101. Die Jungfrauen aus dem Denser See.

[65] Bei dem Dorfe Dens1, im Amte Sontra, liegt ein merkwürdiger[65] Teich, der an einem gewissen Tage im Jahre blutroth wird. Seine Tiefe ist unergründlich und sein Wasser hat weder Geruch noch Geschmack. Davon erzählt man zu Dens folgende Sage:

Einmal war im Dorfe Kirmeß und dazu kamen auch zwei fremde, unbekannte aber schöne Jungfrauen, die mit den Bauernburschen tanzten und sich lustig machten, aber Nachts 12 Uhr verschwunden waren, während doch Kirmeß Tag und Nacht fortdauert. Indeß waren sie am andern Tage wieder da und ein Bursch, dem es lieb gewesen wäre, wenn sie immer geblieben wären, nahm Einer von ihnen während des Tanzes die Handschuh weg. Sie tanzten nun wieder bis Mitternacht herannahte, da wollten sie fort, und die Eine ging und suchte nach ihren Handschuhen in allen Ecken. Da sie solche nirgends finden konnte, ward sie ängstlich; als es aber während des Suchens Zwölfe schlug, liefen sie beide in großer Angst fort, gerade nach dem See und stürzten sich hinein. Am andern Tage war der See blutroth und wird es noch immer in jedem Jahre an diesem Tage. An den zurückgebliebenen Handschuhen waren oben kleine Kronen zu sehen.

Br. Grimm d.S. Nr. 58. – Mündlich.

1

Nicht Dönges, wie es in der Grimmschen Sammlung heißt. Auch der Name Dönges- oder Hautsee beruht auf einer Verwechselung. Der Denser See ist 10 Acker groß, hat 12-40' hohe Ufer und scheint durch einen Erdfall in Kalk- und Gipsfelsen entstanden zu sein.

Quelle:
Karl Lyncker: Deutsche Sagen und Sitten in hessischen Gauen. Kassel 1854, S. LXV65-LXVI66.
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