178. Die Kirchenräuber.

[129] Eben vor der Schlacht auf der Lohheide nahm der König Christoffer die Stadt Schleswig ein und überließ sie seinen Soldaten zur Plünderung. Die haben aufs grausamste gewirtschaftet, die Bürger ermordet und Frauen[129] und Kinder geschändet und verstümmelt. Ja nicht einmal die Kirchen blieben sicher vor ihren zuchtlosen Händen. Aber Gott strafte die Frevler wunderbar.

Einige rühmten sich nachher des Raubes, den sie in der Stadt gemacht hatten, und warfen dabei einem dritten vor, daß er seine Beute allein behalten und nicht mit seinen Kameraden geteilt hätte. Er verwünschte und verfluchte sich, zog sein Schwert aus der Scheide und sprach: »Wenn ich einen von Euch betrogen habe, so mag das Schwert in meinen Leib fahren.« Und kaum hatte er das Wort gesprochen, als er wie von einem bösen Geist getrieben sich selber durchbohrte. Da erschraken die andern, so daß sie alles Geraubte zurückbrachten und zum Beweise aufrichtiger Reue und Sinnesänderung Wallfahrten nach heiligen Örtern unternahmen. Ein anderer Räuber fiel nachher in eine schwere Krankheit und mußte große Qualen ausstehen. Da ermahnte er seine Gefährten und sie folgten seinem Rate und stellten der Kirche alles zurück.

Ein anderer, der in einer Kirche seinen Mutwillen getrieben hatte, fiel plötzlich in Wahnsinn und Tobsucht, so daß er in lautes Geheul ausbrach und zur Kirche hinaus geführt, draußen auf der Straße im Beisein vieler Menschen sich selbst mit seinen Händen zerfleischte und unter furchtbaren Zuckungen endlich den Geist aufgab. Denn der Bösewicht hatte ein lautes Gelächter aufgeschlagen, als er die Bildsäule eines Heiligen schwitzen sah, und hatte gesagt, alte Weiber hätten sie mit Wasser begossen. Noch ein anderer hatte auch darüber gespottet, als er das Bild der Maria reichliche Tränen vergießen sah; aber augenblicklich erblindete er und mußte von andern aus der Kirche geführt werden. – Ein Soldat, der die Kirche des heiligen Nikolaus angesteckt hatte, litt nachher mitten im Winter von solcher Hitze und innerlicher Glut, daß er sich nicht zu retten wußte und voll Verzweiflung sich ins Wasser stürzte. Auf ähnliche Weise haben alle die Übeltäter damals ihre Strafe gefunden und keiner von ihnen ist freigekommen.


Cypraei Annal. episcop. Slesvic. S. 270 ff. – Thiele, Danm. Folkes. I, 27 f.

Quelle:
Karl Müllenhoff: Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg. Kiel 1845, S. 129-130.
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