299. Der nächtliche Pflüger.

[199] In der Breder Gemeinde hatte ein Mann seinem Nachbarn ein Stück Land betrügerischer Weise abgenommen. Nach seinem Tode konnte er darum keine Ruhe finden. Jeden Abend, wenn es dunkel zu werden anfing, sah man ihn mit Pflug und Pferden und dem Knecht, der ihm früher geholfen hatte, auf den Acker ziehen und pflügen. So oft er die Wende hinunter gekommen war, hörte man ihn seinem Knecht zurufen: »Willads vend!« (Wilhadus kehre um!) Gegen Mitternacht zog er auf einem schmalen Wege wieder zum Kirchhof hinauf, um noch zur rechten Zeit im Grabe zu sein. Da dachten einige mutwillige Burschen einmal den Pflüger zu fangen. Sie kauften ein neues ungebrauchtes Hanfseil,[199] bespickten es mit ungebrauchten Nähnadeln und spannten es über den Weg. Dann stellten sie sich daneben, um zu sehen, wie es abliefe. Aber je näher die Zeit der Heimkehr des Pflügers kam, je schwüler ward ihnen ums Herz und endlich eilten sie furchtsam davon. Bald darauf hörten sie einen durchdringenden Schrei, dann war alles wieder still. Am Morgen fand man das Seil zerrissen; der Nachtwandler kam aber später nicht wieder.


Durch Herrn Petersen in Soes. – Kuhns Märk. Sagen Nr. 27. Haupts Zeitschr. IV, 391.

Quelle:
Karl Müllenhoff: Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg. Kiel 1845, S. 199-200.
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