335. Die Hexen in Friesland.

[227] Die Leute in Donsum auf Föhr gelten für Zauberer und besonders sollen die Frauen alle Hexen sein. Es verkehrt darum niemand gerne mit ihnen und keiner freit aus dem Dorfe. Freitags findet man keine Frauensperson zu Hause. Denn an diesem Tage haben sie ihre Zusammenkünfte und Tänze auf einer öden Heide. Abends reiten sie auf Pferden dahin, gewöhnlich aber haben sie Flügel an den Schultern und fliegen. Dann sind sie oft so in der Fahrt, daß sie nicht zu rechter Zeit einhalten können, wenn ein Kirchturm kommt, sondern dagegen anfliegen müssen. Von den Wunden des Falles liegen sie nachher am andern Tage krank. Da, wo sie ihre Tänze gehalten haben, findet man am andern Tage Lumpen von allerlei Art und Farbe, Fetzen und Bandstücke, Nadeln, womit sie in Zauberwachs manchem das Herz durchstochen, Blut und Eiter. Sie können sich in Katzen und Pferde, in Schwäne und Adler verwandeln. Ein junger Mensch wollte einmal seine Braut besuchen; als er in das Haus wollte, lag ein weißes Pferd in der Tür. Da erkannte er, daß seine Braut eine Hexe sei. Es war gerade Freitagabend. – Ein Mann, der von den Hexen viel geplagt ward, ging einmal auf die Jagd; da sah er einen Vogel mit wunderschönen Federn. Er legte an und schoß; da ward aus dem Vogel ein Weib. – Bei einem Wasser in der Nähe von Donsum kam ein Brautpaar vorbei. Auf dem Wasser segelten Schwäne. Da sprach die Braut: »Ich will einen Augenblick zu den Schwänen gehn«, und sie ging hin und fand ihre Schwestern, das waren die Schwäne. Da ward auch sie zu einem Schwan und alle flatterten und schlugen mit den Flügeln. Der Bräutigam mußte alleine nach Hause gehn. – Oft verwandeln sich die Hexen auch in Salhunde und verfolgen die Schiffer und Fischer. Oft kommen sie als Kröten in die Häuser. Kleine Kinder hütet man vor ihrem Blick. Wenn man ein Band oder kleines Tau mit einem Knoten darin am Wege liegen findet, rühre man es nicht an; denn die Hexen haben es hingelegt. Man darf den Zauberinnen[227] keine scharfe Instrumente, Scheren, Messer, am wenigsten Nadeln leihen. – Einem Manne starb seine Kuh; er setzte das Herz mit andern Eingeweiden aufs Feuer, kochte es und die Hexe mußte kommen. Wenn keine Butter kommen will, steckt man Messer um den Deckel des Butterfasses. Das erste Weib, das dann in die Tür kommt, ist die Hexe. Man kann Häuser und Ställe dadurch gegen Hexen verwahren, wenn man über die Tür einen Pferdefuß nagelt oder eine ledendige Eidechse unter der Schwelle vergräbt. Auch gebraucht man Teufelsdreck dazu.

Dies gilt aber nicht allein von den Frauen in Donsum, sondern auch auf Sylt, Amrum und den andern Inseln gibt es Hexen. Auf Sylt waren der Öwenhügel am südlichen Ufer der Insel, der Klöwenhügel zwischen Keitum und Tinnum, der Stippstienhügel bei Wenningstede ihre Versammlungsörter. In der Mainacht reiten sie alle nach dem Blocksberg. – Traalbutter (Hexenbutter) heißt auf Sylt der Holzschwamm.


Mündlich und schriftlich.

Quelle:
Karl Müllenhoff: Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg. Kiel 1845, S. 227-228.
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Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg
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Plattdeutsche Legenden und Märchen: aus: Karl Müllenhoffs Sammlung (1845): Sagen, Märchen und Lieder der Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg
Legenden und Märchen von Ostsee und Schlei: aus: Karl Müllenhoffs Sammlung (1845): Sagen, Märchen und Lieder der Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg
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