231. Der Teufel holt den Letzten.

[155] Maeß Anneken Herken war ein wohlhabender, aber gottloser Bauer zu Epenwörden bei Meldorf. Nicht anders war sein Bruder Maeß Anneken Hans gewesen und ihr Vater. Aber dieser und darauf auch jener ertranken an der Mielbrücke nacheinander, als sie einmal von Meldorf nach Hause wollten. Eines Tages war Maeß Anneken Herken auch nach Meldorf geritten, um allerlei einzukaufen. Er brachte aber den ganzen Tag zu in Schwelgen und Saufen, ließ sich in jeder elenden Schenke sehen und führte gotteslästerliche Reden. Als er darauf bei Nacht nach Hause wollte, gab man ihm einen Knaben zum Geleit mit und setzte ihm ihn hinten aufs Pferd. Eben draußen vor Meldorf befahl ihm aber Maeß Anneken Herken abzusteigen und wieder umzukehren, ritt allein weiter und rief: »Der Teufel hole den Letzten.«

Am andern Morgen, da man ihn im Dorfe vermißte und an die Mielbrücke kam, sah man weiter südwärts den Strom hinunter sein Pferd ledig stehen. Man untersuchte den Ort und fand bald den Toten, der noch einen kleinen Korb über dem Arm hatte. Was da in der Nacht geschehen, weiß zwar niemand zu sagen, aber viele wußten, daß am Tage zuvor bei hellem Mittag ein schwarzer Reiter mit seinem Pferde da hineingeritten sei; und wo dieser weiter geblieben, hatte niemand gesehen.


Neocorus II, 384.

Quelle:
Karl Müllenhoff: Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg. Kiel 1845, S. 155.
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