Trutzlied

[124] Nennt uns nur höhnisch Weltbeglücker,

weil wir das Joch der Unterdrücker

nicht länger dulden und die Schmach.

Lacht nur der neuen Ideale,

leert auf die alten die Pokale –

Wir geben nicht nach!


Legt nur die Stirn in ernste Falten,

schreckt auf im Bette ungehalten

und scheuert euch die Augen wach.

Flucht auf die unerwünschte Störung,

reißt 's Fenster auf und schreit: Empörung!

Wir geben nicht nach!


Setzt euch nur auf die Geldkassette,

daß Gott die arme Seele rette

aus Not, Gefahr und Ungemach –

und ruft nach euern guten Geistern,

nach Polizei und Kerkermeistern –

Wir geben nicht nach!


Daß den Verrat der Teufel hole,

langt nur die Repetierpistole

samt den Patronen aus dem Fach,[124]

und schmückt den Hut mit der Kokarde

der geldsacktreuen weißen Garde –

Wir geben nicht nach!


Laßt Volkes Blut in Strömen fließen,

laßt uns erhängen und erschießen,

setzt uns den roten Hahn aufs Dach.

Laßt Mörser und Haubitzen wüten,

um euer Diebesgut zu hüten –

Wir geben nicht nach!


Laßt euer Höllenwerkzeug toben!

Die Sehnsucht selbst hat sich erhoben

des Volks, das seine Ketten brach.

Freiheit und Recht stehn auf der Schanze.

Sieg oder Tod – jetzt geht's ums Ganze! –

Wir geben nicht nach!

Quelle:
Erich Mühsam: Ausgewählte Werke, Bd.1: Gedichte. Prosa. Stücke, Berlin 1978, S. 124-125.
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