93. Die Polacken in Toftlund.

[84] Es war eine unglückliche Zeit, als die Polacken hier im Lande waren. Viele Dörfer wurden verbrannt und ausgeplündert und die Einwohner mußten sich in die Waldungen flüchten, um nur ihr Leben und die beste Habe zu retten.

Damals war in Toftlund oder Herrested ein frommer Prediger, der keine Lust hatte, sein Haus für nichts und wider nichts ausplündern zu lassen. Ein Haufe Polacken kam ins Dorf geritten: da ersann er eine List, um sich vor diesen Gästen zu bewahren. Er hatte in seinem Garten eine große Anzahl Bienenstöcke. Die kehrte er um, so daß das Unterste zu oberst stand, und nun schwärmte eine unsägliche Menge Bienen ums ganze Haus, daß kein Mensch an dem Tage hineinkommen konnte. Aber am folgenden Tage kamen die Polacken wieder und besuchten nun den Prediger. Einer war so gottlos, daß er hinging und ein Loch in den Türpfosten bohrte, den Prediger bei seinem langen Barte ergriff, diesen hineinstopfte und einen Pflock darauf schlug. So mußte der arme Mann stehn, bis die Gäste fort waren und andere Leute hinzukamen und ihm halfen. Der Übeltäter sollte aber nicht so davon kommen, sondern konnte seit der Zeit nicht wieder froh werden. Er schwand so hin und fühlte doch, daß er nicht sterben könne, bevor er des Predigers Verzeihung erhalten hätte. Deswegen reiste er zurück und der Prediger vergab ihm seine Sünde. Darauf starb er eines ruhigen Todes und ward auf dem Kirchhof in Herrested begraben, wo man noch seinen Grabhügel sehen kann.


[84] Dannevirke 1843, Dez. n. 45. – Der Grabhügel soll aber ein Hünengrab sein. Vgl. oben Nr. 64. – Eine andre Sage bei Thiele I, 89. Vgl. 95 f. Über die Polacken Rhode, Haderslev-Amt S. 82 f. Jensen, Angeln S. 109, 110: Steinberg war ganz ausgeplündert. Nur eine Kuh hatte man dort lange Zeit verborgen, bis sie, als man kein Futter mehr für sie hatte, sich durch ihr Gebrüll verriet. Es waren nur zwei Pferde mehr da. Mit diesen mußte ein Bauer in Fuhre nach Missund, da nahmen die Polacken ihm auch diese ab und er mußte nach Hause gehn. Ermattet und hungrig kam er nach Steinberg, es war am Weihnachtsabend, aber die Frau hatte nichts als einige Kohlstengel für ihn, die sie im Garten sammelte und in Wasser kochte. Das soll auf der jetzt Magnussenschen Hufe geschehen sein. – Die List mit den Bienen ist alt. Widukind II, 23. Bechstein, Fränk. Sagen S. 152.

Quelle:
Karl Müllenhoff: Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg. Kiel 1845, S. 84-85.
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