6. Gang zwischen den Schlafzellen

[834] Hundertfach wechseln die Formen des zierlich gemodelten Estrichs

Auf dem Flur des Dorments, rötlich in Würfeln gebrannt:

Rebengewinde mit grüner Glasur und bläulichen Trauben,

Täubchen dabei, paarweis, rings in die Ecken verteilt;

Auch dein gotisches Blatt, Chelidonium, dessen lebendig

Wucherndes Muster noch heut draußen die Pfeiler begrünt;

Auch, in heraldischer Zeichnung, erscheint vielfältig die Lilie,

Blume der Jungfrau, weiß schimmernd auf rötlichem Grund.

Alles mit Sinn und Geschmack, zur Bewunderung! aber auch alles

Fast in Trümmern, und nur seufzend verließ ich den Ort.


Quelle:
Eduard Mörike: Sämtliche Werke in zwei Bänden. Band 1, München 1967, S. 834-835.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte (Ausgabe 1867)
Gedichte
Der Nacht ins Ohr. Gedichte von Eduard Mörike.Vertonungen von Hugo Wolf. Ein Lesebuch von Dietrich Fischer-Dieskau
Sämtliche Gedichte in einem Band
Die schönsten Gedichte (insel taschenbuch)
Die schönsten Liebesgedichte (insel taschenbuch)