicht / ob ihnen die Feinde vom Himmel auf den Halß gefallen wären. Der Graf von Steinfurth gieng zwar mit fünffhundert Cheruskern / welche meist alle gut Römisch redeten / auch die verlohrne Schild-Wache der Römer vorbey; weil aber immittelst sich im deutschen Lager bey Sesitachs Einfalle ein grosses Getümmel entstund / machte die andere Wache nicht nur Lermen / sondern das gantze Römische Lager ward auch wache / und kam in die Waffen / ehe der Feldherr mit dem deutschen Fuß-Volcke solches erreichte. Dieses befand er so vortheilhafftig geleget /und mit Schantzen so wohl versehen: daß er selbst /solches zu bestürmen / für eine verzweiffelte Sache hielt. Denn gegen Morgen war es mit der Berg-Festung Arnsberg / auf den andern Seiten mit einer tieffen und hohe Ufer habenden Bach / und darhinter noch mit einem tieffen Graben umgeben. Der wachsame Germanicus ließ alsobald rings umher eine grosse Menge brennender Pech-Kräntze auswerffen / um die zum Sturme fertigen Feinde desto besser zu erkiesen. Jedennoch wagte er sich nicht / iemanden in das deutsche Lager / darinnen Sesitach nach Willen wütete / zur Hülffe zu schicken / sondern er öffnete allein in seinem Lager die eine Pforte / gab mit Feuer und andern Kennzeichen denen Nemetern und Vangionen zu verstehen: daß sie sich zu ihm flüchten solten.[1043] Wie nun die Nemeter und Vangionen über Halß und Kopff dem Römischen Thore zueilten / ließ er dem Feldherrn wissen: daß er mit den Flüchtigen ins Römische Lager zu dringen verhoffte / und da gab der Feldherr Befehl / solches an dreyen Orten zu stürmen. Unterdessen lag Sesitach dem Feinde so scharff in Eisen: daß er selbst mit dreyhundert Cheruskern ins Lager drang / und würde er sich leicht des Thores bemächtiget haben / weil die Römer ihn und die Seinigen für Nemeter hielten / wenn nicht Germanicus selbst alldar auf den Wall kommen / und den eindringenden Feind zu erste wahrgenommen / und durch den Fall-Gatter das Thor schlüssen / auf die Nachdringenden aber Pfeile / Wurff-Spiesse / Steine / und Feuer ausschütten lassen. Wie nun der Feldherr durch den versuchten Sturm wenig ausrichten konte / sondern bey erfahrner Einsperrung Sesitachs / wie weh es ihm auch that /selbten muste abblasen lassen; also ward der tapffere Sesitach mit seinen wenigen Cheruskern im Lager vom grösten Theile der Römischen Reuterey umringet; gleichwohl ließ er das Hertze nicht sincken / und sätzte ihm für / ehe biß auf den letzten Blutstropffen zu fechten / als sich zu ergeben; weil er für allen andern bey den Römern verhaßt war / und Tiberius hundert Pfund Goldes dem zum Preiße aufgesätzt hatte /welcher ihn lebendig lieffern würde. Weil er aber wegen mangelnden Werckzeugs zu Eröffnung des Fallgatters kein Mittel daselbst zu entkommen sah /über diß die Römische Reuterey dar stärcker als das Fuß-Volck war / sprang er vom Pferde / und befahl seinen mit ihm versperrten Cheruskern / sie solten ihm alles nachthun. Hiermit kletterte Sesitach mit ihnen inwendig im Walle hinauf; und ob sie zwar daselbst auch auf beyden Seiten von Römern angefallen wurden / kam ihnen doch dessen Schmäle zur Gegenwehr / und daß sie nicht so gleich umringet werden konten / zu statten. Sesitach gab zwar von dem Walle seinen Deutschen etliche Zeichen / daß er auf dem Walle mit den Römern im Gefechte wäre / um sie daselbst zum Sturme anzufrischen. Diesen mangelte es zwar nicht am Hertzen und Willen / aber am Sturmzeuge; weil Sesitachs nur zu Auffschlagung der unverschantzten Deutschen bestellter Vordrab nicht damit versehen war; welcher / wenn er alsbald hätte zur Hand gebracht werden können / wie der Feldherr bey erlangter Nachricht wohl eyfrig verfügte / würde das Römische Lager an diesem Orte grosse Gefahr ausgestanden haben. Nach dem aber Sesitach mit seiner Hand voll Volcks ohne Erlangung gewünschter Hülffe lange genung ausgehalten / ein grosses Theil der Cherusker / und darunter den tapffern Lautenberg / und Wenden / verlohren; er selbst etliche Wunden empfangen hatte / ihnen auch nunmehr die Cretischen Schützen und Balearischen Schleuderer von unten her mit Pfeilen und Steinen hefftig zusätzten / sprang Sesitach auf die Brustwehre des Walles / und rieff seinen Deutschen zu: Ihr Brüder! wir haben unserer Ehre ein Genügen gethan! hier sind nunmehr zwar wol Tod und Wunden / aber weder Sieg noch Ruhm mehr zu erlangen; sondern ein ieder suche sich / so gut er kan /aus den Händen seiner Feinde zu retten. Hiermit machte er den Anfang von dem Walle heraus zu springen; welches die meisten ihm nachthäten; die aber alle grosse Mühe hatten / sich durch den Graben zu arbeiten / besonders weil die Römer mit Steinen /Pfeilen und Wurff-Spiessen sie gleichsam von dem numehr befreyeten Walle überschütteten. Sesitach kam also mit einem ziemlichen Theile davon / welcher seine Rache auf die noch übrigen Nemeter / Vangionen und Gallier ausschüttete / derer dritter Theil kaum durch die Flucht entkam / die übrigen sprangen über die Klinge der erbosten Cherusker / oder wurden gefangen. Weil nun das Römische Lager mit so weniger Macht zu erobern für eine Unmögligkeit[1044] gehalten ward / satzte sich der Feldherr an der Ruhr an einen vortheilhafften Ort / um daselbst den Germanicus zu beobachten / biß seinem bereits abgeschickten Befehle nach die über der Lippe stehende Cheruskische Macht zu ihm stiesse. Folgenden Tag ritten die Cherusker mit denen eroberten Fahnen / und Kriegs-Zeichen / unaufhörlich ums Lager herum / forderten die Römer heraus / um sich der verlohrnen Beute zu bemächtigen. Inzwischen lieffen so wohl dem Germanicus / als dem Feldherrn schlechte Zeitungen ein; jenem vom Silius / welcher mit zweyen Legionen von Catten / und denen zu ihm gestossenen Hertzoge Jubil umringt war / diesem aber / daß die Marsen mit denen ihnen zugegebenen Hülffs-Völckern vom Cäcina und Melo geschlagen / Hertzog Dietrich gefangen / Malovend aber mit Noth über die Lippe entkommen wäre. Jenes verursachte: daß Germanicus / um seinen Feind zu verführen / an Befestigung seines Lagers aufs fleißigste arbeiten ließ / gleich als wenn er lange dar zu bleiben willens wäre. Auf die Nacht aber führte Germanicus ohne Rührung einigen Spieles seine Legionen davon / und ließ im Lager nur die Stall-Buben / welche die gewöhnlichen Feuer unterhalten; und andere im Lager bräuchige Dinge zum Scheine verrichten musten. Folgenden Morgen wurden die Cherusker zwar des Abzugs gewahr; und ob zwar die Römer einen Vorsprung von sechs oder sieben Stunden hatten / würde er sie doch verfolgt haben / wenn nicht die im Läger und auf dem Schlosse Arnsberg bekommene Gefangenen einträchtig berichtet hätten: daß Thußnelda / Ismene / Zirolane / Thumelich / und Libys schon vor vier Tagen über den Rhein zum Ubischen Altare wären geschickt worden. Diese Nachricht und die Beysorge / daß Cäcina und Melo gegen die Bructerer / oder die andere Helffte seines Heeres /ihren Sieg verfolgen / und tieff ins Land einbrechen würden / zwang den seinen Unstern verfluchenden /Feldherrn den Germanicus unbeirret ziehen zu lassen /und sich gegen der Lippe zu wenden. Germanicus hatte hingegen hohe Zeit / denen verlassenen zwey Legionen unter dem Silius zu Hülffe zu kommen. Denn ob solche zwar Stertinius mit zehntausend Hülffsvölckern verstärcket hatte / so waren sie doch denen vereinbarten Catten und Hermunduren nicht gewachsen; welche sie bey ihrem weichen Tag und Nacht mit Einfällen beunruhigten / und ihnen fast alle Lebens-Mittel abgeschnitten. Endlich beschlossen Hertzog Arpus / Catumer und Jubil sie gar in einem Walde / und würde es dem Silius und Stertinius nicht besser / als dem Varus gegangen seyn / wenn Germanicus nur noch einen Tag aussen blieben wäre. Mit seiner Ankunfft aber machte er ihnen auf der Seite /wo die Hermundurer stunden / Lufft: daß sie sich aus diesem Gefängnüße aushauen konten. Gleichwohl aber hatte Germanicus mit seinen vier Legionen / und so vielen Hülffs-Völckern nicht das Hertze / gegen die Catten und Hermundurer zu stehen; sonderlich weil er besorgte / der Feldherr würde ihm in Rücken gehen. Weil nun bey den Catten biß an die Eder alles verheeret war / muste er seines Bundsgenossen Melo Lande beschwerlich fallen / und an dem Sieg-Strohme sich hinab ziehen / und beym Ubischen Altare über die Brücke gehen. Wie nun seinen Anzug die grosse Dürre erleichtert hatte; also kam das nasse Wetter den Römern im Abzuge zu statten. Denn weil sie hinter sich alle Brücken abwarffen / alle Wälder verhieben /konten die Catten sie unmöglich einholen / wiewohl Catumer mit der Reuterey ihnen noch mehr / aber denen im Nachzug geordneten Galliern ziemlichen Abbruch that. Germanicus schrieb hierauf an König Marbod: daß / nach dem er die unruhigen Catten ein wenig gezüchtigt / den Hertzog Melo in Sicherheit gesätzt hätte / wäre er / zum Zeichen / daß Tiberius nichts über dem Rheine[1045] verlangte / zurück über den Rhein gekehret. Seine künfftige Sorgfalt würde auch nichts anders seyn / als die Sicambrer / Chauzen und Friesen wider die Cherusker und Bructerer zu beschirmen.

Eben selbigen Tag kam Agrippine von Meyntz beym Ubischen Altare an. Sie hatte sich nur wenige Zeit mit dem Germanicus ersehen / als sie zu der gefangenen Thußnelde und anderm deutschen Frauenzimmer eilte / und selbte nicht ohne Thränen bewillkommte. Sie fand sie aber alle muthiger / als sie ihr hatte einbilden können / und sie konte sich fast nicht darein finden / wie sie bey dem Verluste ihrer Freyheit einerley Gesichte / wie sie bey gutem Glücke gewohnt waren / machten. Thußnelda / welcher nebst dem andern Frauenzimmer mit dem Anblicke Agrippinens gleichsam eine Schale voll Freuden-Oeles ins Hertze gegossen ward / danckte mit einer annehmlichen Ehrerbietung Agrippinen für ihr Mitleiden / und daß sie bey so sehr verändertem Glücke nichts an ihrer alten Zuneigung verändert hätte. Bey dieser Versicherung würde ihre Gefangenschafft mit wenigen Sorgen / und keinem Betrübnüsse bebürdet seyn; weil sie unter dem Schirme einer so tugendhafften Frauen keinen Anstoß an ihrer Ehre zu befürchten hätten. Denn wenn diese in Sicherheit wäre / würden sie ohne Ungedult alle trübe Wetter über ihre Häupter gehen lassen / weil sie von Kindheit auf gesehen / und die Erfahrung sie gelehrt hätte: daß hohe Häupter ihre Thränen / wie die Gebürge ihr Wasser hätten; und daß das Glücke über seinem Bestande niemanden Bürgen sätzte; diesem müste man wie einem Narren alles zu gute haben / weil es gewohnt ist aller zu spotten; und gleichwol müste man der Ehrerbietigkeit gegen das Glücke nicht vergessen / weil es so grosse Gewalt und Freyheit hat; und auch / wenn es einen am ärgsten mit Füssen tritt / den Elenden noch zuweilen Lufft läßt /oder einen holden Blick giebt. Dieses geschehe ihnen durch die tröstliche Heimsuch- und Erklärung der unvergleichlichen Agrippine. Diese antwortete: Sie wünschte von Hertzen: daß sie so ungebundene Hände als ein verknüpfftes Hertze hätte / so würde ihre Bestrickung in einem Augenblicke aufgehoben /und ihre Füsse so frey als ihre grossen Gemüther seyn. Es gereichete aber ihr / welche dem Glücke ebenfalls wenig gutes zuzutrauen verborgene aber erhebliche Ursachen hätte / zu einem mercklichen Troste: daß sie an ihrem Beyspiele sähe / wie vollkommene Tugend allezeit gerade bliebe / und sich durch die schlimmsten Unglücks-Fälle nicht krumm beugen liesse. Sie erfreute sich: daß die Tugend durch Widerwärtigkeit wie das Eisen vom Schleifsteine geglättet und geschärfft werde / und also falsch sey derer Meinung / die die Tugend eben so für ein unnütze Ding als das Glücke für unbeständig halten / weil jene so wenig Früchte trüge / als diese Treu und Glauben hielte. Ja / sagte Thußnelde / dieses ist freylich ein grosses Vorrecht der Tugend: daß sie auch dem Unglücke durch den Sinn fährt; und daß diß niemanden keine so feste Stricke lege / welche nicht ein tapfferes Gemüthe wie Spinnen weben zerreisse; ja daß es ihm keinen so hartnäckichten Kopff fürsätzen könne / welchen nicht Gedult und Beständigkeit zu erweichen wisse. Aber diß ist noch ein viel grösseres Werck /und an der großmüthigen Agrippine zu verwundern: daß nach dem die / welchen das Glücke alles verhängt / so gerne auf Abwege gerathen / und weil man so wenig in die Länge grossen Wolstand als starcken Wein vertragen kan / die Tugend gleichwohl die Gemüther so befestige: daß sie gegen die / denen das Glücke auslescht / dennoch die Freundschafft nicht verschwinden läßt; welche ins gemein an die Speichen des Glückes angehefftet ist / und mit seinem Rade sich herum wältzet; also daß sie die Gefallenen nicht mehr kennet / oder zum höchsten mit einem kaltsinnigen Mitleiden ihre Seele ausbläset.[1046] Agrippine färbte sich ein wenig über diesem zwar scheinbarem Lobe /welchem aber des Beysatzes halber kein geringes Mißtrauen anzukleben schien; gleichwol verhüllte sie diß selbst / und fieng an: Weil die vollkommene Thußnelde allen / denen sie wol wolte / das Maaß ihrer Vollkommenheiten zueignete / machte sie aus einer so geringen Bezeugung ihrer grossen Schuldigkeiten gar zu viel Werckes. Sie müste vergeßlicher als Heydächsen seyn / wenn sie in so weniger Zeit ihrer Verträuligkeit nicht mehr indenck leben solte. Es müsten in ihrem Hertzen alle Funcken der Tugend verglommen seyn / wenn sie eine so reine Freundschafft mit einer so undanckbaren Abbrechung beflecken solte. Eine edle Seele büssete durch das Abnehmen seines Glückes so wenig / als der alte Mohnde an seiner Grösse ein; und sie verliehre wie ein von seinem marmelnen Fusse gestossenes Bild zwar etwas an seinem Ansehn / nichts aber an seiner Güte. Ihr eigen Hertze weissagte ihr mehr als alle Wahrsager: daß sie in weniger Zeit mehr als Thußnelde Mitleidens bedörffen würde. Der aber wäre nicht klug / und nicht werth glücklich zu seyn / der sich auf gegenwärtigen Sonnenschein verliesse / und mit dem Winde den Mantel der Liebe und Freundschafft umwendete. Ihr wäre zwar vieler irrige Meinung unverborgen: daß hoher Stand für die zarten und süssen Regungen der Liebe / sonderlich aber wahrer Freundschafft zu viel Härte und Aufblähungen hätte. Sie wüste wol: daß die Freundschafft keinem sich auf die Gipfel der Zedern setzenden Adler sondern den Bienen verglichen würde / welche in Thälern aus denen sich von dem Morgen-Thaue bückenden Kräutern die Seele der Blumen /und den Geist der Gestirne zu ihrem süssen Unterhalte sammleten. Alleine Thußnelde und die andern Fürstinnen würden ihrer eigenen Ankunfft und Hoheit Abbruch thun / wenn sie die Freundschafft / durch welcher Flügel sich viel Helden biß auf die höchste Spitze der Ehren und Gewalt geschwungen / welche die beste Schutz-Säule eines Reiches ist / nur in leimerne Hütten verbannen / sie dem Adel absprechen /und dem Pöfel zueignen wolte. Sie halte diesem nach Thußnelden für ihre alte Freundin / und zweifle nicht: daß Freundschafft sich nirgends ausschlüssen lasse /wo die Tugend einen Zutritt hat; und daß keine grössere gefunden werde / welche ihr nicht weiche /und aller Eigennutz ihr aus dem Wege treten müsse. Thußnelde begegnete Agrippinen mit ihrer gewohnten Offenhertzigkeit; Sie wüste gar zu wol / daß aufrichtige Freundschafft mit Fürsten eine so gute Verträgligkeit / als das reine Silber der Lilgen mit dem sie krönenden Golde haben könte; ja wenn sie auch bey andern nicht wohnen solte / würde sie doch von der aufrichtigen Agrippine unabtrennlich seyn. Sie hätte solche schon so viel mahl geprüfet / daß ein einiges ihrer Worte als das sicherste Pfand überflüßig darfür stün de / weil ihre Zunge nichts reden könte / was mit ihrem Hertzen nicht überein stimmte. Unterdessen hörte doch Agrippinens beständige Freundschafft nicht auf ein Wunderwerck in der veränderlichen Welt zu seyn / wo die auf den Gipffel der Ehre und des Glücks steigenden Menschen ins gemein sich denen auf einen Baum empor kletternden Affen gleiche machen / welche Kopff und Leib zwischen das Laub verstecken / und denen Untenstehenden nur ihr garstiges Hintertheil weisen. Wenn aber auch zwey beysammen im Nachen einerley Würde und Freundschafft sitzen /einer aber ins Wasser fällt / giebt es nur einen Eutydicus / welcher ihm mit Gefahr nachspringt / seinen sinckenden Damon zu retten. Hingegen mangelt es nicht an falschen Freunden / welche dem sich ans Schiff anhaltenden / aus Beysorge umgestürtzt zu werden / die Hand abhacken. Daher sätze ich die Beständigkeit eines glückseeligen Freundes / gegen einem gefallenen / auf die höchste Staffel der Tugenden. Agrippine versätzte:[1047] die Beständigkeit ist sonder Zweiffel die Seele und Krone aller Tugenden; welche Stückwerck und ein unausgemachtes Werck bleiben /weñ jene sie nicht aus- und vollkommen machte. Fürnemlich aber ist die Freundschafft ohne behertzte Austauerung ein blosser Schatten und Spiegelfechten. Alleine / ich halte für viel leichter bey gutem Glücke gegen Mitleidens-würdige Elende Farbe zu halten /als daß ein Unglücklicher nicht den Muth sincken und sich keine Kleinmuth bemeistern läßt. Diese letztere Beständigkeit sticht allen andern die Augen aus / und ist etwas mehr als menschliches. Sie sieht ihren Feind ohne Furcht und Schrecken an; sie betrachtet ihn ohne Unruh und Verwirrung; und traut sie ihn gleich nicht zu überwinden / so ist sie doch sicher / von ihm nicht überwunden zu werden; und traut ihrer Tugend zu: daß an ihr alles böse der Welt / weniger als die wüttenden Wellen an felsichten Ufern ausrichten könne / ja / daß wenn gleich der Himmel einfiele / sie doch von zerbrochenen Stücken nicht würde zermalmet werden. Sie hat bey ihrer Stille und Mäßigkeit diß besondere: daß sie nicht nur alle Gemüths-Regungen und die Vernunfft / sondern das alles sonst zu Bodem tretende Glücke / und ihre Uberwinder überwindet. Sie fühlet keinen Schmertz / Schiffbruch / Armuth / Tod / Dienstbarkeit / Verläumbdung / und der Verlust der Ehre hält sie mehr für schreckende Gespenster als rechtschaffene Feinde; denn wenn sie diß / was sie am liebsten hat / einbisset / kommt es ihr für / als wenn sie dem Glücke ein Vorlehn bezahlte. Wenn sie ihre Glieder zerfleischen sieht / bildet sie ihr ein: es treffe nicht ihr Fleisch / sondern nur ihre Kleider. Die Dienstbarkeit erstrecket sich bey ihr nur auf den Leib / niemahls über das Gemüthe. Keine Schmach kan ihrer Unschuld Abbruch thun / und ihre Ehre schätzet sie so hoch über alles Urthel der Menschen / als die Sonne über die Dünste der Erde erhöhet zu seyn. Die sonst unabtrennliche Gefärthin des Elendes / nemlich die Traurigkeit / kommt ihm entweder nicht zu Leibe / oder wächset ihm wenigstens nicht zu Kopffe / sondern je mehr es stürmet und donnert / je mehr wächset ihr der Muth alles auszustehn; ja wenn der Tod sich ihr endlich so grausam für Augen stellt: daß einem andern daran nur denckenden das Hertze klopfft / die Haut schauert / und die Haare zu Berge stehn / behält sie ihre Freudigkeit. Welches wahrhafftig eine Sache über die Vernunfft und die Natur / und den Gedancken unbegreiflich ist. Thußnelde begegnete Agrippinen: Sie hätte zwar ein Bild einer so vollko enen Beständigkeit aufgestellt; welches nicht nur ihr und andern Gefangenen / welche bey einer so holdseeligen Fürstin ehe im Rosen-Garten als im Gefängnüße säßen / mit keinem Striche ähnlich / auch vielleicht nirgends als in der Giß-Forme ihrer tiefsinnigen Gedancken zu finden wäre. Nichts desto weniger bliebe es doch eine unhintertreibliche Wahrheit; daß es schwerer wäre gegen die uns liebkosenden als uns mit Sturm anfallenden Gemüths-Regungen auszuhalten. Ein Meuchel-Mörder liesse sich übeler als ein trotziger Feind vom Leibe halten. Wollust / Ehre und Eigennutz wären diese Zauberinnen / welche uns unaufhörlich mit Versprechung vieler Glückseeligkeiten zusätzten / und unsere Sinnen selbst zu Beyständ- und Gehülffen hätten. Von diesen nun nicht erweichet zu werden / erforderte eine Beständigkeit / welche die Klugheit allezeit zur Schildwache / die Unempfindligkeit zum Beystande hätte. Jene müste ihr das Gifft vom Honige / den Betrug von der Wahrheit unterscheiden; diese ihr für den Irrlichtern die Augen bländen / und für den verführischen Zauber-Liedern die Ohren zustopffen / damit sie mit einer ernsthafften Verächtligkeit alle liebkosende Versuchungen abfertigte. Mit einer so fürtreflichen Beständigkeit ist Agrippine und die gerüstet /welche ihrem fallenden Freunde die Hand reichen. Denn was[1048] kan Agrippinen ergötzlicher begegnen / als daß sie ihren Germanicus mit Lorbern über die bezwungenen Deutschen / und mit so viel erlauchten Gefangenen zu Rom im Siegs-Gepränge einziehen siehet? Was könte ihren Ehrgeitz mehr kitzeln / als wenn sie sich auf dem Capitol von gefangenen Fürsten als Sclavinnen bedienen sähe? So aber trauen wir uns diese Schande nicht zu erleben / da Agrippinens Güte uns mit dem Schatten ihrer Freundschafft zu beschirmen würdiget. Auf die Abwendung dieser einigen Schmach zielet alleine unsere demüthigste Bitte; Diese Gewehrung werden wir für ein Werck der allerbewehrtesten Freundschafft annehmen / und für was grössers schätzen / als daß Harmodius / ehe er seinen Freund Aristogiton verrathen will / sich ehe auf der Folter zerreissen; Dindamis / ehe er seinen Freund in der Sarmatischen Gefangenschafft lassen kan / ihm statt des Lösegeldes die Augen ausstechen ließ. Ich bescheide mich wohl: daß keine Bande der Freundschafft so feste sind / daß sie diese / wormit wir uns an das gemeine Wesen verknipfft wissen / auffzuschlingen vermögen solten. Alleine deine unvergeltbare Freundschafft wird weder der Vergnügung der Römer / noch der Ehre des Germanicus das geringste nicht entziehen. Denn / glaube mir / Agrippine / daß unter meinen / und meiner Mitgefangenen Brüsten keine knechtischere Hertzen / als in der wollüstigen Cleopatra stecken; und daß es der Römischen Macht doch am Vermögen fehlen werde / mir die Werckzeuge / wormit ich mich und meinen Sohn vor dem Siegs-Gepränge tödten könne / aus dem Wege zu räumen. Denn wir Deutschen dörffen unserm beschwerlichen Leben abzuhelffen / weder Messer / noch Feuer /noch Gifft / sondern wir wissen mit unserm verhaltenen Athem uns zu erstecken. Ismene und Zirolane umfaßten mit thränenden Augen bey diesen Worten Agrippinens Knie / und sagten: Dieses wäre auch ihre beständige Meinung / ihr höchster Wunsch / und die einige Glückseligten / welche sie in ihrem Leben einzubüßen hätten. Agrippinen giengen hierüber die Augen über / und sie versicherte sie: daß sie weder die Verkleinerung des Germanicus / noch der Unwille des Römischen Volckes / noch der Zorn des Tiberius /noch einig ander menschliches Absehen von dem ihrer Freundschafft obliegenden Vorsatze sie dieser besorgten Schande zu überheben abwendig machen solte. Sie wolte hierzu nicht nur alle Kräfften anwenden /alle Mittel hervor suchen / sondern sie wolte ihr selbst ehe Weh und Leid anthun / als sie solche Freund- und Heldinnen solte lassen einen Spott / und Schauspiel des Römischen Pöfels werden. Hierüber umarmten alle drey Agrippinen inbrünstig / und gaben durch solche Kennzeichen gnugsam zu verstehen; daß ihnen daran mehr / als am Leben gelegen wäre. Thußnelde absonderlich mühte sich ihre Danckbarkeit nicht so wohl mit Worten / als andern Ausschüttungen ihres Hertzens / Agrippinen zu verstehen zu geben / hernach sagte sie: Sehet ihrs nu / liebe Schwestern / daß unser Agrippine beständige Freundschafft ein zweyfaches Wunderwerck sey / weil sie nicht nur damit ihr Hertze wider die heuchelnden Anlockungen verhärtet; sondern auch die stürmenden Regungen sich an ihrer Gedult vergebens abmärgeln / und sich so wenig durch Haß / Neid / Zorn und Verläumdung anderer /als durch die Ehre und Liebe des Germanicus / von ihrer zu uns tragenden Neigung ableiten läßt; also mit ihren gütigen Würckungen sich der Sonne gleichet /welche mit ihren wolthätigen Strahlen etliche Dinge härtet / etliche zerschmeltzet. Agrippine nahm hierauf mit wiederholter tröstlichen Versicherung Abschied /und ersahe sich niemahls mit dem Germanicus: daß sie nicht Thußneldens / und ihres artlichen Knabens /wie auch Ismenens und Zirolanens zum besten gedachte / ihre Tugenden und Vollkommenheit heraus striech; hingegen die verrätherische Entführung[1049] Sentiens und Siegemunds auffs ärgste schalt; also auch mit beyden alle Zusammenkunfft sorgfältig vermeidete. Weil sie nun beym Germanicus in keinem geringern Ansehen stunden / war es bey ihm leicht zu erhalten: daß sie nicht allein als angenehme Gäste Fürstlich unterhalten worden / sondern auch in der Stadt und daherum aller Freyheit / ja täglich der beliebten Gesellschafft Agrippinens genassen. Diesen zu Liebe ward auch der Priester Libys / welcher ohne diß auch bey den Römern seiner Weißheit und Heiligkeit halber wol gesehen war / und daher seinen Raub ihrer wenig billichten / mit andern Gefangenen wohl gehalten. Ob auch wohl Germanicus anfangs willens war / den Thumelich mit einer Anzahl Catten nach Ravenna / wohin ins gemein die Kriegs-Gefangenen voran geschickt / und im Fechten geübt zu werden pflegten / zu versenden / um dardurch seinen vermeinten Sieg zu bescheinigen / so legte sich doch Agrippine mit aller Gewalt darwider / ihm einhaltende: daß er mit einem vierjährigen Kinde seinen Sieg ehe verkleinern und verdächtig / als wahr machen / hingegen Thußnelden mit ihm das Hertz aus dem Leibe reissen / und sich mit dem Nahmen eines grausamen belasten würde.

Wenig Tage nach des Germanicus Rückkunfft schickte ihm Cäcina den gefangenen Fürsten Dietrich / welchen sein Bruder Melo in dieser Bestrickung selbst gerne sah / iedoch mit dieser schlechten Zeitung zu: Er hätte zwar mit den Sicambern den Marsen einen Streich versätzt / wäre aber numehr mit seinen vier Legionen sehr im Gedrangen / und Hertzog Melo nebst denen andern deutschen Bundsgenossen fiengen an zu wancken; weil der Feldherr Herrmann mit seinen zusammen gezogenen Cheruskern auf der einen /Ingviomer und Malovend mit den Bructerern / Dulgibinen / Tubanten / und den ihren Hertzog und Siegemund als Rauber verfluchenden Chassuariern auf der andern Seite ihm auf den Halß / und dem Melo ins Hertze seines Landes gerucket wären. Uber diß wäre der Graff von Manßfeld und Stolberg des Nachtes mit der durch die Weser schwämmende Reuterey den Chauzen eingefallen / hätten das gantze Lager in Brand und Verwirrung gebracht / etliche tausend niedergehauen / und wenn Segimer dem Verlaß nach mit dem Fuß-Volcke nachgedrückt hätte / wäre selbigen Tag Hertzog Ganasch mit allen Chauzen und Römern erschlagen worden. Der Feldherr Herrmann hätte deß wegen Segimern abgesätzt / und das Heer dem Manßfeld vertraut. Uber diß sprengte er allenthalben aus: daß Germanicus nach grossem Verluste für den Catten und Hermunduren flüchtig worden / und mit genauer Noth über den Rhein entkommen wäre. Am allermeisten aber trachtete er die zwischen und um das Beltische Meer herrschende Fürsten wider die Römer in Harnisch zu bringen / und aus der unerschöpfflichen Scheide der Völcker / nehmlich aus den Nordländern / Gallien und Italien zu überschwemmen. Zu welchem Ende denn schon sechstausend Cimbern beym Manßfeld ankommen / und Hertzog Ganasch mit Sack und Pack biß nach Fabiran zurück gewichen wäre. Germanicus gerieth hierüber in keinen schlechten Kummer / weil seine vier abgemattete Legionen der Ruh von nöthen / er auch zu besorgen hatte: daß wenn er solche unten in Krieg einflöchte / die Catten oben über den Rhein setzen / und in Gallien einbrechen würden. Mit dieser Zeitung fand sich der zum Unsterne Deutschlands gebohrne Adgandester auch wieder ein; welcher im Nahmen des Königs Marbod dem Germanicus wegen der wider die frechen Catten ausgeübten Rache Glück wünschte / und ihn seiner beständigen Freundschafft mit gewohnten Heucheleyen versicherte. Hierbey rühmte er die treuen Dienste des Fürsten Flavius / und wie seine Tugend nicht nur würdig wäre / sondern auch König[1050] Marbod gerne sehen würde / wenn Germanicus ihn in sein väterliches Erbtheil einsetzen; also den Ruhm seiner Siege und Gerechtigkeit vergrössern / und mehr deutsche Fürsten zur Verträuligkeit anlocken würde / Germanicus könte nichts grössers thun; denn es wäre was über-Fürstliches einen Fürsten in seine Herrschafft einsätzen. Flavius / welcher beym Cäcina die deutschen Hülffs-Völcker führte / in der Schlacht wider die Marsen das beste gethan / und selbst den Fürsten Dietrich gefangen beko en hatte / erinnerte den Germanicus mehrmahls seines ihm gethanen Versprechens. Germanicus sahe wohl: daß an diesem Nagel der Abfall aller Deutschen / und nicht nur sein / sondern der Römischen Waffen Ansehen hieng / iedoch traute er aus Furcht der Catten nicht / den Ober-Rhein zu verlassen. Weil aber der schlaue Adgandester diesen ihm im Fuße steckenden Dorn allzuwol merckte /versicherte er den Germanicus / er wolte beym Marbod zu Wege bringen: daß er ein grosses Theil seines Kriegs-Volckes gegen die Gräntze der Hermundurer ziehen / und durch andere Anstalten den Catten keinen geringen Argwohn eines Uberfalls einjagen wolte: daß diese ohne diß durch Krieg und Brand ausgesogene Völcker wohl Galliens vergessen würden. Weil nun aus Italien und Hispanien auffs neue etliche tausend neugeworbene Völcker ankamen / die bey den Batavern gebaute Schiffs-Flotte auch fertig lag / und bey der Ubier Stadt angelendet war / entschloß sich Germanicus endlich die Cherusker im Hertzen anzugreiffen / und den Flavius zum Fürsten zwischen der Weser / und der Elbe einzusätzen. Er befahl diesem nach: daß die neundte Legion / welche in Gallien am Britannischen Ufer lag / gerade gegen der Mosel fortrücken / und Acilius Avola / und Julius Judus sich mit zwantzig tausend Galliern an Rhein setzen solte. Lucius Domitius verfügte sich nach Meyntz / samlete daselbst von Rauracern / Tribochen / Vangionen / und Nemetern ein neues Heer / und sprengte aus: daß er daselbst zwey in Noricum und bey denen Vindelichern liegende Legionen erwartete. Visellius Varro ward mit drey tausend Römern / und sechstausend Trierern auf das Taunische Gebürge in ein fest verschantztes Lager gelegt. Nach dem nun Germanicus diese und andere gute Anstalten am Rheine gemacht hatte /brach er unvermuthet auf / sätzte seine vier Legionen bey der Ubier Stadt in die fertigen / und theils mit Friesischen / theils Batavischen Bootsleuten versehene Schiffs-Flotte. Die Helffte derselben führte Römische Adler / die andere Cheruskische Pferde in Flacken; und Hertzog Flavius / welchem alle Deutschen und Ausländer untergeben waren / ließ von seinem vergoldeten Schiffe eben so wohl / als Germanicus / eine Haupt-Fahne wehen. Die Absegelung geschahe mit grossem Geschrey und Frolocken. Die Boots-Leute hatten alle Mast-Bäume mit Laube bekräntzt / und die Schiffe waren mit köstlichen Teppichten bedeckt. Auf der Vahalis kamen noch zweyhundert theils mit Galliern und Batavern / theils mit Lebens-Mitteln beladene Schiffe herauf. Gantz Nieder-Deutschland war bekümmert / wohin denn diese mächtige Schiffsrüstung angesehen wäre / und erwartete nicht ohne Schrecken / wohin denn dieser Blitz einschlagen würde. Der kluge Feldherr sahe aus allen Umständen wol: daß es auf niemanden als ihn gemüntzet wäre; und daß Germanicus durch den Flavius seinem Kriege einen Schein / und den Cheruskern einen blauen Dunst für die Augen machen wolte; also entweder wie für Zeiten sein Vater Drusus in die Elbe oder Weser einfahren / und daselbst aussetzen würde. Daher schickte er in höchster Eyl den Grafen von Regenstein / von Schauenberg / und Spiegelberg über die Weser; daß sie daselbst alles für dem Einfalle warnigen / in Waffen bringen / die Weser und Elbe durch[1051] eingeworffene Bäume unschiffbar machen solten. Den Grafen von Bentheim / Steinfurth / schickte er mit zehntausend Cheruskern und Dulgibinen dem Manßfeld an die Seite / um die Weser zubeobachten. Denen nähern Orten meinte er selbst bey Zeite beyzuspringen. Er schrieb an Hertzog Arpus und Jubil um so viel Hülffe / als sie bey Entfernung fast aller Römischen Macht entbehren könten / weil das Geschrey von denen ankommenden Legionen aus Noricum nach Meyntz / und das Schwermen der Gallier am Rheine /ein blosses Spiegelfechten wäre / und mehr aus eigener Furcht / als in Hoffnung die Catten damit zu schrecken / geschehe. Die Catten auch sich so viel weniger eines Römischen Einfalls zu versehen hätten / weil kein Feind zwischen dem Rheine / und der Eder in dem verwüsteten Lande stehen könte. Cäcina und Melo warteten bey dem Einfluße der Lippe in Rhein auff den Germanicus; weil ihr Lager in dem Cäsischen Walde nicht ferne davon stund. Nach seiner Ankunfft und Unterredung ward geschlossen: man solte dem Feinde bald dar bald dort einzubrechen dräuen; Und zu dem Ende wolte Germanicus seine und des Cäcina meiste Reiterey / welche des Nachts in möglichste Stille eingeschifft ward / auf dem Flevischen See aussätzen: daß sie den Bructerern am Rücken ein Schrecken einjagte. Melo solle mit seinen Sicambern und Tencterern zwischen der Lippe und Ruhr den Chassuariern und Catten dräuen; Cäcina das für sich selbst feste Lager nur mit einer Legion / mit den neu anziehenden Ubiern unter dem Stertinius besätzt / und auf allen Fall den weichenden Feind verfolgen lassen; Cäcina selbst aber solte drey Legionen unvermerckt aus dem Lager ziehen / mit selbten durch das Gebiete der Bructerer gegen dem Vider-Strome durchbrechen; und an der Emse solte die gantze Römische Macht zusammen stossen / um den derogestalt irre gemachten und zertheilten Feind desto leichter aufzureiben / weil Germanicus / ungeachtet seiner ungeheuren Macht und so vieler auf seine Seite gebrachter Deutschen / sich dennoch für den Cheruskern /Catten und Bructerern / wenn sie zusammen stiessen /nicht wenig fürchtete. Der Anschlag gieng anfangs wol von statten; denn Germanicus und Flavius kamen bey hohem Wasser auf dem Rheine durch den Drusischen Graben und die Isel in wenig Tagen glücklich auf die Flevische See / allwo er beym Einflusse des Vieder-Stroms viertausend Römische Reiter aussätzte / welche sich mit tausend Batavischen und des Fürsten Cruptorichs fünftausend Friesen vereinbarten. Pedo führte diese auf denen vom Domitius angegebenen Tämmen von hinten zu an dem Vider / und Cäcina auf der Seite seine drey Legionen mit zwey tausend Menapischen und fünff hundert Römischen Reitern den Bructerern über den Halß; also daß diese Zeitung auf einen Tag dem Hertzog Ingviomer einlief. Eben selbigen Tag kam der Ritter Horstmar vom Grafen von Mansfeld mit der Zeitung: Er hätte aus unterschiedener gefangener Römer und Chauzer Aussagen und andern Anstalten starcke Vermuthung: daß die Römische Schiffs-Flotte in die Weser einfahren / und an selbigem Strome die gantze Macht zusammen ziehen würden. Denn Hertzog Ganasch liesse daselbst alles / was nur die Hände brauchen könte / an Besserung der Wege und Brücken / wie auch Räumung des Flusses arbeiten / und eine grosse Menge Brod und Lebens-Mittel ausladen / welche mit Batavischen Schiffen nebst einem Theile Römischen Kriegs-Volckes in selbigem Strome schon eingelauffen wären. Der Feldherr und Ingviomer waren beschämet: daß sie des Cäcina und dreyer Römischen Legionen Abzug aus dem Lager nicht wahrgenommen hatten; also beschlossen sie mit ihrer Macht sich rückwerts zu ziehen; Ingviomer solte Cäcinen und die Friesen / der Feldherr den Germanicus und[1052] die Chauzen beobachten / Malovend alleine mit seinen noch übrigen Marsen und drey tausend Bructerern der Endes stehen bleiben / den ihren Heeren folgenden Vorrath bedecken / und wenn er für einer feindlichen Macht weichen müste / alles hinter sich verbrennen. Alle aber solten wol zuschauen: daß der Feind nicht zwischen sie kommen / und von einander abschneiden könte. Der Feldherr eilete so viel er immer konte die Weser zu erreichen / ehe Germanicus und Melo zusammen stiessen; und Ingviomer mühete sich Cäcinen den Weg zu verbeugen / ehe er die Vider erreichte / und zum Pedo und Cruptorich stiesse. Weil aber diese einen guten Sprung voran hatten / und die zu Hause gebliebenen Bructerer zu schwach waren einer solchen Macht die Stirne zu bieten / war diese Vereinbarung zu verhüten unmöglich. Malovend ließ zwar sein Theil des gemeinen Schlusses ihm sorgfältig angelegen seyn; und machte dem ihm mit wol zweyfacher Macht folgenden Stertinius genugsam zu schaffen /und hielt ihn bald mit Abwerffung der Brücken / bald mit Verhauung der Bäume / bald mit kleinen Treffen auf. Weil er aber gar zu wol wirthschafften / und Ingviomern nicht gerne viel Land verderben wolte / versätzte ihm Stertinius / nicht so wol weil er es versah /sondern weil er zum Unglücke gleichsam versehen war / einen unvermutheten Streich. Denn ein boßhaffter Bructerer / welcher wegen Abbrennung seiner Hütte erzürnt war / lief zum Stertinius und weisete ihm des Nachts um ein schnödes Geld einen kurtzen Weg über gewisse Tämme; also daß Malovend mit anbrechendem Tage den Feind ihm die Stirne bieten sahe / welchen er hinterm Rücken zu haben vermeinte. Weil nun weder Zeit noch Platz zu entkommen übrig war; also muste er nur stehen / seinen Bructerern und Marsen ein Hertz zusprechen: daß sie hier für ihr Leben und Freyheit tapffer fechten / und zum wenigsten ihre Haut theuer verkauffen solten. Denn hertzhafften Leuten wäre es so viel als ein Sieg / wenn sie nicht ungerochen stürben. Er eilete diesemnach sein Volck zum ersten in Schlacht-Ordnung zu bringen; welch Vorkommen den Seinigen ein Hertz giebt /dem Feinde vermindert / und keinen geringen Vortheil giebt / weil man sich der Gelegenheit des Ortes bedienen / und dem Feinde / ehe es zum Treffen kommt /schaden kan. Malovend sätzte sich also unverhindert zwischen einen Sumpff / damit die Seinigen weder auf die Flucht eine Hoffnung sätzen / noch Stertinius ihnen in die Seite einbrechen konte. Die vorangeschickten Gallier konten kaum das Gesichte der Bructerer vertragen; die darauf folgenden Menapier hielten auch kurtze Zeit Stand / und wurden sie vom Ritter Northingen und Groben / welche der Bructerer Vordrab führten / dreymahl über Hals und Kopff zwischen die Flügel der ein und zwantzigsten Legion getrieben; also daß Stertinius / die übrigen Hülffs-Völcker nicht mehr verzagt zu machen / mit denen Trierern und Ubiern zugleich seine halbe Legion durch den Cajus Valerius anführen muste. Der Graf von Zutphen empfieng mit seinem rechten Flügel die Ubier und Trierer nicht freundlicher als es vorher den Menapiern gegangen war. Denn er schlug sie nach einem halbstündigen Gefechte in völlige Flucht / wie die Gallier; gleich als wenn diese deutschen Völcker eben so wol / wie die Weinstöcke durch Versetzung in einen frembden Bodem / die edle Eigenschafft ihres Ursprunges verlohren hätten. Malovend / welcher mit den Römern härtere Nüsse aufzubeissen hatte / muste den Zutphen erinnern lassen / mit dem Nachsatze sich nicht zu übereilen / damit sie nicht von sa en abgeschnitten würden. Massen denn auch Stertinius aufs neue die sich widersetzenden Gallier / folgends die Menapier und andere Hülffs-Völcker auf der Bructerer rechten Flügel treffen / und selbtem wo nicht grossen Abbruch thun / doch ihn abmatten ließ. Im lincken Flügel[1053] war zwar keine solche Abwechselung / aber der Kampff viel beständiger und schärffer. Denn Valerius meinte / daß keine Macht für den Römischen Legionen unzerbrechlich stehen könte; und die Bructerer und Marsen / welche ohne diß den Tod für Augen sahen / also nur nicht ungerochen sterben wolten / stunden wie Mauern / und fochten wie Löwen / die zum ersten anfallenden zwey Reyen der Römischen Schützen / Schleuderer und leichten Kriegs-Leute richteten auch wenig aus / und machten den Deutschen nicht viel zu schaffen; also daß Valerius die zwey andern Reyen der geharnschten und alten Kriegs-Leute mit den Spiessen und andern schweren Waffen beyzeite anführen muste. Hierauf gieng der Streit allererst an / gegen welchen der vorige ein Spiel gewesen zu seyn schien. Der Deutschen Waffen schärffte die Noth / der Römer die Ehre; zumahl Stertinius ihnen zurief: sie solten sich schämen / daß eine so grosse Macht die handvoll Deutschen nicht längst verschlungẽ hätte. Valerius hatte zwar an seiner Schlacht-Ordnung die Glieder zuförderst zugespitzt /um durch die an einẽ Ort flügende Geschoß die deutsche Ordnung zu zertrennen. Dessen ungeachtet hatten sich die Römer in dreyen Stunden keines Vortheils zu rühmen: sondern weil der Graf von Zutphen seinem Feinde übrig gewachsen war / trennte er von seinem Flügel ein gutes Theil ab / mit welchem er unter dem Ritter Brunckhorst und Berkelen Malovends lincken verstärckte / und dieser sich gegen die Römische Spitze wie eine geöffnete Schere stellen / und das Durchbrechen verhüten konte. Stertinius ward hierüber hitzig / und führte die andere Helffte des lincken Flügels auf der Bructerer rechten. Ungeachtet dieser nun schon lange gefochten hatte / zeigte er doch gegen seine frischen Feinde keine Müdigkeit. Gleichwol aber ließ Malovend den Ritter Hecklingen und Hammersleben mit der Helffte seines Hinterhalts von dreyhundert alten Marsen ihn zeitlich verstärcken; also ward das Gefechte recht grausam / und grossen theils verzweiffelt; die Römer hatten zwar zum Vortheil /daß sie anfangs etwas höher stunden / aber Malovend hatte in Stellung seiner Schlacht-Ordnung vorsichtig Wind / Sonne und Sumpff zu Gehülffen erkieset. Denn als sie recht an einander rückten / musten die meisten biß an die Schienbeine oder Knie im Kothe oder Wasser fechten / dessen die Römer nicht wie die sumpfichten Bructerer gewohnt waren. Weil nun die Römer nicht weichen wolten / die Deutschen nicht konten / war dieser Streit so hartnäckicht / als wenn jeder Kriegsmann sich mit seinem absondern Todfeinde zu schlagen hätte. Dahero sahe man die grausamsten und seltzamsten Gestalten des Todes / und mehr eine rasende Abschlachtung als einen Kampff. Weil Stertinius nun sahe: daß er mit seiner Menge zwar endlich die Bructerer und Marsen wol aufreiben /hierüber aber seine gantze Legion und so viel tausend der besten Hülffs-Völcker zu Schanden richten; und es ihm nicht besser als jenem Löwen gehen würde /der einen tollen Hund und rasenden Wolff erbieß /sich also mit seinem eigenen Siege selbst hinrichtete; führte er seine Legion ab / und alleine die Hülffs-Völcker an; welche aber / nach dem der Ritter Schwalenberg und Poppenburg mit dem letzten Hinterhalt herfür rückten / solche so viel leichter zum weichen brachten / weil Stertinius sie nicht mehr anfrischen ließ. Denn er sahe für sich nichts heilsamers / als so verzweiffelten Leuten ein Loch zu öffnen / wormit sie ihre Hartnäckigkeit in die Flucht verwandelten / und an stat ihrer grausamen Gesichter ihnen den Rücken zuwendeten. Weil nun Malovend dieses Absehn merckte / seine Marsen und Bructerer auch das euserste gethan hatten / und sie in diesen Pfützen in die Länge nicht stehen konten / befahl er: Sie solten / weil die Römer sich auf einer Seite sätzten / die andere erkiesen / und über die nicht gar weit entfernte Berckel-Bach / folgends[1054] die Lippe zu erreichen trachten. Die Reiterey der Römer verfolgte sie zwar / aber mehr zum Scheine und ohne andern Abbruch / als daß sie die allzu sehr Verwundeten / das wenige Geräthe mit ihren Last-Pferden im Stiche lassen musten. Malovend hatte zwar die Helffte seines Volckes eingebisset; und er selbst war auch wie fast alle übrig gebliebenen verwundet; der Anzahl aber nach hatten die Römer zweymahl so viel verlohren / und Valerius selbst zwey Wunden bekommen. Gleichwol machte Stertinius hieraus ein so groß Wesen / als wenn er der Bructerer gantzes Kriegs-Heer geschlagen hätte; sonderlich weil in dem eroberten Geräthe ein Römischer Adler gefunden ward / welcher vom Varus mit der ein und zwantzigsten Legion / an welcher Stelle gegenwärtige vom August aufgerichtet worden war / solte verlohren worden seyn. Ob nun zwar die rechten nach zerstörtem Tanfanischen Tempel in Verwahrung des Feldherrn Herrmañs / der bekommene aber nur wahrhafftig ein nachgemachter war / um sich desselben zu ein oder andern Kriegs-List zu bedienen; so hatten die Römer doch über dieser Beute kein geringer Frolocken / als wenn sie Deutschland biß an die Elbe / oder alle Morgenländische Schätze erobert hätten. Sie zündeten Freuden-Feuer an / hielten Gefechte / Pferde-Reñen und andere Spiele darbey; bauten dem Adler ein absonderlich Altar / opfferten und stellten ihn darauf / bückten sich für diesem todten Vogel / beteten ihn an / und weil eine Legion nicht mehr als einen Adler führen darf / schlossen sie ihn endlich in ein geweihtes Behältnüs ein. Gleichwol ersuchte Stertinius hernach den Germanicus / aber umsonst / er möchte diese Legion beym Tiberius verbitten: daß sie beyde Adler führen möchte. Denn Germanicus wuste wol: daß Tiberius keinem Dinge grämer als Neuerungen wäre; und daß das Vorrecht dieser Legion mehr zum Neide und Schaden / als zu Ehren gereichen würde. Inmittelst erreichte Cäcina / welcher so wol als Stertinius das Gebiete der Bructerer verwüstete / den Vider-Strom. Germanicus aber lief über alles Vermuthen der Deutschen / insonderheit aber des Feldherrn / welcher schon die Landschafft der Tubanter und Chamaver / und mit dem Vordrabe die Weser erreicht hatte / in der Ems ein; führte auch auf der unzählbaren Menge mitgebrachter kleiner Schiffe und Nachen alles sein Fuß-Volck auf selbigem Flusse /biß wo der Hase-Strom hinein fällt; die Reiterey aber gieng auf der lincken Seite herauf / und wo die Aa sich mit der Emße vermischet / kamen Germanicus /Cäcina / Stertinius / Pedo / Cruptorich / mit acht Römischen Legionen und mehr als vier und zwantzig tausend Hülffs-Völckern zusammen. Bojocal aber hatte mit seinen / und Plancus mit drey tausend Römischen Völckern das an der Weser wieder hinauf ziehende Kriegs-Herr der Chauzen verstärcken müssen. Germanicus ließ zwar aller Orte ausblasen / offene Briefe anschlagen / und schickte sie mit Herolden herum: daß er nicht kommen wäre / die Cherusker und andere Deutschen zu bekriegen / sondern ihren nichts minder den Römern beliebten / als den Cheruskern anständigen Fürsten Flavius in sein Erbtheil einzusätzen / welches der unruhige Herrmann wider seines Vaters willen und das Recht des Geblütes vorenthielte. Daher solten sie ihre Waffen mit denen des Flavius vereinbahren. Auf gleiche Weise schrieb Flavius selbst an alle Kreisse des Cheruskischen Gebietes /mit der Versicherung: daß so bald sie ihn für ihren rechtmäßigen Fürsten aufnehmen würden / Germanicus die Römischen Adler zurück über den Rhein führen / und der Deutschen Freyheit nicht im geringsten bekräncken würde. Die Liebe und das Ansehn gegen den Feldherrn / und der Haß gegen den Flavius und die Römer war aber so groß: daß zu grosser Verwunderung des Germanicus sich nicht ein einiger Cherusker zum Flavius fand; da doch sonst kein Fürst in[1055] der Welt so löblich herrschen kan / welcher nicht seiner Tugend halber den Bösen beschwerlich / und wegen unvermeidlicher Straffen unerträglich heisse. Der Feldherr sätzte sich bey vernommener Ankunfft der Römer an den Hase- und Ingviomer oben an den Emße-Strom / wo er vom Einflusse zweyer anderer schiffbar wird; weil sie nun nicht begreiffen kunten /wohin es mit dieser ungeheuren Macht angesehen wäre / blieben sie daselbst feste stehen / um ihr Volck ohne Noth nicht ferner abzumatten. Sie erfuhren aber bald / daß der gantze Schwarm auf der lincken Seite der Emße hinauf zoh; westwegen Ingviomer auf die rechte Seite übergieng / und der Feldherr sich selbigem näherte; auch von dem Grafen von Mansfeld an der Weser so viel Volckes an sich zoh / als er seinem Bedüncken nach entpehren konte; weil doch dem Ansehen nach / es weder dem Melo noch Bojocaln ein rechter Ernst war / für die Römer grosse Thaten zu thun. Sesitach hielt zwar bey dem Feldherrn an: daß seinem Vater das Heer an der Weser wieder vertraut werden möchte / aber der Feldherr entschuldigte es: daß er solches ohne Ursache dem Grafen von Mansfeld / welcher sich so wol gehalten hätte / nicht wieder nehmen könte. Wenn aber Segimer bey ihm selbst fürs Vaterland fechten / und die Scharte auswetzen wolte / würde er ihm in seinem Kriegs-Heere einen anständigen Platz anvertrauen. Denn Hertzog Herrmann hielt darfür: daß Segimer nicht so wol aus Versehen als Vorsatz des Mansfeldes Sieg nicht verfolgt hätte / entweder weil er diesem die Ehre nicht gönnte /oder mit seinem Bruder Segesthes und dem Melo ein heimliches Verständnüs hätte. Daher wolte der Feldherr mit Segimers neuer Erhöhung ihm keinen nagenden Wurm des Mißtrauens in Busem sätzen. Sesitach schied also mit Verdruß vom Feldherrn / und sagte dem Nassau: Ich sehe wol: daß man dem Sohne wenig zutrauen wird / dessen Vater man für einen Verräther hält. Und noch selbigen Abend verlohr sich Sesitach: daß niemand wuste wo er hinkommen war. Als der Feldherr diß erfuhr / sagte er: Es ist unser Glück: daß sich die / welche es mit uns und dem Vaterlande nicht wohl meynen / unser entäusern. Denn ein es nicht redlich meynender Mann kan in einem Kriegs-Heere mehr schaden als tausend aufrichtige nützen. Germanicus ließ inzwischen sich nirgends was auf halten; sondern eilte geraden Weges dem Deutschburgischen Heyne / wo Varus erschlagen war / zu / die Uberbleibungen der daselbst umgekommenen Legionen zu begraben. Cäcina / Stertinius und Pedo wunderten sich über diesem Schlusse / und meinten: es wäre diesen heiligen Vorsatz zu vollziehen noch Zeit genung /aber diese nicht zu verliehren: daß man in Eyl über die Emße sätzte / zwischen den Feldherrn und Ingviomer eindringe / daß sie sich nicht zusammen ziehen könten; auch dem Feinde / ehe er von Cimbern / Catten oder andern Völckern Hülffe bekäme / auf den Hals gienge. Uber diß dörffte auch das Kriegs-Volck durch einen so traurigen Anblick der Leichen und Gebeine verzagt gemacht / und von vielen Abergläubigen für ein unglückliches Zeichen angenommen werden: daß einer so grossen Macht erste Verrichtung seyn solte Todten begraben. Aber Germanicus / wie gerne er sonst guten Rathschlägen folgte / ließ ihm hierinnen nichts einreden. Daher gemuthmasset ward: es rührte dieser Eyver entweder aus einem hinterlassenen Befehle des Käysers August oder aus eigenem Geliebde her. Etliche erzehlten: es wäre Varus dem Germanicus im Traume erschienen / und hätte ihn um Beerdigung der unbedeckten Gebeine ersuchet. Also muste nur Cäcina mit seinen Legionen voran; die von fliehenden Einwohnern allenthalben abgeworffenen Brücken und verderbten Tämme wieder machen / und die Wälder ausspühren / damit sie nicht von verstecktem Volcke unversehens überfallen[1056] würden. Die gantze Römische Macht kam also unverhindert zwischen der Emß und Lippe in den Deutschburgischen Heyn /welcher so wol seiner Düsternheit / als des kläglichen Andenckens halber / an sich selbst grausam genug aussah. Alles rückte auch gantz stille fort; gleich als wenn diese traurige Einsamkeit niemanden zu reden /weniger ein Spiel zu rühren verboten hätte. Anfangs geriethen sie an den Ort / wo für sechs Jahren des Varus Lager gewesen war / drey damals durch die Wälder noch entkommene Kriegs-Knechte zeigten dem Germanicus die noch kentbaren Hügel / worauf die drey Adler gestanden hatten; und die Ausmässung der Weite rechtfertigte ihr Sagen / weil in Römischen Lagern und Schlacht-Ordnungen alles auf einen Fuß genau ausgerechnet wird / und eintreffen muß. Das Kriegs-Volck verehrte noch diese alte Stellen / wo die Adler gestanden / weil sie ihnen heilig sind / und bey selbten was böses zu thun / für zweyfaches Laster /und schlechterdings für halsbrüchig gehalten wird. Hierauf kamen sie zu den eingerissenen Wällen / verfallenen Gräben / worein die Uberbleibung des geschlagenen Heeres geflohen war. Als sie aus dem Gepüsche kamen / fielen ihnen die von unzählbaren Gebeinen weiß schimmernde Felder der Wahlstadt ins Gesichte; Uber welchem Anblick jedem die Haut schauerte / und die Haare zu Berge stunden. Mit den Menschen-Beinen waren auch die Pferde-Knochen und zerbrochene Waffen vermischt. An den Strimpfeln der Bäume sahe man unzählich viel Hirnschädel stecken / woran die Deutschen die abgehauenen Köpffe gespißt hatten. Die entrunnenen Römer /und noch besser etliche Chauzische Kriegs-Leute /weisten auch alle Orte an / wo der erste Angrief geschehen; wo die Römer hätten Stand halten müssen; wo Herrmann / wo Arpus / wo Ganasch / Segesthes und andere Fürsten gefochten; wie sie die Römischen Obersten erlegt / und dem Varus die erste Wunde versätzt; und wo er ihm selbst den Degen in Leib gestossen hätte. Endlich wurden den Römern auch die Höhe / wo der Feldherr nach erlangtem Siege zu dem Heere geredet / wo man die heiligen Adler verspottet hatte /gewiesen. Und in dem nechsten Heyne waren die aus Rasen gemachten Opffer-Tische / darauf man die vornehmsten Gefangenen geschlachtet hatte / die Gruben und andere Merckmaale noch kentlich. Das über dieser Dinge Betrachtung entstandene Schrecken wandelte sich endlich in eine Wehmuth / als Germanicus /welchem selbst die Augen voll Wasser stunden / ihm ein Grabescheit reichen ließ / und den ersten Rasen zu einem Grabe ausstach. Niemand war / der es ihm nicht begierig nachthat / die Beine ihrer vermeinten Brüder und Bluts-Verwandten mit bitteren Thränen netzte / und ohne Sorge: daß es vielleicht frembde wären / unter die Erde verscharrete / hierüber aber wider die Deutschen im Hertzen sich hefftig erzürnten. Welch Beginnen Tiberius / entweder weil Germanicus ihm nichts recht machte / oder weil er eben wie Cäcina gesinnet war / zu Rom aufs ärgste auslegte /und ihn beschuldigte: daß ihm als einem geweihten Priester des vergötterten August / und als einem Wahrsager nicht geziemet hätte Todten-Beine anzuschauen / weniger zu berühren. Er hätte sich ja zu erinnern gehabt / wie er Tiberius und August bey ihren Begräbnüs Reden zwischen sich und die Leiche einen Vorhang sätzen lassen / um sich durch ihren Anblick nicht zu verunreinigen. Ja Sylla hätte sich von Metellen seiner dem Sterben nahen Ehfrau geschieden / daß er sie mit Fug aus dem Hause brächte / ehe sie eine Leiche würde / und ihn oder sein Priester-Hauß unrein machte. Der Feldherr Herrmann / welcher inzwischen bis an die Lippe / wo die Else darein fällt / sich genähert hatte / verstand allzu wol: daß im Kriege nichts so geringe wäre / was nicht was grosses nach sich ziehen könte; und also wuste er bey seinem Kriegs-Heere dieses Fürnehmen[1057] der Römer ihm gewaltig nütze zu machen. Denn / sagte er: diese Römer haben wol Ursache der erschlagenen Legionen Gebeine zu begraben / damit ihre daselbst desto besser Raum / und ihre Nachfolger gegen ihre Leichen gleiche Barmhertzigkeit haben. Lasset uns sie an eben diesem für uns so heilsamen / für sie so unglücklichen Orte angreiffen! nicht alleine / weil das Verhängnüs eben so an einerley Orten einerley Wercke auszuüben / wie der Blitz offt in einen einmahl berührten Baum einzuschlagen pflegt / sondern weil ich weiß: daß den Römern daselbst für Schrecken alle Glieder zittern / und das Hertz im Leibe bebet. Diesen Vorsatz ließ er durch den Ritter Ringelheim dem beym Brunnen der Emß stehenden Ingviomer wissen / und ihn ermahnen / er solte gleicher gestalt geraden Weges auf die Römer loßgehen. Der Feldherr ruckte auch mit seinem zum Streite begierigen Heere biß an die zwischen der Lippe und Emß flüssende Bach fort. Weil ihm aber der Ritter Spiegelberg sieben Römische Gefangene brachte / welche bekennten: daß Cäcina und Cruptorich auf die Bructerer / Germanicus aber / Silius und Pedo gerade auf die Cherusker loß gingen / und das Römische Heer hinter dem nechsten Gehöltze in vollem Anzuge wäre / befahl der Feldherr: daß sein Heer sich in den nechsten Eichwald zurück ziehen solte /um dem Feinde desto unvermutheter einzufallen. Jedoch kam der Römische Vordrab ehe durch das Gehöltze / als die Cherusker sich mit dem Walde decken / und des Feldherrn Befehl gar vollzogen werden konte; daher ließ Hertzog Herrmann die noch etwan in der Fläche sichtbaren zehntausend Cherusker stehen; befahl aber dem Grafen von Waldeck und Falckenstein: daß so bald die Römer sie mit ihren Legionen angreiffen würden / sie gegen dem Walde weichen / und so wohl sich flüchtig als furchtsam anstellen solten. Germanicus / als ihm die Anwesenheit des Feindes angesagt ward / befahl: daß die Legionen durch das Gehöltze forteilen / inzwischen aber die Gallier sich an den Feind / daß er ihnen nicht entwischte / hencken / und Flavius mit den Tribochen /Rauracern / Vangionen / Trierern / Nemetern / und Ubiern / solchen mit Gewalt angreiffen solten. Sacrovir / welcher in dieser Zeit an Adel und Tapfferkeit der vornehmste in Gallien seyn wolte / machte mit einem schrecklichen Geschrey / welches bey vielen Völckern gleichsam des Krieges Tochter und der schimmernden Waffen Vorklang ist / den Anfang /weil sie sich einbilden: daß dem Feinde dadurch eben so wohl als durch feurige Helden-Augen die erste Furcht eingejagt werde. Er führte zwey tausend Heduer. Diese sätzten zwar nach Eigenschafft aller Gallier / welche nicht wie die Römer nach Anweisung ihrer Befehlhaber und in guter Ordnung / sondern nur aus einem blinden Triebe / nach ihrer Willkühr fechten /tapffer an. Nach dem aber der Ritter Löwenburg nur mit vierhundert Cheruskischen Reutern ihre erste Hitze unerschrocken austauerte / überlegte sich ihr Eyver wie die Schneide in gar zu scharffen Messern /hingegen wuchs die Hefftigkeit bey den Cheruskern /also: daß nach dem Kwerenfurt dem Sacrovir die Lantze durch den Arm gerennet hatte / er mit samt seinen Galliern biß zwischen das Fuß-Volck gejagt ward. Noch ärger ging es auf der andern Seite dem Julius Florus mit seinen zwey tausend Trierern und Bellovacken / welchen der Ritter Groben mit dreyhundert Chaßuarischen Pferden über Hals und Kopff zurück jagte / worüber Florus selbst stürtzte / und ein Bein brach; Beyde aber wahrmachten: daß die Gallier im Anfange mehr als Männer / in Verfolgung des Streits aber weniger als Weiber wären. Wiewohl auch Orgentorich mit den Seqvanern den Sacrovir / und Holderich mit den Aqvitaniern den Florus ablösete /waren doch vorige Deutschen genung / auch diese mit blutigen Köpffen abzufertigen. Nach dem aber[1058] Flavius mit denen über dem Rheine wohnenden Deutschen anrückte / gieng es zwar etwas schärffer her; aber ein Cherusker war doch ihrer zweyen gewachsen; also /daß ob zwar Flavius zweymahl so starck als die ausserhalb des Waldes fechtenden Cherusker war / er doch weichen muste / weil der Graff von Falckenstein mit seinen tausend Reutern wie ein Blitz bald auff einer / bald der andern Seite ein- und durchbrach. Cariovalda und Cruptorich kamen mit tausend Batavischen und fünffhundert Friesischen Reutern zwar dem Flavius zu Hülffe / und bot dem Falckenstein die Stirne / machten also bey der Reuterey ein ziemlich gleiches Gefechte; der Graff von Waldeck aber erlegte beym Fuß-Volcke den Führer der Vangionen und Nemeter / Dorulach; worüber der gantze lincke Flügel in Verwirrung / und als der Ritter Woldenburg mit fünffhundert Angrivarischen Reitern solchen zugleich auf den Hals gieng / in offenbahre Flucht gerieth; also daß Germanicus dem Lucius Apronius und Publius Vitellius mit der andern und vierzehenden Legion anzurücken / und dem Pedo die Helffte der Römischen Reuterey auf den Feind loß gehen zu lassen / befahl. Bey diesem Erfolg brach auf der einen Seite der Grass von Schwartzenberg / Barby / Eberstein / und die Ritter Gebigenstein / Mulingen / Arnburg / Ardenberg und andere; Auf der andern Seite der Graf von Oldenburg / Rietberg / und Schwalenberg / die Ritter Osterburg / Gutzkott / Deipholtz / Wintzenberg zusammen / mit fünfftausend Reutern herfür. Der Graf von Nassau aber rückte mit sechstausend Cheruskern gegen die andere / und der Graf von der Lippe mit so vielen gegen der vierzehenden Legion heraus / und grieff selbte auff der Seiten an: also / daß Apronius und Vitellius die Schlacht-Ordnung wenden musten. Inzwischen gieng es zuförderst scharff her; und Flavius unterließ nichts am Ampte eines klugen und tapffern Feld-Hauptmanns; weil dieser Tag ihn entweder zum Fürsten über die Cherusker / oder zu einem ewigen Auswürfflinge machen solte. Sechs Fahnen von der andern und vierzehenden Legion hatten auch zwar den Riß der Vangionen und Nemeter zugestopfft / und sie wieder zum Stande gebracht; alleine es wolten nun auch die Rauracer / Tribochen / und Ubier brechen. Wie nun Flavius dahin eilte vorzubeugen / sprengte ihn der Graf von Ascanien an; und weil er ihn aus den Cheruskischen Helmbinden erkennte / schrie er auf ihn: Halt! halt! du Verräther des Vaterlandes / meinestu nicht: daß die Göttliche Rache auf so undanckbare Kinder ein stets wachendes Auge habe? Meinestu nicht: daß / nach dem du so blind wider die Freyheit Deutschlands streitest / du zugleich in dein Verterben rennst? Allen so verbländeten Kindern muß man bey Zeiten die Augen ausstechen. Flavius muste also Stand halten / und seinem Feinde begegnen; welcher aber im Zusammenrennen mit seiner Lantze / wie der gegen den König Philip in Macedonien fechtende Asterus mit seinem Pfeile das Gelücke / oder die Geschickligkeit hatte / daß er durch das Gegitter des Helmes ihm das lincke Auge ausstach / wovon er mit vieler Blutstürtzung vom Pferde fiel / und von denen zu seiner Leibwache bestellten Rittern / und denen zwischen die Pferde vermischten leichten Läuffern /mit genauer Noth aus dem Gedränge / und zum Germanicus gebracht ward. Hierüber giengen die Rauracer / Tribochen / und alles dem Flavius untergebene Kriegs-Volck über einen Hauffen / und ward von den Cheruskern in einen Sumpff getrieben / worinnen die meisten entweder durch lange Spiesse erstochen wurden / oder erstickten; weil zumahl das eben gewachsene Gras machte: daß man es für festen Bodem ansah / hiermit ließ sich allererst der Feldherr sehen /welcher mit grossem Geschrey sein Volck auf die zwey Römischen Legionen anführte. Dieses nöthigte den Germanicus:[1059] daß er den Pedo mit der völligẽ Reuterey / und den Silius mit der noch verdeckten dreyzehnden und sechzehenden Legion ins Blancke herfür rücken ließ. Der Feldherr / welcher nicht eigentlich wuste / wo Cäcina stünde / ob er gegenwärtig wäre / und allezeit ein Auge hinter sich haben muste /daß er nicht von Cäcinen rückwerts angegriffen würde / ward zweiffelhafft: ob er so spat / und nach dem die Cherusker meistentheils einen halben Tag sich mit unaufhörlichem Gefechte ermüdet hatten / mit allen vier Legionen anbinden solte. Zumahl durch die Legionen das flache Feld ziemlich angefüllet; also der Cheruskischen Reuterey / worauf Hertzog Herrmann sich am meisten verließ / der Raum sich zu schwencken ziemlich enge gemacht ward. Zugeschweigen: daß er auch nicht gerne / wie starck er wäre / dem Feinde verrathen wolte / und auf einmahl alles auf die Spitze zu sätzen / sondern die Römer in diesem harten Lande nach und nach abzumergeln / und ihnen die Lebens-Mittel abzuschneidẽ für sicherer hielt. Eben dieser Kummer hielt den Germanicus zurücke: daß er den Silius die drey und sechzehnde Legion nicht angreiffen ließ; sonderlich / weil er über einen Hügel etliche Fahnen Cimbrische Reuter und Cattische Fußknechte zu dem Treffen eilen sahe / welche der Graf von Manßfeld dem Feldherrn zuschickte. Sintemahl er besorgte: daß von beyden Völckern eine grosse Verstärckung dörffte in der Nähe seyn; Weil zumahl die Bataver einen Hermundurer mit Brieffen an Feldherrn aufgefangen hatten / darinnen Hertzog Jubil berichtete: daß er mit sechstausend Hermunduren / und so viel Catten / in der Nähe wäre. Nach dem nun beyde Feldherren auff einerley Zweck zielten / nemlich sich mit guter Art von einander loß zu machen /ward es so viel leichter vollzogen. Die Deutschen übernachteten nahe der Wahlstadt / in eben selbigem Walde / und machten sich über ihrem Siege / mit ihren Pfeiffen / Drommeln / und Lob-Liedern des Feldherrn lustig. Und Hertzog Herrmann sprengte den Feind so viel mehr zu schrecken / einẽ Ruff aus: daß selbigen Abend zwantzig tausend Catten / Hermundurer und Cimbern ihm zu Hülffe ankommen wären. Hierdurch ward verursacht: daß die Römer sich durch das Gehöltze zurück zohen / und sich aus Furcht des Nachtes überfallen zu werden verhieben. Weil Flavius auch von seiner empfangenen Augen-Wunde sich in Gefahr seines Lebens befand / schickte er ihn auf einer Senffte zurück auf die in der Emße gelassenen Schiffe / daselbst der zur Heilung nöthigen Ruhe besser zu genüssen. Germanicus war über dem Verluste selbigen Tages nicht wenig bekümmert / sonderlich weil er noch selbigen Abend Schreiben bekam: daß Hertzog Arpus den Visellius Varro auf dem Taunischen Gebürge belägert / der bey dem Altare des Bacchus über den Rhein gegangene Hertzog Catumer aber dem Aviola und Indus einen gewaltigen Streich versätzt / und biß an Trier in Gallien / wie die Römer bey den Marsen und Bructerern / gehauset hätten. Uber diß erzählten unterschiedene Kriegs-Leute so seltzame Begäbnüße / welche ihnen entweder aus besonderer Schickung Gottes begegnet / oder von Furcht und Aberglauben ihnen vorgebildet worden waren; Denn einige meinten: sie hätten unter den Deutschen feurige Reuter auff weissen Pferden wider sich streiten sehen / für welchen kein Mensch hätte stehen können / sondern alles wie für dem Blitze zu Bodem gefallen wäre. Derogleichen Gehülffen die Locrenser wider die Crotonienser / die Römer wider die Lateiner bey dem Regillischen See / in Macedonien / wider den König Perses / und Marius auf den Alpen wider die Tuguriner am Castor und Pollux gehabt haben sollen. Andere sagten: sie wären von Bären / Luchsen und Wölffen / welche ungeheure Jäger auf sie gehetzet und verfolget; etliche von wütenden Weibern welche mit zerstreueten Haaren sie angefallen / zerkratzet[1060] worden; davon sie die Merckmaale weiseten. Uber dieses / schlug der Blitz harte bey dem Adler der sechzehenden Legion in eine Eiche ein; und gegen Mitternacht erhob sich um das Römische Heer ein grausames Geschrey und Gehetze / als wenn etliche tausend Jäger und Hunde Wild verfolgten / da doch nirgends etwas zu sehen war / und das Kriegs-Volck so viel mehr in Schrecken verfiel / und einer dem andern das klägliche Beyspiel des Varus für Augen stellte. Germanicus meinte zwar dem Kriegs-Volcke auf solche Art / wie Chabrias seiner Schiffsflotte das vom Blitz entstandene Schrecken / auszureden / meldende: Sie hätten niemahls mehr Ursache gehabt / ein gut Hertze zu haben / als nun / da der gröste der Römischen Götter Jupiter mit einem so hellen Strahl seine Ankunfft und vorhabende Hülffe / durch die Jagt aber zu verstehen gäbe: daß die Römer ihre Feinde / welche von wilden Thieren wenig zu unterscheiden wären / in die Flucht jagen würden. Aber dem Germanicus selbst war nicht wohl darbey / und er ward bald mit einem nachdencklichen Begäbnüß beunruhigt. Denn als er in seinem innersten Zelt an Tiberius / und seiner Gewohnheit nach / wie Kayser Julius / die Begäbnüß des vorher gegangenen Tages auffschrieb / stellte sich ihm Qvintilius Varus gantz blutig für den Tisch. Germanicus erschrack; iedoch erholte er sich / daß er nach seinem Verlangen fragte /welchem des Varus Geist antwortete: Er käme ihm für die Beerdigung der unbedeckten Römischen Gebeine Danck zu sagen / und zur Vergeltung zu rathen: daß er ohn einigen Verzug von diesen Orten / derer Schutz-Götter sich selbst wider ihn wegen Abhauung gewisser heiliger Bäume verschworen und gerüstet hätten / weichen solte / wo er nicht auf seine Art umkommen wolte. Germanicus besaan sich eine gute weile / ob er schlieffe / und ob ihm träumte. Nach dem er aber seines Wachens / und wahrhafften Gesichtes / allzuwol sich versichert befand / überfiel ihn ein solch Schrecken: daß er von Stund an Befehl ertheilte / das Heer solte aufbrechen / und sich wieder über die gemachten Brücken an die Emß ziehen. Damit es aber bey seinem ohne diß zaghafften Volcke nicht den Schein einer Flucht hätte / gab er für: Cäcina hätte den Ingviomer über die Emße getrieben; also solten sie den flüchtigen Bructerern disseits den Weg verbeugen. Hingegen schickte er dem Cäcina eben diß zu thun / und daß er keinen vermeinten Befehl oder sonst etwas sich darvon solte abhalten lassen / scharffen Befehl zu. Ingviomer war auf des Feldherrn Erinnerung aus dem Thale / darinnen die Emße entspringt / dem Cäcina so unvermuthet auf den Halß gerückt: daß der Ritter Ravensberg und Arnburg mit tausend Reutern seitwerts in die fünffte / Ansleben und Wippra aber mit sieben hunderten in die erste Legion einbrachen / ehe Cäcina von Anwesenheit eines Feindes wuste; und hierauf allererst hatte der Graf von Teckelnburg den Römischen Vordrab / welcher an Batavischer und Menapischer Reuterey bestand / biß an das voranziehende Ubische und Trierische Fußvolck zurück gejagt. Ob nun zwar dieser Anfall mehr Schrecken als Schaden machte / weil die Bructerer sich bey gemachter Verfassung zur Gegenwehr wieder zurück ziehen musten; So wolte doch Cäcina ehe er von Beschaffenheit seines Feindes besser Nachricht erhielt / nicht fortrücken / sondern sätzte sich an einem vortheilhafftigen Orte zwischen der Emß und dem Vurle-Strome. Des Nachtes aber / so bald er vom Germanicus die Nachricht erhielt / brach er unvermuthet auf / und stiessen auf den Morgen beyde Römische Heere zusammen / welche allen ersinnlichen Fleiß anwendeten / geschwinde über die Brücken zu kommen. Ja ihre Flucht so viel mehr zu beschleunigen / musten die noch übrigen Hülffs-Völcker / und die meiste Reuterey bey diesem Sumpffe und Brücken durch die Emß sätzen / und auf der rechten Seiten dieses Flusses[1061] hinab ziehen / und zwey Meilen unterwerts aufs neue übergehen. Der Feldherr und Ingviomer / welche ihnen von einer so ungeheuren Macht nichts weniger / als die Flucht konten träumen lassen /wurden auf den Morgen allererst des verhöleten Aufbruchs gewahr / und kunten sich nicht genung über denen verhauenen Wegen / und dem im Stiche gelassenen Kriegs-Geräthe und Vorrathe verwundern; daher beyde zwar ein Theil der Reuterey / und der fertigsten Läuffer mit Aexten nachschickten; iedoch weil ein ieder grober und sichtbarer Fehler des Feindes einem vorsichtigen Kriegshaupte allezeit verdächtig seyn soll / gab Hertzog Herrmann ihnen genauen Befehl: Sie solten sich die übermäßige Begierde zu siegen nicht verbländen lassen / sondern sich wie ihre Vorfahren unter dem Brennus / welche einen gantzen Tag und Nacht aus Beysorge einer Hinterlist sich nicht in die angelweit offenstehende Stadt Rom wagen wolten / wol in acht nehmen: daß sie durch diese unbegreifliche Flucht nicht in ein Netze gelocket wür den. Der Graf von Ravensberg / die Ritter Stromberg / Eckerstein / und Wiedenbrug / welchen diese Gegend aufs genauste bekandt war / arbeiteten sich zwar durch: daß sie um Mittag an die Römer kamen; und weil sie nunmehr ihrer Flucht allzugewiß versichert waren / hiengen sie sich an den Römischen Nachzug /welcher das noch immer übergehende Fuß-Volck bedeckte; und kam es alldar zu einem harten Treffen /ob schon die Gelegenheit des Ortes den Deutschen den Angriff schwer machte / welche durch eitel Sümpffe sätzen musten; dahingegen die Römer einen Hügel zum Vortheil hatten / welcher gewiß ihnen zur Rettung diente / und hernach auch zum Gedächtnüsse der Rettberg genennet ward. Also kamen die durch ein Panisches Schrecken gleichsam entmanneten Römer dißmahl mit genauer Noth zwar ohne grossen Verlust ihres eigenen Volckes davon / sie verspieleten aber alle ihr Ansehen bey den Deutschen / welche auf sie viel spöttische Lieder machten / und den Germanicus einem trächtigen Elephanten verglichen / welcher mit grossem Wehen eine Mauß gebohren hätte.

Germanicus und Cäcina sahen sich / biß sie die Schiffe in der Emß erreichet hatten / nicht um; ausser / daß sie hinter sich alle Brücken und Tämme verterbten. Der Feldherr und Ingviomer empfanden bey ihrer Vergnügung alleine diese Unlust: daß sie den fliehenden Feind wegen zernichteter Wege nicht einholen konten; also daß Germanicus bey Zusammenflüssung der Emse und Hase sein Fuß-Volck von vier Legionen wieder zu Schiffe brachte / und nach dem Meere Tag und Nacht zu rudern / die Reuterey aber auf der lincken Seiten der Emß fortrücken ließ; dem Cäcina aber Befehl ertheilte: er solte über die Tämme des Domitius / so gut und geschwinde er könte / gegen dem Rheine forteilen. Zu dessen kluger Bewerckstelligung er ihm deñ den Lucius Apronius an die Seite sätzte. Beym Feldherrn gab sich der Graf von Lingen an; dafern ihm an Aufhaltung des Germanicus was gelegen wäre / bäte er um funffzig auserlesene Reuter; denn mit diesen traute er auf der rechten Seite der Emß dem schiffenden Germanicus und seiner Reuterey vorzukommen. Und wolte er versuchen / die bey Amisia liegenden Schiffe der Römer in Brand zu stecken. Dem Feldherrn schien dieser Anschlag zwar schwer und gefährlich zu seyn; weil aber Lingen seine Anstalt ziemlich glaubhafft entwarff / wie er nehmlich sich und die Seinigen für Chauzen ausgeben / und seiner bekandten Leute sich bedienen wolte / willigte der Feldherr: daß er ihm die verlangten Reiter selbst auslesen / und sein Heil versuchen solte. Der Graf erkiesete ihm solche noch selbige Stunde / schwämmete des Abends mit dem Ritter Ludingshausen und Kappenberg an einem entlegenen Orte durch die Emß /daß es niemand inne ward. Weil nun alle Chauzisch[1062] redeten / und auf ihre Landes-Art aus Häuten von See-Fischen Schilde führten / kamen sie ohne alle Hindernüsse des folgenden Tages Abend eine Meile von der Stadt Amasia an / allwo sie in einem Eich-Walde auf einem Hügel / unter dem Scheine: daß sie wegen sich anschwellender Flutt nicht weiter / und nach Amisia hätten kommen können / bey etlichen Fischern ihr Lager aufschlugen. Diesen zahlten sie reichlich die Fische und das Graß / welches die armen Leute für ihr Rindvieh gesammlet hatten. Der Graf von Lingen fieng hierauf mit Ludingshausen und Kappenbergen an von den Römern verkleinerlich zu reden; und daß sie diesen frembden Völckern zu Gefallen so viel Ungemach ausstehen / ihre Brüder und Bluts-Freunde die Bructerer und Cherusker bekriegen solten / nach dem die Chauzen / wie vormahls schon unter dem Drusus und Tiberius geschehen wäre / eben so wol zu Knechten gemacht werden würden. Ihr guthertziger Fürst Melo bereuete schon: daß er sich mit diesen furchtsamen Frembdlingen so vertieffet hätte /welche über Hals und Kopff für den Cheruskern und Bructerern lieffen / und ihn numehr im Stiche lassen würden. Daher sein gröster Kummer wäre / wie er diese flüchtige Bunds-Genossen nur so lange aufhalten könte / biß er sich unter der Hand mit den Cheruskern und Bructerern wieder aussöhnen möchte / welche sonst über die verlassenen Chauzen ihre Rache so viel grimmiger ausüben würden. Ludingshausen verjahete in allem seine Meinung / sagte aber: Es stünde ja ins Hertzog Melo Gewalt: ob er die Römer fortlassen wolte oder nicht. Lingen fragte: Welcher gestalt? Ludingshausen versätzte: Weñ er ihnen die bey der Stadt Amasia am Strande liegenden Schiffe nicht abfolgen läßt. Kappenberg fiel ein: So kriegten wir mit den Römern selbst Händel / und also auf einmahl zwey Feinde. Der eine mit allem Fleiß zuhörende Fischer redete darzwischen / und sagte: Es liegen die wenigsten Römischen Schiffe zu Amasia / sondern die meisten bey denen zwey Schantzen / welche die Römer unterhalb Amasia auf beyden Seiten der Emse gebauet haben / und die grösten bey dem Eylande Burhanis. Ludingshausen fieng an: Welch einen guten Dienst würde einer dem Hertzoge Ganasch und dem Vaterlande thun / der den Römern ein Theil der Schiffe anzündete: daß sie bey uns Stand halten müsten /und ich selbst wolte einem hundert güldene Müntzen geben. Lingen sätzte bey: Ich wolte ihrer wol zwey hundert darzu schüssen. Der Fischer fieng an: Wenn er versichert wäre: daß seinem Fürsten dadurch ein Dienst geschähe / und er eine so stattliche Belohnung gewiß zu gewarten hätte / traute er ihm mit seinen zwey Gefärthen solches unschwer auszurichten. Der Graf von Lingen versicherte ihn dessen; und daß des Fürsten Ganasch Belohnung noch grösser seyn würde; daher solte er sich mit seinen Gefärthen bereden / er wolte ihnen die Helffte der Belohnung vorher geben. Dieses geschah / und kamen die drey Fischer mit dem Erbitten den Brand der Schiffe auszuüben; weil selbte grossen theils unbesätzt; sie aber / weil sie täglich dahin Fische zu verkauffen brächten / bekand /und ausser alles Argwohnes wären. Nach empfangenem Gelde fülleten sie einen ihrer Nachen mit Pech und Holtze aus / die andern zwey beladeten sie mit Fischen / und fuhren gegen Morgen ihrer Gewohnheit nach zu der nechsten Schantze / wo mehr als ein Drittel der Römischen Schiffs-Flotte lag. Zwischen diese fuhren sie mit ihren Nachen hin und wieder / und boten denen wenigen darauf befindlichen Römern ihre Fische an. Weil sie nun mit dem dritten handelten /fuhren die zwey andern zwischen zwey nahe an einander liegende grosse Schiffe / und weil sie keinen Menschen da sahen / schraubte der Fischer die Kette des mit Pech gefüllten Nachens an das eine Schiff an /legte darzu einen glimmenden Lunten / und ein gutes Theil Schwefel-Lichter. Hiermit fuhren[1063] sie / gleich als wenn sie ihre Fische verkaufft hätten / fort / welchen der dritte alsofort folgte. Sie waren aber kaum eines Bogenschusses weit von der Flotte / als sie sahen das Feuer aufgehen / welches im Augenblicke beyde grossen Schiffe ergrief. Es ward zwar alsbald über dem aufgehenden Brande Lermen / und die in der Schantze und am Strande sich befindenden Boots-Leute eilten zwar den Schiffen zu / hoben die Ancker / spannten die Segel auf / aber wegen eingefallner Eppe standen /ausser fünf oder sechs im Strome liegender kleinern Schiffe / alle andere auf dem Bodem feste und unberüglich; also: daß diese gantze Flotte mit einem grossen Vorrathe / sonder daß jemand den Ursprung des Feuers zu ergründen wuste / in die Asche gelegt ward. Die Fischer sahen sich nicht einst um / sondern fuhren in Meinung eines löblich verrichteten Werckes / und mit Begierde ihren Lohn zu bekommen / nach Hause zu; weil sie aber die Römischen Legionen ihnen von ferne entgegen kommen sahen / eilten sie zu Rande /versänckten ihre Nachen / und brachten ihren Gästen die fröliche Zeitung / welche ihnen aber der aufsteigende Rauch und die schreckliche Flamme schon vorher angekündigt hatte. Der Graf von Lingen zahlte denen Fischern für dieses kostbare Freuden-Feuer mehr / als er ihnen versprochen hatte / und gab beym Abschiede ihnen die Warnigung: Sie solten ja keinem Menschen in der Welt offenbahren; daß sie die Werckzeuge des Brandes wären. Denn ob zwar dem Hertzoge Ganasch dadurch ein grosser Gefallen geschehen wäre / dörffte er es doch die Römer nicht mercken lassen; und würde er wider Willen genöthiget seyn / gegen die Urheber mit der schärffsten Straffe und Pein zu verfahren. Den guten Fischern kam dieser Einhalt bedencklich für / daher einer anfieng: Haben wir dem Fürsten einen Dienst gethan / wie könte er übers Hertz bringen uns zu straffen? Ludingshausen versätzte: Fürsten müssen offt reden /was nicht ihre Meinung ist / und thun / was sie nicht wollen. Der Fischer antwortete: So ist es wol eine elende Sache ein Fürst seyn / wenn sie wider Willen falsch seyn / und böses thun müssen. Ist aber unter euch auch ein Fürst / der mit dieser Nothwendigkeit behafftet / und mit solchen Künsten gefüttert ist? der Graf von Lingen lachte / und sagte: Ich bin wol kein Fürst / aber eines Fürsten Diener. Der Fischer begegnete ihm: Es solte mich wunder nehmen / da ein so verschmitzter Diener nichts von seines Herrn Griffen begriffen haben solte. Ich weiß nicht / ob es mir mein Hertz sagt / oder was mir sonst einen Argwohn macht: daß auch ihr unsere Einfalt hinters Licht / und uns Unschuldige zu einem strafbaren Laster verführet habt. Ludingshausen antwortete: Gebet euch ihr redlichen Leute zu frieden. Denn wir müssen euch zum besten wol entdecken: daß ihr zwar eurem Vaterlande aber nicht eurem von Römern verführten Fürsten einen guten Dienst habt gethan. Ihr seyd aber so wenig als wir zu schelten / denn eure gute Meinung befreyet euch / und der Dienst unsers Fürsten / welcher Hertzog Herrmann und der Römer Feind ist / uns von allem Laster. Der Fischer verblaßte hierüber /und fieng an: O ihr Lügner! ist euch unsere Einfalt gut genung gewest / uns zu Mordbrennern zu machen? Gehet euer Fürst mit so betrüglichen Künsten um / so hat unser redlicher Fürst wol recht gethan; daß er sich von ihm getrennet hat. Ludingshausen lächelte / und sagte: Ihr guten Leute verstehet nicht: daß es bißweilen der Nothwendigkeit und allemahl verantwortlich sey / einem Lande zum besten sich mit einer Nothlüge behelffen. Die Warheit ist wol gut; wenn aber die Unwarheit dem gemeinen Besten dienlicher ist / sticht diese jene weit weg. O verfluchte Klugheit! versätzte der Fischer. Wie lieb ist es mir: daß ich kein Fürst / oder eines Fürsten Diener bin / also ein ehrlicher Mann seyn kan. Der Graf von Lingen fiel ihm ein: du kanst aber ohne[1064] Vortheil und Betrug kein Fischer seyn / und du hast ohne eine betrügliche Angel /ohne einen verführischen Hamen zweiffelsfrey wenig Fische gefangen. Was hast du es denn Fürsten und uns für übel: daß sie ihren Zweck zu erlangen andere was bereden / und zuweilen über die gemeinen Leuten gezogene Schnure schreiten? Die Noth bricht alle Gesätze / und ist ein bewehrter Schirm der menschlichen Schwachheit. Daher kein so redlicher und frommer Fürst in der Welt leben kan / der nicht zuweilen das Recht beugen müsse. Der gemeine Nutz aber / dessen vorgehender Fahne ieder kluger Mann nachfolgen muß / muß die unvermeidliche Beugung des Rechten auswetzen. Gehet / und backet euch / sieng der andere Fischer entrüstet an / aus unser Gemeinschafft und Augen / daß ihr uns nicht mit euren betrüglichen Lehren noch mehr vergifftet. Betrug und Laster sind an sich selbst so böse: daß sie durch kein Absehen des guten zuläßlich / weniger zur Tugend werden. Entfernet euch nur von uns / wo wir euch als Verführer und Stiffter des Mord-Brandes nicht angeben / und denen gleich vorbey schiffenden Römern zur Rache einlieffern sollen. Wir wollen mit euch und eurem verdamten Gelde keine Gemeinschafft haben. Hiermit warff er / und folgends die andern zwey das empfangene Geld in denen harte an dem Hügel vorbey fliessenden Arm der Emße. Der Graf von Lingen sahe wohl / daß es hier länger sich aufzuhalten nicht gut wäre; gab also dem Pferde die Sporne / und seinen Cheruskern ein Zeichen ihm zu folgen. Unterwegens lobten sie gegen einander die Aufrichtigkeit und Unschuld dieser einfältigen Fischer / beklagten hingegen ihre und der Fürsten Unglückseligkeit / welche ohne Betrug weder klug noch glücklich seyn könten / und sich der Laster wie die Aertzte gifftiger Kräuter zu ihrer Genesung bedienen müsten. Sie kamen ohn allen Anstoß biß an die Chauzische Gräntze / allwo ihnen etliche Chauzen begegneten / und meldeten: daß Hertzog Ganasch / Segimer und Sesitach mit tausend Pferden ihnen auf dem Fuße folgten. Weil es nun gleich eine blancke Fläche traff / da sie sich nirgends verbergen konten / musten sie sich entschlüssen / daselbst durch die Emße zu schwämmen / wie breit und tieff sie gleich war. Ganasch kam zwar darzu / und weil er sie für Chauzen ansah / ließ er ihnen zuruffen: Warum sie mit solcher Gefahr seine Gegenwart vermeideten? Der Graff von Lingen aber gab zur Antwort. Sie wären Cherusker / und dieselben / welche bey Amisia die Römische Flotte angezündet hätten / damit ihnen der flüchtige Germanicus nicht entlauffen könte. Ganasch ward hierüber bestürtzt / und entrüstet; weil sie aber das feste Ufer schon zum Vortheil hatten / von dem sie die Chauzen / weñ sie hätten überschwemmen wollen / leicht hätten abtreiben können / muste nur Ganasch diesen Hohn verschmertzen / und kamen sie derogestalt ohne Verlust eines einigen Mannes glücklich beym Herrmann an; Ganasch aber nach Amisia /als der über dem Verluste seiner Schiffe noch mehr bestürtzte Germanicus schon das meiste Kriegs-Volck auf die übrige Flotte gebracht hatte. Ganasch wendete alle mögliche Mittel an / ihn zu bereden: daß er seine Bundsgenossen mit so grosser Verkleinerung der Römischen Waffen nicht verlassen solte; aber Germanicus hatte keine Ohren / sondern vertröstete den Ganasch: die Römer würden ihren gemeinen Feinden an einem gelegenern Orte so viel zu schaffen machen /daß sie denen Chauzen und Friesen einiges Ungemach anzuthun wol vergessen würden. Germanicus fuhr also mit seinen vier Legionen auf der Emse hinab /dem Meere zu; er ward aber zeitlich inne: daß er die Schiffe überladen hatte / und er durch das seichte Meer / besonders bey der Eppe unmöglich fortkommen würde. Dahero sätzte er auf Nachen den Publius Vitellius mit der andern und vierzehnden Legion ans Friesische Ufer an / daß er solche zu[1065] Lande gegen der Isel / und dem Rheine führen solte. Vitellius hatte anfangs einen trockenen Weg / und als gleich die Flutt kam / durfften die Römer nur hin und her / biß an die Knöchel durchs Wasser waten. Die erste Nacht aber /mit welcher zugleich Tag und Nacht einerley Länge bekam / und um welche Zeit die Flutt des Meeres am höchsten sich zu ergiessen pfleget / trieb ein Nordwind das Meer über alle Ufer und Tämme / überschwemmete das gantze Land / also; daß so weit man sehen konte / Meer / Ufer und Feld das feste Land /die Tieffen und Sand-Bäncke nicht zu unterscheiden /sondern alles Welle und Wasser war. Von diesen wurden die Legionen gleichsam überschwemmet und fortgerissen / viel Menschen und Vieh ersäuffet; also daß man weit und ferne Bürden und Leichen schwimmen sah. Die auch gleich noch an den höhern Orten stehen blieben / wurden von einander zertrennet / und stunden bis an die Brust oder den Mund im Wasser; ja / wenn sie am sichersten zu stehen meinten /versancken sie im Schlamme; oder der Triebsand wiech ihnen unter den Füssen weg / und die Wirbel verschlungen sie. Keine Warnigung / kein Zusprechen halff hier wider die taube Flutt. Der kluge und behertzte war in so elendem Zustande als der erschrockene und unverständige. Vernunfft und Hertzhafftigkeit waren hier unnütze Dinge / denn die Zufälle zernichteten die klügsten Rathschläge; die Gewalt des Wassers und die Verwegenheit stürtzten einen so wol als den andern ins Verderben. Endlich erreichte ja Vitellius eine kleine Höhe / auf welcher er die Uberbleibungen seines zu Lande gelittenen Schiffbruchs zusammen laß. Die im Wasser halb erfrornen musten daselbst ohne Speise / Geschirre / Heerd und Licht übernachten. Die am Leibe keinen Schaden bekommen hatten / waren doch nackt und bloß / ja zehnmahl elender / als welche vom Feinde umgeben sind. Denn diese können ja noch ehrlich sterben / jene aber gehen verächtlich unter. Mit dem Tage aber kamen etliche Friesen zu ihnen / halffen ihnen aufs feste Land / und biß an den Vider-Strom / wo Germanicus kurtz vorher angelendet war. Unterdessen hatte sich der Ruff biß an Rhein-Strom und in Gallien ausgebreitet: daß Germanicus mit allen vier Legionen ersoffen wäre / und wolte niemand glauben: daß jemand übrig blieben wäre / biß Stertinius mit etlichen Schiffen zu Manarmanis am Friesischen Hofe ankommen war / und im Nahmen des Germanicus mit dem Fürsten Segimer und Sesitach / welche Cruptorich auf einem Friesischen Schiffe mit dahin gebracht hatte / weil sie in der Cheruskischen Gräntze dem Wetter und dem Feldherrn nicht mehr trauten / die Bedingungen abzuhandeln / auf welche sie ebenfalls auf die Römische Seite treten wolten. Mit Segimern war alles leichte gethan; Sesitach aber solte dem Germanicus einen Fußfall thun / und sich seiner gnädigen Straffe unterwerffen /weil er des Qvintilius Varus Leiche beschimpfft zu haben beschuldiget ward. Malorich und Cruptorich aber vermittelten es: daß ihnen und dem Segesthes zu Ehren / es bey einer schrifftlichen Entschuldigung und Abbitte blieb. Weil nun die kaum übrig gebliebene Helffte der vom Vitellius geführten Legionen so übel zugerichtet war / daß sie unmöglich zu Fusse weiter fortkommen konten; Germanicus ihren schlechten Zustand auch gerne verhölet hätte / muste er sie nur wieder in seine Schiffe nehmen. Hierüber brachte er einen gantzen Tag zu; kam also erst den andern Tag nach Manarmanis / empfieng daselbst Segimern / nam seinen Sohn zu Gnaden an / und fuhr durch die Isel und des Drusus Graben in Rhein.

Wie Germanicus und Vitellius nun mit dem Wasser zu fechten hatte; also kriegte Cäcina mit dem Feinde alle Hände voll zu thun. Denn ob er zwar mit seinen vier Legionen die[1066] durch den sich längst der Emse nahe biß ans Meer sich erstreckenden Sumpff gemachten Tämme erreichte / und zwischen selbten sich so sicher als über dem Rheine oder den Alpen schätzte; so liessen doch der Feldherr und Ingviomer nur ein Theil ihrer Heere den Römern am Rücken /welches auf denen Tämmen ihnen nachfolgte. Sie aber zohen mit dem Kerne ihres Kriegs-Volckes an der Emse acht Meilen hinauf biß an den Vider-Strom; an diesem wendeten sie sich Westwerts / kamen also durch Leitung des Grafen von Bentheim / dem Cäcina / dessen schwer beladenes Heer auf den leimichten Tämmen langsam fortkommen konte / um einen halben Tag noch zuvor / zerrissen also die Tämme /warffen die Brücken ab / worüber die Römer aus den Sümpffen kommen solten / und verbargen sich hierauf in die auf denen herum liegenden Hügeln gewachsene Wälder. Cäcina / welcher gleichwol die Anwesenheit ausspürte / ward hierüber sehr bekümmert / und gewahr / was für einen unsäglichen Vortheil oder Schaden es brächte / wenn einem Feld-Hauptmann die Gelegenheit der Oerter bekandt oder unbekandt wäre. Er sahe wol: daß ihm auf einmahl die Last obliegen würde / Tämme und Brücken zu bauen / und gegen den ihn daran hindernden Feind zu fechten. Gleichwol muste er einen Schluß fassen; weil es besser ist / auch was schlimmes / als gar nichts entschlüssen. Also sätzte er ihm vor / sich an selbigem Orte zu verschantzen: daß er nach und nach ihm so viel sicherer einẽ Weg bähnte. Zu dem Ende erkiesete er gewisse Leute zu Schantzarbeitern / und gewisse zu ihren Beschirmern. Die Römer aber fiengen nicht so geschwinde an Rasen zu stechen / auf den Schubekarnen Erde herbey zu führen / als die Deutschen sie mit grossem Geschrey allenthalben anfielen / und / weil die Römer eben so wol keinen festen Bodem zu stehen hatten / sich den schilffichten Grund / das glatte und leimichte Erdreich / und endlich die Sümpffe / darinnen sie biß an Gürtel oder unter die Armen waten musten / nichts aufhalten liessen. Denn sie wusten wol: daß diese Art zu kämpffen / und die schweren Spisse mit Nachdruck zu werffen / die kleinern und schwerer gerüsteten Römer viel säuerer ankommen würde / als die länger gewachsenen Cherusker und Bructerer /welche an schlammichten Orten und in Brüchen zu fechten gewohnt waren / und an ihren langen Spießen geschicktere Waffen hatten einen in die Ferne zu erreichen. Dieser Anfall geschahe mit so grosser Hefftigkeit / daß alle vier Legionen / welche an einem so schlimmen Orte keine Glieder schlüssen / keine Ordnung halten konten / an welcher doch alleine aller Nachdruck der Römischen Waffen hänget / in Verwirrung geriethen / und Cäcina mit dem Apronius nicht hindern konte: daß sie etliche hundert Schritte weit mit Hinterlassung vieler Todten zurück weichen musten. Denn der Feldherr und Ingviomer scheueten sich selbst nicht / nach dem zu Pferde nichts auszurichten war / zu Fusse durch alle Pfützen ihr Kriegs-Volck anzuführen; also daß der vornehmste Adel es ihm für Schande geachtet hätte / wenn sie für gemeinen Knechten den geringsten Vortheil hätten haben sollen / wol wissende: daß eine solche Besudelung die schönste Purper-Farbe beschämete / und der vollkommenste Fürniß der Tapfferkeit wäre. Apronius ward selbst hefftig verwundet / und mit genauer Noth durch das Schilff aus der Deutschen Händen gerettet. Es würde auch dißmahl außer Zweiffel von den Römern kein Gebeine davon kommen seyn / wenn die Finsternüs der einbrechenden Nacht nicht den verzagten und müden Feind aus den Händen der Deutschen gerissen / und sie an der Verfolgung gehindert hätte. Wie die Noth nun die Römer zwang sich des Nachtes / so gut sie konten / zu begraben; also ermunterte die Deutschen der Sieg selbigen Tages: daß sie keine Müdigkeit fühlten / und an keine Ruhe dachten; sondern weil auf den nechsten Bergen viel Bäche entspringen /[1067] und sich hin und wieder vertheilen / führten sie alles Wasser durch mühsame Schützen in neu gemachten Gräben zusammen / und leiteten es denen ohne diß gleichsam im Wasser schwi enden Römern auf den Hals. Hierdurch wurden ihre aufgeworffene Schantzen zerrissen / uñ da sie nicht ersauffen wolten / musten sie solche mit zweyfacher Arbeit ergäntzen und erhöhen. Cäcina selber legte mit Hand an das Werck / um fein von Müdigkeit erliegendes Volck bey gutem Willen zu erhalten / welches ohne einen so mühsamen und hertzhafften Feld-Hauptmann gewiß die Hände hätte sincken / und alle Hoffnung fallen lassen. Er selbst gestand nach der Zeit: daß er in viertzig Jahren / seit dem er im Kriege theils gedienet / theils Befehlhaber gewest / niemahls keinen härtern Stand gehabt hätte. Weil er aber so wol der widrigen als glücklichen Begäbnüsse gewohnt war / ließ er an sich den wenigsten Kleinmuth mercken. Sintemahl aus der trauer- oder freudigen Bezeugung eines Feld-Hauptmanns und Schiffers ein gantzes Heer und Schiff ihm / wie aus Aufgehung gütiger oder schädlicher Gestirne / sein Heil oder Untergang wahrsagt. Diesemnach ein jeder Feld-Hauptmann / wie starck und glücklich er gleich ist / sein Gemüthe allezeit so fasten soll /wie er sich zu verhalten habe / wenn sein Vorhaben noch schlimmer ausschlüge / als es menschliche Vernunfft ihr einbilden könne. Denn welcher ihm nur eitel gutes träumen läßt / verlieret bey widrigen Zufällen nicht nur das Hertze / sondern auch den Verstand; also daß ihm auch der grosse Pompejus / nach verspielter Pharsalischen Schlacht / weder zu rathen noch zu helffen weiß; da er doch auch damahls noch stärcker als sein Uberwinder war. Weil nun der wie ein versuchter Fechter auf alle Fälle gefaßte Cäcina wol sahe: daß er an diesem schlimmen Orte nicht in die Länge austhauern / sondern auch ohne Schwerdstreich würde verderben müssen; worauf es nunmehr der Feldherr zu spielen schien / entschloß er sich sein euserstes zu thun / und sein Heer in bessern Stand zu sätzen / und es zum wenigsten auf die kleine Fläche zu bringen / welche sich zwischen den Sümpffen und Bergen befand / und auf den Nothfall zu einer Schlacht-Ordnung zureichte. Diß nun zu erlangen /und so wol die Verwundeten als das Geräthe fortzubringen / machte er Anstalt / wie sein Heer auf den andern Morgen fortrücken solte. Die erste Legion solte die Spitze führen / die fünffte auf der rechten /die ein und zwantzigste auf der lincken Seiten dem anfallenden Feinde begegnen / und er selbst mit der zwantzigsten wolte den Rücken vertheidigen. Die Nacht ward mit gantz ungleicher Unruh hingebracht. Denn die Deutschen feyerten den Neumond mit Gastmahlen und freudigen Gesängen / worvon die herum liegenden Thäler und Wälder in den Ohren der Römer einen schrecklichen Widerschall von sich gaben. Bey den Römern hingegen war ein trauriges Stillschweigen / ausser daß sie ihre schlechte Feuer aufbließen /und eitel verbrochne Worte mit stetem Seufftzen und Wehklagen ausstießen. Die gleich nicht zur Wache bestellt waren / giengen wie die umirrenden Gespenster von einem Zelte zum andern / und aus Furcht überfallen zu werden / waren die wenigsten vom Walle zu bringen; wiewol sie nicht so wohl wachten /als wegen Bangigkeit nicht schlaffen konten. Cäcina selbst ward mit einem schrecklichen Traume beunruhigt; in welchem der mit Blut und Kothe besudelte Qvintilius Varus aus den Sümpffen empor stieg / Cäcinen die Hand reichte / und ihn / ihm zu folgen / befehlichte. Aber Cäcina stieß die ihm gereckte Hand von sich weg / und weigerte sich ihm zu folgen. Gleichwol wolte er auf den Morgen die Legionen beschlossener massen ordnen; die aber / welche die Seiten bewahren solten / verliessen ihren Stand / und lieffen aus Zagheit oder Hartnäckigkeit zum ersten über den Sumpf. Ob nun gleich der Feldherr bey dieser[1068] Unordnung die Römer anzufallen Vortheil genung hatte / hielt er doch sein begieriges Volck zurücke /weil er wol sahe: daß sich noch eine bessere Gelegenheit ereignen würde. Als nun die Wagen und Last-Pferde in Sumpff kamen / und in Gräben stecken blieben / also sich das Kriegs-Volck trennen / die Glieder zerreissen muste / ein jeder mehr das seinige fortzubringen als der Hauptleute Befehl zu vollbringen bedacht war; gab Hertzog Herrmann seinem Volcke zum Angriffe das Zeichen / und er selbst ruffte mit heller Stimme: Sehet dar / ihr tapfferen Deutschen! den andern Varus / und die durch gleiches Glücke überwältigten Legionen! Hiermit giengen die Cherusker und Bructerer auf die Römer loß / und Herrmann selbst mit dem Grafen von Nassau und hundert auserlesenen Rittern brach zum ersten in die fünffte und Ingviomer mit dem Grafen von Bentheim / und hundert auserlesenen Bructerern in die zwantzigste Legion ein. Pedo mit der Römischen Reiterey meinte diesen Einbruch zwar zu perhindern / aber er ward vom Grafen von Lingen und Teckelnburg übel bewillko t; und weil die Römischen Reiter mit Pantzern und Harnischen sehr wol verwahret waren / daß weder Degen noch Spieß durchdringen konten / rief ihnen der Feldherr zu / sie solten ihnen nur die Pferde durchstechen. Auf diesen Erfolg fielen sie theils wegen verlohrnen Blutes / und des glatten Bodems über einen Hauffen /und ihren Reitern auf den Hals / theils wurden kollernd / rennten das Fuß-Volck übern Hauffen / und zertraten die Fallenden. Mit einem Worte: diese Schlacht hatte weder Ordnung / noch der Befehlhaber gute Anstalt einigen Nachdruck. Hertzog Herrmann und Ingviomer brachen wie der Blitz allenthalben durch / wo sie hintraffen. Cethegus der Oberste über die fünffte Legion ward auch vom Feldherrn hefftig verwundet; und ob zwar die Römer ihre Adler weder feste in die Erde stecken / noch weniger sie der Gewalt der Deutschen entgegen setzen konten; so kamen doch beyde Hertzogen dem fünfften und zwantzigsten Adler so nahe: daß jenen der Ritter Nordheim schon mit der Faust zu fassen kam / und Hoye den Fähnrich des zwantzigsten zu Bodem schlug. Hier muste der doch verwundete Apronius / und dort Cäcina mit seiner Leibwache zueilen / umb die in gröster Gefahr stehenden Adler zu retten. Als der Feldherr nun den Cäcina so weit voran / und die Römischen Glieder ergäntzen sahe / sprengte er gegen ihm / durchstach ihm das Pferd; also daß er zu Bodem fiel / und von der Cheruskischen Leibwache umringet ward. Das auf ihn gefallene Pferd diente ihm zu allem Glücke so lange zum Schilde / biß die zum Hinterhalt noch übrige erste Legion herzu drang / und den Römischen Feld-Hauptmann aus den Händen der Cherusker und des Todes errettete. Dieser erfahrne Krieges-Held verzweiffelte gleichwol nicht / als schon alles verzweiffelt / drey Legionen zertrennet / und die vierdte nun unter der Schmiede war. Weil aber seine Kräfften nicht zulangten / muste er ihm mit einer Krieges-List rathen. Daher zohe er alles Volck von dem Geräthe weg; und befahl / nach dem Beyspiele des von Jägern verfolgten und ihre abgebissene geile im Stiche lassenden Biber / diese Schalen für den Kern des Lebens Preiß zu geben. Sein Anschlag gelang ihm nach seinem Wunsche. Denn anfangs fiengen die Bructerer /hernach die Cherusker an zu plündern; und also hinderte die allzeit schädliche Begierde der Beute / wel che doch dem Uberwinder nicht entlauffen kan / daß die Deutschen ihren zweyten Sieg nicht vollkommen machten. Denn die Römer kriegten dadurch Lufft sich wieder an einander zu ziehen / und mit dem Abende arbeiteten sie sich aus den Sümpffen und Pfützen auf den festen Bodem. Gleichwol war diß noch lange nicht ihres Elendes Ende. Sie solten ein neu Lager schlagen / neue Wälle bauen / und sie hatten das meiste Theil der Grabescheite und Hacken im Stiche[1069] gelassen. Für die Krancken war kein Zelt / für die Verwundeten kein Pflaster verhanden. Das wenige übrige Brod war gleichsam aus Blut und Schlamme gezogen. Die Nacht war zwar stockfinster; aber / weil sie sie für ein Vorbild des Todes hielten / so viel schrecklicher; und des Tages erwarteten sie mit keiner bessern Hoffnung / als daß er so viel tausend Menschen der letzte ihres Lebens seyn würde. Gleichwol ließ der durch so viel Ungemach mehr abgehärtete als kleinmüthig gemachte Cäcina an seinen Kriegs-Sorgen und guter Anstalt nichts erwinden / und er war allemahl der erste / der die Schauffel und das Grabescheit in der Hand hatte / also sich diese Nacht aufs neue vergrub. Nichts desto weniger aber hatte sich dem Ansehn nach nicht weniger das hartnäckichte Glücke /als der Feind auf seinen Untergang verschworen /welches vermittelst eines schlechten Zufalls offt durch die klügsten Rathschläge und Anstalten einen Strich /und die wichtigsten Anschläge zu Wasser zu machen pfleget / daß zuweilen ein Hase den Löwen Furcht einzujagen / und Gelegenheit die grösten Städte einzunehmen geben kan. Dieses würde dem Römischen Heere auch dißmahl allhier begegnet seyn / wenn Cäcina nicht allem Unglücke die Stange zu bieten / ja dem Verhängnüsse selbst die Wage zu halten / fähig gewest wäre. Denn es hatte ungefehr ein Pferd den Zügel abgestreifft / und weil es vom Geschrey der ihm nachlauffenden Leute noch mehr wilde gemacht ward / rennte es etliche ihm begegnende übern Hauffen. Aus diesem Lermen entstand ein Geschrey / und zugleich ein Schrecken; die Deutschen hätten sich des Lagers bemächtigt. Diesemnach gerieth alles in die Flucht und in Schrecken. Jedermann wolte bey der Pforte / welche am weitesten vom Feinde und der Haupt-Pforte gegen über war / der erste seyn / um sich zu retten. Cäcina eilte im Augenblicke dahin dieses Panische Schrecken zu stillen. Nach dem er aber weder mit Bitte noch Dreuen / weder mit aufgehobenen Händen noch mit dem Degen die Flüchtigen hemmen konte / warff er sich auf die Schwelle des Thores darnieder; also / daß sie hätten über ihren Feldhauptmann rennen und reiten müssen. Die Flüchtigen hielt das Erbarmen zurücke / und er verriegelte denẽmit seinem Leibe die Pforte / welche vorhin blind / taub /und durch nichts aufzuhalten waren / biß die Obersten und Hauptleute ihnen die Augen auffsperreten / und die Unerhebligkeit dieses tummen Schreckens entdeckten. Cäcina forderte hierauf das Kriegs-Volck auf den Hauptstand des Lagers zu dem ersten Adler / und für seinen Stul; und nach dem er allen ein Stillschweigen geboten / verwieß er ihnen; daß ein gantzes Heer sich ein schichternes Pferd hätte mit in die Flucht reissen lassen / und sie ohne Ursache und Vernunfft sich in gröste Gefahr gestürtzet hätten. Alleine begangene Fehler müsten Wegweiser zu künfftiger Klugheit seyn. Sie wären in einem solchen Zustande / da sie der Zeit wahrnehmen / und nichts an dem / was nöthig /versäumen müsten. Ihr Heil bestünde zwar in den Waffen / weil der Feind aber viel stärcker wäre / müsten sie durch kluge Rathschläge alle Vorthel zu Hülffe nehmen. Daher hielt er vor rathsam / im Lager zwischen dem Walle zu bleiben / und eine falsche Furcht anzunehmen; wenn der vermässene Feind aber solches vermuthlich stürmen würde / solten sie unversehens ausfallen / und ihnen den Weg zum Rheine bähnen. Was unvermuthet geschehe / machte so wohl kluge als behertzte irre. Auf die Flucht aber solte sich nur keiner verlassen. Denn wie sie die schimpflichste Schwachheit eines Kriegs-Mannes wäre; also hiebe das Unglück den Augenblick die Hand auff seinen Rücken zu verletzen / da er denen Gedancken davon sein Hertz öffnete. Sie hätten noch durch mehr Wälder und Sümpffe zu ziehen / als sie derer hinter sich gelegt hätten; und in denen übrigen so grausame Feinde / als in vorigen / zu erwarten.[1070] Dieser Händen würden sie nicht entrinnen / wenn sie sich nicht durchschlügen. Also solten sie sich ihres eigenen Heiles /ihrer Pflicht und ihres Vaterlandes eriñern. An einem einigem Siege hienge ihre Wolfarth und ihre Ehre. Also munterte Cäcina seine Römer auf; verschwieg aber so wohl diß / was ihm abging / als was er schon eingebüßet hatte. Denn die Erinnerung grossen Verlustes machet die Menschen nur verzagt. Weil die übrige Reuterey auch schlecht oder gar nicht beritten war /theilte er der Obersten und Rittmeister Pferde denen tapffersten aus; und daß diese hierüber nicht unwillig würden / fieng er von seinen eigenen an: Diese solten beym Ausfalle die Bahn brechen / und das Fußvolck so denn nachdrücken. Mitler Zeit kriegte der Feldherr Nachricht: daß Cruptorich mit fünfftausend Friesen /und drey tausend Römern dem Cäcina zu Hülffe / und denen Cheruskern und Bructerern in Rücken käme; daher befand er für nöthig / den Grafen von Steinfurth / und Ravenstein mit vier tausend Bructerern / und so viel Cheruskern ihm entgegen zu schicken. Ob nun zwar das deutsche Heer hierdurch mercklich geschwächet ward / weil es aber von dem im Lager entstandenen Schrecken und der thörichten Flucht Wind kriegte / so wuchs bey den Deutschen die Begierde und Hoffnung die Legionen aufzureiben / ehe die Sicambrer auf der andern Seiten / und vielleicht auch vom Rheine neue Hülffe ankäme; Also verlangten sie / man solte denen abgematteten Römern keine Lufft / noch sie ausruhen / oder sich noch mehr befestigen lassen /sondern das übel verwahrte Lager stürmen. Der Feldherr war gantz widriger Meinung / und sagte: Sie hätten den Feind in einer solchen Falle hinten und vorwerts besätzt: daß er ihnen weder entrinnen / noch einige Hülffe an sich ziehen könte. Der Hunger aber würde sie zwingen: daß sie sich auffs neue würden in die Sümpffe machen müssen / in welchen ein Deutscher dreyen Römern überlegen wäre. Hielten sie aber noch länger im Lager aus / so würde die Helffte ihres zurückgelassenen Heeres folgen / und sie so denn den Feind zweymahl übermannen. Man solte seinen Feind niemahls in seinem Vortheil angreiffen / wie schwach er gleich zu seyn schiene. Die Wissenschafft / ein Werck und seine Verrichtungen wohl und in die beqväme Zeit einzutheilen / wäre ins gemein der Weg zur Glückseligkeit. Wer sich aber einmahl übereilte /und die Pflicht seines Lebens auf einmahl ausmachen wolte / könte ohne Nachtheil niemahls zurücke. Es liesse sich in einem Tage nicht so viel verschlingen /als man in seinem Leben kaum verdäuen könte. Denn wie tapffere Leute nichts zu fürchten hätten; also müsten sie auch niemanden / weniger aber sie die Römer verachten; denen mit Abnehmung des Gelückes allezeit Hertz und Vorsicht / wie bey abnehmendem Mohnden dem Knobloche und Zwibeln der Safft wüchse. Die Geringhaltung des Feindes verursachte Unachtsamkeit / diese aber gäbe ihm ein gut Theil mehr Kräfften. Ingviomer hingegen rieth: man solte sich den Feind vom Schrecken / welches sich wie die Ohnmachten nach und nach verliere / nicht erholen lassen / sondern weil das Kriegsvolck noch vom Eyver warm wäre / das Lager stürmẽ. Wie durchgehends die Gemüthsregungen erkalteten / und das annehmlichste Neue die Unschätzbarkeit täglicher Dinge annähme; also verrauchten viel mit grossem Ernst angefangene Kriege / wenn man nur die erste Hitze überstünde / und selbten in die Länge ziehen könte. Zumahl man den Deutschen Schuld gäbe: daß sie zwar tapffer / Kälte und Hunger / aber ihre zerflüssenden Leiber nicht Hitze noch Durst weniger in die Länge sauere Arbeit ausstehen könten. Daher müste man mit wichtigen Sachen nach einander verfahren / und sich des Vortheils / den die allenthalben angesehene Neuigkeit an sich hätte / gebrauchen. Wenn man einmahl mit einem Last-Wagen stille hielte /[1071] schnitte er so tieff hinein: daß er unbeweglich würde. Insonderheit wäre nöthig zu eilen / wo die Ruhe schädlicher / als die Verwegenheit wäre. Und das verwüstete Land der Bructerer die Krieges-Last nicht länger auszustehen hätte. Seine Vergnügungen solte man niemahls / Heldenthaten aber ie ehe ie besser ausmachen. Solte der Sieg auch gleich etwas schwerer zu erlangen seyn / so würde hingegen mit dem Lager alles in ihre Hände fallen / und ihnen weder von Gefangenen noch von der Beute etwas entgehen. Weil die verwegenen Rathschläge nun scheinbar / und daher ins gemein angenehmer sind; fiel Malovend und die meisten Kriegs Obersten / derer keiner für furchtsam angesehen seyn wolte / Ingviomern bey. Der Feldherr muste es also geschehen lassen / fürnehmlich weil sie in Ingviomers Gebiete waren; und daher überließ er auch Ingviomern / und denen ihm beypflichtenden Kriegs-Obersten die Einrichtung des Sturmes. Die Römer wurden aus Zusa enschleppung des Reisichts zu Füllung der Gräber / aus Fertigung der Leitern / und andern Anstalten leicht inne / was die Deutschen im Schilde führeten / und daher belegten sie den Wall mit Fußeisen / und Tafelwercke / auf welche wegen der herausragenden spitzigen Nägel niemand treten konte. Sie stelleten unterschiedene Fallbrücken / samleten eine grosse Menge Wasser-Steine zum werffen und schleudern / und andere sehr grosse / mit welchen sie den Sturmzeug zerschmetterten. Sie spanneten hin und her Balcken auf / welche sie auf die stürmenden Feinde abwältzen / und durch gewisse Räder mit Seilen wieder empor ziehen konten. Die Thore bekleideten sie wider das Feuer mit nassen Ochsen-Häuten / versahen sie mit Fallgattern /und oben mit Löchern: daß sie auf allen Fall dadurch löschen konten. Hingegen bereiteten sie Pechkräntze /zerschmoltznes Bley / und glüendes Eisen / Sand und fette Erd-Schollen / welche daselbst zu graben / und zum brennen geschickt waren. Sie versahen sich auch mit Netzen und Schlingen / die empor steigenden damit zu fesseln / oder zu verwickeln. Ja den sonst nur acht Füsse breit- und eben so tieffen Graben vergrösserten sie noch selbige Nacht um fünff Schuch /welches auch um so viel den Wall erhöhete / welcher rings herum mit spitzigen Sturm-Pfälen verwahret ward. Gleichwohl verbargen die Römer alle diese zur Gegenwehr gemachte Anstalten. Als nun gleich auf den Morgen an unterschiedenen Orten blinder Lermen gemacht / das Lager aber auf der einen Seite vom Ingviomer und Grafen von Horn / auf der andern vom Grafen von Bentheim und Teckelnburg ernstlich bestürmet / die Graben gefüllet / die Wälle erstiegen wurden / liessen sich doch die Römer sehr sparsam und kaltsinnig in der Beschirmung des Lagers spühren / gleich als wenn ihnen schon Hertze und Hoffnung entfallen wäre. An zweyen Orten ward auch schon der Wall erstiegen / da sich denn allererst die Römer recht sehen liessen / ihre gute Anstalten angewehrten / und dem Feinde die Spitze wiesen; wiewohl meist nur die verwundeten und schwächsten den Wall vertheidigten. Als die Deutschen nun theils in Gräben steckten / theils am Walle hinauf kletterten / theils zwischen die Sturm-Pfäle verwickelt waren / ließ Cäcina auf seinem Zelte eine blutige Fahn ausstecken / und an allen vier Seiten des Lagers die Krumm-Hörner und Trompeten blasen. Auf diß Zeichen wurden im Augenblick alle vier Pforten geöffnet. Zu der einen fiel Apronius / zu der andern Pedo / zur dritten Cethegus / zur vierdten Cäcina selbst aus / und blieben mit den Hülffs-Völckern kaum zweytausend im Lager. Die stürmenden Bructerer und Cherusker hatten sich ehe des Himmelfalls / als eines Feindes im Rücken versehen / welcher ihnen mit seinen gläntzenden Waffen und Harnischen nicht weniger die Augen bländete / als mit Rührung der vielen Spiele die Ohren betäubte; also /[1072] daß der Feind ihnen für zweymahl so starck fürkam / als er war / und ehe sie sich von Wällen und aus den Gräben zusammen raffen konten / ihrer nicht wenig ins Graß biessen / ja ihrer mehr zu fliehen / als zu fechten geneigt waren. Die Römer rufften auch denen Deutschen zu: Sie steckten hier nicht im Schlamme / noch würden sie in Wäldern überfallen /sondern hier stünden sie unter freyem Himmel / auf festem Bodem; also hätte keiner für dem andern einen Vortheil des Glückes / sondern die Tugend würde den Ausschlag des Sieges geben. Ingviomer und Bentheim mühten sich zwar ihr Volck in richtige Schlacht-Ordnung zu stellen / aber weil sie allzuweit von einander zertheilet / und die / welche vor am meisten groß gesprochen hatten / die kleinmüthigsten waren / blieb es bey einem zerstreuten Kampffe / wo zwar ein ieder sicht / aber alle überwunden werden. Ingviomer / welcher die Schande nicht haben wolte zu fliehen / und daher das Ampt eines tapffern Feldherrns und eines gemeinen Kriegs-Manns verrichtete / ward selbst in die Schulter hefftig verwundet: daß ihn der Ritter Engern und Welpe auf die Seite / und aus der Gefahr bringen muste. Uber diß gebrauchte sich Cäcina dieser Kriegs-List: daß er auf der Ost-Seite aussprengen ließ / die Deutschen wären auf der West-Seite auffs Haupt geschlagen / und in voller Flucht. Auf der West-Seite aber / es verhielte sich auff der Ost-Seite also. Wordurch denn die Deutschen irre gemacht / die Bructerer auch nach den Bergen zu weichen / verursacht worden. Ja auch den Cheruskern mangelte nichts mehr zur Flucht / als daß sie dem Feinde den Rücken kehren solten. Also schadet im Kriege nicht nur die Wahrheit / und diß / was schrecklich ist / sondern auch der Schatten / und diß / was man ihm schrecklich einbildet. Aus diesem Irrthume würden die Deutschen einen unverwindlichen Streich bekommen haben; wenn nicht der Feldherr seine zum Hinterhalte fertigen zwölfftausend Cherusker halb auf der einen Seite selbst / halb auf der andern Seite durch den Grafen von Nassau / gegen die Römer geführet /ihren Sieg gehemmet / und den Deutschen sich wieder zu setzen Lufft gemacht hätte. Weil aber ein grosses Theil schon den Bergen zugeflohen / und mit einmahl schon kleinmüthig gemachten Leuten wenig Ehre zu erjagen war / muste sich der Feldherr an dem vergnügen / daß die vom Sturme ablassenden Völcker sich vollends aus den Gräben und dem Gedränge arbeiten; und gleichwohl gewonnen die durch diesen Sieg gleichsam wieder lebendig gewordenen Römer hiermit ein grosses Theil ihres Ansehens wieder / und zugleich ihren Muth und Wolfarth. Sie vergassen darbey alles erduldeten Ungemachs / und ihres noch nicht aufhörenden Mangels; aber nicht / ihnen diesen Sieg nütze zu machen. Denn sie hatten numehr weder Eßig noch Brodt / sondern sie musten nur faules Wasser trincken / und ungemahlenes Getreyde / das von dem aus Gallien bekommenen noch übrig war / roh oder gekocht essen. Ob auch wohl etliche Kriegs-Leute was weniges von schwartzem und verschimmelten Brodte Cäcinen anboten / wolte er es doch nicht besser / als gemeine Knechte haben; und sonder verstattete lange Ruh / rückte er noch selbige Nacht fort /und kam auf den Morgen ohne alle Hindernüß über den Aastrom zwischen andere Sümpffe; also / daß ob wohl der Feldherr seinem Heere wieder ein Hertze einsprach / und folgenden Tag den Römern den Weg abzuschneiden eilte / er doch zu spat kam / und wegen abgeworffener Brücken sie wieder einzuholen / alle Hoffnung verlohr / bey diesem Verluste aber mehr Ehre / als fast vorher durch seine Siege erwarb; weil er den unglücklichen Ausgang dieses wiederrathenen Sturmes ihnen so treulich wahrgesagt hatte. Cäcina kriegte von den Friesen für sein Kriegs-Heer nöthigen Vorschub von Lebens-Mitteln / Pferden und Wagen /kam[1073] also wider aller Menschen Vermuthen an dem Rheine bey dem Einflusse der Lippe an / wo er mit seinen vier Legionen anfangs gelegen / und eine ziemlich starcke Festung erbaut / und solcher den Nahmen der an der Lippe und Elße vom Herrmann zerstörten Aliso gegeben hatte. Von dar zohe er durch das Sicambrische Gebiete biß zu dem Ubischen Altare. Daselbst empfieng sie Agrippine am Anfange der Brücke / lobte die Tapfferkeit der vier Legionen / welche aber nicht mehr zwey gantze ausmachten. Sie danckte Cäcinen für seine kluge Hertzhafftigkeit / und daß er niemahls seinen Muth auch bey verzweiffeltem Zustande hätte sincken lassen. Es war fast kein über die Brücke kommender Römer / welcher nicht die Erde küste /und die über dem Rheine wohnenden Völcker empfiengen sie mit so grosser Freude und Verwunderung; als wenn sie aus dem Lande der Todten zurück kämen. Sintemahl das Geschrey schon den Rheinstrom und gantz Gallien erfüllet hatte: Cäcina wäre mit seinen vier Legionen erschlagen / daß nicht ein Mann davon kommen wäre / und die Deutschen wären unterweges / mit einer ungeheuren Macht in Gallien einzubrechen / wo alles schon für ihnen zitterte und bebte. Dahero hätten auch die Römer ihre bey dem Ubischen Altare über den Rhein gebaute Brücke eingerissen / weñ es die behertzte Agrippine nicht verhindert hätte / welche unterdeß am Rheine / bey Abwesenheit des wenig Tage vorher ebenfalls angekommenen Germanicus / das Ampt eines Feldherrn verwaltet hatte / und nun denen abgerissenen Kriegs-Leuten mit Kleidern / den unbewehrten mit Waffen /den Krancken mit Artzneyen aushalff / und durchgehends allen Geld austheilte / sie theils tröstete / theils lobte / und nicht anders als ein Feldherr anredete / da doch dieses niemanden als dem Kayser oder Feldherrn verstattet / sondern allen / weß Würden er gleich war /das Heer zu beruffen / selbtem was vorzutragen / oder an Rath zu schreiben bey Lebens-Straffe verboten war. Dem Tiberius / als er diß zu Rom erfuhr / stieg dieses hefftiger zu Gemüthe / als da Livia Rath und Volck an sich zoh / selbtem Gehöre gab / und daß sie den Tiberius zum Kayser gemacht / also neben ihm zu herrschen Recht hätte / sich rühmte. Sintemahl diese seine Mutter doch in Rath zu kommen / oder ein versamletes Kriegs-Heer / wie Agrippina / anzureden /oder sich der Kriegs-Sorgen anzumassen / niemahls unterstanden hätte. Denn wer hierinnen das geringste that / grieff dem Tiberius ans Hertze / wie wenig Eyversucht er sonst gleich gegen ihn zu fassen hatte; weil das Kriegs-Volck alleine an ihm hencken / seine Befehle zur Richtschnur haben / und seiner Freygebigkeit genüssen solte. Je länger er nun der Sache nachdachte / ie mehr wuchs sein Argwohn / und schien ihm unglaublich: daß diese männliche Sorgen /und die den Weibern sonst ungewöhnliche Freygebigkeit ein gemeines Absehen haben solten / weil es die Gemüther der Römer gegen verhaßte frembde Völcker zu gewinnen unnöthig wäre. Es schiene dem Kayser selbst zur Verkleinerung zu gereichen: daß Agrippine die Legionen musterte / zwischen den Adlern stünde /und nichts zu thun unterliesse / was einem Feldherrn obläge / ja ihren kleinen Sohn in einem Rocke eines gemeinen Kriegs-Knechtes im Lager erzüge / und ihm dadurch die Hertzen der Kriegs-Leute stähle. Sie selbst wäre schon bey diesen in grösserm Ansehen /als die Feldhauptleute und Obersten. Sie hätte schon die aufrührischen Legionen besänfftiget / welches Germanicus selbst nicht vermocht hätte. Was würde sie nicht künfftig ausrichten können / und zu thun sich erkühnen / nach dem sie sich täglich durch kirrende Wolthaten ihr mehr anhängig machte. Welchen Argwohn der des Tiberius Art und Neigung gewaltig wohl kennende Sejanus meisterlich zu vergrössern / in eben diß Horn zu blasen / auf ein fernes Absehen in des Kaysers Hertze die Wurtzeln des Hasses gegen[1074] Agrippinen und den Germanicus / einzupflantzen wuste. Deñ auch dieser vergaß nichts / so wol Cäcinens / als des Silius zwischen den Rhein uñ die Mosel verlegten Legionen gutes zu thun. Er ließ denen gemeinen Knechten den Sold / so hoch ihn Kayser Julius und August vergrössert hatte / drey Monate nach einander mit fünff und zwantzig Pfenningen täglich zweyfach bezahlen / und monatlich an stat der monatlichen vier Maaß Getreydes / ihnen acht zu mässen /welches alles auch bey denen Befehlhabern und Reitern stieg; daß nemlich jene gewöhnlicher massen zwey- diese dreymahl so viel als ein gemeiner Fußknecht bekamen. Uberdiß beschenckte er sie über das ausgesätzte Schweinen-Fleisch / mit etlichen hundert Ochsen / verstattete denen Krancken und Verwundeten nicht nur gebratenes / sondern auch gekochtes Fleisch zu essen / und ein wenig Wein zu trincken /welches beydes sonst den Kriegs-Leuten verboten war. Welche Pflegung aber das Römische Heer wol hoch von nöthen hatte; denn die saltzichte Lufft / das faule Wasser / und die schlechte Kost hatte selbtes durchgehends mit einer das Geblüte verderbenden Kranckheit / nemlich dem Scharbocke / wovon die Römer vorher nie gehöret hatten / derogestalt angesteckt: daß fast allen Römern im Munde die Zähne ausfielen / im Leibe heßliche Flecken ausschlugen. Es würde an dieser frembden Kranckheit / worwider aller Römischen Aertzte Mittel mehr schädlich als dienlich waren / auch sonder Zweiffel das gantze Römische Heer gestorben seyn / wenn nicht ein Friesischer Artzt dem Germanicus das so genennte Britannische Kraut oder den schwartzen langblättrichten Wasser-Ampffer / und den bitteren Wasser-Klee als die zwey heilsamsten Mittel / wider diese gefährliche Kranckheit entdeckt hätte. Westwegen ihn der halb verzweiffelnde Germanicus auch reichlich beschenckte. Damit ihm aber hierinnen Tiberius keine Verschwendung / oder eine Verzärtelung des Kriegs-Volckes beymessen konte / verwendete er hierzu seine eigene Mittel / ließ das Kriegs-Volck täglich üben und arbeiten / und sagte ihnen: daß diese Ergetzligkeit auf keine Nachfolge und langes Leben angesehen wäre. Im übrigen war er auch gegen den geringsten freundlich / er besuchte die Krancken / war selbst darbey / wenn die Verwundeten verbunden worden / und war sorgfältig /daß ihnen nichts an der Heilung abgienge. Nach dem die meisten auch genesen waren / zohe er zu Meyntz des Silius / zu Vetera Cäcinens Legionen zusammen /verrichtete mit selbten den Gottesdienst / lobete nicht nur aller Gedult und Beständigkeit / sondern auch absonderlich viel / die sich für andern tapffer gehalten hatten. Einem gab er einen Spieß / dem andern einen zierlichen Degen / dem dritten ein gülden Arm oder Halsband / dem vierdten gepregt- oder ungepregtes Geld / dem fünfften ein Kleid / dem sechsten ein purpern oder goldenes Fahn / dem siebenden einen Krantz / dem Cäcina / Silius / Apronius und Vitellius eine güldene Krone. Ja nicht ein einiger blieb unbeschenckt; die unglücklich gewesten richtete er mit gemachter Hoffnung besseren Glückes auf / denen Uberwindern liebkosete er mit Herausstreichung ihres Wolverhaltens / lockte also alle zu seiner Gewogenheit / und zu künfftiger Tapfferkeit an. Damit nun Tiberius sich nicht mit Verdachte des Neides beladete /oder er dafür / als wenn er nichts bey der Sache zu thun / angesehen / fürnemlich aber die grosse Niederlage der Römer zu Rom verdrückt würde / befand er im Rathe: daß Cäcinen / dem Apronius und Silius ein Siegs Gepränge verstattet werden solte. In solche ruhmräthige Eitelkeit war die alte Tugend der Römer verfallen: daß sie über ihre eigene Niederlagen frolockten / und die Feld-Hauptleute Zunahmen der Völcker anzunehmen sich nicht schämten / von denen sie Schläge bekommen hatten.

Der Feldherr Herrmann und Ingviomer spieleten nicht mit solchen Schalen und Bländungen /[1075] sondern vergnügten sich an dem rechten Kerne ihres Sieges /und ihrer behaupteten Freyheit. Denn / was konte Deutschlande ersprießlicher / diesen zweyen Fürsten rühmlicher seyn; als daß sie die ungeheure Macht /derogleichen von Römern noch niemahls wider ein eintzeles Volck ins Feld geführt worden war / über den Rhein gejagt / und die zu Bezwingung der gantzen Nordwelt angesehene Zurüstung zu Wasser gemacht hatten. Da zumahl die Römer sich wol ehe gerühmt hatten: daß sie mit wenigern Legionen glücklicher als die alten Riesen den Himmel zu stürmen sich getrauten. An diesem Preiße / als der edelsten Frucht des Sieges / vergnügten sich die Deutschen / welche in ihrem Kriege für nichts anders / als für ihre Freyheit / und die Ehre ihres Hertzogs zu kämpffen / und niemahls weder Sold noch Belohnung zu fordern gewohnt waren. Gleichwol aber wurden die tapffersten vom Feldherrn mit denen eroberten Pferden und Waffen beschenckt. Hertzog Ingviomer erinnerte nach Verjagung der Römer: man solte numehr den Fürsten Melo / Malorich und Bojocaln / als Feinde des Vaterlandes / mit gesamter Hand übern Hauffen werffen /und das Kriegs-Volck / welches nach erlangtem Siege zwey Hertzen im Leibe hätte / nützlich angewehren /nicht aber durch Trägheit den Sieg im Sieg verliehren / oder in einem Tage den erworbenen Ruhm wieder begraben. Die Versäumung eines Tages hätte offt einem verlohrnen Feinde zurechte geholffen / und Hannibal / indem er den Verfolg seines Sieges wenig Stunden aufgeschoben / Carthago zerstöret / Rom errettet. Hertzog Herrmann aber war viel anderer Gedancken / welcher rieth: Man solte mit denen mehr durch der Römer Arglist / als durch eigenen Haß abspenstig gemachten Deutschen sich lieber vertragen /und sie zu Gefärthen des gemeinen Bundes wider die Feinde ihrer Freyheit machen / als durch einen bürgerlichen Krieg sich mit ihnen schwächen. Die Römer wären wol geschlagen und verjagt / aber nicht überwunden; und sie hätten keine Bürgen / daß diese Raub-Vögel der Welt nicht wiederkommen würden. Germanicus wäre noch unversehrt / welcher aus seinem Nahmen ihm einen Aberglauben Deutschlands Meister zu werden eingebildet / und sich wider selbtes gleichsam verschworen hätte. So lange nun ein solcher Schlangen-Kopff lebte / würden die Glieder nicht ruhen. Der hurtigste Falcke machte sich auf einmahl nicht an zwey Reiger; und der allerstärckste thäte thöricht / der lieber zwey als einen Feind haben wolte. Die schlauen Römer / mit denen sie zu thun hätten /wären jederzeit bemühet gewest / nur mit einem Feinde zu kriegen / die übrigen zu versöhnen. Daher hätten sie Asdrubals Zunöthigungen verschmertzt / biß sie mit den Galliern überein kommen wären. Und diß thäten sie noch / da sie mit der gantzen Welt Friede hielten / weil sie mit den Deutschen uneines wären. Krafft dieses Einhalts ward beliebt: daß alle drey Hertzoge durch Gesandten wieder auf die deutsche Seite zu bringen; also die innerliche Zwietracht in Deutschland / welche den Römern ein gefundener Handel wäre / zu erstecken / möglichster Fleiß angewendet / die Uberläuffer Flavius / Segesthes / Segimer / Siegesmund und Sesitach aber für den gemeinen Richterstuhl der deutschen Fürsten erfordert / da sie aber nicht erschienen / für Verräther des Vaterlandes /auch ihrer Länder und Güter verlustig erkennet werden solten. Diesen Schluß billigte auch Hertzog Jubil / welcher etliche Tage nach dem letzten Treffen mit dem Cäcina / an der Emße ankam. Denn Adgandester hatte an der Elbe von des König Marbods Kriegs-Heere ein grosses Theil zusammen gezogen / und sich immer gestellet / als wolte er bey den Hermunduren einbrechen; also ihn eine Zeitlang zurücke gehalten /biß er daselbst auf allen Fall Vorsehung gethan / auch endlich ergründet hätte: daß es nicht in Adgandesters[1076] Macht stünde / was feindliches anzufangen / sondern Marbod nur zu diesem Spiegelfechten ein Auge zudrückte. Dieser fiel in allem des Feldherrn Meinung bey; und wie er über des Feldherrn und Ingviomers Siegen hoch erfreuet war; also hielt er nöthig Rechenschafft zu geben / was inzwischen die Catten und Hermundurer ausgerichtet hätten. Daß Germanicus /sagte er / mit des Silius vier Legionen von den Catten und Hermunduren über den Rhein getrieben ward /schien dem Hertzoge Arpus / Catumer und mir gegen die Verwüstung des zwischen dem Rheine und der Eder verwüsteten Landes / eine allzu schlechte Rache zu seyn. Jedoch kränckete uns noch mehr: daß dem Feldherrn seine Gemahlin und Sohn / Ismene / Zirolane / der Priester Libys / und andere von dem Cheruskischen Adel waren geraubet worden / und daß Arpus auf dem Berge Taunus eine neue Festung schauen solte / mit welcher den freyen Catten gleichsam ein Kapzaum angelegt war. So bekümmerte uns auch nicht wenig: daß denen Cheruskern und Bructerern die gantze Last der Römischen Waffen auf den Hals geweltzet ward. In dem hierüber gehaltenen Kriegs-Rathe ward / was hierbey zu thun / reiflich überlegt /und waren bey nahe so viel Meinungen als Stimmen. Endlich ward doch beschlossen / Arpus solte den Berg Taunus belagern; Catumer aber nach dem Beyspiele des Africa bekriegenden / und Hannibaln aus Italien ziehenden Scipio / in Gallien einfallen / ich die Gräntzen gegen den Marbod besätzen / und wo möglichst zwölff tausend Catten und Hermundurer den Cheruskern zu Hülffe führen. Der arglistige Fuchs Adgandester machte mit zwantzig tausend Hermunduren gegen mich so seltzame Verstellungen: daß ich seine Gänge so wenig als einer Schlangen im Gestrittich erforschen konte / gleichwol aber besorgen muste / daß er alle Tage feindlich einbrechen würde. Endlich merckte ich doch: daß er zwar einen bösen Willen /aber gebundene Hände hatte; und es Marbods Meinung nicht wäre / uns von Römern unterdrücken zu lassen / sondern vielmehr sie und die Deutschen in gleicher Wage zu halten: daß sie einander die Stange bieten könten / und keiner ihm zu Kopffe wüchse. Unterdessen streute ich doch einen Ruff aus: daß ich käme / und schon unterweges wäre / um die Bunds-Genossen zu trösten / den Feinden Kummer zu machen; biß ich endlich mich einzufinden für nöthig hielt / aber zu desto grösserem Ruhme der Cherusker und Bructerer zu späte kommen bin / und an ihren Siegen außer der Freude kein Theil habe. Hertzog Arpus rückte mit achtzehntausend Catten unter den Berg Taunus / welcher auf einer Seite die wieder erbaute Festung des Drusus / auf der andern / das vom Visellius Varro besätzte Lager hatte. Welches alle zum ersten und zwar mit dem Degen in der Faust /nicht aber durch langsame Krieges-Künste anzugreiffen für rathsam hielten. Nach dem nun ein genugsamer Vorrath von Reysicht / Fässern / und andern / zu Füllung der Gräben nöthiger Vorrath verhanden war /stellte Arpus rings um das Läger / so weit es auf der einen Seite die abschüßige Höhe nicht hinderte / sein Heer in die Waffen. In der ersten Reye war das mit schweren Waffen versehene Fuß-Volck / in der andern die Schützen und Schleuderer / und zuletzt die zu Vertheidigung des Rückens / und wider die Ausfälle bestellte Reiterey. Zwischen dieses Volck stellte er vier grosse Schleudern / derer zwey auf einmahl etliche hundert Feldsteine auf den Wall wurffen / zwey nicht viel weniger Pfeile abschossen. Mit diesen ließ Arpus den Anfang machen / und als die Schützen und Schleuderer auch nicht feyerten / machte man zwar /um den Feind zu zertheilen / allenthalben Lermen; der Sturm aber ward eigentlich an dreyen Orten vom Grafen von Waldeck / Hanau und Hohenstein angeführt. Jeder Kriegsmann hatte seinen Schild und eine Axt /oder[1077] eine Hacke auf dem Rücken / in Armen ein Faß /oder ein grosses Reisig-Gebund / welches ihm so lange zum Schilde diente / biß er es in Graben warff. Hinter diesen trugen ihrer zwey und zwey immer eine Leiter / welche theils von Holtze / theils von Riemen /Bast oder Stricken gemacht waren / und oben eiserne Hacken hatten / daß man sie im Walle feste machen konte. Vier und vier aber trugen eine auf vier starcken Pfälen stehende / oben aber mit nassen Rind-Ledern bedeckte Hütten / unter denen die Stürmenden ohne Gefahr des Feuers / der Steine / und Pfeile / sicher am Walle arbeiten / und die Thore zerhauen konten. Weil nun an denen drey Orten der Graben genugsam gefüllet war: daß die Catten an Wall unverhindert ankamen / wurden die Leitern angeworffen / und feste auch mit den Hacken in den Rasen rechte Stuffen gemacht / die Sturm-Pfäle zerhauen / und selbter mit grossem Eyver erstiegen. Wo auch der Wall nicht allzuhoch war /gab sich eine Menge des Kriegs-Volckes harte am Walle zusa en / welche über ihren Köpffen die Schilde so feste und artlich zusa en fügten: daß andere Kriegs-Leute darauff steigen / sicher stehen / und fechten konten. Welche Erfindung zwar alt / und schon für Troja üblich gewest / und folgends zu den Römern gekommen seyn soll; aber die kräfftigen Deutschen thun es hierinnen allen Völckern zuvor / in dem sie ihre Schilde so steiff halten / daß sie darauf Reuter und fahrende Wagen ertragen können. Der Graff von Hanau und Hohenstein traffen auf die von Römern besätzten Bolwercken / auf derer einem Sejus Tubero / auf dem andern Emilius zugegen waren / und an Tapfferkeit und Krieges-Künsten zu Abschlagung des Sturmes nichts ermangeln liessen. Gleichwohl sätzte Hanau und Hohenstein dem Feinde mit einer solchen Hartneckigkeit zu / daß sie die an etlichen an den Wall geschobenen Leitern oben befindliche Brücken auf die Brustwehre warffen / und ein Stücke derselben behaupteten / also / daß Visellius Varro den auff der Haupt-Wache gelassenen Hinterhalt beyden zu Hülffe schicken muste. Hanau / welcher allenthalben der förderste war / und so wohl mit der That als Worten sein Volck zu Behauptung ihres erstrittenen Vortheils anfrischte / ward zwar hierüber verwundet; aber er verstellte und verbieß seine Verletzung. Hohenstein aber brach mit seiner Brücke ein / und darüber einen Arm / also / daß der Graff von Solms seine Stelle vertreten muste. Gleichwohl würden die Catten an beyden Orten gegen die andringende Römische Reuterey nicht länger haben stehen können / wenn die Römer nicht einen neuen Lermen bekommen hätten /in dem der Ritter Bergheim mit dreyhundert auf Römisch gekleideten Catten / an der hohen Seite des Lagers / wo kein Mensch einen Feind vermuthet / über die gähen Klippen den Wall erstiegen hatten / welche auch nicht für Feinde / sondern für ihnen aus der Festung zu Hülffe kommende Römer angesehen wurden / noch was feindliches fürnahmen / biß sie zu dem nechsten Thore kamen / und selbtes aufzuhauen anfiengen. Dieses Thor ward auch auswerts / genommener Abrede nach / vom Grafen von Isenburg angegriffen / und also / ungeachtet Varro selbst mit fünffhundert Römern / und noch mehren Trierern dahin kam /aufgesprengt. Worüber denn ein überaus blutiges Gefechte angieng / in dem Isenburg mit Gewalt einzudringen / Varro aber solches zu verwehren / und die dreyhundert hinein gestiegene Catten von dem Thore weg zu treiben sich eusserst mühte. Alleine allen diesen zweiffelhafften Gefechten gab endlich der Graf von Waldeck den Ausschlag / welcher das dritte bestürmte Bollwerck völlig behauptete / die Trierer von selbigem abtrieb / und mit denen zweytausend daselbst übersteigenden Catten / theils auf das zersprengte Thor wieder den Varro selbst / theils auf das vom Hanau gestürmte / und vom Tubero vertheidigte Bollwerck /[1078] durch den Grafen von Henneberg und Beilstein loß gieng. Nach einer verzweiffelten Gegenwehr muste Varro endlich weichen / also / daß Isenburg und folgends die Cattische Reuterey eindrang /und was sich entgegen stellte / zu Bodem rennte. Tubero ward vom Hanau und Henneberg zugleich von seinem Bollwercke getrieben / und kurtz darauf behauptete der Graf von Solms auch das seinige. Weil nun derogestalt alles über und über gieng / eileten Varro und Tubero denen gegen der Festung gelegenen zwey Pforten zu / welche sie zu ihrer Flucht öffnen liessen. Es lagen aber die ins Lager gedrungenen Catten / weil Arpus bey Verlust des Lebens für völligem Siege die geringste Beute zu machen verboten hatte /so scharff in Eisen / daß der Feinde kaum tausend aus dem Lager entkamen / welche aber aus dem Regen in die Tropffe kamen / in dem sie von der auswerts in Bereitschafft haltenden Reuterey der Catten auffs neue bewillkommt / und / was nicht durch die Gütigkeit der Pferde entrann / in Stücke gehauen oder gefangen ward. Varro und Tubero konten die Festung nicht erreichen / weil die Catten daselbst schon vorgebeugt hatten; also musten sie spornstreichs dem nur zwey Meilen von dar flüssenden Meyne zueilen / über welchen sie auf einem schlechten Fischer-Bot entrannen. Wenig Römer versteckten sich zwischen die Felsen in die Gräben und Wälder / und stahlen sich des Nachtes zu dem Rheine oder Meyne. Im Lager warffen die umringten Trierer und Gallier die Waffen alsobald nieder / die übrigen Römer musten sich also mit dem Emilius auch ergeben. Hertzog Arpus bekam im Lager einen grossen Vorrath an Waffen und allerhand Sturm- und andern Kriegeszeug / wie nicht weniger an schönen Pferden / Gelde / Gallischem Weitzen /und andern Lebens-Mitteln / mit welchen er sein Kriegs-Heer vortrefflich ausrüstete. Sintemahl er nur das Getreyde und den Kriegszeug zu Fortstellung des Krieges aufhob / Pferde / Geld / Waffen / und güldene Ketten aber / wormit die reichen Gallier im Kriege zu prangen pflegten / den Catten / welche sich wol gehalten hatten / austheilte / und nur das zehende Theil davon / GOtt zu einem Danck-Opffer liefferte. Hertzog Arpus ward durch diesen Sieg so entzündet: daß er von Stund an sein Kriegs-Volck mit dem im Lager eroberten vortrefflichen Sturmzeuge für die deutsche Festung führte / und sie auffordern / zur Belagerung aber den Anfang machen ließ. Denn wie dem Siege Flügel zugeeignet werden / also lauffen die nicht /welche das Glücke an der Seite haben / sondern sie flügen. Arpus ließ noch selbigen Abend die Festung auffordern / und ihnen dreuen; daß so denn keine Gnade zu hoffen seyn würde / wenn sie es so weit kommen liessen / daß er die Thürme an die Mauer brächte / und mit den Sturm-Böcken die Mauer zu erschellen anfienge. Calpurnius Piso / welcher oberster Befehlhaber in der Festung war / ließ dem Hertzoge Arpus spöttische Antwort zu entbieten / und ihn fragen: ob er seine Thürme wie die Erd-Kugel in die Lufft gründen / die Sturmböcke aber an die Bogen des Himmels anhencken wolte; deñ diese Festung lag rings herum auf einem felsichten Berge / und hatte nur an wenigen Orten einen schmalen Absatz / der nicht mit der Mauer eingeschlossen war / also es was übermenschliches zu seyn schien / einen Thurm anzuschieben / oder einen Sturmbock zu stellen. Denn ob zwar dem Piso nicht unbekandt war; daß Sylla in Belagerung der Jüdischen Bergfestung Massada / von Erde und Holtz / einen Berg zweyhundert Ellen hoch geschüttet / hierauf einen steinernen Fuß von funffzig Ellen gemauert / endlich einen sechzig Ellen hohen Thurm darüber gebauet; wie nicht weniger Julius für Maßilien wenig kleinere Lasten aufgeführet / und Mithridates für Cyzicum hundert Ellen hohe Thürme auf Rädern angeschoben hatte; so traute er doch[1079] weder den Catten diese Geschickligkeit und Gedult / noch auch daß Germanicus den Belägerern hierzu genugsame Zeit lassen würde / zu. Allein Hertzog Arpus zwang die im Lager gefangenen Römer / welche sich sonderlich auf die gefundenen künstlichen Werckzeuge wohl verstunden / daß sie nicht allein die zu sicherer Untergrabung der Mauer dienenden Verdachungen / die zu Einwerffung bleyerner und eiserner Kugeln /drey Ellen langer Pfeile / zwölff ellichter Spiesse /grosser Mühlsteine / welche gleich dreyhundert und sechzig Pfund schwer waren / bereitete Schleudern /auf den Berg und harte an die Mauer brachten / sondern sie musten auch zwey Sturm-Thürme an den ihnen angewiesenen Ort bringen / welche nach dem Muster derer / welche Caßius für Rhodus gebraucht /man zerlegen / stückweise tragen / und / weil sich alles sehr wohl zusammen fügte / in gar kurtzer Zeit zusammen sätzen konte. Die belagerten Römer wusten nicht: ob sie diese gezwungenen Römer als ihre Lands-Leute und Bluts-Freunde verschonen / oder weil sie zu ihrem Verterb arbeiteten / als Feinde beschädigen solten. Weil sie aber hierüber mit einander zwistig wurden; verrichteten unterdessen die Gefangenen die ihnen aufgedrungene Arbeit / und die Catten erreichten ihren Zweck / fiengen auch ohne Zeitverlierung an / Steine / Bley / und Eisen einzuwerffen / die Mauer zu durchbohren / und zu untergraben. Die Belagerten mühten sich zwar / mit ausgeworffenem Pech / Hartzte / Schwefel / glüenden Eisen / und grossen Steinen solche zu verbrennen / und zu zerdrümmern /aber weil alles Holtz mit Allaune überfirnßet / die Thürme mit eisernem Bleche beschweret waren / hafftete kein Feuer / und das zerschmetterte ward augenblicks wieder ausgebessert. Hierbey aber ließ es der wachsame Arpus nicht bewenden / sondern unter denen Bedachungen ließ er harte an der Mauer zwey eichene sechs Ellen und dreyßig Schuch / zurücke an der abschüssenden Seite des Berges zwey funffzehn Ellen hoch aus der Erde fürragende und rundte Säulen eingraben. Um beyde legte er dicke und lange Seile an / welche unten mit vielen Stricken an eisernen Rincken einen starcken auf sechs niedrigen Rädern liegenden Sturmbock fasseten. An die oben um die Säulen gelegten / und am Berge herunter gehenden Seile /wurden auf der Fläche dreißig paar Ochsen angespannet / welche in einer Viertel-Stunde den sonst kaum von etlich tausend Menschen beweglichen Sturmbock empor brachten. In weniger Zeit ward er mit Ketten an die obersten Säulen aufgehenckt / mit Kühhäuten bedeckt / und von denen unter den Bedachungen stehenden Catten vermittelst der um die untersten Säulen gehender Seile und Stricke gezogen. Die belagerten Römer / welche anfangs über so mühsamer Arbeit lachten / wurden nicht weniger als die Gallier und Mazagen in Indien erschreckt / als jene den Käyser Julius / diese den grossen Alexander so ungeheure Thürme auf verborgenen Rädern an ihre Mauern zum ersten anschieben sahen; gleich als wenn diß ein mehr als menschliches Werck wäre. Noch viel mehr aber fiel ihnen der Muth / da sie in wenigen Stunden von dem stossenden Bocke die nicht allzu dicken / und noch weniger recht ausgetrockneten Mauern bersten /wie auch durch derselben Untergrabung nicht wenig Löcher gemacht / die Catten aber so embsig sahen: daß sie Tag und Nacht arbeiteten / und ihnen weder zum Essen noch zum Schlaffe Zeit nahmen. Weil nun Piso sich auf solche Art verlohren sah / entschloß er einen Ausfall zu thun / in Meinung diese Sturmwercke zu zernichten. Zu allem Unglück aber trafs sichs /daß Arpus auf eben diese Zeit sein gantzes Heer zu einem Sturme fertig hielt. Daher wurden die ausfallenden Römer nicht nur übel empfangen / sondern die sich mit den Flüchtigen[1080] vermischende Catten drangen zugleich mit durch die geöffnete Pforte / der Graf von Erpach und Gleichen / der Ritter Ridesel / Koßboth /und andere aber / durch die zerstossene Mauer hinein. Piso that zwar sein euserstes / aber vergebens. Denn er ward selbst harte verwundet und gefangen / worauf die übrige Besatzung sich auch ergeben / und dem Willen des Uberwinders unterwerffen muste. So geschwinde gieng diese fürtrefliche Festung über / zu einer heilsamen Erinnerung: daß weder die Natur /noch menschliche Vorsicht etwas unüberwindlich machen könne. Flaminius steigt so bald über die unwegbaren Gebürge in Macedonien / als Hannibal über die Alpen in Italien / worüber nicht einst die Vögel solten fliehen können. Alexandern konte der Euphrat / der Tiger und Oxus die berühmten Mauern der Morgenländer nicht aufhalten / und die von Sand und Schlangen umgebene Stadt Capsa fiel in kurtzer Zeit in des Metellus Hände.

Der bey dem Altare des Bacchus über den Rhein gegangene Fürst Catumer wolte weder an Glücke noch Tapfferkeit seinem Vater was nachgeben. Denn es zohen zwar Acilius / Aviola und Julius Indus die Gallier zusammen / und weil sie wol zweyfach so starck waren / boten sie ihm an der Nahe unter dem Berge / welcher das Haupt der Berge genennet wird /die Stirne. Es lief aber solches so schlecht ab: daß die Gallier nach einem zweystündigen Gefechte geschlagen wurden / den dritten Theil ihres Volckes / und eine sehr reiche Beute im Stiche liessen. Weil nun Catumer keinen Feind im Felde hatte / ihn aber die Einäscherung der Stadt Mattium hefftig bitterte / saan er Tag und Nacht / wie er den Römern eines / wo es ihnen recht weh thäte / versetzen möchte. Das vom Domitius besätzte Mäyntz stach ihn zwar in die Augen / aber zu einem so grossen Wercke waren seine Kräfften zu schwach / zumahl von dem Britannischen Ufer die verschriebene Legion im Anzuge /und schon biß an die Samber gekommen war. Nach dem aber nahe bey Mäyntz auf einem Berge dem Drusus zu Ehren ein Bild und ein Altar gesetzet / und eine zu grosser Verkleinerung der Deutschen gereichende Lobschrifft aufgerichtet war / ja die fürnehmsten vom deutschen Adel / welche die Römer gefangen bekommen / oder unter ihrer Botmäßigkeit Güter besaßen / daselbst Priester / oder nur Opffer-Knechte worden / seines blinden Grabmals eben so wol als dessen / was ihm zu Ravenna aufgerichtet war / warten / zu gewisser Zeit es mit Rosen und Blumen bestreuen / und Mahlzeiten ausrichten musten; ward Catumer lüstern dieses verkleinerliche Gedächtnüsmaal eben so wohl als das an der Lippe zu zerstören. Weil selbtes aber wol befestiget war / und aus der harte daran liegenden Stadt Mäyntz alle Augenblicke entsetzet werden konte / er auch andere nützlichere Verrichtungen mit einer langen und gefährlichen Belagerung nicht versäumen wolte / nahm er seine Zuflucht zu einer Krieges-List. Er entfernte sich von Mäyntz /und ließ sein Volck biß an die Saar und Mosel streiffen / viel tausend stücke Ochsen / und ander Vieh zusammen / und zum Altare des Bacchus treiben / und solche nebst anderer reichen Beute in sein Land überbringen. Weil aber nach etlichen Tagen gleich das Feyer des Drusus einfiel / da die Gallier zu seinem Altare eine grosse Menge Opffer-Thiere bringen / und ihn als einen Gott verehren musten / näherte sich Hertzog Catumer Mäyntz mit tausend Pferden / und ließ unterdeß den Grafen von Wißbaden / Hagenheim und Beilstein den Trierern auf dem Halse. Von seinen Kriegs-Leuten aber verkleidete er dreyhundert theils in Gallische Bauern / theils gar in Weiber. Hierzu liessen sich auch selbst die Ritter / Geißfurt / Bierstatt / Abrinsberg / und andere gebrauchen. Diese trieben wie andere Gallier ihr Vieh nach der Festung / worinnen des Drusus Mahl war / ohne den geringsten Argwohn zu / weil man die[1081] Catten auf mehr denn zwantzig Meilweges von dar entfernet zu seyn glaubte. Nach dem aber der in einem Grunde verborgene Fürst Catumer / von einer Höhe / durch Aufsteckung eines weissen Tuches das Zeichen bekam: daß die verkleideten Catten mit ihrem Vieh nahe dem Thore kamen; rennte er mit seinen sieben hundert auf Gallische Art gekleideten Catten der Festung spornstreichs zu. Die Wache wolte bey seiner Näherung zwar das Thor sperren / aber die auf der Brücke und unter dem Thore getriebene Ochsen hinderten nicht allein jener Aufziehung / und dieser Schlüssung / sondern die in Bauern und Weiber verkleideten Catten zohen auch die versteckten Gewehre herfür / grieffen damit die Wache an / und machten also: daß Catumer mit so gutem Glücke / und auf gleiche Weise diesen Ort / als der Spartaner Aristippus an dem Feyer der Minerva die Stadt Tegea eroberte. Die darinnen befindlichen Römer wolten sich zwar zur Gegenwehr setzen / es ward aber alles zu Bodem gerennet / ehe es recht die Waffen ergreiffen / und sich in Ordnung stellen konte. Daher drang sich alles / und darunter selbst Domitius durch die andere gegen Mäyntz gelegene Pforte durch / und hiermit machte sich Catumer der gantzen Festung Meister / dar en viel gefangene und reiche Beuten warẽ. Domitius sendete dem Fürsten Catumer alsbald einen Herold / und erbot sich für des Drusus Altar und Gedächtnüsmaal ein grosses Stücke Geldes zu entrichten / daß es nicht versehret würde. Catumer aber ließ ihm zur Antwort wissen: die Deutschen wären vor diesem nicht gewohnt gewest / Heiligthümer / Palläste / Seulen-Bilder / und andere Dinge /welche den Feind zwar kränckten / den Sieger aber nicht verbesserten / zu versehren / sondern hätten derselben Zernichtung für eines rasenden Menschen Begiñen gehaltẽ. Nach dem aber die Römer / welche die gantze Welt Rechte und Gesätze lehren wolten /durch Zerstörung des Tanfanischen Tempels / Einäscherung der Stadt Mattium / sie ein besseres Kriegs-Recht gelehret hätten / wolte er sich dessen gebrauchen. Ubrigens möchte Domitius wissen: daß zwar die Römer / nicht aber die Deutschen mit Gelde zu überwinden wären; daß sie aus Geitz verkleinerliche und abergläubische Dinge ihnen zum Schimpff /und andern zur Aergernüs solten stehen lassen. Denn Catumer hatte nach besätzter Festung / und angeordneter Verwahrung der Gefangenen / alles was zu Ehren des Drusus aufgerichtet war / in Augenschein genommen / und befunden: daß an einem hohen in Gestalt einer Eichel ausgehauenen Steinfelse eben dieselbige hoffärtige Uberschrifft / welche bey dem an der Lippe aufgerichteten Altare gestanden hatte / dem Drusus zu Ehren eingegraben war. Gegen über war aus Marmel in Gestalt eines alten und zwey hörnrichten Greisses der Rhein gebildet / aus dessen Gefäße ein rechter Brunn unaufhörlich Wasser ausgoß. Der Rand dieses Geschirres war vergoldet / vielleicht weil man aus dem Sande dieses Flusses Gold wäscht. Neben ihm stand Drusus / welcher mit der lincken Hand das rechte Horn des Rheines umfaßte; dieser aber steckte seine rechte Hand unter des Drusus lincken Fuß / welcher in der rechten Hand einen Römischen Adler hielt. Oben war darüber in Stein gehauen: Dem Rheine / seinem Sohne Drusus / und dem Adler / unsern Schutz-Göttern. Denn Drusus hatte noch bey Lebzeiten / wie Viridomar / sich für einen Sohn des Rheines ausgegeben. Wie denn auch für Alters Nileus seinen Ursprung vom Nil / Acestes vom Flusse Crinisus / Oenus von einer Bach in Thuscien /Achilles von der Thetis herzuführen vermeinten. Daher befahl er: sie solten die gantze Schrifft zernichten / das marmelne Altar biß auf den Grund abbrechen / die Priester abdancken / und vereyden: daß sie sich nimmermehr zu solcher Abgötterey wolten[1082] gebrauchen lassen. Wie die Catten nun die Hand daran legen wolten / trat der dem Drusus geweihte Römische Priester mit zerstreueten Haaren und ängstigen Gebehrden herfür / redete aber den Fürsten Catumer mit einer ungemeinen Bewegung an: Ist es wohl möglich: daß ein so tapfferer Fürst / als Catumer ist / dieses Ehren- und Grabmaal des grossen Drusus versehren solte / welchen wir Römer für einen Halb-Gott /seine Feinde aber für einen der tapffersten Helden halten? Glaubestu nicht: daß du dir deine eigene Lorbeerzweige vom Haupte reissest / wenn du diß Grab derselben beraubest? Ich kan von dir nimmermehr muthmassen: daß du deine Stärcke an unversehrlichen Gräbern prüfen / und die im Grabe einst zur Ruhe gelangten Todten beunruhigen soltest. Sintemahl nur Raben und Geyer mit Leichen Krieg anfangen. Die Natur hat ja selbst eine heilige Ehrerbietigkeit gegen die Todten / auch den wildesten Menschen eingepflantzt; Niemand rühret ein Grab ohne Schrecken an. Ist gleich Drusus euer Feind gewest / so vergnüget euch: daß so wol seine Siege als sein Leben in Deutschland ihr Ziel gefunden. Höret doch der Grimm unvernünfftiger Thiere mit dem Falle ihrer Feinde auf / wie mag denn deiner sich so weit nach Drusus Tode erstrecken / da er dich zumal nie beleidiget hat? da er bey Lebzeiten sich so tapffer gewehret / nun aber es zu thun keine Kräfften hat. Lasse diesem nach deine dir selbst verkleinerliche Sache mit ihm gestorben /und mit seiner kalten Asche begraben seyn. Denn du würdest durch Beleidigung dieses sich nicht mehr zu wehren geschickten Todten dich nur selbst verdächtig machen / als wenn du dich / ihn lebendig anzugreiffen / nicht das Hertze gehabt hättest. Schämet sich doch ein Kriegs-Mann einen ungewaffneten anzutasten; wie woltestu dich denn an den reiben / der in seinem Grabe verriegelt / und statt des Schildes mit einem Leichen-Steine bedeckt ist? Denckestu nicht: daß du dem Himmel / und der Natur hierdurch Krieg anbeutest / wenn du dessen Gebeine ans Licht bringen / mit dessen Geiste die Welt schichtern machen wilst / welche die Erde schon verdecket / und dem das Verhängnüß ewigen Schlaff und Stillschweigen enträumet hat? Aeschere nach dem Beyspiele deiner tapfferen Vorfahren Rom / oder diese euch zum Kapzaume erbaute Stadt Mayntz ein / lasse nur den Todten-Topff unversehret / der entweder hier ein Theil von des Drusus Asche / oder sein Gedächtnüß in Verwahrung hat. Weil es doch alle Grausamkeit übersteiget / wenn man die uns in nichts am Wege stehenden Grab-Maale umdrehet; und nach dem tapffere Helden uns kein Leid mehr thun wollen / das Andencken ihrer Thaten vertilgen will. Uberwinde dich diesem nach /Catumer! nach dem du die Gallier / und diese Festung überwunden hast. Du wirst an den Lebenden noch viel zu bezwingen haben / also / daß du dich mit den Todten einzulassen nicht Noth hast. Die Rennebahn der Tugend hat keine Schrancken / und das Feld der Ehre kein Ziel. Je weiter man darinnen kommt / ie mehr findet man zu thun / und das vermeinte Ende unserer Siege ist meist allererst des Kampffes Ansprung. Was wilstu dich denn mit den Todten halsen / in die Gräber vertieffen / wo jene ihre Sieges-Kräntze abgeleget / und wir den Stillstand unsers Thuns / ja unser hochflügenden Gedancken zu erwarten haben. Lasse die Würmer mit den Leichen kriegen; du aber / Catumer / mache dich an des Drusus Sohn / welcher dir und den Catten so weh gethan hat / wo deine Rachgier so edel / als eiffrig seyn soll. Drusus hat einmahl die Schuld der Natur bezahlt / niemand kan zweymahl sterben. Du aber mühest dich gleichwohl den Drusus zweymahl zu tödten. Denn die Begräbnüß-Maale / die rühmlichen Grabeschrifften / sind nicht nur das einige Vermögen / sondern das andere Leben der Todten. Dieses raubet der ihnen / welcher sie[1083] beschädigt; ja er leschet zugleich das heilige Feuer aus / welches der Ruhm und die Ehre der Verstorbenen in edlen Gemüthern anzünden. Zünde vielmehr mit der unter diesem Steine verwahrten Ampel in deinem Hertzen eine rühmliche Eyversucht und Begierde an / es dem Drusus bevor zu thun / und die deutschen Heerspitzen biß an den Po und die Tyber zu führen / wie er die Römischen biß an die Weser und die Elbe erstrecket hat. Erweitere die Herrschafft der Catten / biß an die Alpen und Pyreneischen Gebürge. Bändige die Römer / unterwirff dir die Gallier / und dencke nicht an die Todten / welche dich mehr weder zu hassen / noch an dich zu dencken fähig sind. Was suchestu in dem Schatten eines Grabes bey dem / der am Tagelichte mehr kein Theil / und der Deutschen Feind zu seyn aufgehöret hat. Die Erde ist zwar ein Behältnüß der meisten Schätze; Dieses Grabmaal aber ist noch ärmer als ein Grab. Denn es beherberget nicht einst Asche oder ein Aaß; sondern wenn du an ihm den Nahmen Drusus ausleschest / ist es ein Unding; also /daß auch die Zauberer hier mit keinem Gespenste ihre Gemeinschafft würden finden können. Mit Auswischung dieser Uberschrifft wirstu zwar nicht das Gedächtnüß des Drusus / welcher zu Rom und Ravenna noch fürtrefflichere Ehrenbilder hat / aber wol viel vom Ruhme der Deutschen verleschen; welche so wenig Geschichtschreiber / aber in den Kriegen mit dem Drusus viel denckwürdige Thaten ausgeübt haben. Sey nicht unbarmhertziger / als die alles fressende Zeit / nicht grimmiger als Feuer; welches sich vergnüget / wenn es was zu Asche gemacht hat. Erinnere dich: daß du auch sterblich seyest; und ich zweifle nicht / daß auch du in deinem Grabe einmahl Ruh zu haben verlangest. Wie kanst du aber diß mit Gewissen verlangen / oder ohne Mißtrauen hoffen /wenn du anderer Gräber verletzest / und die Götter für gerechte Rächer angethanen Unrechtes hältest? Niemanden ist es noch ungenossen ausgegangen / der iemanden / besonders aber heilige Oerter / wie die Gräber sind / angetastet hat. Denn diese ist die Hi elstürmung der Riesen / welche mit Donner und Blitz unter die Berge vergraben wurden. Catumer ward durch diese bewegliche Rede bey nahe gewoñen; also / daß er des Drusus Denckmaal unversehret gelassen hätte / wenn nicht der Ritter Kronberg ihm eingeredet hätte: Tempel und heilige Oerter wären freylich auch von denen / welche gleich nicht selbigem Gottesdienste beypflichteten / keines Weges zu versehren. Diesen wären die Gräber gleich zu schätzen / und würden die dem Pyrrhus wider den Antigonus Hülffe leistenden Gallier / und König Philip in Macedonien billich gescholten / welche aus Geitz oder Rache die Gräber eröffnet und beraubet hätten. Hier aber wäre weder Grab noch Heiligthum / weder Leiche / noch Anwesenheit eines Gottes; sondern eine pralende Ruhmräthigkeit der Römer / eine unwarhaffte Verkleinerung der Deutschen / und eine ärgerliche Abgötterey / da man einen verfauleten Menschen den Galliern und Deutschen zu einem Gotte aufdringen wolte. Also könte Catumer mit Ehren und ohne Grausamkeit wider sein Vaterland / dieses Schandmaales / und der Römer nicht schonen / die durch Verbrennung des Tanfanischen Tempels alle gött- und menschliche Rechte verletzet hätten. Der Römische Priester warff ein: Die Gedächtnüß-Maale hätten eben das Recht /und die Freyheit der Gräber / und daher hätte Kayser Julius des Mithridates Sieges-Zeichen abzubrechen /so für unverantwortlich geschätzt / als die Tempel. Die Römer hätten sich mit Unrechte am Tanfanischen Tempel vergriffen; aber ihre Vergehung rechtfertigte nicht die Nachthuung des Bösen; und eine grausame Vergeltung liesse sich leichter entschuldigen / als rechtfertigen. Alleine die Catten gaben mit ihren Gebehrden allzu klar zu verstehen: daß dieses hochmüthige Ehrenmaal[1084] ihnen ein unerträglicher Dorn in Augen wäre. Daher gab Catumer mit einem Streit-Hammer des Drusus Bilde den ersten Schlag. Welchem die Catten mit grossen Frolocken nachfolgten /und alles in tausend Stücke zerschlugen. Gleich als wenn sie damit alle Schande von sich ablehnten / und allen erlittenen Schaden ergäntzten. Catumer bekam hierauf durch den Grafen von Weil vom Hertzoge Arpus zwölff hundert Catten zu Besetzung dieser Festung / und vereinbahrte sich wieder mit seinem Kriegs-Heere / welches denn zwischen dem Rheine /der Saar und Mosel / alles durch Schwerdt und Feuer eben so verheerte / wie Germanicus zwischen dem Rhein und der Eder verfahren hatte. Denn es ist nichts gerechters in der Welt / als einen Feind mit gleicher Müntze bezahlen. Nur diesen Vortheil hatten die Deutschen in dieser Rache; daß die Römer und Gallier bey denen armen Catten nicht den hundersten Theil der Beute / welche die Catten bey denen vermögenden Galliern machten / überkommen hatten. Dahero denn Catumer mit so vielem Vieh und anderm Vorrathe sein Land reicher machte / als es iemahls vorhin gewesen war. Die aus dem innern Gallien kommende Legion hatte auch nicht das Hertze / sich über die Mosel zu wagen / biß Germanicus mit seinen vier Legionen wieder am Rhein ankommen war. Welcher Ankunfft denn verursachte / daß Catumer dem Grafen von Weil Befehl zuschickte: Er solte alles / was er nicht sicher mit wegführen könte / in der unhaltbaren Festung sprengen und einreissen / hierauf in Begleitung der ihm zugeschickten tausend Reuter / und fünffhundert Wagen / zu dem Altare des Bacchus bringen.

Germanicus kam kurtz darnach am Rheine herauf /hätte aber bey nahe auf selbtem sein Leben eingebüsset. Denn als die Schiff-Leute / ihrer Gewohnheit nach / unter dem Ertzt-reichen Lurlenberge / wegen des wunderwürdigen Wiederschalles jauchzeten / und denen ihrer Einbildung nach daselbst wohnenden /und den im Wirbel verschlungenen Rhein in eitel Brunnen und Bäche vertheilenden Berg- und Wasser-Göttern zurufften / versahen sie es: daß das Schiff wider den im Rheine liegenden viereckichten Eiterstein lieff / auf welchem die Römer und Gallier / wenn er bey kleinem Wasser über den Fluß zum Zeichen einer reichen Wein-Erndte hervor ragt / dem Bacchus opfferten. Hiervon kriegte das Schiff ein grosses Loch / wodurch das Wasser ein- und das Schiff so geschwinde untersanck / daß Germanicus mit Noth auf ein ander Schiff kommen konte. Germanicus ward hierüber verdrüßlich: daß er auf diesem Steine mehr zu opffern verbot. Mit noch grösser Verbitterung aber vernahm er: daß die Catten seines Vaters Drusus Gedächtnüß-Maal zerstöret hatten; befahl also: daß um das Altar des Bacchus biß an Trier an / alle Weinstöcke ausgerottet werden solten. Wie denn auch viel Jahre nach solcher Zeit dahin / oder auch in Gallien /entweder aus Neid / oder zur Straffe: daß die Gallier diß vermeinte Heiligthum nicht besser verwahret hatten / kein Weinberg gepflantzt werden dorffte. Welches aber dem Hertzoge Arpus / der sein Kriegs-Volck mit der aus Gallien geholeten Beute reichlich beschenckte / eine sehr angenehme Rache / und seinem Bedüncken nach / kein geringer Fehler am Germanicus war; in dem er vergessen hatte: daß die Römer ihren Feinden mehr mit ihren ausgesämten Wollüsten / als Waffen Schaden gethan hätten. Denn er wußte wohl: daß seine Catten nicht so leichte von den Römern / als nach dem Beyspiele Hannibals in Campanien / und der Cimbern am Fluße Atesis vom Weine als dem kräfftigsten Zunder der Wollüste überwunden werden dörfften. Daher auch so wohl von Catten als Nerviern verboten war / Wein einzuführen;[1085] welches nunmehr / nach dem der Rhein- und Mosel-Strom mit so viel Wein-Reben bekleidet stand / unmöglich zu verhüten war. Sintemahl die Wollüste anfälliger als die Pest / und durchdringender als das Scheide-Wasser sind / also / daß sie durch die schärffste Auffsicht nicht vom Leibe gehalten / oder irgendswo beschlossen werden können / sonderlich wenn sie einem nahe auf den Hals kommen.

Quelle:
Daniel Caspar von Lohenstein: Großmütiger Feldherr Arminius, Zweyter Theil, Leipzig 1690, S. 942-1086.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Ebner-Eschenbach, Marie von

Ein Spätgeborner / Die Freiherren von Gemperlein. Zwei Erzählungen

Ein Spätgeborner / Die Freiherren von Gemperlein. Zwei Erzählungen

Die beiden »Freiherren von Gemperlein« machen reichlich komplizierte Pläne, in den Stand der Ehe zu treten und verlieben sich schließlich beide in dieselbe Frau, die zu allem Überfluss auch noch verheiratet ist. Die 1875 erschienene Künstlernovelle »Ein Spätgeborener« ist der erste Prosatext mit dem die Autorin jedenfalls eine gewisse Öffentlichkeit erreicht.

78 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon