442. Die geteilte Ernte.

[297] Ein Bauer und der Teufel mieteten einmal gemeinschaftlich einen Krug Landes. Damit aber später kein Streit um die Ernte entstünde, sagte der Teufel zum Bauern: »Laß uns würfeln, wer das, was über der Erde oder wer das, was darunter wächst, endlich haben soll.« Der Bauer war's zufrieden. Aber der Teufel verstand den Kniff, warf und hatte die meisten Augen; so sollte er das haben, was oben wüchse. Der Bauer aber hatte das Feld zu bestellen und besäte es mit eitel Rüben; da erhielt der Teufel, als der Herbst kam, nur das Kraut. Das ärgerte ihn, doch konnte er nichts dazu sagen. Weil sie aber das Feld auf zwei Jahre gemietet hatten, so würfelten sie zum zweiten Male; da warf der Teufel mit Absicht die wenigsten Augen, aber der Bauer säte nun Weizen und im nächsten Herbst erhielt der Teufel allein die Wurzeln. Nun schimpfte er erst dem Bauern die Haut voll, als er sich abermals betrogen sah, und sagte voll Ärger: »Übermorgen komme ich, dann sollst du dich mit mir kratzen.« Hatte der Bauer erst gelacht, so ward ihm nun doch bange. Seine Frau merkte seine Traurigkeit und fragte ihn darum. Der Mann sagte ihr nun, so und so, und morgen solle er sich mit dem Teufel kratzen. Da sprach die Frau: »Sei nur ganz ruhig, ich will schon mit ihm fertig werden, geh du nur aus.« Der Mann ging also am bestimmten Tage aus, und als der Teufel kam, tat die Frau, als wenn sie ganz böse und ärgerlich wäre. »Was fehlt ihr denn, kleine Frau?« fragte der Teufel. »Ach«, antwortete sie, »seh er nur mal her, da hat mir mein Mann eben mit dem Nagel seines kleinen Fingers diesen großen Riß quer in meinen schönen eichenen Tisch gemacht.« »Wo ist er denn?« »Wo sollt er wohl anders sein, als beim Schmied? Er ist schon wieder hin und läßt sich die Nägel schärfen. Ist das nicht zum ärgerlich werden?« »Da hat sie ganz recht, gute Frau, das muß ärgerlich sein, so einen im Hause zu haben«, sagte der Teufel, und ging darauf sachte aus der Tür und machte, daß er fortkam.


[297] Mündlich aus der Wilstermarsch. – Rückerts Fabel nach einer arabischen Quelle; die ethnische bei Grimm, Reinhart Fuchs CCLXXXVIII; eine deutsche Kinder-und Hausmärchen Nr. 189 etc. etc. Die dänische bei Thiele II, 249 zeigt einen Bergmann. Daher wäre die Sage wohl richtiger in die Reihe der Zwergsagen gestellt.

Quelle:
Karl Müllenhoff: Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg. Kiel 1845, S. 297-298.
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