Ich bin ein Pilger ...

[10] Ich bin ein Pilger, der sein Ziel nicht kennt;

der Feuer sieht und weiß nicht, wo es brennt;

vor dem die Welt in fremde Sonnen rennt.


Ich bin ein Träumer, den ein Lichtschein narrt;

der in dem Sonnenstrahl nach Golde scharrt;

der das Erwachen flieht, auf das er harrt.


Ich bin ein Stern, der seinen Gott erhellt;

der seinen Glanz in dunkle Seelen stellt;

der einst in fahle Ewigkeiten fällt.


Ich bin ein Wasser, das nie mündend fließt;

das tauentströmt in Wolken sich ergießt;

das küßt und fortschwemmt – weint und froh genießt.


Wo ist, der meines Wesens Namen nennt?

Der meine Welt von meiner Sehnsucht trennt?

Ich bin ein Pilger, der sein Ziel nicht kennt.

Quelle:
Erich Mühsam: Ausgewählte Werke, Bd.1: Gedichte. Prosa. Stücke, Berlin 1978, S. 10.
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