224. Der Schelm und die Kaiserin.

[152] Eine dritte Sage erzählt, die Kaiserin habe einmal auf einem Hofballe mit einem unbekannten Ritter getanzt, der durch seine Anmuth und edle Haltung Aller Augen auf sich gezogen. Der Kaiser frägt ihn endlich nach seinem Namen und Herkommen, denn Niemand hatte ihm sagen können, wer der fremde Ritter war. Da erhält er die schreckliche Antwort, daß er der Schelm von Bergen sei. Mit Entsetzen weichen alle Umstehenden zurück vor ihm, der es gewagt hatte, durch seine entehrende Berührung die allverehrte Kaiserin zu beflecken und der ergrimmte Kaiser zürnt ihm sein Todesurtheil zu; aber der Schelm trat unbetroffen vor ihn hin und sagte: »Gnädigster Kaiser, mein Tod macht das Geschehene nicht ungeschehen; wollt Ihr den Schaden kuriren, so macht aus mir, was Eure Höflinge sind!« Und der Rothbart lächelte wieder gnädig: »Du bist ein Schelm mit Rath und That und magst's denn auch bleiben; drum knie nieder, Ritter Schelm von Bergen!« Der Schelm that's und empfing den Ritterschlag.

Mündlich.

Quelle:
Karl Lyncker: Deutsche Sagen und Sitten in hessischen Gauen. Kassel 1854, S. CLII152.
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