Der Torbogen

[50] Dunkel und schwer quer über die Gasse

wölbt sich ein Bogen von Dach zu Dach,

stützt mit den Schultern die bröcklige Masse

bresthafter Häuser aus Mörtel und Fach.


Schwarz aus des Fensters gespenstischen Gittern

glotzt von des Torbogens Stirne die Nacht,

wirft mit Schatten, die züngelnd zittern,

höhnt den furchtsamen Wind und lacht;


knetet aus Finsternis grinsende Fratzen,

stößt sie den Menschen zum Schornstein hinein,

daß sie sich lagern auf ihre Matratzen

und sich umfassen mit kaltem Gebein.


Mann und Weib flüchten näher zusammen,

bannen die Angst in verzweifeltem Kuß ...

Kinder werden von ihnen stammen,

die der Torbogen hüten muß.


Quelle:
Erich Mühsam: Ausgewählte Werke, Bd.1: Gedichte. Prosa. Stücke, Berlin 1978, S. 50.
Lizenz:
Kategorien: