Siebenzehnter Auftritt.

[57] Die Vorigen und Harlekin.


HARLEKIN. Nun, mein liebes Kolombinchen, wollen wir itzt Braut und Bräutigam spielen? Ich will wohl, wenn Sie will.

KOLOMBINE. Ich will aber nicht.

HARLEKIN. Wie? Du willst nicht?

KOLOMBINE. Haben Sie mich diese Antwort nicht selbst gelehret?

HARLEKIN. Ja, das habe ich gethan; aber das war nur eine Rolle in der Comödie.

KOLOMBINE. Nun, ich spiele itzt die meinige. Ich will nicht.

BARTHOLD. Kinder, was Ihr thun wollt, das thut bald; es ist meine Zeit zu trinken, und die versäume ich nicht gern.

HARLEKIN. Noch einen Augenblick, Herr Barthold, ich muß Ihnen erst einen listigen Streich erzählen. Kennen Sie den Herrn Hauptmann von Astaroth?

BARTHOLD. O ja, ganz gut. Ich habe noch eben die Ehre gehabt, ihn aus meinem Hause zu prügeln.[57]

KOLOMBINE. Es ist ein sehr schlechter Mensch.

HARLEKIN. O wenn Sie wüßten!


Er geht auf der Bühne herum, und freuet sich.


BARTHOLD. Ich denke doch nicht, daß er sich der empfangenen Ehre rühmen wird?

HARLEKIN. O, mein guter Herr Barthold, wenn Sie es wüßten! Gelt? Sie glauben den Herrn Hauptmann von Astaroth geschlagen zu haben? Ha! ha! ha!

BARTHOLD. Ja, das meyne ich.

HARLEKIN. Sehen Sie mich einmal recht an! und fühlen hier auf meinen Rücken! He! he! he

BARTHOLD. Bey meiner Ehre, ich sollte fast glauben, daß ich hierher geschlagen hätte. Ich kenne ungefähr meinen Zug. Aber, wie geht das in aller Welt zu.

KOLOMBINE. O, mein lieber Harlekin, thun Sie mir den Gefallen, und sagen mir, ob nicht ein wenig Hexeerey mit unterläuft?

HARLEKIN. Nun, was soll ich haben, wenn ich Dir das Geheimniß entdecke?

KOLOMBINE. Wir wollen auch oft Braut und Bräutigam mit einander spielen.

HARLEKIN. Unvergleichlich! aber erst, mein liebes Kolombinchen, mußt Du mir im Vertrauen sagen, warum Du so gern die Braut spielest?

KOLOMBINE. Das kann ich Ihnen nicht sagen; aber ich bin denn so munter, so leicht, so aufgeräumt, so tanzend.

HARLEKIN. Hast Du wohl schon so recht im Ernste getanzt?

KOLOMBINE. Nun, da Sie wieder so fragen, will ich das Geheimniß gar nicht mehr wissen. Gehen Sie damit und eröffnen es meinem Cathrinchen.

HARLEKIN. Du sollst es nun aber wissen.

KOLOMBINE. Nichts! Itzt durchaus nicht; und wenn Sie mir auch tausend gerändelte Dukaten geben wollten.

HARLEKIN. Ich merke schon – – –

BARTHOLD. Vertrauen Sie es mir allein, Harlekin; bey Mädchen sind die Geheimnisse ohnehin etwas lose verwahrt. Sie fallen leicht aus der Hülse.

HARLEKIN. Hören Sie, Herr Barthold; und St! St! Kolombine – ich war der Hauptmann von Astaroth. Ich hatte nur seinen Rock über den meinigen gezogen. Ha! ha! ha!

BARTHOLD. Nimmermehr.

HARLEKIN. In der That. Aber kannten Sie mich nicht hier an meinen bunten Hosen? Ha! ha! ha!

KOLOMBINE. Jetzt besinne ich mich; ich sah etwas davon schimmern.[58]

HARLEKIN. Gelt! mein guter Herr Barthold, ich habe Sie einmal rechtschaffen angeführt? Ha! ha! ha!

BARTHOLD. Auf solche Art sollte der ehrlichste Mann betrogen werden. Aber, ich bitte Sie tausendmal um Vergebung, daß ich mich so nachdrücklich gegen Sie herausgelassen habe.

HARLEKIN. O! Sie haben gar nicht Ursache. Ich bin vielmehr froh, daß es so gekommen ist; denn nunmehr bin ich versichert, daß Kolombinchen die Krone von allen Jungfrauen ist. Meine Scrupel sind nun alle weg.

KOLOMBINE. Die meinigen gehen aber nun erst an.

HARLEKIN. O, mein allerliebstes Lockvögelchen, Du kannst mich nur wieder ein Vierteljahr auf die Probe nehmen, ich bin es gerne zufrieden. Wenn Sie will, ich will wohl.

KOLOMBINE. Die Probe mögte schlecht ausfallen; ich weiß schon, wie das geht.

HARLEKIN. Wie? Du weißt es wie das geht?

BARTHOLD. Haben Sie noch Scrupel?

HARLEKIN. Ach nein! aber Sie weiß wie das geht.

KOLOMBINE. Ja, ich weiß wie das geht. Ein ehrliches Mädchen, das einen Mann auf die Probe nimmt, muß ihn hernach immer behalten; und das will ich nicht.

HARLEKIN. Höre, mein Schätzchen, wenn Du willst, so will ich es Dir schriftlich geben, daß die Probe nicht länger als einen Monat währen soll.

KOLOMBINE. Bemühen Sie Sich nicht. Sie wissen, was Sie mir zuvor sagten: Wenn die Comödie aus ist, so hat die Freyerey ein Ende. Ich empfehle mich Ihnen ganz gehorsamst.


Sie will abgehn.


HARLEKIN. O Herr Barthold! Herr Barthold! das wäre zu viel, erst Schläge, und nun gar einen Korb! Das ist eine Comödie und auch keine Comödie.

BARTHOLD. Hier Kolombine! Die Comödie ist noch nicht zu Ende. Du weißt, sie muß allezeit mit einer Heirath schließen.

KOLOMBINE. Nein, Papa! Das ist nicht nöthig; wir haben viele Stücke auf unsrer Bühne, welche sich bloß mit Schlägen endigen: und wenn es recht zugegangen wäre, so hätte Harlekin, oder der Herr Hauptmann von Astaroth, auch damit zu Hause gehen müssen.

BARTHOLD. Ich rathe Ihnen, mein lieber Harlekin, hier meiner Tochter Ihre Scrupel öffentlich abzubitten.

HARLEKIN. O von Herzen gern! Siehe hier, mein Engels Kolombinchen, ich liege hier vor Dir auf den Knieen, und bitte öffentlich um Vergebung.[59]

KOLOMBINE. Sie müssen mir erst Ihr Schwert übergeben. Es schickt sich nicht, daß Sie solches in dieser Stellung an der Seite tragen.


Er überreicht ihr seinen Säbel.


Sie hätten verdient, Herr Hauptmann von Astaroth, daß ich Ihnen jetzt mit Ihrem eigenen Säbel die Haut voll schlüge. – – – Weil Du es aber bist, mein allerliebstes Harlekinchen, so will ich – –

HARLEKIN. O kein: will ich nicht! kein will ich nicht!

KOLOMBINE. So will ich – –

HARLEKIN. Nun, so will ich – –

KOLOMBINE. So will ich die Strafe fürs erste noch aufschieben – – –

HARLEKIN. Nur nicht bis in den Ehstand!

KOLOMBINE. Aber mit der ausdrücklichen Bedingung: daß wir noch immerfort alle Tage Braut und Bräutigam spielen.

HARLEKIN. O ja! o ja!

BARTHOLD. Ach, meine lieben Kinder, ihr wißt noch nicht, was dazu gehört.

HARLEKIN. Wie? Herr Barthold, so bekomme ich ja alle Tage von der braunen Kruste.

BARTHOLD. Das ist für eine tägliche Kost etwas zu hart; und wenn man ein Stück zu oft widerhohlt, so werden es sogar die Zuschauer müde.

KOLOMBINE. Sorgen Sie nicht, Papa; ich weiß schon, wie Harlekin sie am liebsten ißt. Er kann es ja probiren, und wenn er sie dann nicht mehr mag, so will ich ihm was anders vorsetzen.

BARTHOLD. O du liebe Einfalt! aber kommt Kinder, weil der Braten noch warm ist.

KOLOMBINE. Ich bin fertig.

BARTHOLD. Je nun; so wollen wir den Zuschauern eine gesegnete Abendmahlzeit wünschen.

HARLEKIN. Und zur Probe, eine braune Kruste.[60]

Quelle:
Justus Möser: Harlekin. Berlin und Zürich 1968, S. 57-61.
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