Wenn Gott mich so verstände

[16] Wenn Gott mich so verstände,

wie ich sein Werk versteh,

er gab in meine Hände

den Segen für das Weh.


Ich seh auf Feld und Weide

das Glück der Welt gedeihn.

Für mich wächst kein Getreide,

am Rebenstock kein Wein.


Ich möcht die Menschen lehren,

wie man das Leben lebt;

kann selbst mich nicht erwehren

des Leids, das an mir klebt.
[16]

Ich bete zu den Frauen:

seid schön, seid stark, seid frei!

An meiner Liebe schauen

die Herrlichsten vorbei.


Wär mir der Blick verschlossen

und kennt die Schönheit nicht –

ich stände hell umflossen

von Sonne und von Licht.


Gott ist gerecht und weise.

Stimmt an: Halleluja!

Zu Gottes Ehr und Preise

bin ich, der Dichter, da.

Quelle:
Erich Mühsam: Ausgewählte Werke, Bd.1: Gedichte. Prosa. Stücke, Berlin 1978, S. 16-17.
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