1.

[36] Störtebeker und Göde Micheel waren Seeräuber und trieben lange Zeit vor der Elbe ihr Wesen, so daß kein Schiff heraus oder herein konnte, sie hätten es denn erst vorgenommen. Unser König und die Hamburger konnten ihnen nichts anhaben. Endlich aber hat ein Blankeneser Fischer sie gefangen, als sie einmal in der Elbe lagen. Er war ihr alter Bekannter und Kamerad gewesen, ward freundlich von ihnen aufgenommen und bat sein Boot an ihr Schiff zu legen, weil das Wasser unruhig sei; er wolle sich Essen kochen. Da es nun Nacht ward und sie meinten, er sei mit dem Essen beschäftigt, schmelzte er Blei und lötete damit ihnen das Steuerruder fest. Unbemerkt entfernte er sich nun und machte den Hamburgern davon Anzeige, die ihn bis an seinen Tod dafür gut verpflegen ließen.

Drei Jachten machten sich sogleich auf, wie man versichert, eine aus Hamburg, eine aus Altona und die dritte eine preußische. Am Morgen fielen sie über die Seeräuber her, und da diese sich nicht rühren konnten, wurden sie nach tapferer Gegenwehr endlich alle gefangen. So brachte man sie, siebenzig an der Zahl, nach Hamburg und alle wurden auf dem Grasbrook geköpft, wobei so viel Blut floß, daß es dem Scharfrichter bis an die Knöchel ging. Nach der Hinrichtung fragte ihn der Senat, wie ihm dabei zu Mute gewesen sei. »O, gestrenge Herren«, antwortete er, »mir war so wohl dabei, daß ich auch noch den ganzen hochweisen Senat hätte abtun mögen.« Diese kecke Antwort aber mußte er mit seinem Leben büßen.

Vergebens hatten die Hamburger in dem Schiffe nach großen Schätzen gesucht; da man nichts fand, verkaufte man es endlich an einen Zimmermann, es zu zerschlagen. Als der aber die Säge ansetzte, traf er gleich auf etwas Hartes und bald schimmerte ihm das helle Metall entgegen. Er machte dem Magistrat Anzeige davon, und als man nun die Masten untersuchte, war der eine mit purem Golde, der andere mit Silber und der dritte mit Kupfer angefüllt. So waren auch die übrigen Balken ausgehöhlt. Man belohnte den Zimmermann reichlich und ließ aus dem Golde eine Krone verfertigen, die um den St. Katharinenturm reichte. Daraus haben die Franzosen später Dukaten geschlagen.


Mündlich von Herrn cand. theol. Rejahl aus der Elbmarsch und durch Herrn Hansen in Keitum auf Sylt und aus Tondern.

Quelle:
Karl Müllenhoff: Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg. Kiel 1845, S. 36.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sagen, Märchen und Lieder
Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg
Sagen, Märchen und Lieder der Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg
Plattdeutsche Legenden und Märchen: aus: Karl Müllenhoffs Sammlung (1845): Sagen, Märchen und Lieder der Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg
Legenden und Märchen von Ostsee und Schlei: aus: Karl Müllenhoffs Sammlung (1845): Sagen, Märchen und Lieder der Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg
Sagen, Maerchen und Lieder der Herzogtuemer Schleswig, Holstein und Lauenburg