148. Die Bridfearhoger auf Sylt.

[115] Ein Mädchen in Eidum hatte sich mit einem jungen Manne verlobt und ihm geschworen, sie wolle eher zu Stein als die Frau eines andern werden. In dem Glauben an ihre Treue ging der junge Mann zur See. Doch das Mädchen vergaß ihn bald, nahm nachts Besuche anderer Freier an und verlobte sich endlich mit einem Schlachter aus Keitum. Der Hochzeitstag ward bestimmt und der Brautzug mit einem Vormann an der Spitze ordnete sich nach alter Weise und ging von Eidum auf Keitum zu. Da begegnete ihnen auf der Mitte des Weges ein altes Weib, und wenn das schon immer ein böses Zeichen für eine Braut ist, so rief dieses sogar: »Eidemböör, Keidemböör, juu Brid es en Hex1!« Ärgerlich und erzürnt antwortete der Vormann: »Es üüs Brid en Hex, do wild ik, dat wü jir altimaal dealsonk, en wedder apwugset üs grä Stiin2!« Kaum waren die Worte gesprochen, so versank die ganze Gesellschaft samt der Braut und dem Bräutigam in die Erde, und alle wuchsen als graue Steine wieder zur Hälfte hervor. Man hat diese fünf großen Steine, zwei und zwei nebeneinander mit dem Vormann an der Spitze, bis vor wenigen Jahren noch gezeigt. Sie standen nördlich von Tinnum nicht weit vom ehemaligen Dinghügel, und dabei waren zur Erinnerung an jene Begebenheit zwei kleinere runde Hügel aufgeworfen, die man die Bridfearhoger, d.i. die Hügel der Hochzeitsgesellschaft nannte. Sie sind auch jetzt abgetragen.


Herr Schullehrer Hansen auf Sylt im Husumer Wochenbl. 1837. – Statt eines Vormannes nennen andre einen Fuhrmann.

Fußnoten

1 Eidumer, Keitumer, eure Braut ist eine Hexe (Falsche, Ungetreue).


2 Wäre unsere Braut eine Hexe, dann wollte ich, daß wir allesamt in die Erde sänken und wieder aufwüchsen als graue Steine.


Quelle:
Karl Müllenhoff: Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg. Kiel 1845, S. 115.
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