Das dritte stück.

[295] Ob der Bapst das Römische Reich von den Griechen hab auff uns Deudschen gewand. Das ist doch ja zu mal eine grobe, öffentliche lügen, die jederman sehen und greiffen mag. Erstlich, wo wolt der Bapst solch Reich nemen? und wie wolt er geben, das er selbst nicht hatte? War er doch selbs zu Rom nicht sicher für den Longobarden, die dazumal 200 jar in Italien regiert hatten! Wie eine feine Gabe solt mir das sein, wenn ich, Prediger zu Wittemberg, wolte das Königreich Behemen oder Polen dem Churfürsten zu Sachsen geben! Und, das ich ein Exempel unser zeit füre: War es nicht eine feine gabe, da Bapst Leo x. diesem könige Francisco zu Franckreich das Keiserthum zu Constantinopel gab? Wo der König nicht klüger were gewest denn der Bapst und desselben narrheit nicht hette veracht, wie solt er mit dem Keiserthum zu Constantinopel einen schimpff und lecherey angericht haben! Sie sind warlich recht tol und thöricht, die Römischen Esel, bey gesunder vernunfft, das ist ein monstrum.

Der Teufel hat uns durch Gottes zorn uber unser sünde mit grossen, bösen narren und grossen, groben Eseln zu Rom betünget, die nicht anders dencken, denn also: Wir lesen keine Bücher, darumb wird sie auch niemand lesen, sondern was wir Esel fartzen und tüngen, das müssen die Bestien wol für Artickel halten, ursach, sie gleuben, das wir S. Peters Erben sind und können nicht jrren.[295]

Die historien sagen also, da wider des Bapstes fartzen nichts gilt: Da Constantinus der grosse den Keiserlichen sitz von Rom gen Constantinopel wand (welchs ein zeichen war, das Rom solte an sein ende komen), ist darnach Rom von tag zu tag geringer worden, bis die Gotten kamen und unter dem Keiser Honorio Rom gewonnen mit dem Welschenlande. Darnach kamen die Wenden, darnach die Longobarden, Das Rom inwendig 100 jaren wol viermal gewonnen und verstöret ist, allein von den Gotten und Wenden, davon mustu die Historien lesen. Die Gotten und Longobarden sind Deudschen gewest. Da es nu mit Rom und Welschemlande auff die hefen und todte neigen komen war, und die Keiser zu Constantinopel nicht mehr retten noch helfen kundten, weil sie selbs zuthun gnug hatten mit Gotten, Persen, Sarracenen, und nu die Lender Deudsch, Franckreich, Hispanien vom Römischen Reich weg waren. Auch Italia den Longobarden unterthan, das Rom nichts mehr war hiengen sie sich an den Bapst, Und da sie höreten, das Carolus Magnus ein mechtiger König war, als der Deudschland und Franckreich unter einer kron hatte, lockten sie jn zu sich wider der Longobarder König, welche nu wol 200 jar in Welschenlanden hatten seuberlich und messig regirt, und Vettern, Mumen, Söne und Töchter, Schweger unternander worden waren, davon das land Lombardey noch den namen hat.

Da kam Carolus dem Bapst zu hülffe wider der Longobarder König (hörestu es, liese die Historien), Und Carolus war nu ein fromer andechtiger Christ. da er zu Rom am Christag in der Kirchen ist, rufft der Bapst, Carolus sey Römischer Keiser, on sein wissen und willen. Denn Carolus hernach gesagt, wo er sich des versehen hette, wolte er nicht in die Kirchen komen sein, Wolte auch den Namen »Römischer Keiser« aus des Bapsts geschrey nicht annemen noch füren, bis die zu Constantinopel drumb gefragt, und drein bewilligten. Also ward Carolo der Name gegeben, das er Römischer Keiser solt heissen, gegen abend, wie die zu Constantinopel gegen morgen, Weil doch die zu Constantinopel nu mehr das Reich gegen abend verloren, und nicht erhalten kundten. Und solche teilung des Römischen Reichs ist dazumal nicht new noch die erste gewest, Denn zuvor Theodosius seine zween Söne, Arcadius und Honorius, Item der grosse Constantinus seine sone Constantius, Constans, Constantinus, auch also in das Reich geteilet hatten, Ja auch Augustus und Antonius, Item Julius und Pompeius, Diocletianus und Maximianus. Und so fort an ist die mehrer zeit das Römisch Reich in zwey oder drey Heubter geteilet gewest, und selten unter ein Heubt komen.

Aber des Bapsts Wort lauten, als hette er das Reich von den Griechen[296] genomen und den Deudschen zu gewand. das ist erlogen und gantz ein Bepstisch gewesch. Erstlich daher, das er nichts hat vom Griechischen Reich nemen und weg geben können, Sondern das Römisch Reich gegen morgen ist zu Constantinopel blieben, Und hat sich der selbe Keiser zu Constantinopel jmer für und für Römischer Keiser genennet und geschrieben, gleich wie unser Keiser sich Römischer Keiser geschrieben hat, On das man jenen hat Constantinopelisch, Unsern den Deudschen Keiser geheissen, Darumb das jr keiner zu Rom den sitz hatte, Sondern jener zu Constantinopel, dieser in Deudschen landen gesessen ist, Aber es ist beides einerley Römisch Reich gewesen, geteilet (wie gesagt), ein teil gegen morgen, das ander gegen Abend. Und haben sich beider seits des alles vertragen. Denn Carolus hatte seine Bottschafft bey dem zu Constantinopel, und widerumb jener seine Bottschafft bey Carolo zu Ache. Und solchen Vertrag hat erstlich mit Carolo auffgericht die Keiserin Irene, nach jr Nicephorus und Michael. Und zu warzeichen ward im vertrag Venedig ausgenomen, das es für sich selbs solte eine Herrschafft, weder diesem noch jenem Keiser unterthan, sein. Solchs schreiben auch des Bapsts Historici selber, als Platyna etc.

Weiter sagen sie, das Otto der ander, unser Deudscher Römischer Keiser, des grossen Ottonis son, habe des Römischen Keisers Johannis zu Constantinopel Schwester gehabt, mit namen Theophania, von welcher komen ist Otto der dritte, Und hat dazu Otto der ander seinen Schwager, Keiser Johannen, zu Constantinopel wider eingesetzt, da er abgestossen war, das also Otto der dritte, von der mutter her, auch hette das Römisch Keiserthum zu Constantinopel erben mügen, Darumb der Bapst nicht ein har breit hat von den Griechen auff die Deudschen gewand, wie seine unnützen wort narren.

Zum andern hat der Bapst viel weniger vom Römischen Reich des teils gegen abend auff die Deudschen gewand oder gegeben. Was solt er geben, der selbs nichts hatte? Carolus hatte zu der zeit Deudschland und Franckreich Erblich von seinem Vater Pipino, und krieget mit den Sachsen 30 jar. Denn diese lender, Deudschland, Franckreich, Hispanien (wie gesagt), waren lengest vom Römischen reich gefallen, und Carolus muste Welschland mit dem schwert gewinnen von den Longobarden und den Bapst retten. Darnach gewan er Hungern auch, Das es die warheit ist, Carolus habe vom bapst nichts, on den blossen ledigen namen »Römischer Keiser«, welchen er doch auch nicht hat wöllen annemen hinder dem Keiserthum zu Constantinopel wie wir gehort haben. Aber solcher lediger name hat die Deudschen viel gestanden, Denn die Bepste hernach unser Keiser zu knechten gemacht haben. Wenn jnen[297] etwas gemangelt, haben unser Keiser auff jr eigen kost den Bepsten und Welschemland müssen zu hülffe komen, Dafür sie jnen hernach gelonet und gedancket mit aller schalckheit und büberey, etliche Keiser vergifft, etliche geköpfft, oder sonst verraten und umbbracht, wie denn Bepstliche heiligkeit und Teufels gespenst hat sollen und müssen thun.

Aber mit dem ledigen namen und titelen haben sie gleich wol die klawen je lenger und mehr eingeschlagen, darnach mit der krönung und salbung solchs gesterckt, jmer weiter und weiter nach dem Reich getrachtet, auff das sie nemen möchten als die Stifftreuber und Keisermörder, was die Deudschen ererbet oder mit dem Schwert gewonnen haben, nach dem Sprichwort unsers [Rand: Joh. 4, 37] HErrn Joh. iiij: »Ein ander erbeitet, ein ander nimpts.« Ja, sage ich, Sie weren gern Keiser durch unser Deudschen gut und blut, die faulen schendlichen wenste! Also hetten sie auch gern die Election an sich bracht, Ex. de electio. c. Venerabilem. Item Caietanus versuchts auch mit diesem Keiser Carolo. Haben gros unglück damit gestifft, Abgesetzt die Keiser durch den Ban, und geboten andere zu wehlen, auffs aller mutwilligst. Zuletzt haben sie auch die Keiser mit Eids pflichten unter sich bracht, welchs sie der Teufel hat geheissen. Aber alles darumb, das sie wollen selbs Keiser sein in frembden gut. Haben auch offt versucht, den ledigen Titel wider von den Deudschen auff Franckreich zu wenden, auff das sie mit dem selben Könige auch spielen möchten, wie sie mit den Deudschen Keisern gethan haben.

Aber wol sein were es gewest, das die Keiser hetten dem Bapst seine schmir und Krönung gelassen. Denn sie wol Keiser können sein on des Bapstes Schmir und Krönung, welche machen keinen Keiser, Sondern die Churfürsten machen einen Keiser, ob er gleich nimermehr vom Bapst geschmirt würde, wie Luduicus iij., Conradus j., Heinricus j., Conradus Sueuus, Rodolphus, Maximilianus und etliche mehr vom Bapst ungeschmirt sind blieben. Denn der Bapst macht mit seiner schmir zu viel unlufts und unglücks im Reich. Sind doch wol auch etliche Bisschove on Pallien blieben, allein die Walh der Stiffte macht Bisschove, wie es auch recht ist, und gnug were, das im die Nehesten Bisschove die hende aufflegten, Und liefe das lesterliche, fressende, Beerwölffisch monstrum zu Rom seine schmir und henffene faden brauchen, wo zu er kündte.

Hie her nu, Bapftesel, mit deinen langen Esels ohren und verdampten lügen maul! Die Deudschen haben das Römische reich nicht von deinen gnaden, Sondern von Carolo Magno und von den Keisern zu Constantinopel,[298] du hast ein harbreit davon gegeben, aber ummesslich viel hastu davon gestolen, mit liegen, triegen, Gottlesterung und abgöttereien, wie du mit den Bischoven auch zu erst durch lügen, darnach mit Pallien, Eiden, schetzungen, hast als ein Teufel gehandelt. Aber hie mus ichs lassen. wils Gott, im andern büchlin wil ichs bessern. Sterbe ich in des, So gebe Gott, das ein ander tausent mal erger mache, Denn die teufelische Bepsterey ist das letzt unglück auff Erden, und das neheste, so alle teufel thun können mit alle irer macht. Gott helffe uns, Amen.[299]

Quelle:
Martin Luther: Werke. 120 Bände, Band 54, Weimar 1888 ff., S. 295-300.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Lohenstein, Daniel Casper von

Epicharis. Trauer-Spiel

Epicharis. Trauer-Spiel

Epicharis ist eine freigelassene Sklavin, die von den Attentatsplänen auf Kaiser Nero wusste. Sie wird gefasst und soll unter der Folter die Namen der Täter nennen. Sie widersteht und tötet sich selbst. Nach Agrippina das zweite Nero-Drama des Autors.

162 Seiten, 8.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon