476. Zi, der Baumeister.

[317] Ein Mann hatte es angenommen, die Eckwadter Kirche bis zu einer bestimmten Zeit zu erbauen, aber er sah sich bald außerstande, sein Wort zu erfüllen. Mißmutig ging er eines Abends umher und grübelte, was für ihn wohl in dieser Sache zu tun sei; da trat ein kleines Männchen, ein Bergmann, zu ihm und bot ihm seine Dienste an. Der Baumeister hörte anfangs spöttisch die großprahlerischen Reden des Kleinen an, endlich aber wurden sie doch einig, daß der kleine Mann in kurzer Zeit die Kirche bauen, hingegen der Baumeister bis dahin seinen Namen ausfindig machen sollte; könnte er das nicht, so müßte er selbst mit Leib und Seele dem kleinen Mann gehören. Seelenvergnügt ging der Baumeister heim, denn er dachte: Will er mir nicht selbst seinen Namen sagen, so will ich ihn schon aus seinen Leuten herauslocken. Aber es ging anders als er dachte mit dem kleinen Mann; der brauchte weder Handwerker noch Handlanger, sondern alles vollbrachte er selbst mit unglaublicher Behendigkeit, so daß der Baumeister wohl sah, er würde leicht bis zur bestimmten Zeit fertig werden. Traurig wie das erstemal ging er wieder über Feld. Als er[317] aber bei einem Hügel vorbeikam, so hörte er etwas drinnen schreien, und als er darauf genauer lauschte, sagte eine drinnen:


Vys! vœr still Baen mint,

Maaen kommer Faer Zi

Mœ Christen Bloi te dœ.

(Sch! Sch! węs still mien Kind,

Morgen kummt dien Vader Zi

Mit Christenblood för di!)


Da ward der Baumeister froh, denn er wußte wohl, wem die Worte galten, eilte zu Hause, und da es gerade der letzte Morgen war, daß am Tage die Kirche fertig sein sollte, und er den Bergmann eben beschäftigt fand, den letzten Stein einzusetzen, – er pflegte nur des Nachts zu arbeiten – so rief er ihm schon von ferne zu:


God Maaen, Zi! God Maaen, Zi!

Sœtter du nu den sidste Steen i!

(Guten Morgen, Zi! Guten Morgen, Zi!

Setze nur ein den letzten Stein!)


Da ward der Kobold rasend, als er seinen Namen hörte, und warf den Stein, den er eben einsetzen wollte, fort und fuhr in seine Höhle. Man hat das Loch, das da nachblieb, niemals zumauern können; in der Nacht ward immer alles wieder herausgestoßen. Ein Mauermann, der es einmal auszumauern versucht hat, bekam darnach eine auszehrende Krankheit. Später setzte man da ein Fenster ein; das ließ der Kobold unangetastet; es befindet sich am Aufgang zum Turm, zwischen diesem und dem Karnhause. Nach der Erbauung der Kirche war noch lange bei derselben ein solcher Lärm und Spuk, daß die Einwohner es nicht auszuhalten vermochten, und allmählich fortzogen. Sie haben sich darauf da angesiedelt, wo jetzt das Dorf Hönkys ist, weil die Einwohner sich von ihrer Kirche, die nun allein steht, hatten wegschrecken (henkyse) lassen.


Dannevirke 1840 Nr. 18. Herr Pastor Hansen in Jordkirch. Herr H. Petersen in Soes und Herr C. Petersen in Hellewad. – Auch die Munkbraruper Kirche in Angeln ward auf dieselbe Weise gebaut. Der betrübte Baumeister hört unter der Erde ein Kind weinen; da sagt die Mutter: »Schweig still, du Ding! heut abend kommt dein Vater Sipp und gibt dir Christenblut zu trinken« usw.

Quelle:
Karl Müllenhoff: Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg. Kiel 1845, S. 317-318.
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