188. Helgoland.

[134] Die elftausend Jungfrauen landeten einst auf Helgoland, das damals ein schönes grünes Land war. Die Leute aber waren so gottlos und trieben Schande mit den heiligen Jungfrauen. Darauf ist das Land versunken und abgerissen und alles zu Stein verwünscht. Der, der dieses erzählt, hatte noch ein Endchen Wachslicht in Verwahrung, das ganz zu Stein geworden war.

Andere aber melden:

Verfolgt sprangen einmal heilige Jungfrauen in der Gegend, wo jetzt Helgoland ist, aus dem Schiffe und tanzten so lange auf dem Wasser, bis der Fels herausgetanzt war. Die Jungfrauen haben dann ihre Fußstapfen dergestalt in die Erde gedrückt, daß solche niemals in vielen Jahren mit Gras überwuchsen. Die Fußstapfen waren zu sehen, so lange bis das Stück Land vom Wasser ist weggespült. Man nannte diesen Platz auch den Jungfernstuhl.

Hier bei Helgoland ist auch einmal mit einem Ostwinde ein Kruzifix angetrieben und eine kleine Glocke ohne Knebel hat auf seiner Brust gestanden. Man hob diese in der Kirche auf und wenn einmal lange Zeit schlechter Wind gewesen ist und man guten Ostwind wünschte, gingen die Helgoländer paarweise zur Kirche, beteten vor dem Altar und tranken einander aus der Glocke zu auf eine glückliche Zeit. Am dritten Tage wenigstens stellte sich dann der Ostwind ein.


Neocorus II, 85. – Benjamin Knobloch (1643) bei Laß, Nachrichten Helgolands S. 13, 41. Vgl. Westphalen IV, 220, wo Bertram Poggwisch aus dem Jahre 1599 berichtet: Auf hillig Land bin etliche Tage gewesen und es haben die Einwohner mir gezeiget etzliche Fußtappen, die man im Grase kennen kann (ist dunkler denn ander Gras), mit diesem Bericht, daß St. Ursula aus England dahin geschifft und ihre Schwester Debora an den Landesherren Heligo zur Ehe gegeben und da Hochzeit gehalten. Als ich dar einige Tage verharret und der Wind contrair gewest, hat mir der Vogt zu erkennen gegeben, daß bei seines Großvaters Zeiten sei ein Crucifix von der Norderseiten ans Land angeflossen kommen, und auf der Brust sei eine Klocke gestanden ohne Knepel. Ich habe begert die Klocke aus der Kirche herzubringen; alsdann habe ich die Klocke vollschenken lassen, daraus getrunken und gesagt: »Gott und die heilige Jungfrau St. Ursula samt ihrer Gesellschaft wolle uns morgen bescheren ein gelinden Westerwind, bis nach Ederstedt«, (sein sechs Wekesehes [?]). Mein Schiffer, ein Lutheraner, hat alleweg nur Gott allein und nicht die Heiligen wollen mit anrufen und daneben um ein Südwestwind gebeten. Des Morgens aber ist ein gelinder Westwind gewesen, der sich nicht verändert hat, bis ich hinüber nach Eiderstedt gekommen. Vgl. unten zu Nr. 202.

Quelle:
Karl Müllenhoff: Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg. Kiel 1845, S. 134.
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