1. Die Chatten.

Das Gebiet der Chatten war groß und ihr Name gefürchtet in allen deutschen Gauen. Die herumirrenden Usipeter und Tenchterer, die sie durch lange blutige Kämpfe zu dem verzweifelten Entschlusse getrieben hatten, ihre Wohnsitze zu verlassen, sagten dem Cäsar: nicht fehle es ihnen an Muth und Tapferkeit, nur die Chatten, denen aber selbst die unsterblichen Götter nicht gewachsen wären, seien ihnen darin überlegen. Cäsar beschloß, die Chatten zu unterwerfen. Er schlug eine Brücke über den Rhein und rückte an ihre Grenzen. Da bargen die Chatten ihre Weiber und Kinder in den Wäldern und stellten sich in ihres Landes Mitte fest, den Feind erwartend. Aber Cäsar hatte weder jetzt, noch ein zweites Mal den Muth, ihre furchtbare Macht anzugreifen und zog sich wieder über den Rhein zurück.

Die waffenfähigen jungen Männer legten nicht eher, als über einem erschlagenen Feinde, ihr Barthaar ab, und die Tapfersten trugen freiwillig einen eisernen Ring, als Zeichen der Schmach, wovon sie erst wieder durch persönliche Tapferkeit, durch Blut und Beute, erlöst wurden. Um nicht durch Ackerbau und Häuslichkeit sich zu verweichlichen, wechselten sie alljährlich ihre Beschäftigungen; wer ein Jahr den Acker bestellt hatte, zog im andern in den Krieg. Die Furcht hielt ihre Nachbarn weit von ihren Grenzen, so daß ein breiter Wüstenstrich sie rings umgab.

Caesar de bello Gall. lib. IV. & VI. Tacitus Germania 31 & 32.

Quelle:
Karl Lyncker: Deutsche Sagen und Sitten in hessischen Gauen. Kassel 1854, S. I1,XII12.
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