Rebellenlied

[122] Sie hatten uns mit Zwang und Lügen

in ihre Stöcke eingeschraubt.

Sie hatten gnädig uns erlaubt,

in ihrem Joch ihr Land zu pflügen.

Sie saßen da in Prunk und Pracht

mit vollgestopftem Magen

und zwangen uns, für ihre Macht

einander totzuschlagen.

Doch wir, noch stolz auf unsere Fesseln,

verbeugten uns vor ihren Sesseln.


Sie kochten ihre Larvenschminke

aus unserm Blut und unserm Schweiß.

Sie traten uns vor Bauch und Steiß,

und wir gehorchten ihrem Winke.

Sie fühlten sich unendlich wohl,

sie schreckte kein Gewitter.

Jedoch ihr Postament war hohl,

ihr Kronenschmuck war Flitter.

Wir haben nur die Faust erhoben,

da ist der ganze Spuk zerstoben.


Es rasseln zwanzig Fürstenkronen.

Die erste Arbeit ist geschafft.

Doch, Kameraden, nicht erschlafft,

soll unser Werk die Mühe lohnen!

Noch füllen wir den Pfeffersack,

auf ihr Geheiß, den Reichen;

noch drückt das Unternehmerpack

den Sporn uns in die Weichen.

Noch darf die Welt uns Sklaven heißen –

noch gibt es Ketten zu zerreißen.
[123]

Vier Jahre hat die Welt der Knechte

ihr Blut verspritzt fürs Kapital.

Jetzt steht sie auf, zum erstenmal

für eigne Freiheit, eigne Rechte.

Germane, Römer, Jud und Ruß

in einem Bund zusammen –

der Völker brüderlicher Kuß

löscht alle Kriegesflammen.

Jetzt gilt's die Freiheit aufzustellen. –

Die rote Fahne hoch, Rebellen!

Quelle:
Erich Mühsam: Ausgewählte Werke, Bd.1: Gedichte. Prosa. Stücke, Berlin 1978, S. 122-124.
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