308. Der Teufel und der Schüler.

[207] Ein Bauer war einst in Armut geraten ohne seine Schuld. Nun war er ganz trostlos und ging umher in tiefen Gedanken. Da kam ein Mann des Weges daher, der hatte einen Menschenfuß und einen Pferdefuß;[207] der fragte ihn, was ihm fehle. Der Bauer erzählte, daß er so bitterlich arm und elend wäre und seine Frau schwanger daheim läge und zu keinem Dinge Rat wäre. Da bot ihm der fremde Mann seine Hilfe an; aber wenn der Sohn, den seine Frau gebären werde, zwanzig Jahr alt wäre, sollte er ihm gehören, dafür sollte er nachts um zwölf seine Tür aufmachen und so viel Geld empfangen, als er nur wollte. Der Bauer wußte selbst nicht, was er tat, als er das einging, so traurig war er. Bald aber tat es ihm leid und er sagte seiner Frau nichts davon. Als es zwölf schlug, klopfte es an die Tür, und ob es ihm gleich unheimlich war, so stand er doch auf und brachte dem Pferdefüßigen seine Kornsäcke, die dieser nun einen nach dem andern voll lauter blanker Speziestaler schaufelte, während der Bauer sie aufhielt. Danach baute der Mann sich ein stattliches Haus, richtete große Scheunen auf und lebte glücklich und zufrieden. Er wollte auch, daß sein Sohn lernen sollte alles was nur zu lernen wäre, schickte ihn in die Schule, und dann auch auf die hohe Schule, und keinen Wunsch hatte der Sohn, den der Vater ihm nicht erfüllte. Als aber die Zeit herankam, wo der Sohn des Teufels sein sollte, ward der Vater betrübt und sagte es seiner Frau. Sie strafte ihn darum und sagte, daß sie ihm das nimmermehr verzeihen könnte, und daß sie viel lieber ganz arm oder tot sein wollte, als ihren einzigen Sohn ewig verlieren. Als sie es dem Sohn erzählten, war dem aber gar nicht bange und er meinte, er sei all seine Tage gottesfürchtig gewesen; so könnte der Böse ihm auch nichts anhaben. Doch ging er mit seinem Vater zu einem Prediger, der ein frommer und gelehrter Mann war, und sie zeigten ihm an, was für einen Verbund der Bauer mit dem Teufel gemacht hätte. Der Prediger schalt freilich den Alten, aber dem Jungen versprach er zu helfen. Sie nannten ihm den Tag, und der Prediger befahl dem Schüler am Abend zu ihm zu kommen. Da ward er vom Pastoren in die Kirche geführt und erhielt ein ganz schönes Buch zum Lesen. Der Prediger machte einen Kreis um ihn mit der Kunst und sagte, den solle er nicht verlassen, es möge kommen was da wolle. Darauf verließ er den Jüngling, der nun aus dem Buch mit klarer Stimme zu lesen anfing. Da schlug die Uhr zwölf; zugleich klopfte es ganz leise an die Tür. Der Jüngling kehrte sich an nichts. Nach einiger Zeit klopfte es wieder an, ein Pastor trat herein und sagte: »Es ist nun vorbei, komm nur!« Der Jüngling kehrte sich an nichts; und das war gut, denn es war der Teufel. Danach klopfte es zum dritten Male: Die Tür sprang auf und der Teufel kam herein wie ein Pastor und fuhr mit einer Kutsche in der Kirche herum, darin hatte er sechs splinternackte Frauenzimmer. Er fuhr immer ganz dicht um den Kreis herum. Der Jüngling aber kehrte sich an nichts, sondern fuhr fort zu lesen. Da verschwand die Kutsche, und der Teufel kam ganz nahe heran, grub mit seinen Krallen ein Grab auf dicht neben dem Schüler, und mit den halbverwesten Leichen trieb er ein gräßlich Spiel, zerriß sie und zog ihnen die Haut ab. Der Jüngling blieb ruhig;[208] als aber ein Fetzen dicht neben den Kreis fiel, streckte er seinen Stecken aus und zog den Fetzen zu sich in den Kreis. Den konnte der Böse nun nicht wieder erlangen und ward mit einem Male demütig und versprach dem Schüler, ihn nicht wieder zu belästigen und ihm gänzlich zu entsagen, wenn er ihm nur den Fetzen wieder geben wollte. Denn vor dem Hahnenschrei mußten die Leichen wieder ganz sein. Der Jüngling kehrte sich an nichts. Als aber der Teufel immer erbärmlicher bat, warf er ihm den Fetzen endlich hinaus. Da machte der Teufel den Toten wieder heil, begrub ihn und verschwand mit einem Gestank. Da kam auch der Pastor. Aber der Jüngling wollte es nicht glauben, sondern sagte: »Ich habe nun so viel den Satan in Priesterkleidern gesehen, daß ich's nicht glauben will.« Das lobte der Pastor, daß er so vorsichtig wäre, löste den Kreis mit der Kunst und der Jüngling war nun gerettet.


Aus Schleswig durch Kandidat Arndt. – Ähnlich werden andre Rettungen vom Teufel erzählt; z.B. die des bösen Amtmanns in Apenrade durch seinen treuen Diener; sein Sarg ward in die Kirche gebracht etc. So auch eine Beschwörung des Teufels durch Schatzgräber in der Koseler Kirche etc. Der mitgeteilten fast gleich ist eine Erzählung aus der Herrschaft Breitenburg, vgl Nr. 484 Anm.

Quelle:
Karl Müllenhoff: Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg. Kiel 1845, S. 207-209.
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