4.

[206] In Ringsberg, Kirchspiel Munkbrarup, hatte ein Bauer den Grenzstein verrückt. Als er gestorben war, mußte er immer um den Stein herum wandeln oder ganze Nächte darauf sitzen, und ward von vielen gesehen. Das war den Verwandten unangenehm, und sie wollten gerne, daß er zur Ruhe käme. Sie baten daher einen Prediger in der Nachbarschaft, der als Geisterbanner berühmt war, dem Geist zur Ruhe zu verhelfen. Der Prediger versprach's. Als es Abend geworden war, sagte er zu seinem Knechte, er solle anspannen, setzte sich dann zu ihm auf den Wagen und ließ ihn nach dem Moore fahren, aber gebot ihm, doch ja nicht sich umzusehen, es passiere auch, was da wolle. Der Knecht fuhr los und merkte bald, daß der Wagen sehr schwer ging und die Pferde viel zu ziehen hatten, doch sah er sich nicht um. Auf dem Moore stieg der Prediger ab, zog ein Buch aus der Tasche und fing an darin zu lesen. Sogleich kamen viele Geister herbei, auch der wandelnde Geist des Bauern; einer schlug dem Prediger das Buch aus der Hand. Gleich griff dieser in den Busen und zog ein zweites heraus, das ward ihm auch aus der Hand geschlagen. Er nahm ein drittes und das mußten sie ihm lassen. Da sah der Knecht, der auf dem Wagen saß, wie nun, während der Prediger las, der Geist des Bauern immer kleiner und kleiner ward[206] und zuletzt ganz versank und verschwand. Die andern Geister aber tummelten gar gewaltig durcheinander, solange bis auch sie verschwanden. Da stieg der Prediger wieder auf den Wagen, ließ den Knecht umwenden und nach Hause fahren, gebot ihm aber nochmals, nicht zurückzusehen. Anfangs ging's auch gut; sie waren aber noch nicht weit gefahren, als der Knecht merkte, daß es hinten hell ward, als wenn der Wagen voll Feuer wäre. Unwillkürlich sah er sich um, dafür aber blieb ihm Zeitlebens der Kopf verdreht auf dem Rumpfe sitzen.


Durch Herrn Schullehrer Boysen in Bistensee. – Bei Rödding, Amt Hadersleben, ging ein Adliger spuken, wo jetzt Röddingkroe liegt. Aber der Prediger mahnte ihn hinunter. Man sagt, daß ebendaselbst jährlich ein Unglück geschieht an Menschen oder Vieh. Rhode, Haderslev-Amt Beskrivelse S. 450.

Quelle:
Karl Müllenhoff: Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg. Kiel 1845, S. 206-207.
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