Vorrede auff die Weisheit Salomonis.

DJs Buch ist lange zeit im zanck gestanden / Obs vnter die Bücher der heiligen Schrifft des alten Testaments zurechen sein solte / oder nicht / Sonderlich weil der Tichter sich hören lesst im ix. Cap. als redet in diesem gantzen Buch der könig Salomon / welcher auch von der Weisheit / im buch der Könige hochgerhümet wird. Aber die alten Veter habens stracks aus der heiligen Schrifft gesondert / vnd gehalten / Es sey vnter der Person des königes Salomon gemacht / Auff das es vmb solches hochberhümbten Königes namen vnd Person willen / deste mehr geacht / vnd grösser ansehen hette / bey den Gewaltigen auff Erden / an welche es furnemlich geschrieben ist / Vnd vieleicht langest vntergangen were / wo es der Meister / so er geringes ansehens gewest / vnter seinem namen hette lassen ausgehen.

SJE halten aber / Es solle Philo dieses Buchs Meister sein / welcher on zweiuel der allergelertesten vnd weisesten Jüden einer gewest ist / so das Jüdisch volck nach den Propheten gehabt hat / wie er das mit andern Büchern vnd Thaten beweiset hat. Denn zur zeit des keisers Caligula / da die Jüden / durch etliche Griechen / als Appion vnd Alexandria / vnd ander mehr / auffs aller schendlichst wurden mit Lasterschrifften vnd Schmachreden geschendet / vnd darnach fur dem Keiser auffs allergifftigst angegeben /vnd verklagt / Ward genanter Philo vom Jüdischen volck / zum Keiser geschickt / die Jüden zu verantworten vnd zu entschüldigen. Als aber der Keiser so gar erbittert war auff die Jüden / das er sie von sich weiset / vnd nicht hören wolt / Da lies sich Philo / als ein Man vol muts vnd trosts / hören / vnd sprach zu seinen Jüden / Wolan lieben Brüder / erschreckt des nicht / vnd seid getrost / Weil menschen hülffe vns absaget / so wird gewislich Gottes hülffe bey vns sein.

AVS solchem grund vnd vrsache / düncket mich /sey dis Buch geflossen / Das Philo / dieweil seine /vnd der Jüden sache vnd recht / nicht hat mügen stat finden fur dem Keiser / wendet er sich zu Gott / vnd drewet den Gewaltigen / vnd bösen meulern / mit Gottes gericht. Darumb redet er auch so hefftig vnd scharff / im j. vnd ij. Cap. wider die gifftigen bösen zungen / so den Gerechten vnd Vnschüldgen / vmb der warheit willen / verfolgen vnd vmbbringen. Vnd darnach wider die Gewaltigen einfüret die grossen Exempel göttliches gerichts / so Gott vber den könig Pharao vnd die Egypter / geübt hat / vmb der kinder Jsrael willen. Vnd thuts mit so trefflichen hefftigen worten / als wolt er gerne / beide den Keiser / die Römer / vnd die gifftigen zungen der Griechen / so wider die Jüden tobeten / mit eim jglichen wort treffen / vnd durch solche mechtige Exempel / abschrecken / vnd die Jüden trösten.

ABer hernachmals ist dis Buch von vielen / fur ein recht buch der heiligen Schrifft gehalten. Sonderlich aber in der Römischen Kirchen / also hoch vnd schon gehalten / das freilich kaum aus einem Buch in der Schrifft / so viel Gesanges gemacht ist als aus diesem. Vieleicht aus der vrsache / weil in diesem Buch die Tyrannen so hefftig mit worten gestraffet / vnd angegriffen / Widerumb die Heiligen vnd Marterer / so höchlich getröstet werden / vnd zu Rom die Christen mehr denn sonst in aller Welt / verfolget vnd gemartert wurden / Haben sie dis Buch am meisten getrieben / als das sich zur sachen so eben reimet / mit drewen wider die Tyrannen / vnd mit trösten fur die Heiligen. Wiewol sie viel stück darin nicht verstanden /vnd gar offt bey den haren gezogen haben / Wie denn auch sonst der gantzen heiligen Schrifft offt geschehen ist / vnd teglich geschicht.

WJE dem allen / Es ist viel guts dinges drinnen /vnd wol werd / das mans lese. Sonderlich aber solten es lesen die grossen Hansen / so wider jre Vnterthanen toben / vnd wider die Vnschüldigen / vmb Gottes wort willen / wüten. Denn die selbigen spricht er an im vj. Cap. vnd bekennet / das dis Buch an sie sey geschrieben / da er spricht / Euch Tyrannen gelten meine Rede etc. Vnd seer fein zeuget er / [164a] das die weltlichen Oberherren / jre gewalt von Gott haben /vnd Gottes Amptleute seien. Aber drewet jnen / das sie Tyrannisch solchs göttlichen befolhen Ampts brauchen.

DARumb kompt dis Buch nicht vneben zu vnser zeit / an den tag / dieweil jtzt auch die Tyrannen getrost jrer Oberkeit misbrauchen / wider den / von dem sie solche Oberkeit haben. Vnd leben doch wol so schendlich in jrer Abgötterey / vnd vnchristlicher heiligkeit / als hie Philo die Römer vnd Heiden / in jrer Abgötterey beschreibet / Das sichs allenthalten wol reimet auff vnser jtzige zeit.

MAN nennet es aber / die Weisheit Salomonis /darumb / Das (wie gesagt ist) vnter Salomonis namen vnd Person getichtet ist / vnd die Weisheit gar herrlich rhümet / nemlich / was sie sey / was sie vermag /wo her sie kome. Vnd gefellet mir das aus der massen wol drinnen / das er das wort Gottes so hoch rhümet /vnd alles dem wort zuschreibet / was Gott je Wunders gethan hat / beide an den Feinden / vnd an seinen Heiligen.

DAraus man klerlich erkennen kan / das er Weisheit hie heisst / nicht die kluge / hohe gedancken der heidnischen Lerer / vnd menschlicher vernunfft / Sondern das heilige Göttliche wort. Vnd was du hierin lobes vnd preises von der Weisheit hörest / da wisse /das es nicht anders / denn von dem wort Gottes gesagt ist. Denn er auch selbs im xvj. Cap. spricht / Die kinder Jsrael seien nicht durch das Himelbrot erneeret /noch durch die ehrne Schlange gesund worden / sondern durch Gottes wort. Wie Christus Matth. iiij. auch sagt / Der Mensch lebt nicht vom Brot allein etc. Darumb leret er / das die Weisheit nirgend her kom /denn von Gott / vnd füret also aus der Schrifft / viel Exempel drauff / vnd gibts der Weisheit / das die Schrifft dem wort Gottes gibt. Sap. 16; Matt. 4.

SOlchs hab ich deste lieber geredt / das man gemeiniglich das wort / Weisheit / anders vernimpt /denn es die Schrifft braucht / nemlich / wenn mans höret / so feret man mit fliegenden gedancken / da hin / vnd meinet / Es sey nichts denn gedancken / so in der weisen Leute hertzen verborgen ligen / Vnd helt die weil das eusserliche wort oder Schrifft nicht fur weisheit / So doch aller Menschen gedancken / on Gottes wort / eitel lügen vnd falsche trewme sind. Darumb weil dieses Buchs name heisst / die weisheit Salomonis / ists gleich so viel gesagt / als spreche ich / Ein buch Salomonis vom wort Gottes. Vnd der Geist der Weisheit nicht anders / denn der glaube oder verstand desselbigen worts / welchen doch der heilige Geist gibt. Solcher glaube oder geist / vermag alles vnd thut / wie dis Buch rhümet im vij. Cap.


ZV letzt ist dis Buch eine rechte auslegunge / vnd Exempel des ersten Gebots / Denn hie sihestu / das er durch vnd durch leret / Gott fürchten vnd trawen /Schreckt die jenigen mit Exempeln göttlichs zorns /so sich nicht fürchten / vnd Gott verachten. Widerumb tröstet die jenigen mit Exempeln göttlicher gnade / so jm gleuben vnd trawen / welchs nichts anders ist / denn der rechte verstand des ersten Gebots. Daraus man auch mercken kan / Das aus dem ersten Gebot / als aus dem Heubtborn / alle Weisheit quillet vnd fleusset / vnd freilich dasselbige Gebot / die rechte Sonne ist / da alle Weisen bey sehen / was sie sehen. Denn wer Gott fürchtet vnd gleubet / der ist voller weisheit / aller welt Meister / aller wort vnd werck mechtiger / aller lere vnd leben / so fur Gott gilt vnd hilfft / Richter. Widerumb / wer das erste Gebot nicht hat / vnd Gott weder fürcht noch trawet /der ist voller torheit / kan nichts / vnd ist nichts. Vnd das ist die furnemeste vrsache / warumb dis Buch wol zu lesen ist / Das man Gott fürchten vnd trawen lerne / Da er vns zu helffe mit gnaden / Amen. [164b]


Quelle:
Martin Luther: Die gantze Heilige Schrifft Deudsch. 2 Bände, München 1972.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Ebner-Eschenbach, Marie von

Ein Spätgeborner / Die Freiherren von Gemperlein. Zwei Erzählungen

Ein Spätgeborner / Die Freiherren von Gemperlein. Zwei Erzählungen

Die beiden »Freiherren von Gemperlein« machen reichlich komplizierte Pläne, in den Stand der Ehe zu treten und verlieben sich schließlich beide in dieselbe Frau, die zu allem Überfluss auch noch verheiratet ist. Die 1875 erschienene Künstlernovelle »Ein Spätgeborener« ist der erste Prosatext mit dem die Autorin jedenfalls eine gewisse Öffentlichkeit erreicht.

78 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon